37

Fest in eine steife Zeltleinwand gehüllt, war Kahlan jegliche Sicht genommen. Der dichte, beißende Qualm, der ihr in den Lungen brannte, drohte sie zu ersticken. Sie versuchte sich wie von Sinnen an der Zeltleinwand zerrend zu befreien, aber hin- und hergeworfen auf dem holprigen Boden, kam sie mit der Wiedererlangung ihrer Freiheit keinen Schritt voran. Die Hitze der Flammen unmittelbar neben ihrem Gesicht lösten bei ihr Panik aus. Ihre Müdigkeit war vergessen und sie schlug wie wild nach Luft schnappend mit Händen und Füßen um sich.

»Wo seid Ihr?«

Das war Caras Stimme. Es klang, als ob sie ganz in der Nähe wäre, so als würde sie ebenfalls mitgeschleift und kämpfte unter Aufbietung aller Kräfte ums Überleben. Cara war klug genug, solange sie von Feinden umgeben waren, weder Kahlans Namen noch Titel zu rufen; hoffentlich war auch Verna so vernünftig.

»Hier!«, antwortete Kahlan ihr mit einem lauten Schrei.

Kahlans Schwert hatte sich verfangen, die eingerollte Zeltleinwand presste es gegen ihre Beine. Durch Hin- und Herbewegen gelang es ihr, die linke Hand bis zum Messer in ihrem Gürtel hochzuschieben. Sie riss es heraus und musste ihr Gesicht abwenden, als ihr die Hitze der ölgespeisten Flammen entgegenschlug. Das erstickende, blendende Gefühl des Rauchs war beängstigend.

Mit wütender Entschlossenheit stach Kahlan auf die Zeltleinwand ein und bohrte ihr Messer hindurch. Just in diesem Augenblick prallte das Zelt gegen ein Hindernis, und sie wurden in die Luft geschleudert. Die harte Landung presste ihr den Atem aus den Lungen; ein keuchender Atemzug füllte sie mit erstickendem Rauch.

Wieder bohrte Kahlan ihr Messer in die schwere Zeltleinwand und schlitzte ein Loch hinein, als ihr gesamtes Leichentuch in Flammen aufging.

Sie schrie abermals nach Cara. »Ich kann mich nicht…«

Das Zelt prallte gegen einen festen Gegenstand. Wuchtig stieß sie mit der Schulter gegen etwas, das sich wie ein Baumstumpf anfühlte, dann wurde sie nach oben und darüber hinweg gerissen. Hätte sie nicht ihre steife Lederrüstung angehabt, der Aufprall hätte ihr gewiss die Schulter zertrümmert. Nach der harten Bruchlandung auf der anderen Seite wurde Kahlan Hals über Kopf heraus und quer durch den Schnee geschleudert. Sie breitete die Arme aus, um ihr Rollen abzufangen.

Kahlan sah, wie General Meiffert nach oben langte, mit seiner Hand in einen Kettenpanzer griff, und den Mann aus dem Sattel riss, der ihr Zelt mitgeschleift hatte. Die Augen des Mannes funkelten hinter langen, fettigen Locken hervor. Sein untersetzter Körper war unter Häuten und Fellen verborgen, die er über Kettenpanzer und Lederrüstung trug. Ihm fehlten die oberen Zähne. Als er sich auf den General stürzen wollte, verlor er schlagartig auch noch den Kopf.

Immer mehr Truppen der Imperialen Ordnung ließen ihre mächtigen Schlachtrösser kreisen und droschen auf die d’Haranischen Soldaten ein, die in panikartiger Hektik bemüht waren, den Hieben auszuweichen und gleichzeitig ihre Gegenwehr zu organisieren. Eines der Schlachtrösser, dessen Reiter sich, einen Morgenstern schwingend, aus dem Sattel beugte, stürmte auf Kahlan zu. Sie schnappte sich die Lanze des Soldaten, der das Zelt hinter sich hergeschleift hatte, riss die Langwaffe hoch und konnte sich gerade noch rechtzeitig drehen, um das hintere Ende in eine gefrorene Karrenspur zu stemmen und das mit einer Stahlspitze versehene Ende dem heranstürmenden Schlachtross in die Brust zu bohren.

Der Ordenssöldner mit dem Morgenstern sprang von seinem taumelnden Pferd und zog mit der freien Hand sein Schwert. Kahlan zögerte keine Sekunde; er war noch nicht ganz gelandet, als sie, ihr eigenes Schwert in der Hand, herumwirbelte und ihm einen kräftigen Rückhandschlag gegen seine linke Gesichthälfte verpasste.

Gleich darauf musste sie sich, einer Klinge ausweichend, zwischen die Beine eines anderen Pferdes werfen, als dessen Reiter nach ihr schlug. Auf der anderen Seite aufspringend, hackte sie dem Reiter das Bein zweimal durch bis auf den Knochen, bevor sie sich gerade noch rechtzeitig drehen konnte, um ihr Schwert bis zum Heft in die Brust eines weiteren Pferdes zu stoßen, das sich bei dem Versuch, sie zwischen sich und dem anderen Tier zu zermalmen, von der Seite herangedrängt hatte. Als das Tier sich daraufhin wild wiehernd aufbäumte, riss Kahlan ihr Schwert wieder heraus und wälzte sich, unmittelbar bevor das mächtige Tier stampfend wieder landete, zur Seite. Das Bein des Reiters war eingeklemmt, und er saß in einer ungünstigen Position, um sich zu verteidigen. Kahlan machte aus der Gelegenheit das Beste.

