Richard vernahm ein seltsames Geräusch, das ihn auf der Stelle stehen bleiben ließ. Er spürte einen dumpfen Schlag – sowohl im Erdboden wie auch tief in seiner Brust – und glaubte, ein Aufblitzen in den Baumwipfeln gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher.
Es war jedoch das Geräusch wie von einem gewaltigen Hammer, der den Gipfel eines Berges zertrümmert, das ihm das Blut gefrieren ließ.
Bis zur Hütte war es unter den Bäumen hindurch nicht weit. Er ließ die Schnur mit Forellen und das Glas mit Elritzen fallen und rannte los.
Am Rand des Waldes, dort, wo er sich zur Wiese hin öffnete, blieb er stolpernd stehen; sein klopfendes Herz schien ihm bis zum Hals zu schlagen.
Richard sah die beiden Frauen nicht weit entfernt vor der Hütte stehen, eine ganz in Weiß, die andere schwarz gekleidet. Ein sich wellenförmig schlangelndes, knisterndes Band aus milchig-weißem Licht verband sie miteinander. Nicci hatte die Arme leicht erhoben und hielt sie, mit nach oben gedrehten Handflächen, etwas mehr als hüftweit auseinander.
Das milchige Licht entströmte Niccis Brust, überbrückte den leeren Raum zwischen den beiden Frauen und bohrte sich durch Kahlans Herz. Der flimmernde Lichtschein zwischen ihnen leuchtete gleißend hell, so als winde sie sich unter Schmerzen, denen sie nicht entrinnen konnte.
Als er sah, wie Kahlan unter dem Ungestüm dieser Lanze erzitterte, die sie an die Hüttenwand spießte, war Richard wie gelähmt vor Angst um sie, einer Angst, die ihm seit damals, als sie auf der Schwelle des Todes gestanden hatte, nur zu vertraut war. Der Blitzstrahl durchbohrte auch Niccis Herz und verband die beiden Frauen miteinander. Richard begriff nicht, welche Magie Nicci anwendete, er erkannte jedoch instinktiv, dass sie überaus gefährlich war, nicht nur für Kahlan, sondern auch für Nicci, da auch sie ganz offensichtlich Schmerzen litt. Als er sah, dass Nicci sich einer derartigen Gefahr aussetzte, packte ihn das Grauen.
Richard war sich darüber im Klaren, dass er die Ruhe bewahren und seine Gedanken zusammenhalten musste, wenn Kahlan eine Chance haben sollte. Aus dem Bauch heraus hätte er Nicci am liebsten irgendwie niedergestreckt, doch so einfach war es ganz sicher nicht. Zedds oft wiederholter Spruch – »Nichts ist jemals einfach« – kam ihm in den Sinn und bekam eine greifbare Bedeutung.
Bei seiner verzweifelten Suche nach einer Lösung schossen ihm alle seine magischen Kenntnisse wie ein reißender Sturzbach durch den Kopf. Nichts von alledem konnte ihm sagen, was zu tun war, aber es sagte ihm immerhin, was er auf keinen Fall tun durfte. Kahlans Leben hing an einem seidenen Faden.
Just in diesem Augenblick stürzte Cara aus der Hütte. Sie war vollständig nackt, was auf gewisse Weise gar nicht mal so eigenartig wirkte. Richard war den Anblick ihrer Körperformen unter ihrem hautengen Lederanzug gewöhnt, und abgesehen von der Farbe sah sie jetzt kaum anders aus. Sie war triefnass und trug ihr Haar offen, was ihm barbarischer und anstößiger vorkam als ihre Nacktheit. Er war es gewohnt, sie stets mit einem Zopf zu sehen.
Cara hielt den roten Lederstab – ihren Strafer – fest mit ihrer Hand umklammert und nahm eine kauernde Haltung ein. Die Muskeln ihrer Beine, Arme und Schulter waren auf eine Weise angespannt, die nach Entspannung geradezu schrie.
»Cara! Nicht!«, brüllte Richard.
Er war bereits ungestüm über die Wiese rennend unterwegs, als Cara aufsprang und Nicci ihren Strafer seitlich gegen den Hals rammte.
Nicci stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus und sackte auf die Knie. Auch Kahlan stürzte, ebenfalls vor Schmerzen schreiend, auf die Knie, ihre Bewegung fast ein Ebenbild von Nicci.
Cara krallte eine Faust in Niccis Haar und riss ihren Kopf nach hinten. »Deine Zeit ist abgelaufen, Hexe!«
Nicci tat nichts, um Cara Einhalt zu gebieten, als der Strafer nur wenige Zoll vor ihrer Kehle verharrte.
Richard stürzte sich in der verzweifelten Hoffnung auf die Mord-Sith, nicht zu spät zu kommen. Caras Strafer streifte soeben Niccis Hals, als Richard sie an der Hüfte packte und nach hinten riss. Für einen kurzen Augenblick war die Berührung überraschend – seidenweiche Haut über stahlharten Muskeln. Als sie auf dem Boden landeten, nahm der Aufprall ihr den Atem.
