30

Der erste Junge, den sie aufsuchten, Mark, war wohlauf. Mark freute sich über Yonicks Besuch und wunderte sich, daß er ihn und seinen Bruder Kip während der letzten Tage nicht gesehen hatte. Die junge Mutter bekam es angesichts der wichtigen Fremden, die plötzlich vor ihrer Tür standen und sich nach der Gesundheit ihres Sohnes erkundigten, mit der Angst zu tun. Richard war erleichtert, daß Mark, der zusammen mit Yonick und seinem Bruder an dem Ja'La-Spiel teilgenommen hatte, nicht erkrankt war.

Bislang war nur einer der Jungen, die an dem Ja'La-Spiel teilgenommen hatten, krank geworden. Es sah immer mehr danach aus, als seien seine Befürchtungen bezüglich Jagangs nichts weiter als in Panik gezogene Schlußfolgerungen. In Richard keimte so etwas wie Hoffnung auf.

Yonick erzählte dem bestürzten Mark von Kips Tod. Richard wies die Mutter an, nach Drefan zu schicken, sobald jemand aus der Familie krank werden sollte. Als Richard das Haus verließ, fühlte er sich viel besser.

Der zweite Junge, Sidney, war seit dem Morgen tot.

Als sie dann den dritten Jungen, in Decken gehüllt, hinter einem Haus, das nur aus einem Raum bestand, vorfanden, waren Richards Hoffnungen verblaßt.

Bert war schwer krank, aber wenigstens waren seine Gliedmaßen nicht schwarz wie die von Kip. Seine Mutter erzählte ihnen, er habe Kopfschmerzen gehabt und sich erbrochen. Während Drefan nach dem Jungen sah, reichte Nadine der Frau Kräuter.

»Streut sie ins Feuer«, erklärte Nadine ihr. »Es ist Beifuß, Fenchel und Hussuk. Sie erzeugen Rauch und helfen, die Krankheit zu vertreiben. Bringt Eurem Jungen heiße Kohlen, streut eine Prise der Kräuter auf die Kohlen und fächelt Eurem Jungen den Rauch zu, um sicherzustellen, daß er genug davon einatmet. Das wird helfen, ihm die Krankheit auszutreiben.«

»Glaubst du wirklich, das hilft?« fragte Richard leise, als Nadine wieder zu ihm und dem Jungen zurückkehrte. »Drefan meinte, er sei nicht davon überzeugt.«

»Ich habe gelernt, daß es angeblich bei ernsthaften Krankheiten wie der Pest hilft«, erwiderte sie mit gesenkter Stimme, »allerdings habe ich noch nie jemanden gesehen, der die Pest hatte, also kann ich es nicht mit Gewißheit sagen. Das ist das einzige Mittel, das ich kenne, Richard. Ich muß es versuchen.«

Obwohl er todmüde war und ihn Kopfschmerzen plagten, hatte Richard keine Mühe, die Hilflosigkeit aus ihrer Stimme herauszuhören. Sie wollte helfen. Wie Drefan gesagt hatte: Vielleicht nützte es etwas.

Richard beobachtete, wie Drefan ein Messer aus seinem Gürtel zog. Er gab Cara und Raina, die, nachdem sie Richards Anweisungen ausgeführt hatten, zu ihnen gestoßen waren, ein Zeichen, den kranken Jungen auf sein Lager zu drücken. Raina packte mit einer Hand Berts Kinn und hielt mit der anderen seine Stirn fest. Cara drückte seine Schultern in die Laken.

Mit ruhiger Hand durchstieß Drefan die Schwellung seitlich am Hals des Jungen. Berts Schreie gingen Richard an die Nerven. Fast hatte er das Gefühl, die Klinge an seiner eigenen Kehle zu spüren. Die Mutter stand händeringend ein Stück abseits und verfolgte regungslos das Geschehen.