Im Augenblick war ihre unmittelbare Umgebung überschaubar, was es ihr erlaubte, zum Zelt hinüberzurobben, wo der General auf den Knien liegend am ineinander verhedderten Durcheinander aus Zeltleinwand und Seilen zerrte. Immer mehr Kavallerie der Imperialen Ordnung galoppierte donnernd vorüber und drohte Verna, Adie und Cara zu zertrampeln, die immer noch im Durcheinander des Zeltes gefangen waren.

Seite an Seite mit General Meiffert arbeitete Kahlan daran, die Zeltleinwand zu entwirren und in Stücke zu schneiden. Schließlich rissen sie eine Öffnung in den schweren Stoff und befreiten Adie und Verna. Die beiden Frauen lagen, zusammen umwickelt, einander fest in den Armen. Adie blutete am Kopf, stieß Kahlans Hände jedoch zurück, als diese besorgt nach ihr greifen wollte. Verna kam aus dem Kokon zum Vorschein und rappelte sich, noch immer benommen von der wilden Rutschpartie, taumelnd hoch.

Kahlan half Adie auf, der Kratzer auf ihrer Stirn sah nicht übermäßig ernst aus. General Meiffert zerrte wie von Sinnen an der Leinwand, obwohl sie sie nicht mehr hören konnten, lag irgendwo dort drinnen noch immer Cara.

Kahlan packte Vernas Arm. »Ich dachte, der Alarm sei falsch gewesen!«

»War er auch!«, beharrte Verna. »Sie haben uns ganz offensichtlich getäuscht.«

Ringsum waren Soldaten in eine offene Feldschlacht mit der Kavallerie der Imperialen Ordnung verwickelt; Männer stürzten sich mit wütendem Gebrüll in den Kampf, andere schrien auf, als sie verwundet oder getötet wurden; wieder andere befahlen Kommandos brüllend die Organisation einer Gegenwehr, während die berittenen Soldaten sich zum Angriff formierten.

Einige der Kavalleristen setzten Karren, Zelte und Vorräte in Brand. Andere stürmten, Männer und Zelte niederreitend, vorüber. Reiterpaare taten sich zusammen, um einzelne Soldaten herauszugreifen und niederzustrecken und sich unmittelbar darauf auf ihr nächstes Opfer zu stürzen.

Sie setzten dieselbe Taktik ein, die die D’Haraner angewendet hatten; sie taten, was Kahlan ihnen vorgemacht hatte.

Als sich ein in schmutzige Felle und Waffen gehüllter Soldat, seinen Übermut hinausschreiend und eine mit glänzenden blutverschmierten Dornen besetzte Keule über dem Kopf schwingend, auf sie stürzte, schlug Kahlan ihm mit einem blitzschnellen Hieb die Hand ab. Wankend blieb er stehen und starrte sie völlig verdutzt an. Noch im selben Atemzug bohrte sie ihm ihr Schwert in den Unterleib und verriss es vor dem Herausziehen mit einer heftigen Drehung. Als er krachend in ein Lagerfeuer stürzte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit etwas anderem zu. Seine Schreie verschmolzen mit denen anderer.

Kahlan ließ sich abermals auf die Knie hinunter, um General Meiffert dabei zu helfen, Cara zu befreien, die er mittlerweile inmitten des Gewirrs aus Stricken und ineinander verschlungener Zeltleinwand gefunden hatte. Ab und zu musste sich einer von ihnen umdrehen, um einen versprengten Angreifer abzuwehren. Kahlan sah Caras rote Stiefel unter der Zeltleinwand hervorlugen, sie lagen aber völlig still.

Ein Stück Zeltleine hatte sich um Caras Beine verheddert. Dank einer gemeinsamen Anstrengung gelang es Kahlan und dem General, sich durch das dichte Geflecht aus Schnüren zu hacken und Cara schließlich daraus zu befreien. Sie hielt sich stöhnend den Kopf. Sie war noch bei Bewusstsein, aber schwer angeschlagen und hatte die Orientierung verloren. Kahlan entdeckte eine Schwellung auf der rechten Seite unter ihrem Haaransatz, die aber nicht blutete. Cara versuchte sich aufzusetzen, doch Kahlan drückte sie wieder auf den Rücken.

»Bleibt liegen. Ihr habt einen Schlag auf den Kopf bekommen. Ich möchte vorerst nicht, dass Ihr aufsteht.«

Kahlan blickte über ihre Schulter und sah ganz in der Nähe Verna, die sich Soldaten der Imperialen Ordnung herausgriff und mit jedem Zucken ihrer Hände einen feurigen Bann bewirkte, der sie von ihren Pferden sprengte oder sie mit einer Schneide aus verdichteter Luft – scharf wie eine Klinge, nur flinker und unfehlbarer – niederstreckte. Da sie selbst weder mit der Gabe gesegnet waren, noch unter dem Schutz eines mit der Gabe Gesegneten standen, bot ihnen ihr einfacher Harnisch keinen Schutz.

