Den ganzen Tag lang genossen sie die Gesellschaft ihrer Freunde und Lieben. Man unterhielt sich, lachte und feierte gemeinsam mit den Schlammenschen. Kahlan war sehr darum bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie ihr tief ausgeschnittenes Hochzeitskleid ihre Brüste zur Geltung brachte. Das war nicht einfach, denn immer wieder kamen Menschen zu ihr und erklärten, welch schöne Brüste sie habe. Richard wollte wissen, was die Menschen ständig zu ihr sagten. Sie hielt es für das beste zu lügen und erklärte ihm, sie machten ihr Komplimente wegen ihres Kleides.
Als die Sonne den Himmel golden färbte, war es endlich soweit.
Kahlan faßte Richards Hand, als sei sie das einzige, was sie noch mit beiden Beinen auf dem Boden hielt. Richard hatte Mühe, den Blick von ihr in ihrem blauen Hochzeitskleid abzuwenden. Jedesmal, wenn er sie ansah, konnte er nicht anders und mußte lächeln.
Kahlans Herz füllte sich mit Freude, als sie sah, wie sehr ihm das Kleid gefiel, das Weselan für sie genäht hatte. Sie hatte so lange davon geträumt, es zu tragen. So oft hatte sie diesen Tag von ganzem Herzen herbeigesehnt. So oft hatte sie befürchtet, er würde nie kommen. Zu viele Male war etwas dazwischengekommen und hatte diesen Augenblick wieder hinausgezögert. Jetzt endlich war es soweit.
Richard sprach die Worte der Schlammenschen nach, ohne zu wissen, daß er lauthals verkündete, wie sehr ihm ihre Brüste gefielen. Er war in dem Glauben, er erklärte ihr, wie hübsch ihr Kleid aussah. Alles schmunzelte zufrieden, als er die Worte in ihrer Sprache aufsagte, und man war hocherfreut, daß er mit ihnen einer Meinung war. Kahlan spürte, wie sie zunehmend errötete.
Richard sah in seiner schwarz-goldenen Uniform des Kriegszauberers prächtig aus. Jedesmal, wenn Kahlan ihn betrachtete, überkam sie ein Lächeln. Sie heiratete Richard. Endlich. Unter dem blauen Kleid zitterten ihr die Knie.
Cara, die hinter ihnen stand, legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Weselan, die neben Kahlan wartete, strahlte vor Stolz. Savidlin hatte sich auf Richards andere Seite gestellt und strahlte mindestens ebenso. Zedd und Ann warteten im Hintergrund. Der Zauberer war gerade damit beschäftigt, irgend etwas zu essen.
Insgeheim betete Kahlan zu den Guten Seelen, daß diesmal nichts schiefgehen, daß es diesmal endlich passieren möge. Noch immer sorgte sie sich, all das könne ihr abermals genommen werden.
Der Vogelmann richtete sich vor ihnen zu seiner vollen Größe auf und faltete die Hände. Hinter ihm hatte sich das gesamte Volk der Schlammenschen versammelt, um die Gelübde zu hören.
Als alle verstummt waren, hob der Vogelmann an, und Kahlans Befürchtungen begannen dahinzuschmelzen und machten freudiger Erwartung Platz. Während der Vogelmann seine Ansprache hielt, übersetzte Chandalen für Richard und die anderen, die der Sprache der Schlammenschen nicht mächtig waren.
»Diese beiden Menschen wurden nicht als Schlammenschen geboren, doch sie haben bewiesen, daß sie zu uns gehören: durch ihre Stärke und in ihrem Herzen. Sie sind uns verpflichtet und wir ihnen. Sie sind unsere Freunde und unsere Beschützer gewesen. Ihr Wunsch, als Schlammenschen getraut zu werden, beweist ihr gutes Herz.
Als Mitglieder unseres Volkes haben diese zwei nicht nur beschlossen, sich vor den Bewohnern dieser Welt trauen zu lassen, sondern auch vor denen der folgenden. Indem sie dies tun, rufen sie unsere Ahnenseelen auf, an diesem Tag bei uns zu weilen und diese Verbindung mit einem Lächeln gutzuheißen. Wir heißen unsere Ahnenseelen in unseren Herzen willkommen und fordern sie auf, unsere Freude mit uns zu teilen.«
Richard faßte ihre Hand fester, und Kahlan war gewiß, daß er dasselbe dachte wie sie: Es wurde wahr, endlich. Und es war so, wie sie beide es sich stets erträumt hatten – nur noch viel schöner.
