Als Kahlan zum letzten Mal aus ihrer Heimatstadt Aydindril herausritt, zog sie ihren Wolfspelzüberwurf als Schutz gegen den bitterkalten Wind bis über ihre Schultern. Sie musste daran denken, dass sie das letzte Mal, als der Winter mit einem Wetterumschwung hereinzubrechen drohte, auch Richard zum letzten Mal gesehen hatte. Ihre Gedanken schienen – seit die Welt unablässig in Aufruhr und die kriegerische Auseinandersetzung in ihre heiße Phase eingetreten war – zwangsläufig stets um drängende Probleme zu kreisen. Die unerwartete Erinnerung an Richard war eine willkommene, wenn auch bittersüße Unterbrechung ihrer Sorge um den Krieg.
Bevor sie die Hügelkuppe überquerte, sah sie sich ein allerletztes Mal um und betrachtete die Pracht des Palastes der Konfessoren auf seinem fernen Hügel. Jedes Mal, wenn sie die hoch aufragenden weißen Marmorsäulen und die Reihen hoher Fenster sah, verspürte sie ein schmerzlich sehnsuchtsvolles Gefühl von Heimat. Andere Menschen wurden beim Anblick des Palastes von Ehrfurcht oder Angst ergriffen, Kahlan dagegen wurde es stets warm ums Herz. Sie war dort aufgewachsen, und er war für sie ein Ort zahlloser glücklicher Erinnerungen.
»Es ist nicht für immer, Kahlan.«
Kahlan schaute zu Verna hinüber. »Nein, das ist es nicht.«
Wie gerne hätte sie es geglaubt.
»Außerdem«, fuhr Verna ihr zulächelnd fort, »werden wir verhindern, dass der Imperialen Ordnung die Bevölkerung in die Hände fällt, denn die ist es, worauf sie es in Wahrheit abgesehen haben. Alles Übrige ist nicht mehr als ein bisschen Holz und ein paar Steine. Was zählen Steine und Holz, wenn die Menschen in Sicherheit sind?«
Trotz ihrer verzweifelten Tränen wurde Kahlan von einem Lächeln übermannt. »Ihr habt ganz Recht, Verna. In Wirklichkeit zählt allein das. Danke, dass Ihr mich daran erinnert habt.«
»Seid unbesorgt, Mutter Konfessor«, meinte Cara, »Berdine und die übrigen Mord-Sith werden gemeinsam mit den Truppen über die Bevölkerung wachen und sie sicher nach D’Hara führen.«
Kahlans Lächeln wurde breiter. »Ich wünschte, ich könnte Jagangs Gesicht sehen, wenn er im nächsten Frühjahr endlich hier eintrifft und nur von Gespenstern begrüßt wird.«
Die kriegerische Jahreszeit neigte sich dem Ende zu. Wenn der Sommer mit Richard in ihrem Zuhause in den Bergen ein wunderbarer Traum gewesen war, dann war dieser Sommer mit seinen niemals endenden kriegerischen Auseinandersetzungen ein einziger Albtraum gewesen.
Die Kämpfe waren voller Verzweiflung und mit aller Heftigkeit geführt worden und hatten einen hohen Blutzoll gefordert. Es hatte Zeiten gegeben, da Kahlan geglaubt hatte, dass weder sie noch die Armee im Stande wären weiterzumachen und sie am Ende seien. Es hatte Augenblicke gegeben, in denen sie den Tod fast willkommen geheißen hätte, nur um den Albtraum zu beenden und nicht mehr mit ansehen zu müssen, wie die Menschen qualvoll litten, nicht mehr mitansehen zu müssen, wie all diese kostbaren Menschenleben zugrunde gingen.
Trotz der scheinbar unbezwingbaren Millionen der Imperialen Ordnung war es den d’Haranischen Streitkräften gelungen, den Vormarsch des Feindes aufzuhalten und so zu verhindern, dass er Aydindril noch in diesem Jahr einnahm. Um den Preis von tausenden im Kampf verlorener Menschenleben hatten sie hunderttausenden von Menschen in Aydindril und anderen Städten, die an der Vormarschroute der Imperialen Ordnung lagen, jene Zeit erkauft, die sie zur Flucht benötigten.
Als das Herbstwetter allmählich unfreundlich wurde, hatte das gewaltige Heer der Imperialen Ordnung ein weites Tal am Zusammenfluss des Kern und eines seiner großen Nebenflüsse erreicht, wo die örtlichen Gegebenheiten ihnen genügend Platz für die Unterbringung ihrer gesamten Streitmacht boten. Jetzt, da der Winter unmittelbar bevorstand, war Jagang nicht so unklug, sich unvorbereitet ertappen zu lassen. Sie hatten sich, solange noch Gelegenheit dazu war, eingegraben. Die d’Haranischen Streitkräfte hatten nach Norden hin ihre Verteidigungslinien eingerichtet und den Weg nach Aydindril mit Bollwerken befestigt.