Kahlan lenkte Vernas Aufmerksamkeit auf sich und bat sie mit einem Wink um Hilfe. Sie packte den Umhang der Frau an den Schultern, zog Verna ganz nah heran und schrie ihr ins Ohr, um im Getöse der Schlacht gehört zu werden.

»Seht nach, wie es ihr geht, ja? Und helft ihr.«

Verna nickte, dann schmiegte sie sich dicht neben Cara, während Kahlan und der General sich einem erneuten Kavallerieangriff zuwandten. Als ein Reiter, seine Lanze senkend, im Galopp ganz nah heranpreschte, tauchte General Meiffert unter dem Stoß weg, packte den Sattelknauf und klammerte sich seitlich an das Pferd. Ächzend vor Anstrengung und Wut, durchbohrte er den Reiter mit seinem Schwert. Überrascht griff der Mann nach der in seinem weichen Unterleib steckenden Klinge. Der General riss sein Schwert heraus, packte den Mann bei den Haaren und zerrte ihn aus dem Sattel. Noch während der Sterbende seitlich herunterglitt, zog General Meiffert sich bereits an seiner Stelle in den Sattel hoch. Kahlan fing die Lanze des gefallenen Kavalleristen auf.

Der kräftig gebaute d’Haranische General riss das mächtige Schlachtross herum und ließ es inmitten der heranstürmenden feindlichen Kavallerie kreisen, um Verna und Cara Deckung zu geben. Kahlan schob ihr Schwert in die Scheide und setzte die Lanze mit durchschlagender Wirkung gegen die Schlachtrösser ein. Oft sahen Menschen in ihnen nichts weiter als dumme Tiere, aber wenigstens waren Pferde klug genug, um zu begreifen, dass es keineswegs erstrebenswert war, sich mit einer spitzen Lanze durchbohren zu lassen, und reagierten dementsprechend.

Durch das Scheuen und Aufbäumen der Pferde, die Kahlan mit ihrer Lanze zu durchbohren versuchte, kamen zahlreiche Reiter zu Fall. Einige verletzten sich beim Sturz auf das überall verstreut herumliegende Kriegsgerät oder den gefrorenen Boden, die meisten jedoch fielen den Angriffen der von allen Seiten herbeiströmenden D’Haraner zum Opfer.

Vom Sattel seines Schlachtrosses der Imperialen Ordnung aus erteilte General Meiffert seinen Männern den Befehl zur Bildung einer Verteidigungsformation. Nachdem er ihnen ihre Positionen zugewiesen hatte, galoppierte er, eine Reihe von Befehlen brüllend, davon. Er hatte seinen Männern nicht gesagt, wen sie beschützen mussten, um Kahlan nicht an den Feind zu verraten, trotzdem begriffen sie rasch, was er von ihnen verlangte. D’Haraner schnappten sich die gegnerischen Lanzen oder eilten mit ihren eigenen Langspießen herbei, und kurz darauf entstand eine waffenstarrende Front aus stahlspitzenbewehrten Langwaffen, ein tödliches Hindernis für die heranstürmende Kavallerie des Feindes.

Kahlan rief Soldaten rechts und links von sich Kommandos zu und befahl ihnen, in Stellung zu gehen, um einer ungefähr zweihundert Mann starken Kavallerieeinheit der Imperialen Ordnung, die sich aus dem Staub zu machen versuchte, den Weg abzuschneiden. Es mochte zwar sein, dass der Feind den Überfällen der D’Haraner auf das Feldlager der Imperialen Ordnung nachgeeifert hatte, aber Kahlan hatte nicht die Absicht, ihnen das durchgehen zu lassen. Ihr Scheitern war beschlossene Sache.

Die feindlichen Pferde scheuten, als sie auf die massive Front aus vorrückenden Soldaten trafen. Nachrückende Fußsoldaten im Rücken der Kavallerie der Imperialen Ordnung ließen einen Pfeilhagel niedergehen. D’Haraner zerrten eingeschlossene Reiter aus ihren Sätteln herunter in den blutigen Bodenkampf Mann gegen Mann.

»Ich will nicht, dass auch nur ein einziger von ihnen aus dem Lager lebend entkommt!«, feuerte sie ihre Männer an. »Kein Pardon!«

»Kein Pardon!«, brüllte jeder D’Haraner in Hörweite zurück.

Die feindlichen Truppen, so siegesgewiss und hochmütig sie in der Vorfreude darauf, d’Haranisches Blut vergießen zu können, ins Lager eingefallen waren, waren nun, da die D’Haraner sie zu Tode hackten, nicht mehr als ein bemitleidenswerter, ungeordneter Haufen, gefangen in den Klauen ihrer eigenen Verzweiflung.

