59

Das Gefühl, ins Leere zu stürzen, raubte Kahlan den Atem, doch bevor sie Gelegenheit fand, sich auszumalen, was geschehen würde, wenn sie unten aufschlug, bekamen derbe Hände sie zu fassen. Sie wurde auf den kalten Steinboden gedrückt. Sie sah, wie das Licht in der Türöffnung erlosch, als die Tür sich mit dumpfem Schlag schloß. Im Schein einer rußig flackernden Fackel in einer Wandhalterung sah sie sich von feixenden Männern umgeben, die sie bedrängten.

Das Seil schnitt ihr in die Handgelenke. Das Gefühl entsetzlicher Hilflosigkeit wich verzweifelter Gegenwehr. Kahlan trat einem Mann in den Unterleib. Einem anderen Mann, der sich über sie beugte, rammte sie die Ferse ins Gesicht. Er sank mit einem Aufschrei nach hinten. Verzweifelt trat sie nach den anderen.

Grapschende Hände bekamen ihre Knöchel zu fassen. Sie trat aus, doch die Männer hielten fest. Sie wälzte sich auf die Seite, löste sich aus dem Zugriff und rutschte in eine Ecke. Die Freiheit war von kurzer Dauer. Erneut packten sie ihre strampelnden Beine.

Ganz hinten in ihrem Kopf versuchte Kahlen nachzudenken, während sie verzweifelt kämpfte. Der Funke einer Idee versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Es ging irgendwie um Zedd, aber zu einem klaren Gedanken war sie nicht fähig.

Die Männer, die versuchten, an sie ranzukommen, schoben ihr das weiße Kleid die Beine hoch. Hände grapschten nach ihren Schenkeln. Dicke, fleischige Finger hakten sich in ihre Unterkleider, streiften sie ihre Beine hinunter und über die Füße. Sie spürte derbe Hände und kalte Luft auf ihrer Haut. Sie wehrte sich gleichzeitig gegen die Männer und ihre aufkommende Panik.

Zwei der Männer lagen auf dem Boden. Der eine hielt sich den Unterleib, der andere lag dahingestreckt, während ihm das Blut aus dem zerschmetterten Gesicht strömte. Seine Nase war zertrümmert. Zehn andere versuchten, alle gleichzeitig, an sie ranzukommen. Sie rissen sich gegenseitig zurück, wollten sich mit Gewalt auf sie werfen, während der Kräftigste sich durcharbeitete. Kahlan bekam keine Luft.

In einem verzweifelten Kraftakt drängte sich der Gedanke in den Vordergrund. Sie erinnerte sich, Zedd gefragt zu haben, ob er ihr ihre Kraft nehmen könne. Sie wollte von ihr befreit werden, um bei Richard sein zu können. Zedd hatte ihr erklärt, es sei nicht möglich, einem Konfessor seine Kraft zu nehmen, sie sei mit der Magie geboren und mit ihr zeitlebens untrennbar verbunden.

Wie war es dann möglich, daß Ranson sie ihrer Kraft beraubt hatte? Zedd war ein Zauberer der Ersten Ordnung, es gab keinen Zauberer, der mehr Kraft besaß als ein Zauberer der Ersten Ordnung. Warum wollte Ranson sie nicht als erster vergewaltigen? Er hatte gesagt, sie widerte ihn an. Dabei hatte er ihr doch ihre Würde nehmen wollen. Wieso sträubte er sich dagegen?

Vielleicht hatte er Angst.

Angst, sie käme dahinter. Aber hinter was?

Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das Erste Gesetz der Magie.

Die Menschen glaubten alles, wenn sie es nur glauben wollten. Oder wenn sie Angst hatten, es könnte wahr sein. Sie hatte Angst, es könnte stimmen, daß er sie ihrer Kraft beraubt hatte. Vielleicht hatte er Magie benutzt, um ihr weh zu tun und ihre Fähigkeit, ihre eigene Magie zu spüren, zu überdecken — sie zu täuschen, damit sie glaubte, wovor sie sich fürchtete.