Wie von Warren vorhergesehen, war Aydindril in dieser Kriegssaison noch ein zu großer Happen für Jagangs Armee. Wieder einmal hatte Jagang einen Beweis seiner klugen Geduld geliefert: Er hatte sich entschieden, die Lebensfähigkeit seiner Armee zu erhalten, um erfolgreich weitermarschieren zu können, sobald die Witterungsbedingungen dies zuließen. Kurzfristig gab das Kahlan und ihren Streitkräften Raum zum Atmen, langfristig aber war ihr Schicksal damit besiegelt.
Kahlan empfand wohltuende Erleichterung darüber, dass sich Warrens Ankündigung, Aydindril werde im folgenden Jahr fallen, wenigstens nicht um den Preis des Abschlachtens der Bürger der Stadt erfüllen würde. Sie wusste nicht, welche Mühsal die Menschen auf ihrer Flucht nach D’Hara würden erleiden müssen, aber alles war besser als die sichere Versklavung und das massenhafte Sterben, die sie erwarteten, wenn sie in Aydindril blieben.
Einige Menschen, das wusste sie, würden sich weigern, die Stadt zu verlassen. In manchen Städten entlang der Vormarschroute des Ordens der Imperialen Ordnung durch die Midlands setzten einige Menschen ihre ganze Hoffnung auf ›Jagang den Gerechten‹. Wieder andere glaubten, die Gütigen Seelen oder der Schöpfer würden, was immer auch geschah, über sie wachen. Kahlan war sich darüber im Klaren, dass sie nicht alle Menschen vor sich selbst retten konnte. Wer überleben wollte und gewillt war, sich der Vernunft zu beugen, hatte eine Chance. Wer nur das sah, was er sehen wollte, über den würde sich letztendlich das Leichentuch der Herrschaft des Ordens legen.
Kahlan langte nach hinten und berührte das Heft des Schwertes der Wahrheit, das hinter ihrer Schulter in die Höhe ragte. Manchmal war ihr seine Berührung ein Trost, denn der Palast der Konfessoren war längst nicht mehr ihr Zuhause. Zu Hause, das war dort, wo immer Richard und sie zusammen sein konnten.
Oft waren die Kämpfe so heftig, die Angst so sehr mit Händen greifbar, dass es Zeiten gab – manchmal Tage hintereinander –, in denen sie überhaupt nicht an ihn dachte; manchmal musste sie alle ihre körperlichen und geistigen Kräften aufbieten, nur um den Tag zu überstehen.
Einige Männer waren aus dem Gefühl der Aussichtslosigkeit dieses Krieges desertiert. Kahlan konnte es ihnen nicht verdenken. Nie, so schien es, taten sie etwas anderes, als ihr Leben gegen eine überwältigende Übermacht zu verteidigen, während sie sich quer durch die gesamten Midlands zurückzogen.
Galea war gefallen. Dass es aus keiner Stadt in Galea Nachricht gab, besagte alles.
Auch Kelton hatten sie verloren. Vielen Keltoniern aus Winstead, Penverro und anderen Städten war vorher jedoch die Flucht gelungen. Der größte Teil der keltonischen Armee befand sich noch bei ihnen, obwohl manche sich auch aus Verzweiflung überstürzt in ihre Heimat abgesetzt hatten.
Um den Mut nicht zu verlieren, versuchte Kahlan nicht zu lange über all das nachzudenken, was schief gegangen war. Sie hatten eine große Zahl von Menschen gerettet – und sie aus dem Weg der Imperialen Ordnung geschafft, wenigstens vorerst. Mehr hatten sie nicht tun können.
Auf ihrem Rückzug in Richtung Norden hatten zehntausende ihrer vereinten Streitkräfte bei heftigen Kämpfen ihr Leben gelassen, der Orden aber hatte ein Vielfaches dieser Zahl verloren. Auf dem Höhepunkt der sommerlichen Hitze hatte der Orden allein durch Fieber nahezu eine Viertelmillion Mann verloren. Es machte allerdings kaum einen Unterschied; während sie vorwärts marschierten, wuchs ihre Zahl unablässig weiter. Kahlan musste daran denken, was Richard ihr erklärt hatte: dass sie nicht siegen konnten, dass die Neue Welt unter die Herrschaft der Imperialen Ordnung fallen und ihr Widerstand lediglich noch größeres Blutvergießen zur Folge haben würde. Widerstrebend begann sie diese hoffnungslose Sicht der Dinge zu verstehen. Sie hatte Angst, immer mehr Menschen sinnlos in den Tod zu ziehen. Aber nach wie vor kam für sie Aufgeben nicht in Frage.
Kahlan sah über ihre Schulter, vorbei an der Kolonne der sie eskortierenden Soldaten, zwischen den Bäumen hindurch und hinauf zu den Bergen und der gewaltigen dunklen Masse der Burg der Zauberer, die sich auf jenem Berg erhob, der Aussicht über ganz Aydindril gewährte.
