71

Kahlan schlenderte zurück ins Gasthaus. Im Schatten am Ende des Flures, der in den Gastraum führte, blieb sie stehen. Noch immer spürte sie das Glühen, die Wärme, die benommen machende Freude, die Erfüllung. Alle sahen auf, als sie sie kommen hörten.

Zedd war sofort auf den Beinen. »Kahlan! Verdammt, Mädchen, wo hast du die ganze Nacht gesteckt? Es fängt schon an zu dämmern! Du warst fort, seit es dunkel wurde! Wir haben die ganze Nacht die Stadt nach dir abgesucht! Wo warst du?«

Sie drehte sich um und streckte die Hand aus. »Im kleinen Garten hinterm Haus.«

Zedd stürmte auf sie zu. »Du warst nicht im Garten!«

Sie lächelte verträumt. »Doch, dort bin ich hingegangen, doch dann habe ich diesen Ort verlassen. Ich war bei Richard. Zedd, er ist von den Schwestern geflohen. Er ist in Aydindril.«

Zedd blieb ruckartig stehen. »Kahlan, ich weiß, du hast harte Zeiten hinter dir, aber das war einfach eine Vision von etwas, das du dir wünschst.«

»Nein, Zedd. Ich habe zu den Guten Seelen gebetet. Und dann kam sie und brachte mich zu Richard. Damit ich an einem Ort zwischen den Welten mit ihm zusammen sein konnte.«

»Kahlan, das ist einfach nicht…«

Kahlan trat aus dem Schatten hervor in den Schein des Feuers. Zedd riß die Augen auf.

»Was … was ist mit deinem Haar passiert?« meinte der Zauberer leise. »Es ist wieder lang.«

Kahlan schmunzelte. »Richard hat es gerichtet. Er besitzt die Gabe, weißt du.« Sie zeigte ihm den Strafer, der um ihren Hals hing. »Das hier hat er mir geschenkt. Er meinte, jetzt braucht er es nicht mehr.«

»Aber … es muß doch noch eine andere Erklärung dafür geben…«

»Er hat mir eine Nachricht für dich mitgegeben. Ich soll dir dafür danken, daß du das offene Kästchen der Ordnung nicht geschlossen hast. Er sagte, er sei froh, daß sein Großvater weise genug war, nicht das Zweite Gesetz der Magie zu verletzen.«

»Sein Großvater…« Ihm liefen die Tränen über das faltige Gesicht. »Du hast ihn gesehen! Du hast ihn tatsächlich gesehen! Richard ist in Sicherheit!«

Sie schlang die Arme um ihn. »Ja, Zedd. Jetzt wird alles wieder gut. Er hat den Stein der Tränen wieder dorthin gebracht, wo er hingehört, und das Kästchen der Ordnung geschlossen. Er nannte es ›das Tor‹. Er meinte, man brauchte sowohl additive wie auch subtraktive Magie, um dies zu tun, da sonst alles Leben dadurch vernichtet worden wäre.«

Er packte sie an den Schultern. »Richard besitzt subtraktive Magie? Ausgeschlossen.«

»Er hatte einen Bart, und hat ihn verschwinden lassen. Offenbar hat er sich an die Lektion erinnert, die du ihm erteilt hast, daß so etwas nur mit Subtraktiver Magie möglich ist.«

»Wunder über Wunder.« Er beugte sich zu ihr vor. »Du bist ja schweißgebadet, Mädchen.« Er legte ihr seine knochendürre Hand auf die Stirn. »Fieber hast du keins. Wieso schwitzt du so?«

»Es war … heiß in dieser anderen Welt. Ziemlich heiß.«

Er betrachtete ihr Haar. »Dein Haar ist ganz zerzaust. Was für ein Zauberer würde dir zerzaustes Haar wachsen lassen? Ich hätte es gerade wachsen lassen. Der Junge hat noch einiges zu lernen. Das hat er nicht richtig gemacht.«

Kahlans Blick senkte sich. »Glaub mir, er hat es richtig gemacht.«

Er drehte den Kopf und sah sie mit einem Auge forschend an. »Was habt ihr zwei eigentlich die ganze Nacht gemacht?«

Kahlan spürte, wie sie heiße Ohren bekam. Zum Glück hatte sie wieder langes Haar. »Nun, ich weiß nicht. Was machst du mit Adie, wenn ihr die ganze Nacht allein seid?«

