69

Richard hörte Schritte, die platschend durch den nassen Korridor näher kamen. Die Frau war Hilfe holen gegangen; vielleicht hatte sie jemanden gefunden.

Aus den fernen Kammern und Fluren vernahm Richard gelegentlich Schreie, wenn Detonationen von Magie durch die Nacht hallten, wenn Menschen verletzt und getötet wurden.

Eine Frau erschien im Mondlicht. »Richard? Richard?«

Richard blinzelte in die Dunkelheit. »Wer seid Ihr?«, brachte er leise hervor.

Sie eilte zu ihm hin und ließ sich auf die Knie fallen. Zu ihrem Entsetzen sah sie Kahlan unweit neben ihm ausgestreckt auf dem Boden liegen.

»Was ist mit der Mutter Konfessor passiert?«

Richard runzelte die Stirn. Sie kannte Kahlan.

»Wer seid Ihr?«

Sie sah wieder zu ihm. »Ich bin eine Schwester. Alessandra. Ich bin schon seit einer Weile in der Stadt und suche nach Nicci, und – ach, schon gut. Eine Frau hat mich gefunden – gleich hier, ein Stück den Flur entlang – und gesagt, du wärst verletzt. Der Mann, der die Statue geschaffen hat. Ich habe verzweifelt versucht, dich früher aufzusuchen, kam aber nicht an die – jetzt fange ich schon wieder damit an. Sag mir, wo du verletzt bist. Ich kann versuchen, dich zu heilen.«

»Ich wurde von einem Schwert durchbohrt.«

Sie erstarrte einen Augenblick lang und schwieg.

»Hier, unter meinen Händen.«

Dann sah sie hin und sprach kaum hörbar ein Gebet. »Ich denke, ich kann dir helfen. Ich befürchtete schon…«

»Nicci muss es tun.«

Schwester Alessandra sah sich um. »Nicci? Aber wo ist sie nur? Ich war auf der Suche nach ihr. Ann hat mich geschickt, sie ausfindig zu machen.«

Richards Blick fiel auf Kahlans reglose Gestalt. »Könnt Ihr ihr helfen?«

Er sah, dass die Frau den Blick abwandte. »Nein, das kann ich nicht. Sie ist mit Nicci über Magie verbunden. Ich bin ihr früher schon einmal begegnet, da erzählte sie mir davon. Durch den Schild der Verbindung zu Nicci hindurch kann ich nichts tun.«

»Ist sie … ist sie noch…«

Die Frau sah hin und beugte sich dann wieder über ihn. »Sie lebt, Richard.«

Er schloss erleichtert – und vor Schmerzen – die Augen.

»Beweg dich nicht«, sagte sie.

»Aber ich brauche Nicci, damit sie mir…«

»Du blutest stark. Es sieht schlimm aus, Richard. Noch ein wenig länger, und du wirst zu viel Blut verloren haben. Wenn ich warte, wird dich niemand mehr heilen können. Du wirst dieser Welt bereits zu weit entrückt sein, als dass dir irgendeine Gabe noch helfen könnte. Ich kann nicht länger warten.

Außerdem bin ich gekommen, um Nicci Einhalt zu gebieten, denn ich kenne sie besser als jede andere. Du darfst dein Leben nicht in ihre Hände legen; du darfst Ihr keinen Glauben schenken.«

»Das hat nichts mit Glauben zu tun. Ich weiß…«

»Sie ist eine Schwester der Finsternis; ich selbst habe sie auf diesen dunklen Weg gebracht. Jetzt bin ich gekommen, um sie wieder zurückzuholen. Bevor es nicht so weit ist, darfst du ihr auf keinen Fall trauen. Dir bleibt nicht mehr viel Zeit. Willst du nun weiterleben oder nicht?«

Alles war dahin, umsonst. Er fühlte, wie ihm eine Träne aus dem Augenwinkel und über seine Wange lief.

»Ich habe mich für das Leben entschieden«, sagte er.

»Ich weiß«, erwiderte sie leise, mit einem Lächeln. »Ich habe die Statue gesehen. Und jetzt nimm die Hände fort, ich muss meine dorthin legen.«

Richard ließ seine Hände seitlich herabgleiten, während sie ihre auf seine Wunde legte. Er kam sich hilflos vor und konnte sich auf nichts anderes konzentrieren als auf die brennenden Schmerzen.