Dorthin würde Zedd sich begeben müssen; dass die Imperiale Ordnung Aydindril einnahm, konnten sie nicht verhindern, aber die Burg durften sie ihnen niemals überlassen.
Es dämmerte bereits, als Kahlan zehn Tage später mit ihrem Begleittrupp wieder in das d’Haranische Feldlager einritt. Vom ersten Augenblick an war klar, dass etwas nicht stimmte. Männer liefen mit gezückten Schwertern im Lager umher, andere eilten mit Langwaffen zu den Barrikaden. Soldaten rannten, Leder- und Kettenrüstungen anlegend, in ihre Stellungen. Es herrschte eine allgemeine Anspannung, doch das hatte Kahlan schon so oft gesehen, dass es ihr fast wie Routine vorkam.
»Ich frage mich, was das alles zu bedeuten hat«, meinte Verna stirnrunzelnd. »Es würde mir gar nicht gefallen, wenn Jagang mir mein Abendessen verdirbt.«
Kahlan, die ihre Lederrüstung nicht angelegt hatte, fühlte sich auf einmal nackt. Auf langen Ritten war sie unbequem, daher hatte sie sie, da sie durch befreundetes Gebiet ritten, an ihrem Sattel festgebunden. Beim Absteigen rückte Cara ganz nahe an sie heran. Sie übergaben Soldaten die Zügel, während eine Abteilung sie zum Schutz in ihre Mitte nahm.
Kahlan konnte sich nicht erinnern, welche Farbwimpel derzeit für die Kennzeichnung der Zelte der Befehlshaber verwendet wurden. Sie hatte die genaue Anzahl von Tagen, die sie unterwegs gewesen war, aus dem Blick verloren. Es war etwas mehr als ein Monat gewesen. Sie fasste einen der Offiziere unter den Männern, die sie umzingelt hatten, am Arm.
»Wo befinden sich die befehlshabenden Offiziere?«
Er deutete mit seinem Schwert. »Dort entlang, Mutter Konfessor.«
»Wisst Ihr, was hier los ist?«
»Nein, Mutter Konfessor. Es wurde Alarm gegeben. Ich hörte eine der Schwestern im Vorüberlaufen rufen, er sei echt.«
»Wisst Ihr, wo sich meine Schwestern oder Warren befinden?«, fragte Verna den Offizier.
»Schwestern habe ich überall herumlaufen sehen, Prälatin, aber Zauberer Warren habe ich nicht gesehen.«
Die Dunkelheit setzte bereits ein, sodass sie sich auf ihrem Weg durchs Lager nur an den Feuern orientieren konnten. Die meisten Lagerfeuer waren jedoch bei dem Alarm gelöscht worden, und das Lager war im Begriff, sich in ein düsteres Labyrinth zu verwandeln.
Pferde mit d’Haranischen Reitern huschten vorbei, eine Patrouille auf dem Weg aus dem Lager. Infanteristen verließen eilig das Feldlager, um auf Erkundungsgang zu gehen. Niemand schien zu wissen, worin die Gefahr bestand, doch das war nichts Ungewöhnliches. Abgesehen davon, dass sie häufig und sehr unterschiedlich waren, stifteten Angriffe stets Angst und Verwirrung.
Es dauerte mehr als eine Stunde, bis Kahlan, Verna, Cara und ihr schwer bewaffneter Schutzring aus Gardisten das ausgedehnte Lager, das fast die Größe einer Stadt hatte, bis zu den Zelten der Offiziere durchquert hatten. Keiner der Offiziere war anwesend.
»So macht das alles keinen Sinn«, murmelte Kahlan. Sie fand ihr Zelt, mit Seele auf dem Tisch darin, und warf ihre Satteltaschen mitsamt ihrer Rüstung hinein. »Lasst uns hier warten, damit sie uns finden können.«
»Einverstanden«, meinte Verna.
Mit einer Handbewegung erfasste Kahlan eine Anzahl von Männern aus der Gruppe von Soldaten, die einen Schutzring um sie gebildet hatten. »Schwärmt aus und sucht die Offiziere. Erklärt ihnen, die Mutter Konfessor und die Prälatin befänden sich bei den Kommandozelten. Wir werden hier auf die Berichte warten.«
»Sagt das auch allen Schwestern, denen Ihr begegnet«, fügte Verna hinzu. »Und solltet Ihr Warren oder Zedd über den Weg laufen, dann teilt ihnen ebenfalls mit, dass wir zurück sind.«
Die Männer entfernten sich in die Nacht, um ihren Auftrag auszuführen.
»Das gefällt mir nicht«, murmelte Cara.
»Mir auch nicht«, sagte Kahlan, als sie in ihr Zelt trat.