»Ihr seid beide Schlammenschen und werdet nicht nur durch eure Worte vor eurem Volk miteinander vermählt, sondern auch in euren Herzen. Das sind einfache Worte, doch in einfachen Dingen liegt eine große Kraft.«
Er blickte Richard in die Augen.
»Richard, willst du diese Frau zu deinem Weib nehmen, und willst du sie in jeder Hinsicht und für alle Zeiten lieben und ehren?«
»Ich will«, antwortete er mit klar vernehmlicher Stimme, die über die gesamte versammelte Menschenmenge trug.
Dann blickte der Vogelmann Kahlan in die Augen, und sie hatte das Gefühl, er spreche nicht nur als Stellvertreter seines Volkes, sondern auch im Namen der Seelen. Fast hörte sie aus seinen Worten das Echo ihrer Stimmen heraus.
»Kahlan, willst du diesen Mann zu deinem Gatten nehmen, und willst du ihn in jeder Hinsicht und für alle Zeiten lieben und ehren?«
»Ich will«, antwortete sie mit einer Klarheit, die Richards in nichts nachstand.
»So seid ihr nun vor eurem Volk und vor den Seelen für alle Zeiten Mann und Frau.« Die versammelte Menschenmenge verharrte vollkommen still, bis Richard sie in die Arme nahm und küßte. Dann brach unbeschreiblicher Jubel los.
Kahlan hörte ihn kaum.
Sie fühlte sich wie im Traum. In einem Traum, den sie so oft geträumt hatte, bis er schließlich Wirklichkeit geworden war.
In Richards Armen zu liegen. Ihn zu besitzen. Seine Frau zu sein, und er ihr Mann. Für immer.
Und dann wollten alle sie umarmen. Zedd und Ann. Der Vogelmann und die Ältesten. Weselan und die anderen Ehefrauen.
Cara hatte Tränen in den Augen, als sie Kahlan in die Arme schloß. »Danke, daß Ihr beide bei der Hochzeit einen Strafer getragen habt. Hally, Raina und Denna, sie alle sehen deswegen zu. Danke, daß Ihr auf diese Weise das Opfer der Mord-Sith geehrt habt.«
Jeder aus dem Dorf drängte nach vorn, um das neue Paar zu beglückwünschen. Kahlan hatte Angst, erdrückt zu werden. Die Menschen brachten Speisen und Blumen und aufrichtige, einfache Geschenke aller Art.
Schließlich fanden die Feierlichkeiten vor der Hochzeitsplattform ihre Fortsetzung. Kahlan versuchte, mit jedem gleichzeitig zu sprechen, als sich plötzlich – Richard erkundigte sich gerade bei einem von Chandalens Jägern nach der Schlacht, deren Zeugen sie geworden waren – sein goldenes Cape blähte.
Es war vollkommen windstill.
Richard richtete sich auf. Sein Raubvogelblick wanderte über die Köpfe der Menschen hinweg, die sich vor der Hochzeitsplattform versammelt hatten. Instinktiv griff er nach seinem Schwert. Es war nicht da.
Die Menschen im Hintergrund verstummten. Zedd und Ann stellten sich neben Richard und Kahlan. Den Strafer in der Faust, wollte Cara sich zwischen ihnen hindurch nach vorn drängen. Richard schob sie sanft zurück.
Das gesamte Dorf verstummte, als die Menge sich für die beiden nahenden Gestalten teilte.
Während die beiden einsamen Gestalten, eine groß, die andere klein, näher kamen, erkannte Kahlan, daß es sich um Shota und ihren Begleiter Samuel handelte.
Blendend aussehend wie immer, erklomm die Hexe entschlossenen Schritts die Plattform, ohne auch nur einen einzigen Moment lang ihre mandelförmigen Augen von Kahlan zu lassen.