Cara war so außer sich, so wild zum Kampf entschlossen, dass sie mit ihrem Strafer blindlings, ohne ihn zu erkennen, nach Richard schlug. Sie wusste nur eins: Jemand hinderte sie daran, Kahlan zu beschützen.
Der unsanfte Stoß der Waffe seitlich gegen sein Gesicht glich einem Hieb mit einer Eisenstange, auf den unmittelbar ein Blitzschlag folgte. Der Schmerz schien ihm den Schädel zu spalten und raubte ihm vorübergehend das Augenlicht. Ihm klangen die Ohren, die Erschütterung nahm ihm außerdem den Atem, brachte ihn ins Wanken und rief in einem einzigen Augenblick eine ganze Flut grauenhafter Erinnerungen zurück.
Caras ganzes Augenmerk zielte auf Vernichtung, und jede Einmischung ließ sie außer sich geraten. Richard kam gerade noch rechtzeitig zur Besinnung, um sie an den Handgelenken zu packen und auf den Boden zu drücken, bevor sie sich auf Nicci stürzen konnte. Zweifellos besaß eine Mord-Sith ungeheure Kräfte, allerdings hatte man diesen Frauen eingetrichtert, gegen Magie zu kämpfen und nicht gegen Muskelkraft. Aus diesem Grund hatte sie Nicci auch dazu verleiten wollen, ihre Kraft einzusetzen; nur so konnte sie die Magie der Gegnerin einfangen und sie überwältigen.
Caras sich windender, nackter Körper unter ihm drang kaum bis in sein Bewusstsein vor. Er schmeckte Blut. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf ihren Strafer gerichtet, und darauf, zu verhindern, dass sie ihn damit berührte. Ein schmerzhaftes Klingen pochte in seinem Kopf, und er musste nicht nur Cara, sondern auch eine drohende Bewusstlosigkeit abwehren. Mit letzter Kraft gelang es ihm, Cara niederzuhalten.
In diesem Augenblick war die Mord-Sith eine größere Bedrohung für Kahlans Leben als Nicci. Wenn Nicci die Absicht hatte, Kahlan umzubringen, so hätte sie dies mit Sicherheit längst tun können. Vielleicht hatte Richard noch nicht genau verstanden, was Nicci im Einzelnen tat, doch was er bis jetzt gesehen hatte, gab ihm einen ungefähren Eindruck.
Blut tropfte auf Caras nackte Brust, leuchtend rot auf der weiten Fläche ihrer weißen Haut.
»Hört auf, Cara!« Er konnte seinen Kiefer, wenn auch unter Schmerzen, bewegen, also war er vermutlich nicht gebrochen.
»Ich bin es. Hört auf, Ihr bringt Kahlan noch um.« Cara, unter ihm, beruhigte sich und starrte mit einem Ausdruck verwirrter Wut zu ihm hoch. »Was immer Ihr Nicci antut, widerfährt auch Kahlan.«
»Ihr solltet auf ihn hören«, bestätigte Nicci mit der ihr eigenen samtenen Stimme hinter seinem Rücken.
Kaum hatte Richard ihre Handgelenke losgelassen, langte Cara nach oben und betastete seinen Mundwinkel. »Das tut mir Leid«, entschuldigte sie sich leise, als sie sah, was sie angerichtet hatte. Ihr Ton verriet ihm, dass sie es ehrlich meinte. Richard nickte kurz, dann erhob er sich und zog sie auf die Beine, bevor er sich zu Nicci umwandte.
Nicci stand erhobenen Hauptes vor ihm, aufrecht, in ihrer typischen, stolzen und korrekten Körperhaltung, Aufmerksamkeit und Magie auf Kahlan gerichtet. Die ruhige und doch zerstörerische Kraft in Richards Innerem war erwacht und harrte seiner Befehle, nur wusste Richard nicht, wie er Nicci damit stoppen sollte. Aus Angst, die Gefahr für Kahlan noch zu erhöhen, ganz gleich, was er tat, wartete er erst einmal ab.
Auch Kahlan war mittlerweile wieder auf den Beinen, auch wenn der milchige Lichtstrang sie erneut an die Hüttenwand spießte. Ihre grünen Augen waren vor Schmerz weit aufgerissen, und sie zitterte am ganzen Körper unter den Qualen, die Nicci ihr soeben zufügte.
Nicci legte ihr Handflächen auf das Herz, über das Licht. Obwohl sie Richard den Rücken zukehrte, konnte er das Licht durch sie hindurch sehen, ein Feuer, das sich mitten durch ein Stück Papier fraß, ein weiß glühendes Loch, das nach außen immer größer wurde, bis es sie ganz zu verzehren schien. Das verschlungen lodernde Licht machte dasselbe mit Kahlan und schien sich durch sie hindurchzubrennen, Richard erkannte jedoch, dass es sie nicht tötete. Sie atmete noch, bewegte sich noch, lebte noch – und verhielt sich auch ansonsten nicht wie ein Mensch, in den gerade Löcher hineingebrannt wurden. Wenn Magie im Spiel war, war er klug genug, seinen Augen nicht zu trauen.