Cara hielt mit einem kleinen Trupp Gardisten Wache, während Kahlan ihren Pelzüberwurf von den Schultern gleiten ließ und ihre Lederrüstung überstreifte. Diese hatte sie schon so oft vor Verwundungen bewahrt, dass sie keine Sekunde zögerte, sie anzulegen. Das Leder war äußerst zäh, und obschon nicht vollkommen undurchdringlich für Klingen, Speere oder Pfeile, bot es ein ausreichendes Maß an Schutz und dabei gleichzeitig genügend Bewegungsfreiheit für den Kampf. Ein Klingenhieb musste genau im richtigen Winkel treffen, um nicht wirkungslos vom Leder abzugleiten. Viele der Soldaten trugen Kettenpanzer, die zwar einen besseren Schutz boten, für Kahlan aber zu schwer und unpraktisch waren. Im Kampf Mann gegen Mann bedeuteten Schnelligkeit und Beweglichkeit Überleben.
Kahlan war klug genug, ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. In ihrer Eigenschaft als Anführerin war sie für ihre Sache wertvoller denn als Angehörige der kämpfenden Truppe. Obwohl sie selten unmittelbar am Kampf teilnahm, hatten sie die Gefechte dennoch oft genug eingeholt.
Endlich erschien ein Sergeant, um ihr Bericht zu geben.
»Meuchelmörder«, war alles, was er hervorbrachte.
Dieses eine, einen frösteln machende Wort genügte. Es entsprach dem, was sie selbst bereits vermutet hatte, und erklärte die chaotischen Zustände im Lager.
»Wie hoch sind die Verluste?«
»Mit Sicherheit weiß ich nur, dass einer über Captain Zimmer hergefallen ist. Er saß gerade mit seinen Männern am Lagerfeuer und aß zu Abend. Es gelang dem Captain, dem tödlichen Hieb auszuweichen, aber er hat eine äußerst unangenehme Beinverletzung davongetragen und eine Menge Blut verloren. Die Ärzte sind gerade dabei, ihn zu versorgen.«
»Und der Meuchelmörder?«, wollte Verna wissen.
Die Frage schien den Sergeant zu überraschen. »Captain Zimmer hat ihn getötet.« Der Abscheu über das Übrige, was er noch hinzuzufügen hatte, ließ ihn das Gesicht verziehen. »Der Meuchelmörder war mit einer d’Haranischen Uniform bekleidet. Er spazierte unbemerkt durch das Lager, bis er ein lohnendes Ziel fand – Captain Zimmer – und ihn attackierte.«
Verna entfuhr ein besorgtes Seufzen. »Vielleicht könnte eine Schwester dem Captain helfen.«
Kahlan entließ ihn mit einem Nicken. Der Sergeant salutierte mit einem Faustschlag auf sein Herz, bevor er sich schnell wieder entfernte, um auf seinen Posten zu gehen.
In diesem Augenblick sah Kahlan, wie Zedd sich näherte. Die Vorderseite seines Gewandes war feucht und dunkel – zweifellos von Blut. Sein Gesicht war tränenüberströmt. Kahlan spürte, wie sie eine Gänsehaut an Armen und Beinen überlief.
Verna erschrak, als Zedd sie plötzlich gewahrte und einen Augenblick innehielt, bevor er hastigen Schritts auf sie zukam. Verna umklammerte Kahlans Arm.
Zedd ergriff Vernas Hand. »Beeilt euch«, war alles, was er sagte.
Mehr brauchte er nicht zu sagen – alle hatten verstanden.
Verna stieß einen angstvollen Schrei aus, als der alte Zauberer sie hinter sich herzog. Kahlan und Cara hasteten hinterher, während Zedd sie in wilder Hast auf einem verschlungenem Pfad durch das Chaos aus brüllenden Soldaten, galoppierenden Pferden, sich formierenden, in alle Himmelsrichtungen davonstürmenden Trupps und Namenslisten verlesenden Unteroffizieren führte.
Das Aufrufen der Namen war erforderlich geworden, weil die Meuchelmörder in d’Haranischen Uniformen steckten, um sich ganz nah an ihre Opfer heranschleichen zu können. Es war nötig, über jeden einzelnen Mann Rechenschaft abzulegen, um diejenigen aussondern zu können, die nicht dazugehörten – eine mühselige und schwierige Arbeit, aber unbedingt erforderlich.
Sie stürzten sich mitten in den Aufruhr, der rings um die Zelte herrschte, in denen die Verwundeten behandelt wurden. Soldaten brüllten Kommandos, andere schleppten vor Schmerz schreiende Kameraden herbei oder Soldaten, deren Glieder schlaff über den Boden schleiften. Jedes der Zelte fasste bis zu zehn oder zwölf Personen.
Zedds innere Erregung machte ihm das Sprechen schwer, als er berichtete: »Ein Mann hat auf Holly eingestochen. Warren stand in der Nähe und hat versucht, das Mädchen zu beschützen. Ich schwöre dir bei der Seele meiner verstorbenen Frau, Verna … ich habe alles in meiner Macht Stehende getan. Die Gütigen Seelen mögen mir verzeihen, aber ich musste es dir persönlich sagen … ihm zu helfen geht über meine Kräfte. Er hat nach dir und Kahlan gefragt.«
Kahlan stand da wie erstarrt; das Herz schlug ihr bis zum Hals. Mit einer Hand auf ihrem Rücken drängte Zedd sie zum raschen Weitergehen. Sie folgte Verna, bückte sich und trat ins Zelt.