Shota ergriff Kahlans Hand und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Ich bin gekommen, um Euch zu beglückwünschen, Mutter Konfessor, sowohl für Eure Leistung als auch zu Eurer Hochzeit.«
Alle Vorsicht in den Wind schlagend, schloß Kahlan sie in die Arme. »Danke, daß Ihr gekommen seid, Shota.«
Lächelnd blickte die Hexe Richard in die Augen, während sie ihm mit einem rotlackierten Fingernagel über das Kinn strich. »Hart erkämpft, Richard. Hart erkämpft. Und wohlverdient.«
Kahlan wandte sich der schweigenden Versammlung zu. Sie wußte, die Schlammenschen fürchteten die Hexe so sehr, daß sie es sogar vermieden, ihren Namen auszusprechen. Kahlan hatte Verständnis dafür. Ihr war es früher beinahe ebenso ergangen.
»Shota ist gekommen, um uns ihre besten Glückwünsche zur Hochzeit zu überbringen. Auch hat sie uns in unserem Kampf unterstützt. Sie ist eine Freundin, und ich hoffe, ihr werdet sie zu eurem Fest willkommen heißen, denn das hat sie verdient. Außerdem entspricht es meinem Wunsch.«
Kahlan wandte sich zu ihr um. »Ich habe ihnen erklärt –«
Shota hob lächelnd eine Hand. »Ich weiß, was Ihr ihnen erklärt habt, Mutter Konfessor.«
Der Vogelmann trat vor. »Willkommen in unserem Zuhause, Shota.«
»Danke, Vogelmann. Mein Wort darauf, daß ich an diesem Tag kein Unheil über euch bringen werde.«
Shota sah zu Zedd hinüber. »Waffenstillstand für einen Tag?«
Zedd lächelte verschmitzt. »Waffenstillstand.«
Samuel hob seinen langen Arm und angelte nach der geschnitzten Knochenpfeife des Vogelmannes, die dieser um den Hals trug.
»Meins! Gib her!«
Shota verpaßte ihm eine Kopfnuß. »Reiß dich zusammen, Samuel!«
Der Vogelmann schmunzelte. Er zog den Riemen mit der Pfeife über den Kopf und hielt ihn Samuel hin.
»Ein Geschenk für einen Freund der Schlammenschen.«
Behutsam ergriff Samuel die Pfeife. Ein Grinsen teilte sein Gesicht, bis man seine üblen, spitzen Zähne sah.
»Vielen Dank, Vogelmann«, sagte Shota.
Samuel blies in die lautlose Pfeife. Er schien zu seinem größten Gefallen den Ton hören zu können. Verhaltenes Gelächter ging durch die Menge, und die Gespräche wurden fortgesetzt. Zu Kahlans Erleichterung tauchten als Reaktion auf die lautlose Pfeife keine Geier auf. Glücklicherweise wußte Samuel nicht, wie man die einzelnen Vögel rief. Grinsend hängte er sich sein Geschenk um den Hals. Dann nahm er Shota wieder bei der Hand.
Die musterte Richard und Kahlan aus ihren alles in Bann ziehenden Augen. In diesem Moment vergaßen sie alle anderen. Bei diesem Blick waren die drei so gut wie alleine.
»Glaubt nicht, keiner von Euch, ich hätte, weil ich Euch gratuliere, vergessen, was ich Euch versprochen habe.«
Kahlan schluckte. »Shota –«
Die Augen der Hexe waren gleichzeitig wunderschön und furchteinflößend, als sie sie mit erhobenem Finger zum Schweigen brachte.
»Ihr habt Euch beide diese wunderbare Hochzeit verdient. Ich freue mich für Euch beide. Ich werde Eure Gelübde in Ehren halten und Euch, aus Respekt für das, was Ihr für mich getan habt, auf jede Weise unterstützen – vorausgesetzt, Ihr Vergeßt meine Warnung nicht. Ich werde nicht zulassen, daß ein aus dieser Vereinigung hervorgegangenes männliches Kind überlebt. Ich rate Euch, in diesem Punkt nicht an meinen Worten zu zweifeln.«
Richards Blick wurde hitziger. »Ich lasse nicht zu, daß jemand uns droht, Shota –«
Wieder hob sie den Finger, diesmal, um Richard zu beschwichtigen.