So wie die Männer suchend nach ihr tasteten, so suchte sie nach ihrer Kraft. Sie versuchte die Ruhe zu finden, den Ort ihrer Magie, doch der war einfach nicht da. Sie verspürte nichts als Leere. Dort, wo sie zuvor stets ihre Magie gespürt hatte, empfand sie jetzt nichts als ein dumpfes, hohles Gefühl der Leere.

Am liebsten hätte sie geschrien, als sie die Hände der Männer auf ihren Beinen und dazwischen spürte, doch sie durfte die Beherrschung nicht verlieren, es war ihre einzige Chance. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte ihre Magie nicht finden, konnte sie nicht auf den Plan rufen. Sie war einfach fort. Verzweifelt wünschte sie sich, die Hände frei zu haben.

»Wartet!« kreischte sie.

Die Männer hielten alle einen Augenblick lang inne, ihre Gesichter wichen zurück, sahen sie an. Keuchend rang sie nach Luft.

Rede, befahl sie sich, solange du noch Gelegenheit dazu hast. »Ihr macht das völlig falsch!«

Sie lachten. »Wir werden schon herausfinden, wie es geht«, meinte einer.

Kahlan riß sich zusammen, um ihre Angst im Zaum zu halten und nachzudenken. Sie würden tun, was immer sie tun wollten, daran hindern konnte sie sie nicht. Es brachte nichts, sich auf diese Weise gegen sie zu wehren. Damit gab sie ihrer Panik nur neue Nahrung. Sie hatte nur eine Chance, sie mußte ihren Kopf gebrauchen. Sie mußte sie besänftigen und Zeit zum Nachdenken gewinnen.

»Wenn ihr es auf diese Weise tut, nehmt ihr euch selbst den Spaß.«

Sie runzelten die Stirn. »Was soll das heißen?«

»Wenn ihr euch alle gegenseitig bekämpft und mich obendrein, werdet ihr nicht viel von mir als Frau haben. Wäre es nicht besser, wenn ich mitmachte?«

Sie sahen sich an. Einer, seitlich von ihr, meinte lauthals: »Da ist was dran. Die Königin war nicht halb soviel Spaß, nachdem sie verrückt geworden ist.«

»Königin?« fragte Kahlan. »Welche Königin? Ihr prahlt doch bloß. Ihr habt keine Königin hier unten gehabt.«

»Doch, Königin Cyrilla«, meinte ein anderer. »Erst ist sie uns in den Händen ohnmächtig geworden, dann hat sie den Verstand verloren. Sie lag die ganze Zeit bloß da wie ein toter Fisch. Wir haben sie trotzdem genommen. Wir haben eine Königin genommen. Trotzdem…«

Kahlan unterdrückte den Schrei, bemühte sich zu verhindern, daß sie aus Wut über das gerade Gehörte wieder um sich trat. Damit würde sie sich nur das gleiche Schicksal einhandeln wie Königin Cyrilla.

Ihre einzige Chance bestand darin, ihren Kopf zu gebrauchen. Sie brauchte Zeit, um nach ihrer Magie zu suchen, und wenn es ihr irgendwie gelang, sie zu finden, mußte sie die Männer voneinander trennen. Sonst würden die neun Mann den einen überwältigen. Zuerst mußte sie die Dinge ordnen, für den Fall, daß die Magie wirkte. Außerdem mußte der Kräftigste der Auserwählte sein.

Einen Augenblick lang verwarf sie den Plan. Sie hatte Angst, sich damit nicht retten zu können. Schlimmer noch, sie befürchtete, nicht den Nerv zu haben, den Plan durchzuführen. Doch dann wurde ihr mit aller Trostlosigkeit bewußt, daß es keine Rolle spielte, selbst wenn er nicht funktionierte. Sie würden sie so oder so vergewaltigen. Sie hatte nichts zu verlieren.