Ein halbes Dutzend Toter lag, verborgen unter Decken, am anderen Ende des Zeltes. Einem Soldaten fehlte ein Stiefel. Kahlan starrte ihn an, unfähig, ihren Verstand zu aktivieren, unfähig zu begreifen, wie dieser Soldat seinen Stiefel verloren haben konnte. Es erschien ihr so dumm – zu sterben und gleichzeitig seinen Stiefel zu verlieren. Tragödie und Komödie, dicht nebeneinander unter ein und demselben Leichentuch.
Warren lag auf einer Pritsche auf dem Boden. Schwester Philippa kniete auf seiner anderen Seite, ihren hoch gewachsenen Körper über den jugendlichen Zauberer gebeugt, und hielt seine Hand. Schwester Phoebe kniete auf dieser Seite, seine andere Hand festhaltend. Beide Frauen sahen sich mit tränenverschmierten Gesichtern um und erblickten Verna hinter sich.
»Warren«, sagte Schwester Philippa, »es ist Verna. Sie ist hier. Und Kahlan auch.«
Die beiden Schwestern gingen rasch aus dem Weg, damit Verna und Kahlan ihre Plätze einnehmen konnten. Sich die Hand vor den Mund haltend, um ihr Weinen zu unterdrücken, verließen sie fluchtartig das Zelt.
Warren war so weiß wie das saubere Verbandsmaterial, das gleich neben ihm gestapelt lag. Er starrte aus weit aufgerissenen Augen nach oben … so als könnte er nichts mehr erkennen. Sein lockiges blondes Haar war verklebt von Schweiß, sein Gewand blutdurchtränkt.
»Warren«, stöhnte Verna. »Oh, Warren.«
»Verna? Kahlan?«, stieß er in atemlosem Flüsterton hervor.
»Ja, mein Liebster.« Verna überhäufte seine Hand mit einem Dutzend Küssen.
Kahlan drückte seine andere erschlaffte Hand. »Ich bin auch hier, Warren.«
»Ich musste durchhalten … bis ihr beide zurück wart. Um es euch beiden zu erzählen.«
»Erzählen, was denn, Warren?«, fragte Verna unter Tränen.
»Kahlan…«, hauchte er.
Sie beugte sich vor. »Hier bin ich, Warren. Versuch nicht zu sprechen, bleib einfach…«
»Hör mir zu.«
Kahlan drückte seine Hand an ihre Wange. »Ich höre dir zu, Warren.«
»Richard hatte Recht. Mit seiner Vision. Ich musste es dir sagen.«
Kahlan wusste nicht, was sie antworten sollte.
Ein Lächeln ging über sein aschfahles Gesicht. »Verna…«
»Was ist, mein Liebster?«
»Ich liebe dich. Schon immer.«
Vernas Tränen schnürten ihr die Kehle zu, sie bekam kaum ein Wort heraus. »Stirb nicht, Warren. Bitte stirb nicht. Bitte.«
»Gib mir einen Kuss«, sagte Warren leise, »solange ich noch lebe. Und trauere nicht um das, was endet, sondern freue dich über das gute Leben, das wir zusammen hatten. Küss mich, meine Liebste.«
Verna beugte sich über ihn, legte ihre Lippen auf seine und gab ihm einen zarten, liebevollen Kuss, während ihre Tränen auf sein Gesicht fielen.
Unfähig, den Anblick länger zu ertragen, verließ Kahlan wankend das Zelt, wo Zedds schützende Arme sie in Empfang nahmen. Sie verbarg ihre Tränen an seiner Schulter.
»Was tun wir nur?«, weinte sie. »Wozu ist das alles gut? Was nützt uns irgendwas davon? Wir sind im Begriff, alles zu verlieren.«
Auf ihre Tränen und die Sinnlosigkeit all dessen wusste auch Zedd keine Antwort.
Die Minuten schleppten sich dahin. Kahlan zwang sich, stark zu sein, ihrer Rolle als Mutter Konfessor gerecht zu werden. Sie durfte den Männern nicht zeigen, wie sie sich gehen ließ.
Ganz in der Nähe standen stumm einige Soldaten; sie vermieden jeden Blick in Richtung auf das Zelt, in dem Warren im Sterben lag.
Als General Meiffert unvermutet aus der Dunkelheit auftauchte, war die Erleichterung in Caras Gesicht nicht zu übersehen. Hastigen Schritts ging er zu Cara hin, vermied es aber, sie zu berühren.
»Ich bin froh, dass Ihr sicher zurückgekehrt seid«, sagte er an Kahlan gerichtet. »Wie geht es Warren?«
Kahlan brachte kein Wort hervor.