»Das war keine Drohung. Sondern ein Versprechen. Ich tue dies nicht aus Feindseligkeit einem von Euch beiden gegenüber, sondern aus Sorge um alle die anderen Menschen dieser Welt. Uns allen steht ein langer Kampf bevor. Ich werde nicht zulassen, daß irgend etwas, das Ihr in diese Welt setzt, unsere Siegeschance schmälert. Jagang ist schon Kummer genug.«
Aus irgendeinem Grund versagte Kahlan die Stimme. Richard schienen ebenfalls die Worte zu fehlen. Kahlan glaubte Shota. Böswilligkeit war nicht der Grund für ihr Handeln.
Die Hexe nahm Kahlans Hand und legte etwas hinein. »Dies ist mein Geschenk an Euch beide. Ich tue dies aus Liebe zu Euch und zu allen anderen.« Sie lächelte ein eigenartiges Lächeln. »Seltsame Worte aus dem Mund einer Hexe, nicht wahr?«
»Nein, Shota«, erwiderte Kahlan. »Ich weiß nicht, ob ich Euch glauben soll, was Ihr uns über einen etwaigen Sohn erzählt, aber ich weiß, daß Ihr es nicht aus Haß sagt.«
»Gut. Tragt dieses Geschenk stets bei Euch, dann wird alles gut werden. Merkt Euch meine Worte gut – nehmt es niemals ab, wenn Ihr zusammen seid, dann werdet Ihr stets glücklich sein. Mißachtet Ihr meine Bitte, bekommt Ihr die Folgen meines Versprechens zu spüren.« Sie sah Richard in die Augen. »Besser, Ihr bekämpft den Hüter als mich.«
Kahlan öffnete die Hand und fand eine zierliche Halskette vor. An der goldenen Kette hing ein kleiner, dunkler Stein.
»Warum? Was ist das?«
Shota legte Kahlan einen Finger unter das Kinn und sah ihr in die Augen. »Solange Ihr den Stein tragt, werdet Ihr keine Kinder bekommen.«
Richards Stimme klang seltsam sanft. »Aber wenn wir –«
Shota brachte ihn abermals mit erhobenem Finger zum Schweigen. »Ihr beide liebt Euch. Erfreut Euch an dieser Liebe und aneinander. Ihr habt hart darum gekämpft, zusammenzusein. Genießt Euer Zusammensein und Eure Liebe. Jetzt habt Ihr beide einander, so wie Ihr es Euch immer gewünscht habt. Gebt das nicht sinnlos auf.«
Richard und Kahlan nickten. Aus irgendeinem Grund verspürte Kahlan keinen Zorn. Sie spürte lediglich Erleichterung darüber, daß Shota ihre Hochzeit nicht vereiteln würde. Es war fast wie in einem Traum, wie der förmliche Vertragsabschluß über einen unbekannten, entlegenen Landstrich, auf den zwei Länder Anspruch erhoben, wie die Übereinkünfte im Ratssaal, bei denen sie so häufig den Vorsitz gehabt hatte. Gefühle schienen nicht beteiligt. Es war schlicht eine Abmachung.
Shota machte kehrt und wollte gehen.
»Shota«, rief Richard ihr hinterher. Sie drehte sich um. »Wollt Ihr nicht bleiben? Ihr habt einen weiten Weg hinter Euch.«
»Richtig«, meinte Kahlan. »Wir wären wirklich sehr erfreut, wenn Ihr bleiben würdet.«
Ihr Hexenlächeln lächelnd, verfolgte Shota aufmerksam, wie Kahlan das Kettchen um ihren Hals befestigte.
»Eure Frage ist mir Freude genug, aber die Reise ist lang, und wir müssen aufbrechen.«
Kahlan sprang die Stufen hinunter und besorgte sich einen Stapel Tavafladen. Sie wickelte das Brot in ein Tischtuch. Am Fuß der Stufen hatte sie Shota eingeholt.
»Nehmt das mit für unterwegs, als Dank dafür, daß Ihr gekommen seid, und für das Geschenk.«
Shota gab ihr einen Kuß auf die Wange, dann nahm sie das Bündel. Samuel versuchte nicht, danach zu greifen. Plötzlich war auch Richard da, neben Kahlan. Shota setzte ein dünnes Lächeln auf und gab auch ihm einen Kuß auf die Wange. Ihr Blick hatte etwas seltsam Versonnenes.
»Ich danke Euch, Euch beiden.«
Und dann war sie verschwunden. Einfach verschwunden.