»Genau das meine ich. Wäre es euch nicht lieber, ich spielte mit? Ich werde tagelang hier unten sein. Jeder einzelne von euch wird mehr als genug von mir bekommen. Wäre es euch nicht lieber, wenn ich nicht nur leblos daläge? Auf diese Weise bekämt ihr alle, was ihr wollt.« Ihr war, als müßte sie sich übergeben.

»Sprich weiter«, meinte der größte Kerl mit barscher Stimme.

Kahlan wurde entschlossener. »Ich war … noch nie zuvor mit einem Mann zusammen.« Alle jubelten über ihr Glück. Sie wartete, bis die lüsternen Blicke sich wieder auf sie richteten. Sie unterdrückte den Wunsch, beim Anblick dieser Blicke in den Augen lauthals loszuschreien. »Wie gesagt, ich war noch nie mit einem Mann zusammen. Ich weiß, daß ihr mich nehmen werdet, und ich kann euch nicht daran hindern. Wenn es ohnehin geschehen muß, hätte ich gern auch etwas davon.«

Das gierige Grinsen wurde breiter. »Ach, ja? Und wie hättest du es am liebsten, Kleine?«

»Wenn ihr es einer nach dem anderen tätet. Wäre das nicht auch für euch angenehmer? Wenn ihr euch nicht streitet, sondern wartet, bis ihr an der Reihe seid, dann könnt ihr euch auf den Genuß konzentrieren, den eine richtige Frau zu bieten hat.«

Ein paar der Männer packten ihre Beine und zogen sie auseinander. Knurrend meinten sie, sie würden sich nehmen, was sie wollten, und zwar auf ihre Art. Der größte, der Kerl mit der barschen Stimme, riß sie zurück und stieß sie gegen die Wand. Der Kopf des einen gab einen dumpfen Laut von sich.

»Laßt sie ausreden! Was sie sagt, ergibt Sinn!« Er sah sie aus seinen wilden Augen an. »Laß hören, was du vorzuschlagen hast.«

Kahlan versuchte ihre Stimme in den Griff zu bekommen und so zu klingen, als wäre sie von ihrer Idee begeistert. Sie versuchte, sicher zu klingen, während sie mit den Achseln zuckte.

»Wenn ihr es auf meine Art macht, gebe ich euch, was immer ihr wollt. Ich werde dafür sorgen, daß ihr Spaß bekommt, wie immer ihr es mögt.«

Ein paar der Männer feixten hörbar. Dem großen Kerl war sein Argwohn an den Augen anzusehen. »Warum? Und woher sollen wir wissen, daß du es ernst meinst?«

»Weil ich es auf diese Weise selbst genießen kann.« Kahlan schluckte ihre Angst hinunter. »Bindet meine Hände los, dann zeige ich dir, daß ich es ernst meine.«

Sie beugte sich vor, als er ihr die Hände losband, während ein anderer die Gelegenheit ergriff und ihre Brüste betatschte. Sie verharrte regungslos. Schließlich waren ihre Hände frei. Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke, dann lächelte sie den großen Kerl an und strich ihm mit den Fingern über die Wange.

Er schlug ihre Hand fort. »Deine Zeit läuft ab. Es wäre besser, wenn du uns jetzt beweist, daß du meinst, was du sagst.«

Kahlan wappnete sich und lehnte sich nach hinten gegen die Wand. Sie zog ihr Kleid über ihre Hüfte, zog die Knie an und machte die Beine breit. Sie sah den großen Kerl an. »Faß mich an.«

Drei der anderen Kerle versuchten nach ihr zu greifen. Sie schlug ihre Hände fort. »Ich sagte, einer nach dem ändern!« Dann sah sie dem Großen in die Augen, als er den Kopf hob. Er überragte die anderen Männer. »Wie heißt du?«

»Tyler.«

»Einer nach dem anderen. Du zuerst, Tyler. Faß mich an.«

Die steinernen Mauern hallten von seinem schweren Atem wider. Der große Kerl streckte die Hand aus und streichelte sie. Es kostete sie ihre gesamte Kraft, die Knie auseinanderzulassen. Sie zwang sich, Luft zu holen. Sie betete, daß er nicht sah, wie sie zitterte.