Unterhalb ihrer Hände begann Niccis Oberkörper sich wieder zu verfestigen und sich dort, wo das Licht sich erschöpft und bis zur Peripherie ihres Körpers vorgearbeitet hatte, neu zu bilden.
Das Licht setzte aus. Kahlan, die Hände gegen die Wand hinter sich gepresst, sackte erleichtert zusammen, als es erlosch, und schloss die Augen, so als sei der Anblick der vor ihr stehenden Frau nicht länger zu ertragen.
Richard war ganz unterdrückter Zorn. Seine Muskeln schrien nach Befreiung. Die Magie in seinem Innern glich einer eingerollten Giftschlange, die nur darauf wartete vorzuschnellen. Beinahe mehr als alles andere wollte er diese Frau niederstrecken, und nur ein einziger Wunsch war stärker: Kahlans Sicherheit.
Nicci bedachte Kahlan mit einem liebenswürdigen Lächeln, bevor sie sich zu Richard umdrehte. Ihre ruhigen, blauen Augen erfassten kurz die weißen Knöchel seiner Faust am Heft des Schwertes.
»Es ist lange her, Richard. Gut siehst du aus.«
»Was habt Ihr getan?«, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Sie lächelte. Es war dasselbe Lächeln, das eine Mutter ihrem Kind schenkte – ein Lächeln voller Milde und Nachsicht. Sie atmete tief durch, als ob sie sich von einer schwierigen Arbeit erholen müsse, und deutete auf Kahlan.
»Ich habe deine Gemahlin mit einem Bann belegt, Richard.«
Unmittelbar hinter seiner linken Schulter hörte Richard Caras Atem. Sie stand so, dass sie seinen Schwertarm nicht behinderte.
»In welcher Absicht?«, fragte er.
»Nun, um dich gefangen zu nehmen, natürlich.«
»Was wird mit ihr geschehen? Was habt Ihr ihr angetan?«
»Angetan? Gar nichts. Wenn ihr tatsächlich etwas zustoßen sollte, dann nur durch deine Hand.«
Richard runzelte die Stirn, er begriff; dabei hätte er sich sehr viel lieber getäuscht. »Soll das etwa heißen, wenn ich Euch verletze, wird Kahlan dasselbe widerfahren wie Euch?«
Nicci lächelte das gleiche scharfsichtige, entwaffnende Lächeln, das ihr schon damals eigen war, als sie gekommen war, um ihn zu unterrichten. Er konnte kaum glauben, dass er sich damals vorgestellt hatte, sie sehe aus wie eine Fleisch gewordene gütige Seele.
Richard spürte das Knistern der Magie, die diese Frau umgab, er hatte mittlerweile gelernt, mit Hilfe seiner eigenen Gabe zu erkennen, ob jemand die Gabe besaß. Was andere nicht zu sehen vermochten, er sah es, er sah es ihnen an den Augen an, und manchmal spürte er die magische Aura, die sie umgab. Nur selten war er Frauen mit der Gabe begegnet, die sogar die sie umgebende Luft mit ihrer Kraft zum Knistern brachten. Verschlimmernd kam jedoch hinzu, dass es sich bei Schwester Nicci um eine Schwester der Finsternis handelte.
»Ganz recht, und sogar noch mehr. Viel mehr. Wie du siehst, sind wir jetzt über einen Mutterbann verbunden. Ein seltsamer Name für einen Bann, nicht wahr? Der Name geht zum Teil auf die nährenden und erziehenden Aspekte zurück, ganz so wie in dem Begriff Lebensspenderin – die Mutter, die ihr Kind ernährt, aufzieht und am Leben erhält. Das Licht, das du gesehen hast, war eine Art Nabelschnur, eine Nabelschnur der Magie. Sie verbindet unsere beiden Leben miteinander, indem sie das Wesen dieser Welt verbiegt, ganz gleich, wie weit wir voneinander entfernt sind. Wie ich die Tochter meiner Mutter bin, und das durch nichts jemals geändert werden kann, so kann auch diese Magie nicht verändert werden.«
Sie sprach wie eine Lehrerin, so wie sie einst im Palast der Propheten zu ihm gesprochen hatte, als sie eine seiner Ausbilderinnen gewesen war; stets bediente sie sich ruhiger, leicht verständlicher Worte, die, so hatte er damals geglaubt, ihrem Auftreten einen Hauch von Erhabenheit verliehen. Damals hatte Richard sich nicht vorstellen können, dass jemals ein derbes Wort über Niccis Lippen kommen könnte, doch was sie jetzt von sich gab, war geradezu abstoßend.