Er spürte das Kribbeln der Magie, als diese in seinen Körper eindrang und den Verletzungen tief in seinem Innern folgte. Er biss die Zähne aufeinander, um einen Schrei zu unterdrücken.

»Halt durch«, redete sie leise auf ihn ein. »Es sieht schlimm aus. Es wird sehr wehtun, aber nach einer Weile wird es wieder in Ordnung kommen.«

»Verstehe«, stammelte er. Er sog scharf die Luft ein. »Versucht es also.«

Der Schmerz ihrer Magie brannte sich mit dem Gefühl weiß glühender Kohlen auf nackter Haut in seinen Leib. Beinahe hätte er lauthals aufgeschrien, doch dann ließ der Schmerz ganz plötzlich nach. Richard lag japsend mit geschlossenen Augen da und wartete, dass er von neuem einsetzte. Er spürte, wie ihre Hände sich behutsam von ihm lösten.

Richard schlug die Augen auf und sah, dass Schwester Alessandra die Augen weit aufgerissen hatte. Einen Augenblick fragte er sich, warum.

Dann sah er das einen Fuß lange Stück Stahl, das aus ihrer Brust ragte. Sie griff sich mit den Fingern an den Hals, als Blut aus ihrem geöffneten Mund hervorsprudelte. Ihre Lippen formten sich zu einem stummen Schrei.

Eine knochendürre Hand stieß sie beiseite.

Sie war mit jenem Schwert durchbohrt worden, mit dem Richard sich gegen Kahlan zur Wehr gesetzt hatte. Blind tastete seine Hand nach dem Heft, das, wie er wusste, noch dort liegen musste, doch ein Fuß trat das Schwert der Wahrheit fort.

Der Schädel des Todes persönlich grinste auf ihn herab.

»Du bist ein Mann, der einem sehr zur Last fallen kann, Richard Cypher«, ließ sich die schnarrende Stimme aus dem Dunkel über ihm vernehmen. »Aber wenigstens hat es jetzt ein Ende mit dieser Last.«

Die hoch gewachsene, kantige Gestalt in Ordensgewand und gekniffter Kappe türmte sich über ihm auf, während er hilflos auf dem kalten, feuchten Boden lag.

»Diese kleine Rebellion, die du angezettelt hast, wird noch vor deinem Tod niedergeschlagen sein, so viel kann ich dir versprechen. Man wird diesem törichten kleinen Zornesausbruch der Menschen ein Ende machen, sie werden schon sehr bald wieder zur Besinnung kommen. Männer wie du finden nur in äußerst fanatischen Kreisen Gehör. Die meisten Menschen sind sich der Pflicht bewusst, die sie gegenüber ihren Mitmenschen haben. Deine ganze Mühe war umsonst.«

Bruder Narev machte eine ausladende Handbewegung, als wollte er jemanden vorstellen.

»Ein durchaus angemessener Ort für deinen Tod, findest du nicht auch, Richard? Diese Kammern bilden die zukünftigen Verhörzellen. Du bist den Zellen einmal entkommen, diesmal wird es dir nicht gelingen. Du wirst in einer von ihnen sterben, so wie du es längst hättest tun sollen.

Ich dagegen werde hier ein langes, sehr langes Leben führen und dafür Sorge tragen, dass der Orden der Welt Moral beschert. Hier unten, in diesen Zellen, werden Radikale wie du ihre Sünden gestehen. Ich wollte nur, dass du das weißt, bevor dich der Hüter für alle Ewigkeit in seine Arme schließt.«

Bruders Narevs knochendürre Hände formten sich zu Krallen, als er seine Magie heraufbeschwor. Richard sah ein weiß gleißendes Licht rund um die Hände des Hohepriesters aufglühen und sich nach unten ausbreiten. Er drückte Kahlans Hand, während er zusah, wie das weiße Licht des Todes immer näher kam.

Das Fluoreszieren nahm eine Farbe wie von Honig an. Als ob sich die Luft verdichtet hätte, begann es an den Seiten herabzugleiten.

Ein wütendes Geheul entwich, immer lauter werdend, aus Narevs Kehle; wutentbrannt schüttelte er drohend seine Fäuste.