Jetzt, da die Verteidigungsformation stand und der Feind eingeschlossen war, ließ Kahlan die Soldaten mit ihren Lanzen und Langspießen allein, lief zwischen Lagerfeuern und erstickenden Rauchschwaden zurück und machte sich auf die Suche nach Verna, Adie und Cara. Allenthalben lagen über den Boden verteilt Soldaten beider Armeen, denen sie ausweichen musste. Wer von den gefallenen Angreifern noch nicht vollends kampfunfähig war, versuchte nach ihren Knöcheln zu greifen; sie war gezwungen, mehrere von ihnen zu erstechen.

Der Feind wusste, wer sie war, oder war sich zumindest ziemlich sicher. Jagang hatte sie gesehen und seinen Männern zweifellos eine Beschreibung der Mutter Konfessor mitgegeben. Kahlan war sicher, dass ein außerordentlich hoher Preis auf ihren Kopf ausgesetzt war.

Überall im gesamten Feldlager konnte man versprengte Soldaten der Imperialen Ordnung sehen. Sie bezweifelte, dass der Angriff von Fußsoldaten durchgeführt worden war; dem Anschein nach waren es ausnahmslos Kavalleristen, die ihre Tiere verloren hatten; Pferde boten Speeren und Pfeilen oft ein leichter zu treffendes bewegliches Ziel als Soldaten. In der aufkommenden Dunkelheit waren feindliche Soldaten schwer auszumachen, da sie sich auf der Jagd nach lohnenden Zielen – wie Offizieren oder gar der Mutter Konfessor – oftmals unbemerkt durchs Lager schleichen konnten.


Die Ausbildung unter ihrem Vater war eine gute Grundlage für die geheimen taktischen Lehren gewesen, in denen Richard sie während ihrer Genesung von ihren Verletzungen in Kernland unterwiesen hatte. Damals waren Richards Methoden ihr überaus seltsam vorgekommen, jetzt erschienen sie ihr geradezu selbstverständlich. Ganz ähnlich einem leichteren Pferd, das ein schwerfälliges Schlachtross auszumanövrieren vermochte, war ihr geringeres Gewicht von Vorteil. Masse war für sie unnötig, weil sie sich dem Feind nicht, wie er dies erwartete, auf traditionelle Weise stellte. Einem Kolibri gleich blieb sie stets außerhalb seiner Reichweite, nur um durch seine schwerfälligen Bewegungen hindurchzustoßen und wirkungsvoll Tod und Verderben zu verbreiten.

Diese Art sich zu bewegen stand keinesfalls im Widerspruch zu dem Kampfstil, den ihr Vater gelehrt hatte, sondern rundete ihn auf eine Weise ab, die ihr sehr entgegen kam. Richard hatte sie nicht mit dem Schwert ausgebildet, sondern mit einer Weidenrute, einem schadenfrohen Grinsen und einem gefährlichen Funkeln in den Augen; jetzt diente Richards Schwert, das sie über ihren Rücken geschnallt trug, als allgegenwärtige Erinnerung an diese spielerischen Unterrichtsstunden, die nicht nur unerbittlich, sondern durchaus auch von tödlichem Ernst gewesen waren.

Schließlich fand sie Verna, über Cara gebeugt, den General aber konnte sie nirgendwo entdecken. Kahlan packte Verna am Ärmel.

»Wie geht es ihr?«

»Sie hat sich übergeben, aber offenbar hat ihr das gut getan, nachdem es vorbei war. Vermutlich wird sie noch eine Weile etwas wackelig auf den Beinen sein, ansonsten aber denke ich, geht es ihr den Umständen entsprechend.«

»Ihr Schädel ist geschwollen«, sagte Adie. »Gebrochen ist er nicht, aber sie sollte eine Weile still liegen – wenigstens, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hat.«

Caras Hände tappten suchend umher, so als hätte sie Schwierigkeiten, den Boden unter ihrem Körper zu finden. Trotz ihrer unübersehbaren Benommenheit bedachte sie die Prälatin mit Flüchen und versuchte sich aufzurichten. Kahlan, die neben Cara hockte, drückte ihre Schultern auf den Boden zurück.

»Ich sitze genau neben Euch, Cara, es geht mir gut. Bleibt ein paar Minuten still liegen und rührt Euch nicht.«

»Ich mache sie fertig!«

»Später«, beruhigte sie Kahlan. »Seid völlig unbesorgt, Ihr werdet Eure Chance noch bekommen.« Jetzt erst bemerkte sie, dass Adies Kopf vom Blut gesäubert worden war. »Wie geht es dir, Adie? Was macht dein Kopf?«

Die Hexenmeisterin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Pah, mir geht es ausgezeichnet. Ich habe einen dickeren Schädel als Cara.«

Inzwischen hatten sich einige Soldaten um sie geschart und bildeten einen stählernen Schutzwall. Verna, Adie und Kahlan saßen über Cara gebeugt und hielten ein Auge auf das umliegende Gelände; in ihrer unmittelbaren Umgebung schienen die Kämpfe jedoch abgeflaut zu sein. Obwohl noch immer vereinzelte Scharmützel im Gang waren, waren die Frauen dank der großen Zahl von Soldaten, die zu ihrem Schutz die Reihen geschlossen hatten, erst einmal in Sicherheit.