Noch immer bewegte sie sich mit einer unvergleichlichen, lasziven Eleganz. Er hatte ihre Art sich zu bewegen stets als verführerisch empfunden; jetzt sah er darin die mäandernden Bewegungen einer Schlange.
Die Magie seines Schwertes toste durch seinen Körper und schrie danach, entfesselt zu werden. Die Magie des Schwertes war eigens geschaffen worden, alles zu bekämpfen, was der Besitzer des Schwertes als böse erachtete, eine Bedingung, die Nicci in diesem Augenblick in einem Maß erfüllte, dass die Magie ihn jeden Augenblick zu überwältigen drohte und fast die Herrschaft an sich riss, um dem Spuk ein Ende zu machen. Solange der Schmerz des Strafers noch in seinem Kopf pochte, kostete es ihn einige Mühe, die Kontrolle über die Kraft des Schwertes zu behalten. Richard spürte, wie sich die erhabenen Buchstaben des Wortes WAHRHEIT in seine Handfläche pressten.
Einem solchen Augenblick, vielleicht mehr als jedem anderen, konnte man nur mit der Wahrheit gegenübertreten, und nicht mit kruden Wünschen. Es ging um Leben oder Tod.
»Richard«, sagte Kahlan im Tonfall der Vernunft. Sie wartete, bis ihre Blicke sich begegneten. »Töte sie.« Sie sprach mit einer Ruhe und Machtbefugnis, die Gehorsam forderte. In ihrem weißen Mutter-Konfessor-Kleid hatten ihre Worte das unmissverständliche Gewicht eines Befehls. »Tu es. Zögere keinen Augenblick länger. Töte sie. Denke nicht darüber nach, tu es.«
Ganz ruhig beobachtete Nicci, wie er sich verhalten würde. Zu was er sich letztendlich durchrang, schien für sie bestenfalls von beiläufigem Interesse. Richard brauchte weder nachzudenken noch einen Entschluss zu fassen.
»Ich kann nicht«, sagte er zu Kahlan. »Du würdest ebenfalls getötet werden.«
Nicci zog eine Braue hoch. »Sehr gut, Richard. Ausgezeichnet.«
»Tu es!« Kahlans Stimme überschlug sich fast. »Tu es jetzt, solange du noch Gelegenheit dazu hast!«
»Bleib ganz ruhig«, erwiderte er mit ruhiger Stimme. Er sah wieder zu Nicci. »Lasst hören.«
Sie faltete die Hände, ganz so, wie es die Schwestern des Lichts zu tun pflegten, nur war sie keine Schwester des Lichts. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sich hinter dem Blick aus ihren blauen Augen etwas tief Empfundenes verbarg, doch weder wusste er, welcher Art diese Gefühle waren, noch wagte er, es sich vorzustellen. Es war einer dieser intensiven, angestrengten Blicke, hinter denen sich eine ganze Gefühlswelt, von Sehnsucht bis hin zu Hass, verbarg. Eins gewahrte er dort jedoch ganz zweifellos: eine absolut ernst zu nehmende Entschlossenheit, die ihr wichtiger war als das Leben selbst.
»Es verhält sich wie folgt, Richard. Du wirst mich begleiten. Solange ich lebe, wird auch Kahlan leben. Sterbe ich, so stirbt auch sie. So einfach ist das.«
»Und weiter?«, fragte er gebieterisch.
»Weiter was?« Nicci sah ihn verständnislos an. »Nichts weiter.«
»Was ist, wenn ich beschließe, Euch zu töten?«
»Dann werde ich sterben, aber Kahlan wird mit mir in den Tod gehen – unsere beiden Leben sind jetzt miteinander verknüpft.«
»Das meinte ich nicht. Ich meinte, Ihr müsst doch irgendeine Absicht verfolgen. Was bedeutet es noch, wenn ich beschließe, Euch zu töten?«
Nicci zuckte mit den Achseln. »Nichts. Die Entscheidung liegt ganz bei dir. Unser Leben liegt in deinen Händen. Solltest du beschließen, ihr Leben zu erhalten, wirst du mich begleiten müssen.«
»Und was habt Ihr mit ihm vor?«, fragte Kahlan, sich ganz langsam an seine Seite schiebend. »Wollt Ihr ein falsches Geständnis aus ihm herausfoltern, damit Jagang ihm einen Schauprozess machen und ihn anschließend in aller Öffentlichkeit hinrichten kann?«
Wenn überhaupt, so wirkte Nicci überrascht, so als sei ihr ein solcher Gedanke nie gekommen, so als finde sie ihn geradezu verwerflich. »Nein, nichts dergleichen. Ich habe nicht die Absicht, ihm ein Haar zu krümmen. Jedenfalls nicht im Augenblick. Irgendwann natürlich werde ich ihn höchstwahrscheinlich töten müssen.«
Richard funkelte sie an. »Natürlich.«
Als Kahlan einen Schritt vortreten wollte, packte er sie am Arm und hielt sie zurück; was sie vorhatte, wusste er, nur wusste er weder genau, was geschehen würde, wenn Kahlan, solange sie über den Bann verbunden waren, ihre Konfessorkraft gegen Nicci entfesselte, noch hatte er die Absicht, es herauszufinden, denn das konnte mit Sicherheit kein gutes Ende nehmen. Für sein Empfinden war Kahlan viel zu bereit, ihr Leben zu verwirken, nur um seines zu retten.