Zedd schüttelte den Kopf. »Ich dachte nicht, dass er so lange überleben würde. Ich glaube, er hat nur durchgehalten, um seine Frau noch einmal sehen zu können.«
Der General nickte betrübt. »Wir haben den Mann gefasst, der das getan hat.«
Kahlan war sofort hellwach. »Bringt Ihn zu mir«, knurrte sie.
Der General entfernte sich augenblicklich schnellen Schritts, um den Meuchelmörder beizubringen; auf ein entsprechendes Zeichen von Kahlan begleitete ihn Cara.
»Was hat er zu dir gesagt?«, erkundigte sich Zedd leise, damit die anderen es nicht mitbekamen. »Er wollte dir doch noch etwas sagen.«
Kahlan holte tief Luft. »Er sagte: ›Richard hatte Recht.‹«
Zedd wandte voller Verzweiflung und Elend den Blick ab. Warren war sein Freund. Kahlan hatte gar nicht gewusst, dass Zedd zu jemandem Zuneigung fassen konnte, so wie er dies bei Warren getan hatte. Sie teilten Dinge, die sie, dessen war sie sich bewusst, niemals würde verstehen können. Trotz seiner jugendlichen Erscheinung war Warren über einhundertfünfzig Jahre alt und damit fast so alt wie Verna. Für Zedd, der stets als der weise, alte Zauberer bewundert wurde, musste es ein besonderer Trost gewesen sein, zauberische Dinge mit jemandem teilen zu können, der sich auf diese Dinge verstand, statt immer nur darauf angewiesen zu sein, Erklärungen und Belehrungen von sich zu geben.
»Genau dasselbe hat er auch zu mir gesagt«, erwiderte Zedd leise, unter Tränen.
»Wieso hat Warren seine Gabe nicht benutzt?«, fragte Kahlan.
Zedd wischte sich über die Wange. »Er kam gerade des Wegs, als der Mann Holly packte und auf sie einstach. Vielleicht konnte der Meuchelmörder sein Opfer nicht finden, oder vielleicht hatte er sich verlaufen und war verwirrt, vielleicht geriet er auch einfach nur in Panik und beschloss, irgend jemanden zu erstechen, und Holly war in diesem Augenblick gerade zur Hand.«
Kahlan wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Vielleicht hatte er den Auftrag, nach einem Zauberer in einem solchen Gewand Ausschau zu halten, und als er Warren erblickte, stach er auf Holly ein, um Verwirrung zu stiften und an Warren heranzukommen.«
»Das wäre denkbar. Warren weiß es wirklich nicht; es geschah alles viel zu schnell. Er stand unmittelbar daneben und hat einfach reagiert. Ich habe ihn gefragt, aber er wusste selbst nicht, warum er seine Kraft nicht benutzt hat. Vielleicht hatte er in diesem entsetzlichen Augenblick, als er das Messer aufblitzen sah, Angst, dabei auch Holly zu töten, schließlich hatte der Mann sie gepackt und war im Begriff, sie zu erstechen. Um sie zu retten, griff er instinktiv nach dem Messer; das war ein tödlicher Fehler.«
»Vielleicht hat Warren ganz einfach zu lange gezögert, bevor er seine Kraft benutzte.«
Zedd zuckte gequält mit den Achseln. »Schon so mancher Zauberer musste sterben, weil er Sekundenbruchteile gezögert hat.«
»Wenn ich damals nicht gezögert hätte«, sagte Kahlan, den leeren Blick auf eine bittere Erinnerung gerichtet, »hätte Nicci mich niemals überwältigen können und hätte jetzt auch Richard nicht in ihrer Gewalt.«
»Du solltest nicht versuchen, die Vergangenheit ungeschehen zu machen – das ist nicht möglich.«
»Und was ist mit der Zukunft?«
Zedds Augen suchten ihre. »Was meinst du?«
»Erinnerst du dich noch, wie wir Ende vergangenen Winters aus dem Feldlager abzogen – und die Truppen der Imperialen Ordnung vorzurücken begannen?« Auf Zedds Nicken fuhr sie fort. »Warren deutete auf diesen Ort auf der Karte und meinte, hier müssten wir stehen, um den Orden aufzuhalten.«
»Willst du damit andeuten, er hat gewusst, dass er hier sterben würde?«
»Sag du es mir.«
»Ich bin Zauberer, kein Prophet.«
»Aber Warren ist einer.« Als er darauf nichts erwiderte, erkundigte sich Kahlan leise: »Wie geht es Holly?«
»Ich weiß nicht. Als ich eintraf, um mit Warren zu sprechen, war es eben erst passiert. Soldaten waren dabei, den Mann zu überwältigen. Warren befahl ihnen laut brüllend, ihn nicht zu töten. Vermutlich dachte er, der Meuchelmörder sei im Besitz wertvoller Informationen. Dann sah ich Holly, die aus ihren Wunden blutete und einen Schock erlitten hatte. Schwestern eilten herbei und brachten Holly in ein anderes Zelt.«
Zedd ließ seinen verzweifelten Blick zu Boden sinken. »Ich habe alles getan, was ich konnte. Es hat nicht gereicht.«
Kahlan legte ihm schützend den Arm um die Schultern. »Es lag von Anfang an nicht in deiner Hand, Zedd.«
Es war verstörend, die Quelle ihrer Kraft in einem Zustand so quälenden Unvermögens zu erleben. Von ihm zu erwarten, unter diesen Umständen emotionslos und stark zu sein, wäre sicherlich unsinnig gewesen, verstörend war es trotzdem. In diesem Augenblick wurde Kahlan von dem Gefühl für all die Verluste überwältigt, die Zedd in seinem Leben erlitten hatte; das alles war in seinen tränenfeuchten haselbraunen Augen abzulesen.