Richard mußte daran denken, daß Drefan erzählt hatte, wenn der Betreffende überlebte, würde er sich sein Leben lang über die Tortur der Behandlung beklagen. Bert hätte allen Grund dazu.

»Was hast du Kips Mutter gegeben?« fragte Kahlan Nadine.

»Ich habe ihr ein paar Kräuter zum Ausräuchern des Hauses gegeben, dieselben wie der Frau hier«, antwortete Nadine. »Und ich habe ihr einen Beutel mit Hopfen, Lavendel, Schafgarbe und Blättern der Zitronenmelisse fertiggemacht, den sie in ihr Kopfkissen stecken soll, damit sie schlafen kann. Ich glaube trotzdem nicht, daß sie Ruhe finden wird, nachdem…« Sie wendete die Augen ab. »Jedenfalls könnte ich nicht schlafen«, sagte sie leise, wie zu sich selbst.

»Hast du irgendwelche Kräuter, die deiner Ansicht nach die Ausbreitung der Pest verhindern können?« fragte Richard. »Etwas, durch das die Menschen sich nicht weiter anstecken?«

Nadine sah Drefan zu, der Blut und Eiter vom Hals des Jungen wischte. »Tut mir leid, Richard. Aber ich weiß nicht genug darüber. Vielleicht hat Drefan recht. Er scheint sich gut auszukennen. Möglicherweise gibt es weder ein Mittel zur Heilung noch zur Vorbeugung.«

Richard trat neben den Jungen, hockte sich neben Drefan und sah seinem Bruder bei der Arbeit zu.

Drefan blickte ihn an, als er den Lappen in seiner Hand zurechtfaltete. »Wie ich schon sagte, manchmal, wenn die Krankheit auf die Spitze getrieben und der Eiter dräniert werden kann, erholt sich der Betreffende. Ich muß es versuchen.«

Drefan gab den beiden Mord-Sith ein Zeichen. Sie hielten den Jungen von neuem fest. Richard zuckte zusammen, als er beobachtete, wie Drefan das scharfe Messer tiefer in die Schwellung hineingleiten ließ und noch mehr Blut und gelblichweiße Flüssigkeit hervorholte. Glücklicherweise fiel Bert in Ohnmacht.

Richard wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er fühlte sich hilflos. Er hatte sein Schwert, um sich zu wehren, gegen diese Krankheit war es ihm jedoch nicht von Nutzen. Er wünschte, daß die Bedrohung eine wäre, gegen die er kämpfen könnte.

Hinter ihm redete Nadine mit leiser Stimme, aber laut genug, daß er es hören konnte, auf Kahlan ein.

»Tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe, Kahlan. Ich habe mein Leben der Hilfe für die Kranken verschrieben. Es macht mich so wütend, wenn ich Menschen leiden sehe. Deswegen war ich so verärgert. Nicht wegen Euch. Yonicks Leid hat mich mit Zorn erfüllt, und auf Euch bin ich losgegangen. Es war nicht Euer Fehler. Niemand hätte etwas tun können. Verzeiht mir.«

Richard drehte sich nicht um. Kahlan schwieg, doch vielleicht lächelte sie Nadine an, zum Zeichen, daß sie ihre Entschuldigung annahm.

Richard bezweifelte das.

Er kannte Kahlan. Sie erwartete von anderen ebenso viel wie von sich selbst. Sie verzieh nicht einfach, nur weil jemand sie darum bat. Das Vergehen selbst fiel ebenso ins Gewicht, und es gab Vergehen, die zu schwer wogen, als daß man sie vergeben konnte.

Die Entschuldigung hatte ohnehin nicht Kahlan gegolten, sondern Richard. Wie ein Kind, das man ausgeschimpft hatte, legte Nadine jetzt ihr bestes Betragen an den Tag und versuchte ihn damit zu beeindrucken, wie artig sie sein konnte.