Zedd richtete sich auf. »Nun, äh…« Er räusperte sich. »Nun ja, wir…« Er hob das Kinn und reckte einen Finger in den Himmel. »Wir reden miteinander. Genau das tun wir. Wir reden miteinander.«

Kahlan zuckte mit den Achseln. »Genau das haben wir auch gemacht. Genau dasselbe, was du und Adie die ganze Nacht macht. Wir haben miteinander geredet.«

Ein verstohlenes Grinsen huschte über sein Gesicht. Er schloß sie fest in seine dürren Arme und tätschelte ihr den Rücken. »Ich freue mich so für dich, Liebes.«

Zedd nahm sie bei den Händen und tanzte durch den Raum. Ahern grinste und zog eine kleine Flöte heraus und spielte eine fröhliche Melodie. »Mein Enkel ist ein Zauberer! Mein Enkel wird ein großer Zauberer werden! Genau wie sein Großvater!«

Die Feier ging ein paar Minuten weiter, alles gesellte sich hinzu und lachte. Man klatschte zum Rhythmus der Melodie, während Zedd mit ihr durch den Gastraum tanzte.

Dann sah Kahlan jemanden, der nicht mitmachte. Adie saß in einem Schaukelstuhl in der Ecke. Sie hatte ein dünnes, trauriges Lächeln im Gesicht, während sie ihnen mit dem Gehör folgte.

Kahlan ging zu der alten Frau und kniete vor ihr nieder. Sie ergriff ihre zerbrechlichen Hände.

»Ich freue mich für dich, mein Kind.«

»Adie«, sagte Kahlan mit leiser Stimme, »die Seelen haben mir eine Nachricht für dich mitgegeben.«

Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, mein Kind. Aber sie wird mir nichts bedeuten. Ich erinnere mich nicht, diese Frau namens Adie zu sein.«

»Ich habe versprochen, die Nachricht weiterzugeben. Es gibt im Jenseits jemanden, für den es wichtig ist, daß du sie erhältst. Willst du sie hören?«

»Dann sag sie mir, auch wenn ich ihre Bedeutung leider nicht verstehen werde.«

Im Raum hinter ihr wurde es still. Adie hörte auf zu schaukeln. Sie richtete sich ein Stück weit auf. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Adies Hände schlossen sich fester um Kahlans. »Von Pell? Du hat eine Nachricht von meinem Pell?«

»Ja, Adie. Du sollst wissen, daß er dich liebt und daß er sich an einem Ort des Friedens befindet. Ich soll dir ausrichten, er weiß, daß du ihn niemals verraten hast. Er weiß, wie sehr du ihn liebst, und es tut ihm leid, daß du so leiden mußtest. Ich soll dir sagen, du sollst in Frieden ruhen, denn du weißt, daß zwischen euren Seelen alles geklärt ist.«

»Mein Pell weiß, daß ich ihn nicht verraten habe?«

Kahlan nickte. »Ja, Adie. Er weiß es, und er liebt dich wie eh und je.«

Adie zog Kahlan in ihre Arme und weinte. »Danke, Kahlan. Du wirst nie ermessen können, wieviel mir das bedeutet. Du hast mir alles zurückgegeben Du hast mir den Sinn meines Lebens zurückgegeben.«

»Ich weiß, was das bedeutet, Adie.«

Adie streichelte Kahlan über den Kopf und drückte sie fest an sich. »Ja, Kind, vielleicht weißt du es.«

Jebra und Chandalen bereiteten das Frühstück vor, während die anderen das weitere Vorgehen besprachen. Ebinissia von all den Leichen zu räumen würde zwar ein grausiges Stück Arbeit werden, doch wenigstens war es noch Winter und die Arbeit wäre nicht ganz so grauenvoll, wie im Frühjahr, wenn es taute. Von Ebinissia aus wollten sie die Midlands wieder miteinander vereinen.

Kahlan erklärte ihnen, Richard wolle versuchen, in der Stadt der galeanischen Krone zu ihnen zu stoßen. Außerdem habe er erzählt, er werde Zedd wohl zurück nach Westland bringen müssen, damit sich dieser dort um die Schwestern der Finsternis kümmern könne. Im Augenblick jedoch seien sie auf hoher See und stellten keine Gefahr dar.