»Du hast die Gabe eines Zauberers. Wer bist du?«

»Ich bin Euer schlimmster Albtraum. Ich bin ein denkender Mensch, den Ihr weder mit Euren Lügen hinters Licht führen noch mit Eurer widerwärtigen Magie verbrennen könnt.«

Bruder Narev versuchte, Richard mit dem Fuß ins Gesicht zu treten, doch Richard konnte den Tritt ablenken und packte Narevs Knöchel. Der Mann fand sein Gleichgewicht wieder und zerrte wie von Sinnen, um sich zu befreien. Die Anstrengung des Festhaltens schien die Wunde in Richards Eingeweiden wieder aufzureißen. Er versuchte festzuhalten, aber seine Finger glitten am feuchten Leder ab.

Einmal befreit und außerhalb von Richards Reichweite, bückte Narev sich und packte das Heft des Schwertes, das in der Schwester Rücken steckte. Er riss daran, es ließ sich jedoch nicht vollständig herausziehen. Unter wütendem Geknurre zerrte er weiter an dem Schwert, während seine Stiefel auf dem glitschigen Boden wegrutschten.

Richard wusste, dass Narev, war er erst einmal bewaffnet, schnell bereit war, jemanden hinzurichten.

Mit letzter Kraft warf Richard sich auf die Beine des Mannes. Bruder Narev stürzte rücklings auf den nassen Boden. Richard, dessen Körpermitte von Qualen zerrissen wurde, warf sich auf Narevs Beine, um ihn am Boden festzuhalten. Knochige Finger krallten sich in Richards Gesicht und versuchten ihm die Augen auszuquetschen. Richard drehte den Kopf zur Seite, klammerte sich mit übermenschlicher Anstrengung in das schwere Gewand und zog sich, die ihn dabei ins Gesicht treffenden Schläge ignorierend, am Körper des Mannes hoch.

Er packte Bruder Narev an der Kehle, doch auch Bruder Narevs Finger schlossen sich brutal um Richards Hals. Beide Männer versuchten, vor Anstrengung grunzend, sich gegenseitig zu erwürgen.

Durch eine Drehung des Kopfes versuchte Richard zu verhindern, dass Narev einen tödlichen Griff anbringen konnte, während er gleichzeitig seine eigenen Daumen über Narevs Luftröhre zu schieben versuchte, um ihm die Luft abzudrücken.

Narev versuchte sich herumzuwälzen und Richard abzuwerfen, doch Richard breitete die Beine aus, um Narev das Herunterschleudern zu erschweren, und ließ nicht locker, während der Mann sich wand und wehrte. Er spürte ein Reißen in seinen Eingeweiden.

Monatelang hatte Richard Hammer und Meißel für den Orden geschwungen. Er war kräftiger, aber er verlor auch eine Menge Blut, und seine körperliche Überlegenheit schwand zusehends. Er drückte mit aller Kraft zu, und die Finger an seinem Hals lockerten sich ein wenig.

Die Augen des Mannes traten vor, als es Richard schließlich gelang, ihn zu würgen, bis er erschlaffte. Seine knochigen Hände fielen schwer gegen Richards Schultern.

Unvermittelt packten die Hände Richard ungestüm bei den Haaren.

Narev bekam ein Bein frei und rammte sein Knie in Richards Wunde.

Die Welt erlosch in einem weißen Blitz aus Schmerz.


Benommen erwachte Nicci durch das Geräusch eines leisen, boshaften Lachens. Die Stimme kannte sie, ebenso den Geruch. Kadar Kardeef.

Sie vernahm ein leises Knistern, Knacken und Zischen. Eine Fackel, wie sie erkannte. Er schwenkte sie heftig vor ihrem Gesicht hin und her, so nah, dass sie die entsetzliche Hitze auf ihrer Haut spüren konnte. Brennendes Pech troff herunter und landete auf ihrem Bein.

Nicci schrie vor Schmerz, als sich das Pech in die Haut ihres Oberschenkels brannte.

»Was lange währt, wird endlich gut«, sprach Kadar ihr ins Ohr.

»Es ist mir egal, was Ihr mir antut«, schrie Nicci wütend. »Ich bin froh, dass ich Euch verbrannt habe. Ich bin froh, dass Ihr habt betteln müssen.«

»Oh, nicht mehr lange, dann werdet Ihr ebenfalls betteln. Ihr glaubt es vielleicht nicht, aber Ihr werdet überrascht sein, zu was Feuer einen Menschen treiben kann. Ihr werdet noch erfahren, wie es war. Ihr werdet betteln, ganz bestimmt.«

Nicci versuchte sich mit aller Kraft gegen ihn zur Wehr zu setzen. Wäre Kahlan nur näher gewesen, dann hätte sie den Bann aufheben können. So nah, und doch so fern.