»Warte jetzt erst einmal ab«, raunte er ihr zu.
Kahlan zeigte mit ausgestrecktem Arm auf sie. »Sie hat soeben zugegeben, dass sie die Absicht hat, dich umzubringen!«
Nicci lächelte beschwichtigend. »Macht Euch darüber fürs Erste keine Sorgen. Wenn es überhaupt dazu kommt, dann wird es bestimmt noch lange dauern. Vielleicht ein ganzes Leben.«
»Und bis dahin?«, wollte Kahlan wissen. »Was habt Ihr mit ihm vor, bevor Ihr sein Leben wegwerft, als sei es nichts mehr wert?«
»Nichts mehr wert?« Nicci breitete die Hände in einer unschuldigen Geste aus. »Ich habe gar nichts vor, ich erwarte lediglich, ihn mitzunehmen.«
Richard hatte geglaubt zu verstehen, was hier geschah, doch diese Gewissheit wurde mit jedem Wort geringer, das Nicci sagte. »Soll das heißen, Ihr wollt mich fortbringen, damit ich nicht gegen die Imperiale Ordnung kämpfen kann?«
Ihre Stirn zuckte. »Wenn du so darüber denken willst, bitte, ich gebe zu, deine Tage als Anführer des d’Haranischen Volkes sind gezählt. Aber darum geht es eigentlich nicht, es geht darum, dass mit dem heutigen Tag dein ganzes bisheriges Leben« – Nicci warf Kahlan einen spitzen Blick zu – »endet.«
Ihre Worte schienen die Luft gefrieren zu lassen; Richard nahmen sie allen Mut.
»Und was weiter?« Er wusste, es musste noch etwas folgen, etwas, das all dem einen Sinn verlieh. »Welche anderen Bedingungen gibt es, wenn ich Kahlans Leben erhalten will?«
»Nun, natürlich darf uns niemand folgen.«
»Und wenn doch?«, fuhr Kahlan sie an. »Ich könnte Euch folgen und Euch eigenhändig töten, selbst wenn das meinen Tod bedeutete.« In Kahlans Augen leuchtete eiskalte Entschlossenheit, als sie die Frau bedrohlich anfunkelte.
Nicci zog mit Bedacht die Brauen hoch und neigte sich ein winziges Stück zu Kahlan, so wie eine Mutter, die ihr Kind warnen will. »Das wäre dann Euer Ende – es sei denn, Richard hindert Euch daran. Dies alles gehört zu den Dingen, in denen er Entscheidungen treffen muss. Aber Ihr verrechnet Euch, wenn Ihr glaubt, es würde mir so oder so etwas ausmachen. Das tut es nicht, müsst Ihr wissen. Nicht im Geringsten.«
»Was soll ich Eurer Ansicht nach denn tun?«, fragte Richard und löste damit ihren verstörend ruhigen Blick von Kahlan. »Was ist, wenn ich dort ankomme, wo Ihr mich hinbringt, und ich nicht tue, was Ihr von mir verlangt?«
»Du missverstehst mich, Richard, wenn du glaubst, ich hätte eine vorgefertigte Idee, wie du dich verhalten sollst. Die habe ich nicht. Ich könnte mir denken, du tust einfach, was immer dir beliebt.«
»Was immer mir beliebt?«
»Nun ja, natürlich ist es dir nicht gestattet, zu deinem Volk zurückzukehren.« Mit einer schnellen Kopfbewegung warf sie eine Strähne ihres langen, blonden Haars zurück, die der Wind ihr ins Gesicht geweht hatte. Währenddessen ließ sie ihn keinen Moment aus den Augen. »Solltest du in irgendeiner Weise unerträglich, frech oder aufsässig werden, spräche das in diesem Fall für sich selbst. Es wäre zweifellos schade, aber dann hätte ich keinerlei Verwendung mehr für dich und würde dich töten.«
»Ihr hättet keinerlei Verwendung mehr für mich? Ihr meint, Jagang hätte keinerlei Verwendung mehr für mich?«
»Nein.« Nicci wirkte abermals überrascht. »Ich handle nicht im Namen Seiner Exzellenz.« Sie tippte sich gegen die Unterlippe. »Siehst du? Ich habe den Ring entfernt, den er mir zum Zeichen, dass ich seine Sklavin bin, durch die Lippe gebohrt hat. Ich tue dies nur für mich selbst.«
Ein weitaus beunruhigender Gedanke beschlich ihn. »Wie kommt es, dass er nicht in Euren Verstand eindringen kann? Dass er keine Gewalt über Euch hat?«
»Um diese Frage zu beantworten, brauchst du mich nicht, Richard Rahl.«
Es ergab für ihn keinen Sinn; die Bande des Lord Rahl wirkten nur bei denen, die in Treue zu ihm standen. Er vermochte nicht zu erkennen, wie dies als Akt der Treue ausgelegt werden konnte. Hier handelte es sich um einen unmissverständlich aggressiven Akt, der seinem Willen widersprach; die Bande dürften für sie keine Gültigkeit haben. Er kam zu dem Schluss, dass Jagang in ihrem Verstand saß und sie es vielleicht gar nicht merkte. Vielleicht hockte er in ihrem Verstand und hatte sie in den Wahnsinn getrieben.