Nach einer guten Mahlzeit gingen sie, beseelt von der Freude und der glücklicher Plauderei, die sie so lange vermißt hatten, daran, ihre Sachen zu packen. Chandalen machte ein beklommenes Gesicht und zog Kahlan auf die Seite.

»Mutter Konfessor, ich wollte dich etwas fragen. Ich würde dich nicht fragen, aber ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll.«

»Was ist denn, Chandalen?«

»Wie sagt man ›Brüste‹ in deiner Sprache?«

»Was?«

»Wie heißt das Wort für Brüste? Ich will Jebra sagen, daß sie schöne Brüste hat

Kahlan rollte verlegen mit den Schultern. »Tut mir leid, Chandalen, aber darüber wollte ich immer schon mal mit dir sprechen. Doch bei allem, was passiert ist, bin ich nie dazu gekommen

»Dann machen wir das jetzt. Ich will Jebra sagen, wie sehr ich ihre hübschen Brüste mag

»Chandalen, hei den Schlammenschen gilt es vielleicht als schicklich, einer Frau so etwas zu sagen. Woanders versteht man das aber nicht als Kompliment, sondern es gilt als ungehörig. Sehr ungehörig, und zwar solange, bis zwei Menschen sich gut kennen

»Ich kenne sie schon gut

»Noch nicht gut genug. Vertrau mir. Wenn du sie wirklich magst, dann darfst du ihr das nicht sagen, denn sonst wird sie dich nicht mehr mögen

»Die Frauen hier hören nicht gern die Wahrheit?«

»So einfach ist das nicht. Würdest du zu einer Frau aus deinem Dorf sagen, du möchtest sie sehen, wenn sie sich den Schlamm aus den Haaren gewaschen hat — auch wenn es die Wahrheit ist?«

Er sah sie erstaunt an. »Ich verstehe, was du meinst

»Gefallen dir noch andere Dinge an ihr?«

Er nickte begeistert. »Ja. Mir gefällt alles an ihr

»Dann sag ihr, daß dir ihr Lächeln gefällt, oder ihr Haar oder ihre Augen

»Woher weiß ich, wann ich ihr das richtige Kompliment mache?«

Kahlan seufzte. »Also, fürs erste hältst du dich einfach an alles, was nicht von Kleidern bedeckt ist, dann bewegst du dich auf sicherem Grund

Er nickte nachdenklich. »Du bist sehr weise, Mutter Konfessor. Ich bin froh, daß du Richard wieder als Gefährten hast, sonst hättest du bestimmt Chandalen ausgewählt

Kahlan lachte und umarmte ihn. Er erwiderte die Umarmung herzlich.

Draußen kümmerte sie sich um die Männer: Hauptmann Ryan, Leutnant Hobson, Brin und Peter und die anderen, die sie kannte. Kahlans Lächeln und ihre gute Laune steckte alle an.

Im Stall sah sie nach Nick. Chandalen hatte ihn zurückgestohlen, als sie aus Aydindril geflohen waren. Das große Schlachtroß wieherte leise, als sie sich ihm näherte.

Kahlan rieb ihm seine graue Schnauze, als er sie mit dem Kopf stupste. »Wie geht es dir, Nick?« Er wieherte. »Wie würde es dir gefallen, die Königin von Galea in den Palast nach Ebinissia zu tragen?«

Nick warf begeistert den Kopf hin und her, er konnte es kaum erwarten, aus dem Stall herauszukommen.

Wasser tropfte von schmelzenden Eiszapfen am Rand des Stalldachs. Kahlan blickte über die Hügel. Es würde ein selten warmer Wintertag werden. Bald würde es Frühling sein.


Fräulein Sanderholt war überrascht, als Richard eine zweite Schale mit Suppe und noch ein Stück Brot annahm.

»Fräulein Sanderholt, Ihr macht die beste Gewürzsuppe auf der Welt — nach mir.«

In der Küche hinter ihr waren die Gehilfen mit den Vorbereitungen für das Frühstück beschäftigt. Sie schloß die Tür.