Das Feuer vor ihren Augen machte ihr eine Heidenangst. Aber sie brauchte doch bloß das Band zu kappen, das sie mit Kahlan verband; den Bann musste sie nicht aufheben, um ihre Kraft zurückzugewinnen. Dann konnte sie entkommen. Es würde Kahlan das Leben kosten, aber Nicci würde ihre Kraft zurückgewinnen und konnte daraufhin den Flammen entkommen.

Aber dafür würde sie Kahlan töten müssen.

»Soll ich Euch zuerst das Gesicht verbrennen, Nicci? Euer wunderhübsches Gesicht? Oder vielleicht sollte ich bei Euren Beinen beginnen? Was soll’s denn sein? Die Wahl liegt ganz bei Euch.«

Sich windend, keuchend, versuchte Nicci vor der Hitze auf ihrer Haut zurückzuweichen. Die fauchende Fackel wurde vor ihrem Gesicht hin und her geschwenkt. Ihr war bewusst, dass sie dieses Schicksal verdient hatte, trotzdem versetzte sie die Angst davor in wilde Panik.

Weder wollte sie die Verbindung kappen, um Kahlan umzubringen, noch wollte sie auf diese Weise sterben. Sie wollte nicht, dass ihr Fleisch verbrannte.

»Ich schlage vor, wir fangen ganz unten an, damit wir dich schreien hören können.«

Kadar ließ die Fackel sinken und hielt sie an den Saum ihres Kleides. Nicci schrie auf, als der schwarze Stoff ihres Kleides Feuer fing. Eine solche Angst war für sie eine neuartige Empfindung; zum ersten Mal seit ihren frühen Kindertagen besaß sie etwas, das ihr wichtig war und das sie nicht verlieren wollte: ihr Leben.

In einem Moment blanken Entsetzens erkannte Nicci, dass sie, ganz gleich wie sehr es schmerzen würde, ganz gleich, wie beängstigend es sein würde, Kahlan niemals das Leben nehmen würde. Richard hatte ihr die Antwort gegeben, nach der sie gesucht hatte. Sie hatte bereits zu viel genommen; im Tausch für diese Lektion durfte sie ihr jetzt nicht zuwiderhandeln.

Zwar würde Kahlan wegen ihrer Verbindung zu Nicci dasselbe Schicksal erleiden und desselben qualvollen Todes sterben, aber es würde nicht Nicci sein, die ihn verhängte. Kadar würde ihnen den Tod bringen, nicht Nicci. Sie würde Kahlan niemals töten, um sich selbst zu retten.

Lachend verfolgte Kadar Kardeef, wie ihr Kleid in Flammen aufging. Er hielt Nicci in festem Griff gefangen; sie hatte keine Chance zu entkommen.

Genau in diesem Augenblick sprang ein dunkler Schatten die beiden mitten aus der Luft an und prallte krachend gegen sie. Sie taumelten nach hinten, die Luft ringsum eine einzige Flammenhölle. Als Nicci sich über den Boden wälzte, erlosch das brennende Kleid im Wasser.

Die sie angesprungen hatte, rappelte sich soeben wieder auf und schüttelte den Kopf, als ob sie ihn wieder klar bekommen wollte. Nicci erkannte sie wieder; es war die Mord-Sith, Cara.

Kadar fing sich, sah die Frau und ging mit der Fackel auf sie los.

Nicci warf sich auf Kadar, packte die Fackel mit beiden Händen und drückte sie dem kräftigen, großen Mann ins Gesicht. Das Pech spritzte auf seinen Gesichtsverband aus Lumpen. Nicci hatte gehört, dass Hitze auf bereits verbranntem Fleisch weit schlimmer war als die ursprüngliche Verbrennung. Dem Klang seiner Schreie nach zu urteilen, schien dies der Wahrheit zu entsprechen.

Nicci ergriff Caras Hand, als die Frau wieder auf die Füße kam. »Beeilt Euch! Ich muss unbedingt zu Richard!«

Draußen vor der Zelle, in der Kadars spitze Schreie – als die Flammen ihn allmählich erstickten – zu einem erstickten Wimmern verebbten, packte Cara Nicci bei den Haaren und hielt ihr den Strafer nur wenige Zoll vor das Gesicht.