»Hört zu«, sagte Richard, der sich vorkam, als sprächen sie nicht einmal dieselbe Sprache. »Ich weiß nicht, was Ihr denkt…«
»Genug geredet. Wir brechen auf.«
Sie betrachtete ihn ganz ohne Zorn aus ihren blauen Augen. Richard hatte beinahe das Gefühl, als existierten Kahlan und Cara für Nicci überhaupt nicht.
»Das ist doch vollkommen unsinnig. Ihr wollt, dass ich Euch begleite, handelt aber nicht im Auftrag Jagangs. Wenn das stimmt, dann…«
»Ich denke, ich habe mich so unmissverständlich ausgedrückt wie möglich, und noch dazu in einfachen Worten. Wenn du frei sein willst, kannst du mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit töten.
Tust du das, stirbt Kahlan ebenfalls. Das sind deine beiden einzigen Möglichkeiten. Ich glaube zwar zu wissen, was du tun wirst, aber vollkommen sicher bin ich nicht. Vor dir liegen zwei Wege, für einen von ihnen musst du dich entscheiden.«
Richard vernahm Caras wütendes Schnauben hinter seinem Rücken. Sie glich einer angespannten Feder, bereit loszuschnellen. Aus Angst, sie könnte etwas nicht Wiedergutzumachendes tun, hob er die Hand, um ihr zu zeigen, dass sie hinter ihm bleiben sollte.
»Oh, und noch etwas, solltest du dich einer Intrige oder des Verrats bedienen, oder, was das anbetrifft, dich weigern, die einfachen Dinge zu tun, die ich von dir verlange: der Bann, der uns verbindet, ermöglicht mir, Kahlans Leben jederzeit zu beenden, mein Wunsch allein genügt. Es ist nicht unbedingt erforderlich, dass ich sterbe. Von jetzt an erlebt sie jeden Tag nur dank meiner Gnade, und damit auch deiner. Ich wünsche ihr nichts Böses, und ihr Leben ist mir in jeder Hinsicht vollkommen gleichgültig; wenn überhaupt, dann wünsche ich, dass es lange währt. Sie hat dir ein gewisses Maß an Glück beschert, und ich hoffe, dass sie dafür nicht ihr Leben verwirken muss. Andererseits hast du durch dein Verhalten einen gewissen Einfluss darauf.«
Nicci warf einen ruhigen, glühenden Blick über Richards Schulter. Dann streckte sie die Hand aus und wischte ihm mit den Fingern das Blut vom Mund, zum Schluss säuberte sie sein Kinn mit dem Daumen. »Deine Mord-Sith hat dich verletzt. Ich kann dich heilen, wenn du willst.«
»Nein.«
»Ganz wie du willst.« Sie wischte sich die blutverschmierten Finger am Saum ihres schwarzen Kleides ab. »Wenn du nicht riskieren möchtest, dass andere gegen deinen Willen Kahlans Tod verursachen, schlage ich vor, du sorgst dafür, dass sie nicht ohne deine Zustimmung handeln. Mord-Sith gelten als findig und entschlossen; ihre Pflichttreue verdient meinen Respekt. Falls deine Mord-Sith uns jedoch folgen sollte – was mir meine Magie verraten wird –, stirbt Kahlan.«
»Und woher soll ich, bitte schön, wissen, dass Kahlan wohlauf ist? Wir könnten uns eine Meile von hier entfernen, und Ihr könntet sie über die magische Verbindung töten. Ich würde es nicht einmal bemerken.«
Nicci runzelte die Stirn. Sie wirkte aufrichtig verwirrt.
»Warum sollte ich so etwas tun?«
Er war hin- und hergerissen zwischen einem Gefühl ohnmächtigen Zorns und wilder Panik. »Warum tut Ihr das alles überhaupt?«
Verwundert sah sie ihn einen Augenblick lang schweigend an. »Ich habe meine Gründe. Es tut mir Leid, dass du hierbei leiden musst, Richard, das ist nicht der Zweck meines Tuns. Ich gebe dir mein Wort, dass ich Kahlan ohne dein Wissen nichts antun werde.«
»Ihr erwartet, dass ich Eurem Wort glaube?«
»Ich habe dir die Wahrheit gesagt, ich habe nicht den geringsten Grund, dich anzulügen. Mit der Zeit wirst du das alles besser verstehen. Solange ich unversehrt bleibe und du mich begleitest, wird Kahlan durch mich nicht zu Schaden kommen.«
Aus Gründen, die er selbst nicht recht verstand, spürte Richard, dass er ihr glaubte. Sie schien es absolut ernst zu meinen und ihrer Sache vollkommen sicher zu sein, so als hätte sie dies alles tausendmal durchdacht.