Schließlich kehrte auch General Meiffert zurück; er durchbrach die Reihen der d’Haranischen Verteidiger, die sich für ihn teilten, und sprang von seinem feindlichen Schlachtross, das wegen der Schmach, von einem Feind geritten zu werden, augenblicklich die Flucht ergriff. Der junge d’Haranische General ging auf Caras anderer Seite in die Hocke und begann zu sprechen, obwohl er völlig außer Atem war.

»Ich war unten und habe mir den Frontverlauf angesehen. Dies ist ein Überfall, ganz ähnlich dem, den wir bei ihnen durchgeführt haben. Er sah heftiger aus, als er tatsächlich war. Nachdem sie die Mutter Konfessor ausgemacht hatten, beorderten sie sämtliche Soldaten in diesen Teil des Lagers, daher konzentriert sich der Schaden im Wesentlichen auf diesen Lagerabschnitt.«

»Wieso haben wir nichts davon gewusst?«, fragte Kahlan. »Was hat mit dem Alarmsignal nicht funktioniert?«

»Ich bin nicht sicher.« Er schüttelte den Kopf, immer noch nach Atem ringend. »Zedd ist der Meinung, sie hätten unsere Codes in Erfahrung gebracht, sodass sie, als wir Alarm bliesen, die darin verwobene Magie, die unseren mit der Gabe Gesegneten verrät, dass es sich um einen echten Angriff handelt, mit Hilfe Subtraktiver Magie leicht verändern konnten.«

Kahlan schnaubte wütend; allmählich begann alles einen Sinn zu ergeben. »Deswegen wurde so oft falscher Alarm geschlagen. Sie wollten uns daran gewöhnen, damit wir, in der irrigen Annahme, unser Alarm sei nichts als ein Falschalarm des Feindes, im Falle eines echten Angriffs unbekümmert sein würden.«

»Ihr habt vermutlich Recht.« Frustriert ballte und entspannte er seine Faust, dann fiel sein Blick auf Cara und er bemerkte, dass sie wütend zu ihm hochschaute. »Cara. Geht es Euch gut? Ich war sehr um Euch – ich meine, wir alle dachten, Ihr wärt schwer verletzt.«

»Nein«, erwiderte sie mit einem kühlen Seitenblick auf Verna und Kahlan, die ihre Schultern jeweils mit einer Hand zu Boden drückten. Beiläufig schlug sie ihre Fersen übereinander. »Ich dachte bloß, Ihr würdet schon damit fertig werden, und beschloss ein Nickerchen zu machen.«

General Meiffert bedachte sie mit einem flüchtigen Lächeln und wandte sich dann mit ernster Miene an Kahlan.

»Die Lage spitzt sich zu. Dieser Kavallerieangriff war ein Ablenkungsmanöver. Obwohl der Angriff uns glauben machen sollte, er sei nichts weiter als ein Überfall, wollten sie Euch ganz ohne Zweifel dadurch in die Hände bekommen.«

Kahlan spürte, wie die Angst sie frösteln machte. »Sie greifen an, nicht wahr?«

Er nickte. »Und zwar mit der gesamten Streitmacht. Sie sind immer noch ein gutes Stück entfernt, aber Ihr habt völlig Recht, sie sind auf dem Weg hierher. Das Ganze sollte nur Verwirrung stiften und uns ablenken.«

Kahlan starrte wie vom Donner gerührt ins Nichts. Nie zuvor hatte die Imperiale Ordnung bei Sonnenuntergang angegriffen. Die Aussicht eines Sturmangriffs von hunderttausenden und aberhunderttausenden von Truppen der Imperialen Ordnung in der Dunkelheit der Nacht konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen.

»Sie haben ihre Taktik geändert«, sagte Kahlan leise bei sich. »Er lernt schnell. Ich dachte, ich hätte ihn getäuscht, dabei war ich es, die übertölpelt wurde.«

»Was murmelt Ihr da?«, wollte Cara wissen, die Hände lässig über ihrem Bauch gefaltet.

»Ich spreche von Jagang. Er hat damit gerechnet, dass ich mich von seinen im Kreis marschierenden Truppen nicht in die Irre führen lassen würde. Ich sollte glauben, ich hätte ihn überlistet. Er hat mich zum Narren gehalten.«

Cara zog ein Gesicht. »Was?«

Kahlan wurde übel, als sie die Folgen bedachte. Sie presste eine Hand gegen die Stirn, als ihr die grausige Wahrheit in ihrem ganzen Ausmaß bewusst wurde.