Zedd und Ann standen noch immer oben auf der Plattform, zusammen mit Cara und den übrigen. An Richard und Kahlan gewandt, fragte Zedd: »Was ist mit Shota passiert? Erst schließen wir einen Waffenstillstand, und dann verschwindet sie einfach ohne ein Wort?«
Kahlan runzelte die Stirn. »Mit uns hat sie gesprochen.«
Zedd sah sich um. »Wann denn? Sie war fort, bevor sie Gelegenheit hatte, etwas zu sagen.«
»Ich wollte auch mit ihr sprechen«, meinte Ann.
Kahlan sah zu Richard hoch. Der wiederum blickte Zedd an. »Sie hat uns gratuliert. Vielleicht wollte sie einfach nicht, daß du mitbekommst, wie sie ein paar freundliche Dinge sagt.«
Zedd stieß einen Lacher aus. »Das wird es sein.«
Kahlan befingerte den dunklen Stein an ihrer Halskette. Sie legte Richard einen Arm um die Hüfte und zog ihn zu sich.
»Was meinst du?« fragte sie leise.
Richard starrte in die Richtung, in die Shota verschwunden war.
»Fürs erste hat sie recht, wir sind zusammen. Genau das haben wir immer gewollt. Ich denke, wir sollten erst einmal froh sein, daß unser Traum endlich wahr geworden ist. Ich bin den ganzen Ärger leid, außerdem ist da immer noch Jagang, um den wir uns kümmern müssen. Im Augenblick möchte ich einfach bei dir sein und dich lieben.«
Kahlan lehnte ihren Kopf an seine Brust. »Ich denke, du hast recht. Wollen wir die Dinge nicht komplizierter machen, als sie sind.«
»Wir können uns ein andermal den Kopf darüber zerbrechen.« Er lächelte sie an. »Stimmt's?«
Kahlan vergaß Shota und die Zukunft und erwiderte sein Lächeln. »Stimmt.«
Die Feierlichkeiten setzten sich bis weit nach Einbruch der Dämmerung fort. Kahlan ahnte, daß sie wahrscheinlich die ganze Nacht andauern würden. Sie flüsterte Richard zu, sie wäre froh, wenn sie nicht bis zum Schluß dabeisein müßten. Richard gab ihr einen Kuß auf die Wange, dann erkundigte er sich beim Vogelmann, ob es nicht vielleicht möglich wäre, sie zu entschuldigen. Sie wollten das Haus der Seelen aufsuchen, das für beide eine besondere Bedeutung hatte.
Der Vogelmann lächelte. »Es war ein langer Tag. Schlaft gut.« Richard und Kahlan bedankten sich bei allen, dann endlich waren sie in der Stille des Hauses der Seelen, im weichen Schein des niedrigen Feuers, das dort stets brannte, allein.
Als sie sich in die Augen blickten, waren Worte völlig unzureichend.
Stolz und aufrecht beobachtete Berdine, wie die Doppeltür aufgestoßen wurde. Einer Stichflamme gleich stürmten sie in den Palast der Konfessoren – ein Dutzend Mord-Sith in roter Lederkleidung.
Soldaten wichen hastig kreuz und quer über den blankpolierten Marmorboden zurück und bemühten sich, den Anschein zu erwecken, sie seien nicht in Eile. Rasch bezogen sie in sicherer Entfernung erneut Posten. Eine Mord-Sith nahm von der Existenz d'Haranischer Soldaten kaum Notiz – es sei denn, sie standen im Weg.
Die Gruppe blieb stehen. Stille senkte sich über die Eingangshalle.