»Es freut mich, Richard, daß es Euch soviel besser geht. Gestern abend hatte ich Angst, Ihr könntet etwas Schreckliches tun, so sehr habt Ihr Euch gegrämt. Aber das kommt mir doch ein wenig plötzlich. Irgend etwas muß passiert sein, was Eure Stimmung so verändert hat.«

Er sah kauend zu ihr auf. Er schluckte das Brot. »Ich werde es Euch verraten, wenn Ihr versprecht, es im Augenblick noch wie ein Geheimnis zu hüten. Es könnte ernste Schwierigkeiten geben, wenn Ihr es irgend jemandem erzählt.«

»Ich verspreche es.«

»Kahlan ist nicht tot.«

Sie starrte ihn ausdruckslos an. »Richard, Ihr seid noch schlimmer, als ich dachte. Ich habe mit eigenen Augen gesehen…«

»Ich weiß, was Ihr gesehen habt. Der Zauberer, den Ihr gesehen habt, ist mein Großvater. Er hat einen Bann benutzt, damit alle glauben, sie werde hingerichtet, damit man sie nicht verfolgt und sie fliehen konnte. Sie ist in Sicherheit.«

Sie schlang ihm die Arme um den Hals. »Oh, seid gelobt, Ihr Guten Seelen.«

»Allerdings«, meinte Richard feixend.

Richard nahm die Schale mit der Suppe mit nach draußen, um mitanzusehen, wie es hell wurde. Er war zu aufgewühlt, um hinter verschlossenen Türen eingesperrt zu sein. Er setzte sich auf die breiten Stufen und betrachtete den prachtvollen Palast, der zu allen Seiten aufragte. Türme und Zinnen und weit geschwungene Dächer ragten in das Licht der frühen Morgendämmerung.

Während er seine Suppe aß, betrachtete er einen Wasserspeier am Rand eines gewaltigen Zierfrieses, das von gekehlten Säulen gestützt wurde. Gerade leuchteten die rosafarbenen Wolken hinter ihm auf, so daß die groteske, geduckte Gestalt sich scharf als Silhouette abhob.

Richard hatte gerade einen Löffel Gewürzsuppe im Mund, als er zu sehen glaubte, wie der Wasserspeier tief durchatmete. Richard stellte die Schale ab. Er erhob sich, ohne den Blick von der dunklen Gestalt zu lassen. Jetzt bewegte sie sich wieder, es war nur ein kaum merkliches Zucken.

»Gratch! Gratch, bist du das?«

Die Gestalt rührte sich nicht. Vielleicht bildete er es sich bloß ein. Richard breitete die Arme aus.

»Gratch, bitte, wenn du es bist, vergib mir. Gratch, du hast mir gefehlt.«

Einen Augenblick lang tat sich nichts, und dann breitete er die Flügel aus. Mit einem Satz stürzte er sich von der Dachkante und kam im Gleitflug auf ihn zugeschossen. Flügelschlagend landete der riesige Gar ein kleines Stück entfernt auf den Stufen.

»Gratch! Oh, Gratch, du hast mir so gefehlt!« Der Gar betrachtete ihn aus leuchtend grünen Augen. »Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst, aber ich habe das alles nicht so gemeint. Ich wollte dir doch nur das Leben retten. Bitte, vergib mir, ja? Richard liebt Gratch.«

Der Gar schlug mit den Flügeln. Zwischen seinen langen Reißzähnen kam ein Atemhauch hervor. Er stellte die Ohren auf.

»Grrratch liiiig Raaaach aaaarg.«

Der Gar sprang Richard in die Arme, warf ihn auf die Stufen. Richard schlang die Arme um das pelzige Geschöpf, und Gratch hüllte ihn mit Armen und Flügeln ein. Die beiden streichelten sich gegenseitig den Rücken, und jeder lächelte auf seine Art.

Als sie sich schließlich aufrichteten, nahm Gratch den Kopf zwischen die Schultern, bückte sich und blickte Richard fragend an. Mit der Rückseite einer riesigen Kralle strich er Richard übers Kinn. »Er ist ab. Ich werde keinen Bart mehr tragen.«

Gratch rümpfte mißbilligend die Nase. Knurrend machte er seinem Mißfallen Luft.

Richard mußte lachen. »Du wirst dich daran gewöhnen müssen.« Sie saßen schweigend zusammen in der Stille der Morgendämmerung. »Weißt du schon, Gratch, daß ich ein Zauberer bin?«

Gratch lachte gurgelnd und legte zweifelnd die Stirn in Falten. Richard fragte sich, woher ein Gar wußte, was ein Zauberer war. Gratch überraschte ihn immer wieder mit dem, was er wußte, was er begriff.