»Jagang wollte mich in dem Glauben lassen, ich hätte sein Spiel durchschaut, damit wir so tun, als würden wir mitspielen und unsere Truppen aussenden. Vermutlich hatte er damit gerechnet, dass sie nicht seinem Köder hinterhergeschickt, sondern stattdessen zur Vereitelung seines eigentlichen Angriffsplans eingesetzt werden würden. Das war ihm aber egal. Er hatte von Anfang an vor, seine Taktik zu ändern, und hat lediglich den Abzug dieser Truppen abgewartet, um angreifen zu können, bevor sie ihre Stellungen erreicht hatten und unsere Zahl solange reduziert war.«

»Soll das heißen«, wandte Cara ein, »die ganze Zeit, während Ihr mit ihm gesprochen und so getan habt, als glaubtet Ihr, er lasse seine Truppen nach Norden marschieren, hat er gewusst, dass Ihr ihm etwas vormacht?«

»Ich fürchte, ja. Er hat mich überlistet.«

»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht«, meinte General Meiffert. »Noch hat er nicht gewonnen. Schließlich sind wir nicht gezwungen, ihm seinen Willen zu lassen. Wir können unsere Streitkräfte verlagern, bevor er zuschlagen kann.«

»Können wir die ausgesandten Truppen nicht zurückrufen?«, fragte Verna. »Ihre Zahl wäre ein große Hilfe.«

»Zurzeit marschieren sie Stunden von hier entfernt durch das Hinterland zu den ihnen zugewiesen Stellungen«, erwiderte General Meiffert. »Sie würden niemals rechtzeitig zurück sein, um uns noch heute Abend beistehen zu können.«

Statt weiter darüber nachzudenken, wie tölpelhaft sie sich angestellt hatte, beschäftigte Kahlan sich ernsthaft mit dem unmittelbaren Problem. »Wir müssen so schnell wie möglich abrücken.«

Der General pflichtete ihr nickend bei. »Wir könnten auf unsere ursprünglichen Pläne zurückgreifen und uns aufteilen und in kleinen Einheiten in die Berge zerstreuen.«

Er fuhr sich mit den Fingern durch sein blondes Haar, eine Geste der Verzweiflung, die Kahlan unerwartet an Richard erinnerte. »Aber in diesem Fall müssten wir den größten Teil unserer Vorräte zurücklassen. Im Winter, noch dazu ohne Vorräte, würde ein Großteil unserer Truppen nicht lange durchhalten. Ob man nun im Kampf getötet wird oder an Hunger und Kälte stirbt – tot ist man in jedem Fall.«

»Zersprengt würden wir ein leichtes Opfer abgeben«, pflichtete Kahlan ihm bei. »Das mag als allerletzter Ausweg vielleicht später einmal sinnvoll sein, aber nicht jetzt. Gegenwärtig müssen wir die Armee zusammenhalten, wenn wir den Winter überstehen und die Imperiale Ordnung auch weiterhin von ihren Eroberungsplänen ablenken wollen.«

»Auf keinen Fall dürfen wir sie widerstandslos in eine Stadt einmarschieren lassen. Das hätte nicht nur ein Blutbad zur Folge, sondern wir stünden auch vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, sie wieder zu vertreiben.« Der General schüttelte den Kopf. »Letzten Endes könnte das all unsere Hoffnungen zunichte machen, sie jemals wieder in die Alte Welt zurückzutreiben.«

Kahlan deutete über ihre Schulter. »Was ist mit dem Tal dort hinten, über das wir gesprochen haben? Der Pass dort oben ist überaus schmal – falls erforderlich, kann er auf dieser Seite von zwei Männern und einem Hund verteidigt werden.«

»Das war auch meine Überlegung«, antwortete er. »Dort ließe sich die Armee zusammenhalten – und die Ordenstruppen wären gezwungen, sich auch weiterhin mit uns zu befassen, statt ihr Augenmerk auf irgendwelche Städte zu richten. Für den Fall, dass sie versuchen sollten, uns auf ihrem Weg in die Midlands zu umgehen, gibt es bequeme, in nördlicher Richtung aus dem Tal führende Routen, die wir einschlagen könnten. Nachschub ist bereits unterwegs, außerdem können wir noch mehr anfordern; wir müssen zusammenbleiben und unsere Kampfhandlungen mit der Armee der Imperialen Ordnung fortsetzen, bis diese Truppen eintreffen.«

»Worauf warten wir dann?«, fragte Verna. »Ziehen wir ab.«

Er bedachte sie mit einem besorgten Blick. »Im Augenblick besteht das Problem darin, dass wir mehr Zeit benötigen, wenn wir in das Tal gelangen wollen, bevor die Imperiale Ordnung über uns herfallen kann. Für Karren ist der Pass zu schmal. Die Pferde können es schaffen, nicht aber die Karren – man wird sie auseinandernehmen müssen. Unsere Ausrüstung ist größtenteils so beschaffen, dass sie zerlegt und notfalls getragen werden kann; die wenigen Teile, bei denen das nicht möglich ist, werden wir zurücklassen müssen. Der Aufbruch selbst wird nicht viel Zeit kosten, es wird jedoch eine Weile dauern, sämtliche Männer und Vorräte durch dieses Nadelöhr zu schleusen – vor allem bei Dunkelheit.«

»In einer Marschkolonne ohne Lücken dürften Fackeln ausreichen«, meinte Adie. »Die Soldaten brauchen nur ihrem Vordermann zu folgen, das schaffen sie auch bei schlechtem Licht.«