Ein Grinsen machte sich auf der grobschlächtigen Visage breit, als er sie mit seiner rauhen Hand betatschte. Schüchtern schob sie seine Hand fort und legte die Knie aneinander.

»Siehst du? Ist das nicht besser, als eine überzarte Frau, die bei der ersten Berührung in Ohnmacht fällt und auf dem Boden liegt wie ein toter Fisch?«

Die anderen nickten zustimmend. Tyler sah sie voller Argwohn an.

»Du siehst wie eine dieser Konfessoren aus.«

Kahlan prustete vor Lachen. »Konfessor!« Sie zupfte an einer ihrer kurze Haarsträhnen. Als sie fühlte, wie kurz es war, hätte sie fast erneut laut gequält aufgeschrien. »Sieht das aus, als sei ich ein Konfessor?«

»Nein … aber das Kleid…«

»Na ja«, meinte Kahlan, »sie hat es kaum angezogen, also hab’ ich es mir ausgeborgt.«

»Nach allem, was ich gehört habe, wird kein Mensch enthauptet, weil er ein Kleid gestohlen hat. Was hast du angestellt, daß man dich zu uns geworfen hat?«

Sie reckte das Kinn in die Höhe. »Ich habe gar nichts angestellt. Ich bin unschuldig.«

Die Männer lachten und meinten, unschuldig seien sie auch. Tyler lachte nicht. Er hatte einen gefährlichen Blick in den Augen. Sie wußte, daß sie irgend etwas tun mußte, und zwar schnell.

Ihr Herz schlug so heftig, daß sie glaubte, es müsse ihr jeden Augenblick aus der Brust springen, als sie mit beiden Händen Tylers Hand ergriff und sie wieder zwischen ihre Beine legte und ihre Schenkel zusammenpreßte.

Sein lüsternes Grinsen wischte alle Vorsicht aus seinem Gesicht. »Was sollen wir also tun?« fragte er.

»Ich lege mich hier hin, und die übrigen von euch gehen alle nach dort drüben, während ich nacheinander mit jedem von euch zusammen bin. Auf diese Weise fühle ich mich sicher genug, um es ebenfalls zu genießen, und ungehemmt genug, damit ihr auch euren Spaß habt.« Sie blickte wieder zu dem großen Kerl hinüber und leckte sich lächelnd die Lippen. »Ich habe noch eine Bedingung. Dich will ich zuerst. Ich habe mir immer einen richtig großen Kerl gewünscht.«

Ihr schauderte, als sie den Blick in seinen Augen sah. Sie redete sich ein, daß sie die Mutter Konfessor sei, daß sie einen klaren Kopf behalten müsse. Sie leckte sich noch mal die Lippen, als sie sich windend gegen seine Hände preßte.

Tyler prustete vor Lachen. Die anderen kicherten nervös. »Ihr hochmütigen Damen tut alle so, als wärt ihr etwas Besseres, aber wenn es zur Sache geht, seid ihr auch nur Huren, genau wie alle anderen.«

Sein Lächeln erlosch auf eine Art, die ihr Herz für einen Schlag aussetzen ließ. »Der letzten Hure, die so getan hat, als wäre sie was Besseres, und die es sich dann anders überlegte, hab’ ich den Hals umgedreht. Der Zauberer hat uns erklärt, was er mit uns machen wird, wenn wir dich umbringen, aber das soll nicht heißen, daß du es nicht bedauern würdest, wenn du einen Rückzieher machst. Dafür werden wir schon sorgen.« Außer einem Lächeln und einem Nicken brachte Kahlan nichts zustande. »Fangen wir also an.«

Mit einer weiten Armbewegung scheuchte er die anderen auf die andere Seite der Grube, während sie verzweifelt nach dem Gefühl ihrer Magie suchte. Er erklärte ihnen, sie könnten unter sich ausmachen, wer als nächstes an die Reihe kam. Und dann drehte er sich zu ihr. Er fing an, die Schnalle seiner Hose aufzumachen.