Männer bahnten einen Weg für die Rückkehr von General Meiffert und Cara. Hinter ihnen hielten zwei kräftige Soldaten einen drahtigen jungen Mann – eigentlich kaum mehr als einen jungen Burschen – gepackt. Er war kräftig, aber mit den Männern, die ihn festhielten, konnte er es nicht aufnehmen. Sein Haar hing ihm über seinem düsteren, von Verachtung erfüllten Blick wirr in die Stirn. Er hatte ein stolzes Grinsen im Gesicht.
»Tja«, meinte der junge Bursche, bemüht, sich den Anschein von Härte zu geben, »schätze, da habe ich im Dienst für den Orden tatsächlich einen wichtigen Mann getötet. Das macht mich zu einem Helden des Ordens.«
»Zwingt ihn, vor der Mutter Konfessor niederzuknien«, befahl General Meiffert ruhig.
Die beiden Soldaten traten dem jungen Mann in die Kniekehlen, um ihn zu Boden zu zwingen. Hämisch kichernd kniete er vor ihr.
»Du bist also diese große, wichtigtuerische Hure, von der ich so viel gehört habe. Wirklich schade, dass du nicht in der Nähe warst – ich hätte dich nur zu gerne mit dem Messer durchbohrt. Schätze, ich hab einigen Leuten gezeigt, dass ich mit dem Messer ziemlich gut umgehen kann.«
»Und so hast du, da ich nicht zugegen war«, sagte Kahlan, »stattdessen ein kleines Kind erstochen.«
»Nur zur Übung. Ich hätte noch viel mehr abgestochen, hätten sich diese beiden blöden Ochsen nicht durch puren Zufall auf mich geworfen. Ich habe trotzdem meine Pflicht gegenüber dem Orden und dem Schöpfer getan.«
Es war das prahlerische Gehabe eines Menschen, der kurz davor stand, den höchsten Preis für seine Taten zu bezahlen. Er versuchte sich selbst einzureden, er habe irgendeine sinnvolle Pflicht erfüllt, denn er wollte als Held sterben, um gleich darauf vor seinen Schöpfer treten und sich seinen Lohn im Leben nach dem Tode abholen zu können.
Verna kam aus dem Zelt hervor. Ihre Bewegungen hatten nichts Hastiges, ihr Gesicht war aschfahl und gramverzerrt. Kahlan nahm ihren Arm, bereit zu helfen, sollte Verna Hilfe nötig haben.
Verna blieb stehen, als sie den knienden jungen Mann sah.
»Ist er das?«, fragte sie.
Verna ihre andere Hand sachte auf den Rücken legend, bot Kahlan ihr stumm ihre Unterstützung an.
»Das ist er«, bestätigte sie.
»Ganz recht.« Der Bursche sah höhnisch hoch zu Verna. »Ich war das, der den gegnerischen Zauberer erstochen hat. Ich bin ein Held. Der Orden wird den Menschen Trost und Gerechtigkeit bringen, und ich habe dabei geholfen. Leute euresgleichen haben immer nur versucht, uns zu unterdrücken.«
»Euch zu unterdrücken«, wiederholte Verna tonlos.
»Wer von Geburt an alles Glück und alle Vorteile auf seiner Seite hat, wird nie etwas davon abgeben wollen. Ich habe lange gewartet, aber nie hat mir jemand eine Chance im Leben geboten, bis es der Orden tat. Ich habe den Unterdrückern der Menschheit einen Schlag versetzt. Ich habe geholfen, denen Gerechtigkeit zu bringen, die niemals eine Chance erhalten. Ich habe einen gottlosen Menschen getötet. Ich bin ein Held!«
Vor dem hektischen Treiben der Männer, die das Feldlager nach weiteren Meuchelmördern absuchten, wirkte das Schweigen der Umstehenden nur noch unbarmherziger. Offiziere riefen Namen auf, erhielten prompt Antwort. Truppen, deren Kettenpanzer und Waffen wie tausende winzige Glöckchen klangen, trabten auf der Suche nach Eindringlingen durch die Nacht.
Der auf den Knien liegende Mann sah grinsend hoch zu Verna. »Der Schöpfer wird mir meinen Lohn im nächsten Leben geben. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich habe mir das ewige Leben in seinem ewig währenden Licht verdient.«
Verna ließ ihren Blick über die Augen der Umstehenden schweifen.