Er glaubte allerdings, dass Nicci ihm etwas verschwieg. Sie machte es einfach für ihn, damit er begriff, was wirklich wichtig war, und ihm die Entscheidung leichter fiel. Was immer sonst noch eine Rolle spielte, verheerender als dies konnte es unmöglich sein. Die Vorstellung, von Kahlan getrennt zu werden, war quälend, aber er würde so ziemlich alles tun, um ihr Leben zu retten, und das wusste Nicci.
Das Rätsel tauchte erneut auf; irgendwie stand es hiermit in Verbindung.
»Der Bann, der den Verstand eines Menschen vor dem Traumwandler schützt, wirkt nur bei denen, die mir treu ergeben sind. Du kannst unmöglich erwarten, vor Jagang sicher zu sein, wenn du das tust. Das ist Verrat.«
»Jagang macht mir keine Angst. Sorge dich nicht um meinen Verstand, ich bin vor Seiner Exzellenz vollkommen sicher. Vielleicht wirst du mit der Zeit einsehen, wie sehr du dich in so vielen Dingen getäuscht hast.«
»Ihr macht Euch etwas vor, Nicci.«
»Du siehst nur einen Teil, Richard.« Sie zog eine Braue hoch, eine rätselhafte Geste. »Im Grunde deines Herzens ist das Ziel der Imperialen Ordnung auch dein Ziel. Du bist viel zu großmütig, als dass es anders sein könnte.«
»Mag sein, dass ich durch Eure Hand sterbe, aber wenn ich sterbe, dann in dem Gefühl des Hasses auf alles, wofür Ihr und die Imperiale Ordnung steht.« Richard ballte die Fäuste. »Eure Wünsche werden sich niemals erfüllen, Nicci. Was immer es sei, Ihr werdet es nicht bekommen.«
Sie betrachtete ihn voller Mitgefühl. »Dies geschieht alles nur zu deinem Besten, Richard.«
Was er auch sagte, nichts schien irgendeinen Einfluss auf sie zu haben, und die Dinge, die sie sagte, ergaben für ihn keinen Sinn. Innerlich kochte er vor Zorn. Die Magie des Schwertes rang mit ihm um die Vorherrschaft. Er konnte ihn kaum im Zaume halten. »Erwartet Ihr tatsächlich, dass ich das glaube?«
Niccis blaue Augen schienen auf einen Punkt in seinem Rücken gerichtet.
»Vielleicht nicht.«
Ihr Blick heftete sich abermals auf ihn. Sie schob zwei Finger zwischen ihre Lippen, drehte sich herum und pfiff. Ein Stück entfernt wieherte ein Pferd und kam aus dem Wald getrabt.
»Für dich habe ich noch ein weiteres Pferd, es wartet oben, auf der anderen Seite des Passes.«
Entsetzen packte ihn und fuhr ihm in die Knochen. Kahlans Finger schlossen sich fester um seinen Arm. Die Erinnerung an seine frühere Gefangennahme und alles, was damit verbunden war, beschleunigte seinen Puls und ließ ihn in schnellen Stößen atmen. Er hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Alles zerrann ihm zwischen den Fingern, und er schien nichts dagegen tun zu können.
Er wollte, mehr als alles andere, kämpfen, nur wusste er beim besten Willen nicht, wie. Wenn er seine Gegnerin doch einfach niedermetzeln könnte. Dann besann er sich, dass Vernunft und nicht Wunschdenken seine einzige Chance war. Er nahm von seinem ruhigen Zentrum Besitz und unterdrückte mit dessen Hilfe seine aufsteigende Panik.
Nicci stand aufrecht, die Schultern durchgedrückt, das Kinn emporgereckt. Sie wirkte wie jemand, der seiner Hinrichtung gefasst ins Auge sieht. In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass sie tatsächlich auf jede vorstellbare Entwicklung der Dinge vorbereitet war.
»Ich habe dich vor die Wahl gestellt, Richard. Eine andere Möglichkeit hast du nicht. Entscheide dich.«
»Da gibt es nichts zu entscheiden. Ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass Kahlan stirbt.«
»Natürlich nicht.« Niccis Körperhaltung entspannte sich kaum merklich. Ein kleines ermutigendes Lächeln ließ ihren Blick ein wenig milder werden. »Es wird ihr nichts geschehen.«
Das Pferd verlangsamte seinen Schritt und kam näher. Als die hübsche Apfelschimmelstute neben ihr stehen blieb, ergriff Nicci die Zügel dicht neben der Trense. Ihre graue Mähne wehte im kalten Wind, die Stute schnaubte und warf den Kopf, sie fühlte sich in Gegenwart von Fremden unwohl und konnte es kaum erwarten, aufzubrechen.