Wie von Sinnen suchte Kahlan ihren Verstand nach einer Möglichkeit ab, ihn hinzuhalten. Sie brauchte Zeit, um sich zu überlegen, wie sie ihre Kraft finden sollte. »Wie wär’s zuerst mit einem Kuß?«

»Ich pfeife auf einen Kuß«, knurrte er. »Mach die Beine breit, wie eben. Das hat mir gefallen.«

»Es ist nur so, ein Kuß von einem großen, hübschen Kerl macht eine Frau so richtig scharf darauf, ihn zu verwöhnen.«

Er zögerte einen Augenblick, dann legte er ihr den rechten Arm um die Schultern und schmetterte sie neben sich auf den Boden. »Du tätest gut daran, schnell scharf zu werden, bevor ich die Geduld verliere.«

»Versprochen. Nur küß mich vorher.«

Tyler preßte seine Lippen auf ihren Mund. Ihr verschlug es den Atem, als er seine andere Hand plötzlich zwischen ihren Beinen nach oben schob, diesmal nicht sanft wie zuvor, sondern mit zwingender Unnachgiebigkeit. Er hielt das Keuchen für Bereitwilligkeit und preßte seine Lippen noch fester auf ihren Mund. Sie schlang die Arme um seinen Hals. Er stank so übel, daß sie sich fast erbrochen hätte.

Kahlan versuchte sich darauf zu konzentrieren, ihren Ruhepunkt zu finden, wie sie es zuvor immer getan hatte, wenn sie ihre Kraft benutzte. Sie fand den Ort nicht. Verzweifelt suchte sie nach ihrer Magie, konnte aber nichts finden.

Der Fehlschlag trieb ihr Tränen der Verzweiflung in die Augen. Tylers Atem ging schneller. Sein Druck war so stark, daß ihr die Lippen an den Zähnen schmerzten. Sie tat, als genieße sie es.

Das Entsetzen darüber, was er mit seiner Hand zwischen ihren Beinen anstellte, machte es ihr fast unmöglich, sich zu konzentrieren, aber sie wagte es nicht, ihn davon abzuhalten. Panik kroch ihr die Kehle hinauf, indes sie sich zwang, die Beine weiter für ihn breit zu machen. Sie stemmte die Fersen fester in den Boden. Ihre Füße in den Stiefeln zitterten.

Kahlan rügte sich selbst. Sie war die Mutter Konfessor. Sie hatte ihre Kraft zahllose Male angewendet. Sie versuchte es erneut, doch nichts geschah. Die Erinnerung an die jungen Mädchen aus Ebinissia machte alle Konzentration unmöglich.

Und dann dachte sie an Richard. Fast hätte sie laut aufgeschrien vor Sehnsucht. Wenn sie noch eine Chance haben wollte, Richard wiederzusehen, dann mußte sie ihre Magie anwenden. Sie mußte stark sein. Sie mußte es tun — für ihn.

Nichts geschah. Sie merkte, daß sie vor Verzweiflung in Tylers Mund winselte. Er hielt es für Leidenschaft.

Er zog das Gesicht ein paar Zentimeter weit zurück. »Mach die Beine breiter, damit alle sehen können, wie scharf eine noble Dame auf Tyler ist.«

Gehorsam zog sie die Fersen näher an den Körper und drückte die Knie weiter auseinander. Die Kerle johlten vor Begeisterung. Sie fühlte, wie ihr die Ohren brannten. Sie mußte daran denken, wie Ranson davon gesprochen hatte, ihr die Würde zu nehmen. Tyler preßte seine Lippen wieder auf ihren Mund. Tränen liefen ihr aus den Augenwinkeln.