»Nein, wirklich, es stimmt. Hier, ich will es dir zeigen. Ich werde Feuer machen.«

Richard streckte seine Hand aus. Er rief die Kraft aus seiner ruhenden Mitte herbei. So sehr er sich auch mühte, nichts geschah. Er brachte nicht einmal einen Funken zustande. Er seufzte, während Gratch vor Lachen heulte und amüsiert mit den Flügeln schlug.

Dann überkam ihn plötzlich eine Erinnerung — etwas, das Denna zu ihm gesagt hatte. Er hatte sie gefragt, wie sie all die Dinge mit Magie getan hatte. Sie hatte ihn mit diesem allwissenden, friedlichen Lächeln angesehen und gesagt: Sei stolz, daß du die richtigen Entscheidungen getroffen hast, Richard, die Entscheidungen, die zu dem geführt haben, was geschehen ist, doch lasse keine Überheblichkeit in dein Herz, indem du glaubst, alles was geschehen ist, sei dein Werk.

Richard wurde bewußt, daß er noch eine Menge zu lernen hatte, bevor er ein richtiger Zauberer wäre. Er war nicht einmal sicher, ob er Zauberer sein wollte, doch jetzt akzeptierte er, wer er war — jemand, der mit der Gabe geboren worden war, der geboren war, ein Kiesel im Teich zu sein, der Sohn des Darken Rahl, der dennoch das Glück hatte, von Menschen großgezogen zu werden, die ihn liebten. Er spürte das Heft seines Schwertes an seinem Ellenbogen. Für ihn war es geschaffen worden.

Er war der Sucher. Der wahre Sucher.

In Gedanken streifte Richard noch einmal jene Seele, die ihm in seinem Leben mehr Glück als Qualen gebracht hatte. Er war zutiefst dankbar dafür, daß Denna ihren Frieden gefunden hatte. Mehr konnte er sich für sie nicht wünschen, für einen Menschen, den er liebte.

Er löste sich aus seinen Gedanken und tätschelte Gars Arm. »Warte hier eine Minute, Gratch. Ich geh dir etwas holen.«

Richard lief in die Küche und besorgte eine Lammkeule. Als er zurükkam und die Treppen hinabrannte, hüpfte Gratch vor Aufregung von einem Bein aufs andere. Zusammen saßen sie auf den Stufen, Richard aß seine Suppe, und Gratch machte sich über das Fleisch her.

Als sie aufgegessen hatten — Gratch hatte sogar den Knochen verspeist –, zog Richard eine lange Locke von Kahlans Haar heraus.

»Die gehört der Frau, die ich liebe.« Gratch überlegte, dann hob er den Kopf und streckte vorsichtig die Hand aus. »Ich möchte, daß du sie bekommst. Ich habe ihr von dir erzählt und davon, was du mir bedeutest. Sie wird dich ebenso lieben, wie ich dich liebe, Gratch. Sie wird dich niemals davonjagen. Du kannst bei uns sein, wann immer du willst, solange du willst. Warte, gib sie mir einen Augenblick zurück.«

Gratch hielt ihm die Haarsträhne hin. Richard nahm den Lederriemen ab, an dem Scarlets Zahn befestigt war. Er nützte ihm nichts mehr, er hatte sie bereits damit gerufen. Er befestigte die lange Haarlocke am Riemen, dann hängte er das Ganze Gratch um den Kopf.

Mit einer Kralle strich Gratch über das lange Haar. Als er grinste, kräuselte sich seine Nase, und seine Reißzähne waren in ihrer vollen Länge zu sehen.

»Ich werde jetzt zu ihr gehen. Möchtest du mitkommen?«

Gratch nickte begeistert, sein Kopf hob und senkte sich, seine Ohren zuckten, er flatterte mit den Flügeln.

Richard sah hinunter auf die Stadt. Truppen zogen umher. Eine Menge Truppen. Truppen der Imperialen Ordnung. Es würde nicht lange dauern, bis sie den Mut fassen würden, den Tod des Rats zu untersuchen — selbst wenn dabei ein Zauberer seine Hand im Spiel gehabt hatte. Richard mußte lächeln. »Dann sollte ich mir wohl ein Pferd besorgen, damit wir aufbrechen können. Ich halte es für das Beste, wenn wir von hier verschwinden.« Er blickte hinaus in den heller werdenden Tag. Eine Brise mit einem Hauch von Wärme bauschte sein Mriswith-Cape auf. Nicht mehr lange, und es würde Frühling sein.

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