»Berdine, schön, dich zu sehen.«
Berdine ließ ein dünnes Lächeln über ihre Lippen spielen. »Willkommen, Rikka. Aber was tust du hier? Lord Rahl hat dich doch im Palast des Volkes zurückgelassen, damit du auf seine Rückkehr wartest.«
Rikkas Augen suchten das Gelände ab, bevor ihr fester Blick auf Berdine zur Ruhe kam. »Wir haben gehört, er hält sich jetzt hier auf. Also haben wir beschlossen, in seiner Nähe zu sein, um ihn beschützen zu können. Die anderen haben wir im Palast gelassen, für den Fall, daß er unerwartet heimkehrt. Wir werden ihn zurückbegleiten, wenn er nach Hause reitet.«
Berdine zuckte die Achseln. »Er betrachtet das hier jetzt gewissermaßen als sein Zuhause.«
»Wie auch immer. Jedenfalls sind wir jetzt hier. Wo steckt er, damit wir uns ankündigen und ihn beschützen können?«
»Er ist abgereist, um zu heiraten. Ein gutes Stück in Richtung Süden.«
Rikkas Miene verfinsterte sich. »Wieso begleitest du ihn nicht?«
»Er hat mir befohlen hierzubleiben und mich in seiner Abwesenheit um alles zu kümmern. Cara ist bei ihm.«
»Cara. Gut. Sie wird nicht zulassen, daß ihm etwas zustößt.« Rikka überlegte einen Augenblick, wobei ihre Miene sich zusehends wieder verfinsterte. »Lord Rahl heiratet?«
Berdine nickte. »Er ist verliebt.«
Die anderen Frauen sahen sich an, während Rikka die Fäuste in die Hüften stemmte. »Verliebt. Ein verliebter Lord Rahl. Irgendwie kann ich mir das nicht recht vorstellen. Was ist mit den anderen?«
»Hally wurde vor einiger Zeit getötet. Im Kampf, als sie Lord Rahl beschützte.«
»Ein ehrenvoller Tod. Was ist mit Raina?«
Berdine schluckte und zwang sich zu einem angemessenen Tonfall. »Raina starb kurze Zeit später. Durch Feindeinwirkung.«
Rikka sah Berdine prüfend in die Augen. »Das tut mir leid, Berdine.«
Berdine nickte. »Lord Rahl hat um sie getrauert, genau wie um Hally.«
Stille senkte sich über die Eingangshalle, während die anderen Mord-Sith sich ungläubige Blicke zuwarfen.
»Dieser Mann wird noch Ärger machen«, murmelte Rikka.
Berdine schmunzelte. »Ich glaube, dasselbe würde er auch von dir behaupten.«
Kahlan reagierte auf das hartnäckige Klopfen mit einem unwilligen Murren. Es hatte nicht den Anschein, als würde es aufhören, wenn man es überhörte. Sie gab Richard einen Kuß und wickelte sich eine Decke um den Körper.
»Rühre dich nicht von der Stelle, Lord Rahl. Ich werde sie abwimmeln.«
Barfuß durchquerte sie den schummrigen, fensterlosen Raum. Blinzelnd blickte sie in die plötzliche Helligkeit, nachdem sie die Tür geöffnet hatte.
»Zedd, was gibt's?«
Er war gerade damit beschäftigt, ein Stück Tavabrot zu verdrücken. In seiner anderen Hand hatte er einen ganzen Teller davon. Er hielt ihr das Tablett hin.
»Ich dachte, ihr wärt vielleicht hungrig.«
»Ja, danke. Sehr aufmerksam.«
Er nahm einen Bissen Tavabrot, während sein Blick über ihr Haar wanderte. Mit einem eingerollten Fladen deutete er darauf.
»Diese Zotteln wirst du nie wieder rauskriegen, meine Liebe.«
»Danke für deinen modischen Rat.«
Sie wollte die Tür schließen. Er stemmte seine Hand dagegen.
»Die Ältesten fangen an, sich Sorgen zu machen. Sie würden gerne wissen, wann sie ihr Seelenhaus zurückhaben können.«
»Richte ihnen aus, ich sage ihnen Bescheid, sobald ich hier fertig bin.«
Cara, die ihre finsterste Mord-Sith-Miene aufgesetzt hatte, nahte von hinten. »Ich werde dafür sorgen, daß er Euch nicht noch einmal behelligt, Mutter Konfessor.«
»Danke, Cara.«
Kahlan schloß die Tür vor seinem feixenden Gesicht.
Rasch lief sie durch den Raum zurück zu Richard. Sie stellte den Servierteller auf die Seite, legte sich hin und nahm Richard mit unter die Decke.
»Die ärgerliche Verwandtschaft«, erläuterte sie.
»Hab ich gehört. Tavabrot und zerzaustes Haar.«
»Also, wo waren wir stehengeblieben?«
Er küßte sie, und dann fiel es ihr wieder ein: Er hatte ihr gerade zeigen wollen, was es mit Magie auf sich hatte.