»Aber … aber«, stammelte Richard, als Nicci in den Steigbügel kletterte. »Aber was darf ich mitnehmen?«
Nicci schwang ihr Bein über das Hinterteil des Pferdes und ließ sich in den Sattel sinken. Hin- und herrutschend fand sie ihre Sitzposition, richtete sich auf und drückte die Schultern durch. Ihr schwarzes Kleid und das blonde Haar hoben sich überdeutlich vor dem stählernen Himmel ab.
»Du kannst mitnehmen, was immer du willst, solange es keine Person ist.« Mit einem Zungenschnalzen ließ sie ihr Pferd wenden, bis sie ihm ins Gesicht sah. »Ich schlage vor, du nimmst Kleidung und dergleichen mit, was immer du unterwegs brauchst. Wenn du willst, nimm so viel mit, wie du tragen kannst.«
Ihr Stimme bekam einen scharfen Unterton. »Dein Schwert jedoch lass hier, du wirst es nicht brauchen.« Sie beugte sich hinab, und zum ersten Mal bekam ihr Gesicht etwas Kaltes und Bedrohliches. »Du bist nicht mehr der Sucher, und auch nicht mehr Lord Rahl, der Herrscher über das D’Haranische Reich, und im Übrigen bist du auch nicht mehr der Gemahl der Mutter Konfessor. Von nun an bist du nur noch Richard, niemand sonst.«
Cara stellte sich neben ihn, eine düstere Gewitterwolke finsteren Zorns. »Ich bin eine Mord-Sith. Wenn Ihr glaubt, ich würde Euch erlauben, Lord Rahl gefangen zu nehmen, dann habt Ihr den Verstand verloren. Die Mutter Konfessor hat bereits erklärt, was sie will. Meine Pflicht ist es vor allem, Euch zu töten.«
Nicci umschloss die Zügel mit drei Fingern und hielt sie mit den Daumen fest. »Tut, was immer Ihr meint, tun zu müssen. Die Folgen sind Euch bekannt.«
Richard musste Cara mit ausgestrecktem Arm daran hindern, Nicci hinterher zusteigen und sie vom Pferd zu reißen. »Ganz ruhig«, raunte er ihr zu. »Die Zeit läuft für uns. Solange wir noch am Leben sind, haben wir die Chance, uns etwas einfallen zu lassen.«
Der Druck von Caras Gewicht auf seinen Arm ließ etwas nach. Widerstrebend trat sie einen Schritt zurück.
»Ich muss ein paar Dinge zusammensuchen«, sagte Richard an Nicci gewandt, um zumindest ein bisschen Zeit zu gewinnen. »Wartet wenigstens, bis ich meinen Rucksack gepackt habe.«
Nicci legte die Zügel um, ließ ihr Pferd zu ihm zurückgehen und stützte sich mit ihrem linken Handgelenk auf den Sattelknauf.
»Ich breche auf.« Mit einem langen, eleganten Finger ihrer anderen Hand deutete sie in die Berge. »Siehst du den Pass dort oben? Wenn du mich bis zum höchsten Punkt eingeholt hast, wird Kahlan weiterleben. Muss ich den Pass ohne dich überqueren, stirbt Kahlan. Darauf hast du mein Wort.«
Ihm ging das alles viel zu schnell, er musste überlegen, wie er sie hinhalten konnte. »Aber was hätte Euch dies alles dann genützt?«
»Es hätte mir verraten, was dir mehr bedeutet.« Sie lehnte sich in ihrem Sattel zurück. »Wenn du es dir recht überlegst, ist das eine sehr weitreichende Frage. Noch steht die Antwort darauf aus. Wenn ich den höchsten Punkt des Passes erreiche, werde ich sie kennen.«
Mit einer schaukelnden Hüftbewegung forderte Nicci das Pferd auf, loszugehen. »Vergiss nicht – bis zum höchsten Punkt des Passes, so lange hast du Zeit, dich zu verabschieden, zusammenzupacken, was du mitnehmen möchtest, und mich einzuholen, vorausgesetzt du willst, dass Kahlan weiterlebt. Solltest du aber beschließen hierzubleiben, bleibt dir bis dahin Zeit, dich zu verabschieden, bevor sie stirbt. Eins musst du bei deiner Entscheidung jedoch wissen: Das eine ist ebenso unwiderruflich wie das andere.«
Kahlan wollte sich auf das Pferd stürzen, doch Richard hielt sie mit Gewalt an der Hüfte fest.
»Wohin bringt Ihr ihn?«, fragte sie herrisch.
Nicci ließ ihr Pferd einen kurzen Moment anhalten und schaute mit einem Blick von beängstigender Endgültigkeit auf Kahlan hinab.
»In die Vergessenheit natürlich, was dachtet Ihr.«