»Was ihr mit ihm anstellt, ist mir gleich«, sagte sie, »aber ich will die ganze Nacht sein Schreien hören. Ich möchte, dass das gesamte Feldlager die Nacht hindurch seine Schreie hört. Ich will, dass die Kundschafter des Ordens seine Schreie hören. Das wird mein Zeichen des Respekts für Warren sein.«
Der junge Mann benetzte sich die Lippen, als er erkannte, dass die Dinge nicht den erwarteten Verlauf nahmen.
»Das ist ungerecht!«, schrie der junge Meuchelmörder lauthals protestierend.
Panikartige Angst ließ ihn am ganzen Körper zittern. Er war auf einen Märtyrertod vorbereitet gewesen, auf ein schnelles Ende. Damit hatte er nicht gerechnet.
»Er ist schnell gestorben. Das Gleiche sollte auch für mich gelten.«
»Ungerecht? Ungerecht ist«, erwiderte Verna geradezu beängstigend ruhig, »dass deine Mutter jemals für deinen Vater die Beine breit gemacht hat. Wir werden ihren Fehler, wenn auch verspätet, jetzt berichtigen. Ungerecht ist, dass ein rechtschaffener, gütiger Mann durch die Hand eines weinerlichen, miesen Feiglings gestorben ist, der so wenig Verstand besitzt, dass er nicht einmal im Stande ist, die Lügen zu erkennen, die er uns auftischt.
Du willst dein Leben gegen das eintauschen, das du genommen hast? Du willst für eine Sache sterben, die du in deiner Dummheit für erhaben hältst? Dein Wunsch sei dir erfüllt, junger Mann. Doch bevor du stirbst, wirst du erst noch in seiner ganzen Tragweite begreifen, was du aufgegeben hast, wie kostbar dein Leben ist und wie gänzlich vergeudet; und am Ende wirst du den Zeugungsakt deiner Mutter ebenso bedauern wie wir.«
Verna ließ einen zum Letzten entschlossenen Blick über die Gruppe der Umstehenden wandern. »Das ist mein Wunsch. Bitte sorgt dafür, dass ihm Genüge getan wird.«
Cara trat einen Schritt vor. »Dann überlasst es mir.« Nichts in ihrer unbarmherzigen Miene verriet, dass sie Gefallen daran fand. »Ich bin wohl am besten geeignet, Euren Wunsch Euren Absichten gemäß zu erfüllen, Verna.«
Der Junge verfiel in hysterisches Gelächter. »Eine Frau? Glaubt ihr etwa, ihr könnt mir von einem großen blonden Weibsbild eine Lektion erteilen lassen? Ihr seid alle genauso verrückt, wie man mir berichtet hat.«
Verna nickte. »Ich stehe tief in Eurer Schuld, Cara.« Sie machte Anstalten, sich zu entfernen, hielt aber noch einmal inne. »Lasst ihn nicht vor dem Morgen sterben, wenn ich komme, um Zeuge seines Todes zu werden. Ich möchte ihm in die Augen schauen und sehen, ob dieser junge Mann das Wesen der Wirklichkeit und ihren Mangel an Gerechtigkeit begriffen hat, bevor er sein Leben für etwas völlig Wertloses sowie seine Teilnahme an einer gewaltigen Sünde opfert.«
»Ich verspreche Euch«, sagte Cara leise an Verna gewandt, »diese Nacht, die Euch in Eurem Kummer endlos erscheinen wird, wird ihm noch unendlich viel länger werden.«
Verna legte Cara als Zeichen ihrer Anerkennung einfach im Vorübergehen die Hand auf die Schulter.
Nachdem die Dunkelheit Verna geschluckt hatte, wandte Cara sich an Kahlan. »Ich bitte darum, ein Zelt benutzen zu dürfen. Niemand soll mit ansehen müssen, was ich mit ihm mache. Seine Schreie werden Zeugnis genug sein.«
»Ganz wie Ihr wollt.«
»Mutter Konfessor!« Der junge Mann wehrte sich heftig, doch die Soldaten hatten ihn fest im Griff. »Wenn Ihr so gütig seid, wie Ihr behauptet, dann gewährt mir Gnade!«
Speichel troff ihm aus dem Mundwinkel und baumelte im Rhythmus seines keuchenden Atems.
»Genau das habe ich soeben getan«, erwiderte Kahlan.
»Ich gestatte dir, die von Verna ausgesprochene Strafe zu erleiden, und nicht jene, die ich verhängt hätte.«
Mit den Fingern schnippend deutete Cara im Davonmarschieren auf den Gefangenen. Die Soldaten schleiften den kreischenden Jungen hinter ihr her.
»Und die anderen, die wir aufgegriffen haben?«, wollte der General von Kahlan wissen.
Kahlan war bereits auf dem Weg zu ihrem Zelt. »Schneidet ihnen die Kehle durch.«