Es funktionierte nicht. Sie konnte ihre Kraft nicht finden — selbst wenn sie dagewesen wäre. Sie hatte keine Wahl. Sie mußte zu Ende bringen, was sie den Männern angeboten hatte. Es nicht zu tun, würde ihr nur eine zusätzliche Tracht Prügel einbringen. Es gab kein Entrinnen.

Sie dachte an die armen Frauen in Ebinissia. Genau dasselbe würde auch mit ihr geschehen. Es war hoffnungslos. Innerlich gab sie sich auf. Sie überließ sich dem Geschehen.

Dann kam ihr etwas in den Sinn, was ihr Vater ihr einmal erklärt hatte: »Solltest du jemals aufgeben, Kahlan, dann bist du verloren. Kämpfe mit jedem Atemzug. Bis zum letzten, wenn es sein muß, aber gib nicht auf. Niemals. Überlaß den anderen nicht den Sieg. Kämpfe mit allem, was du hast, bis zum allerletzten Atemzug.« Das tat sie im Augenblick nicht. Sie war dabei aufzugeben.

Tyler richtete sich auf. »Genug geküßt, jetzt bist du reif.«

Ihre Zeit war abgelaufen. Sie überlegte, ob Richard sie deswegen hassen würde. Nein. Er wüßte, daß sie keine Wahl gehabt hatte. Er wäre nur dann enttäuscht, wenn sie sich schämen müßte, weil sie zum Opfer geworden war. Er hatte selbst unvorstellbare Qualen erlitten, bevor Denna ihren Willen durchsetzen konnte. Er wußte, was es hieß, hilflos zu sein. Sie machte ihm keinen Vorwurf für das, was man ihm aufgezwungen hatte. Er würde ihr auch keinen Vorwurf machen. Er würde sie trösten.

Wenn es bei diesem Mann nicht funktionierte, sagte sie sich, vielleicht funktionierte es dann mit dem nächsten. Sie würde es immer weiter versuchen, bei jedem. Sie würde nicht aufgeben. Sie würde immer weiter versuchen, ihre Kraft zu finden, bei jedem.

»Laß die Beine auseinander«, knurrte Tyler, als er seine Hosen öffnete. Sie hatte, ohne es zu merken, die Knie zusammengelegt. Gehorsam machte sie sie wieder breit, während eine Träne über die Seite ihres Gesichtes kullerte.

Gute Seelen, betet sie, so helft mir doch. Nein. Die Guten Seelen hatten ihr noch nie geholfen. Sie waren ihr noch nie zur Hilfe gekommen, obwohl sie sich so viel Mühe gegeben hatte, obwohl sie so sehr darum gefleht hatte. Sie würden auch jetzt nicht kommen.

Zum Hüter mit den wertlosen Guten Seelen.

Weine nicht, Mädchen, redete sie sich ein, #bekämpfe sie. Bis zum letzten Atemzug, wenn es sein muß.

»Bitte«, sagte sie, »nur noch einen Kuß#.«

»Du hast genug Küsse bekommen. Jetzt ist es Zeit, dein Versprechen einzulösen. Zeit für mich, und zwar jetzt.«

Kahlan zog die Fersen an den Körper, machte die Beine so breit wie möglich und wackelte mit dem Hintern, während er sie lüstern ansah. »Bitte. Deine Küsse sind die besten, die ich je bekommen habe. Nur noch einen, ja? Bitte!« Sie sah, wie seine Brust sich hob. »Dann werde ich dich so befriedigen wie noch keine Frau zuvor. Nur noch einen Kuß.«

Er ließ sich auf sie fallen, zwischen ihre Beine. Sein Gewicht preßte ihr die Luft aus den Lungen. »Einen noch, und dann bist du dran.«

Er brachte sein schnauzbärtiges Gesicht dicht an ihres. Er hatte die Beherrschung verloren. Sein Mund quetschte ihre Lippen. Sie versuchte seine glühende Erregung zu ignorieren, als er sich schmerzhaft an sie drückte.