Kahlan erinnerte sich an den Handabdruck aus leuchtendem Staub. »Die mit der Gabe könnten eine Leuchtspur legen, an der sich die Männer orientieren können.«

»Das wäre in der Tat hilfreich«, sagte der General. »Bleibt noch unser grundsätzliches Problem. Die Imperiale Ordnung wird bereits hier sein, während unsere Männer noch damit beschäftigt sind, unsere Ausrüstung zu zerlegen und mitsamt den Vorräten abzutransportieren. Wir würden mitten in eine offene Feldschlacht verwickelt, wenn wir uns zeitgleich mit unserem Rückzug zu verteidigen versuchten. Ein Rückzug setzt voraus, dass man in der Lage ist, sich entweder schneller zu bewegen als der Feind, oder ihn wenigstens in Schach zu halten; beides lässt der Pass nicht zu.«

»Wir haben sie schon früher auf Distanz gehalten«, wandte Verna ein. »Das ist nicht ihr erster Angriff.«

»Da habt Ihr Recht.« Er deutete nach links. »Wir könnten stattdessen versuchen, uns in dieses Tal zurückzuziehen, allerdings wäre das im Dunkeln und bei einem gleichzeitigen Angriff der Imperialen Ordnung ein Fehler. Diesmal ist Dunkelheit das Problem. Sie werden unbeirrbar weiter vorrücken. Bei Tageslicht könnten wir Befestigungen errichten und Widerstand leisten – aber nicht nachts.«

»Wir haben hier doch bereits Verteidigungsanlagen aufgestellt«, wandte Cara ein. »Wir könnten die Stellung halten und uns ihnen frontal entgegenwerfen.«

General Meiffert biss sich auf die Unterlippe. »Das war auch meine erste Überlegung, Herrin Cara, und ist nach wie vor eine Möglichkeit, allerdings behagen mir unsere Erfolgsaussichten bei einer solchen direkten Konfrontation nicht sonderlich, jedenfalls nicht nachts, wenn sie Männer in großer Zahl ganz nah heranschmuggeln können. Im Dunkeln können wir unsere Bogenschützen nicht vorteilhaft einsetzen. Weder könnten wir ihre Truppenbewegungen noch ihre Zahl genau erkennen, somit wären wir außer Stande, unsere Männer entsprechend in Stellung zu bringen. Es ist eine Frage der Truppenstärke; ihre Zahl ist nahezu unbegrenzt, unsere dagegen nicht. Zudem haben wir nicht genügend mit der Gabe Gesegnete, um alle Möglichkeiten abzudecken – und im Krieg wird stets das getroffen, was man nicht gedeckt hat. Der Feind könnte in Massen durch eine Bresche stoßen und uns unbemerkt in der Dunkelheit umgehen; das wäre unser Ende.«

Alles schwieg, als jedem von ihnen bewusst wurde, was dies wirklich bedeutete.

»Das ist auch meine Meinung«, sagte Kahlan. »Der Pass ist unsere einzige Chance, wenn wir vermeiden wollen, heute Nacht eine Entscheidungsschlacht – und einen Großteil unserer Truppen – zu verlieren. Wir wären schlecht beraten, wenn wir das Risiko eingingen, ohne erkennbaren Vorteil die Stellung zu behaupten und zu kämpfen.«

Der General musterte ihre Augen. »Bleibt immer noch das Problem, wie wir den Pass überqueren sollen, bevor sie uns aufreiben.«

Kahlan wandte sich an Verna. »Ihr müsst den Feind aufhalten, damit wir ausreichend Zeit gewinnen, das Heer über den Pass zu schaffen.«

»Was wünscht Ihr, soll ich tun?«

»Setzt Euer Spezialglas ein.«

Der General verzog das Gesicht. »Euer was?«

»Eine Waffe der Magie«, erklärte Cara. »Um die feindlichen Truppen zu blenden.«

Verna schien wie vom Blitz getroffen. »Aber ich bin noch nicht soweit. Wir haben erst eine kleine Menge hergestellt. Ich bin noch nicht fertig.«

Kahlan wandte sich erneut an den General. »Wie viel Zeit bleibt uns nach Aussage der Kundschafter noch bis zum Eintreffen der Imperialen Ordnung?«

»Die Imperiale Ordnung kann frühestens in einer, spätestens aber in zwei Stunden hier sein. Wenn wir sie nicht aufhalten, werden wir es niemals mit unseren Männern und Vorräten aus diesem Tal heraus schaffen. Finden wir keine Möglichkeit, sie aufzuhalten, bleiben uns nur zwei Möglichkeiten: entweder wir fliehen in die Berge, oder wir halten die Stellung und kämpfen. Zu beiden Alternativen würde ich nur im äußersten Notfall greifen.«

»Wenn wir einfach nur in die Berge fliehen«, meinte Adie, »sind wir so gut wie tot. Gemeinsam sind wir lebendig und stellen für den Feind wenigstens eine gewisse Gefahr dar. Teilen wir uns aber auf, wird die Imperiale Ordnung die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und Städte überfallen und erobern. Wenn unsere einzige Alternative darin besteht, uns entweder aufzuteilen oder die Stellung zu halten und zu kämpfen, können wir uns nur für Letzteres entscheiden. Besser, wir wagen einen Versuch, als einer nach dem anderen in den Bergen umzukommen.«

Kahlan rieb sich mit den Fingern über die Stirn und versuchte nachzudenken. Jagang hatte seine Taktik geändert und beschlossen, sie in eine nächtliche Schlacht zu verwickeln. Das hatte er noch nie zuvor getan, weil es ihn zu viele Opfer gekostet hätte; angesichts seiner gewaltigen Überzahl schien ihn das jedoch nicht mehr zu kümmern. Menschenleben waren für Jagang nur von untergeordneter Bedeutung.