»Nennt mir einen einzigen Grund, warum ich Euch Lord Rahls Leben anvertrauen sollte.«

Nicci sah Cara unverwandt in die Augen. »Weil ich seine Statue gesehen habe und jetzt begreife, wie sehr ich mich getäuscht habe. Habt Ihr Euch jemals getäuscht, Cara? Wirklich getäuscht? Könnt Ihr überhaupt ermessen, was es heißt, zu erkennen, dass man gedankenlos dem Bösen gedient und rechtschaffenen Menschen Leid zugefügt hat? Könnt Ihr verstehen, dass Richard mir gezeigt hat, dass es etwas gibt, für das es sich zu leben lohnt?«


Nicci fand Richard auf dem Rücken liegend, bewusstlos, oder wenigstens beinahe; sein Kopf lag auf eine marmorne Hand gebettet. Neben ihm lag Kahlan, die sich weinend an ihn klammerte, während er sein Leben aushauchte.

Nicci war schockiert, als sie die Toten sah, die um sie herum verstreut lagen: Schwester Alessandra, Bruder Neal, Bruder Narev. Richards Zustand verriet ihr sofort, dass nur wenig Zeit blieb – wenn es nicht bereits zu spät war.

Sie kniete neben Kahlan nieder. Die Frau, die sich, über dem Abgrund düsterer Ausweglosigkeit hängend, verzweifelt an die letzten Hoffnungsfäden klammerte, befand sich in einem Zustand tiefsten Elends. Bereit, jedes Leid auf sich zu nehmen, hatte sie diesen weiten Weg gemacht, weil sie bei ihm sein wollte, und nun lag er hier, der, den sie in ihrem Leben am meisten liebte, und vergoss sein Herzblut, und sie wusste, dass sie schuld daran war.

Nicci fasste Kahlan bei den Schultern und zog sie sanft fort. Kahlan blickte verwirrt auf, voller Selbsthass und Hoffnung.

»Ich muss den Bann von Euch nehmen, Kahlan, wenn ich ihm helfen soll. Es ist nicht viel Zeit.«

»Ich traue Euch nicht. Warum solltet Ihr ihm helfen?«

»Weil ich es ihm schuldig bin – Euch beiden.«

»Bisher habt Ihr nichts als Unheil und…«

Cara ergriff Kahlans Arm. »Ihr müsst Ihr nicht vertrauen, Mutter Konfessor. Vertraut mir. Ich sage Euch, dass Nicci möglicherweise im Stande ist, ihm zu helfen. Ich glaube, sie wird ihr Bestes geben. Bitte, lasst sie es versuchen.«

»Warum sollte ich ihr die letzten wenigen Minuten seines Lebens überlassen?«

»Bitte, gebt Nicci die Chance, die Lord Rahl einst auch mir gegeben hat.«

Kahlan schaute Cara einen Moment lang forschend in die Augen, dann wandte sie sich herum zu Nicci.

»Ich weiß, was es heißt, dort zu sein, wo er sich jetzt befindet; ich habe es selbst erlebt. Ich habe mich entschieden weiterzuleben; jetzt muss er dasselbe tun. Was muss ich machen?«

»Ihr und Richard habt bereits genug getan.« Nicci nahm Kahlans tränenfeuchtes Gesicht in die Hände. »Bleibt nur ganz ruhig und lasst mich machen.«

Die Frau fröstelte vor Elend, ihr langes Haar war verfilzt und triefend nass. Über und über war sie mit Richards Blut verschmiert; sie konnte nichts mehr für ihn tun, und das wusste sie.

Das musste Nicci übernehmen.

Während Kahlan in ihre Augen starrte, zündete Nicci, in der Hoffnung, dass ihr genug Zeit blieb, abermals das magische Band, das sie verknüpfte.

Der Schmerz, den es hervorrief, ließ Kahlan schockiert erstarren. Nicci kannte das Gefühl nur zu gut, denn sie empfand den gleichen Schmerz.

Ein milchig trübes Licht verband die beiden Frauen von Herz zu Herz. Sein schwankendes Leuchten wuchs zu gleißender Helligkeit an und beförderte den Schmerz in seiner Heftigkeit auf eine neue Ebene.

Kahlans Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Ihre grünen Augen weiteten sich ob der Pein, die sie beide durchflutete – als die in jeder Faser ihrer beiden Existenzen verwurzelte Magie als Reaktion auf das Zeichen des Lichts zu vibrieren begann.

Nicci legte ihre Hände auf ihr Herz, in jenen weiß glühenden Lichtstrahl, und begann ihre Kraft zurückzuziehen.

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