Kahlan schlug ihm die Hände seitlich an den muskulösen Hals. Ihre Lungen brannten, sie bekam kaum Luft. Dies war ihre letzte Chance. Ihr letzter Atemzug. Benutze ihn zum kämpfen, redete sie sich ein. Kämpfe.

Für Richard. So wie zahllose Male zuvor ließ sie alle Schranken fallen, obwohl sie keinen Widerstand verspürte.

Es war, als stürze man sich in ein dunkles, bodenloses Loch.

Es gab ein Donnern, doch ohne Hall.

Der heftige Schlag gegen die Luft ließ einen Schauer aus Steinstaub herabregnen.

Die Männer schrien auf vor Schmerz, weil sie so nahe standen, als sie ihre Kraft freisetzte.

Kahlan hätte vor Freude fast aufgeschrien. Plötzlich spürte sie die Magie in ihrer Mitte wieder. Schwach nur, da sie gerade gebraucht worden war, aber sie spürte sie wieder. Sie war wieder da. Sie war nie verschwunden gewesen. Ranson hatte sie mit Magie dazu gebracht, eine Lüge zu glauben.

Tylers Kiefer war erschlafft, als er von ihr abließ und ihr in die Augen sah. »Herrin!« hauchte er. »Befehlt mir.«

Die anderen Männer kamen auf die beiden zugekrochen.

»Beschütze mich!«

Köpfe schlugen krachend gegen die Wand, Blut spritzte über den Stein. Tyler brach einem Mann den Arm. Schmerzensschreie hallten durch den Raum. Minutenlang kam es zu einem wüsten Kampf, bis es Kahlan gelang, Tyler so zu steuern, daß sie das bekam, was sie wollte — einen Waffenstillstand.

Sie wollte nicht, daß er gegen alle Männer kämpfte. Wenn es ihnen gelang, ihn zu überwältigen, war sie erledigt. Sie wollte sie nur trennen. Tyler sollte sie beschützen und die Männer auf Abstand halten. So hatte sie die besten Chancen zu überleben, bis sie ihre Kraft wiedergewonnen hatte.

Sie schrie den Männern und Tyler Befehle zu. Sechs waren noch auf den Beinen und in der Verfassung zu kämpfen. Sie waren außer sich vor Wut. Einer wand sich vor Schmerzen schreiend auf dem Boden. Die anderen vier, darunter auch der, den sie ins Gesicht getreten hatte, rührten sich nicht mehr.

Kahlan erklärte den Männern, daß sie Tyler im Zaum halten werde, solange sie in ihrer Ecke blieben. Widerwillig zogen sie sich auf die andere Seite zurück, die anderen mit sich schleppend. Deren Schreie überzeugten sie davon, den rechten Zeitpunkt abzuwarten, bevor sie über den großen Mann mit dem wilden Blick herfielen. Mit der Drohung, Tyler auf sie zu hetzen, brachte sie sie dazu, ihr ihre Unterkleider zuzuwerfen.

Kahlan hockte in der Ecke, den Rücken an der Wand. Tyler stand vor ihr, in halb gehockter Stellung, balancierte auf den Zehen, die Arme ausgestreckt, bereit. Die Männer beobachteten ihn, während sie an der gegenüberliegenden Wand lehnten. Kahlan wußte, dieser unbehagliche Waffenstillstand konnte nicht tagelang halten. Früher oder später würde Tyler die Kraft ausgehen. Dann würden sie über ihn herfallen. Und über sie. Das wußten auch die Männer.

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