»Wenn wir ihm hier und jetzt eine offene Feldschlacht liefern müssen«, erwiderte Kahlan resigniert, »haben wir den Krieg vermutlich bis zum Morgengrauen verloren.«

»Das ist auch meine Meinung«, sagte der General schließlich. »So wie ich es sehe, bleibt uns gar keine Wahl. Wir müssen schnell handeln und so viele Männer wie möglich über den Pass bringen. Alle, die wir vor Eintreffen der Imperialen Ordnung nicht hinüberschaffen, werden wir verlieren, aber zumindest werden wir einige wenige retten können.«

Die vier verfielen einen Augenblick in Schweigen, während sich jeder das Entsetzliche der Tatsache vergegenwärtigte, dass Menschen zurückbleiben und sterben würden. Das hektische Treiben ringsum nahm kein Ende: Männer liefen eilig umher, löschten Feuer, fingen von Panik ergriffene Pferde ein, versorgten Verwundete und kämpften mit den wenigen noch zurückgebliebenen Eindringlingen, die sie eingekreist hatten. Die Ordenstruppen waren bei weitem in der Unterzahl – doch das würde sich bald ändern.

Kahlans Gedanken rasten. Sie konnte nicht anders, sie war wütend auf sich, weil sie sich hatte übertölpeln lassen. Immer wieder gingen ihr Richards Worte durch den Kopf: Denk über die Lösung nach, nicht über das Problem. Die Lösung war das Einzige, was in diesem Augenblick zählte.

Kahlan schaute abermals hinüber zu Verna. »Uns bleibt noch eine Stunde, bis sie hier sind. Ihr müsst es versuchen, Verna. Was meint Ihr, habt Ihr eine Chance, Euer Spezialglas herzustellen und zur Entfaltung zu bringen, bevor der Feind uns erreicht hat?«

»Ich werde mein Möglichstes tun – darauf habt Ihr mein Wort. Ich wünschte, ich könnte Euch mehr versprechen.« Verna erhob sich schwerfällig. »Natürlich werde ich alle Schwestern benötigen, die die Verwundeten versorgen. Was ist mit denen, die an der Front arbeiten und der feindlichen Magie entgegenwirken? Könnte ich von denen auch ein paar bekommen?«

»Nehmt sie alle«, entschied Kahlan. »Wenn wir damit keinen Erfolg haben, ist alles andere ohnehin egal.«

»Dann nehme ich also alle, jede einzelne«, sagte Verna. »Es ist die einzige Chance, die wir haben.«

»Fangt augenblicklich an«, meinte Adie zu Verna. »Geht hinunter in die Nähe der Front, auf dieser Seite des Tals, wo Euch der Wind aus der Angriffsrichtung entgegenschlägt. Ich mache mich sofort daran, die Schwestern zusammenzurufen und sie hinunterzuschicken, damit sie Euch helfen.«

»Wir brauchen Glas«, wandte Verna sich an den General. »Gleich welcher Art. Wenigstens ein paar Fässer voll.«

»Ich werde veranlassen, dass sofort Männer mit dem ersten Fass dort unten erscheinen. Können wir Euch nicht wenigstens beim Zerkleinern helfen?«

»Nein. Ob es beim Hineinwerfen in die Fässer zerbricht, spielt keine Rolle, aber danach muss es von denen mit der Gabe weiterbehandelt werden. Schafft einfach alles Glas herbei, das Ihr zusammentragen könnt, mehr könnt Ihr nicht tun.«

Der General versprach ihr, sich darum zu kümmern. Ihren hinderlichen Saum raffend, eilte Verna davon, um sich, dicht gefolgt von Adie, an die Arbeit zu machen.

»Ich werde die Männer sofort abmarschieren lassen«, meinte der General, sich schwerfällig erhebend, zu Kahlan. »Die Kundschafter werden den Pfad markieren; anschließend können wir gleich mit dem Abtransport des schwereren Geräts beginnen.«

Sollte es tatsächlich klappen, würden sie sich Jagangs Zugriff mit knapper Not entziehen können.

Über eins war Kahlan sich im Klaren: wenn Verna keinen Erfolg hatte, konnte es sein, dass bis zum Morgengrauen ihr aller Leben – und der Krieg – verloren war. General Meiffert hielt einen Augenblick inne, sah sie kurz zögernd an und gab ihr damit eine letzte Chance, es sich noch anders zu überlegen.

»Fangt an«, sagte sie an den General gewandt. »Cara – auf uns wartet Arbeit.«

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