Obwohl sie ihn verletzt hatte, fand ein Teil von ihm es tröstlich, Nadine um sich zu haben. Sie erinnerte ihn an sein Zuhause, an seine glückliche Kindheit. Sie war ein vertrautes Gesicht aus einer sorgenfreien Zeit. Andererseits war er über den tatsächlichen Grund ihres Kommens besorgt. Wie immer sie darüber dachte, sie hatte diesen Entschluß nicht selbst gefaßt. Jemand oder etwas hatte ihrem Tun Vorschub geleistet. Und doch – trotzdem hätte er ihr am liebsten bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren gezogen.

Nachdem sie Bert verlassen hatten, führte sie Yonick eine gepflasterte Gasse hinunter zu einem Innenhof hinter der Wohnung von Darby Andersons Familie. In dem kleinen Hof, dessen matschiger Boden mit Holzspänen durchmengt war, standen Stapel unbehauenen Holzes, das von Persennings geschützt wurde, alte, rostige Zwei-Mann-Zugsägen, zwei Holzwerkbänke sowie aufgeworfene, gesplitterte oder verzogene Bretter, die seitlich an den Gebäuden lehnten.

Darby erkannte Richard und Kahlan vom Ja'La-Spiel wieder. Er war erstaunt, daß sie ihn zu Hause besuchten. Daß sie gekommen waren, um sich ein Ja'La-Spiel anzusehen, war ein Grund, sehr stolz zu sein, aber daß sie hier bei ihm erschienen, überstieg sein Fassungsvermögen. Hektisch bürstete er sich das Sägemehl aus dem kurzen braunen Haar und von seiner schmutzigen Arbeitskleidung.

Yonick hatte Richard erzählt, die gesamte Familie Anderson – Darby, seine zwei Schwestern, seine Eltern, die Eltern seines Vaters und eine Tante – lebe über ihrer kleinen Werkstatt. Clive Anderson, Darbys Vater, und Erling, sein Großvater, stellten Stühle her. Die beiden Männer hatten die Unruhe gehört, waren an die breite Doppeltür getreten und verbeugten sich.

»Verzeiht uns, Mutter Konfessor, Lord Rahl«, sagte Clive, nachdem Darby seinen Vater vorgestellt hatte, »aber wir wußten nicht, daß Ihr kommt, sonst hätten wir etwas vorbereitet – ich hätte meiner Frau gesagt, sie solle Tee kochen oder so. Wir sind leider nur einfache Leute.«

»Bitte macht Euch deswegen keine Gedanken, Meister Anderson«, sagte Richard. »Wir sind hier, weil wir um Euren Sohn besorgt sind.«

Erling, der Großvater, machte einen strengen Schritt auf Darby zu. »Was hat der Junge angestellt?«

»Nichts, wirklich nichts«, beruhigte ihn Richard. »Ihr habt einen wunderbaren Enkelsohn. Wir haben ihn vor ein paar Tagen Ja'La spielen sehen. Einer der anderen Jungen ist krank. Schlimmer noch, zwei weitere sind gestorben.«

Darby riß die Augen auf. »Gestorben? Wer denn?«

»Kip«, sagte Yonick mit erstickender Stimme.

»Und Sidney«, setzte Richard hinzu. »Bert ist ebenfalls sehr krank.«

Darby war schockiert. Sein Großvater legte dem Jungen tröstend die Hand auf die Schulter.

»Mein Bruder Drefan« – Richard deutete auf ihn – »ist Heiler. Wir sehen uns sämtliche Jungen aus der Ja'La-Mannschaft an. Ob Drefan helfen kann, wissen wir nicht, aber er möchte es gerne versuchen.«

»Mir geht es gut«, stellte Darby mit bebender Stimme fest.

Erling, ein unrasierter, knochiger Mann, hatte so schiefe Zähne, daß Richard sich fragte, wie er es schaffte, sein Essen zu kauen. Er sah Kahlans weißes Kleid und Richards goldenes Cape, das sich im schneidenden Wind aufblähte, und zeigte auf die Werkstatt.

»Bitte, wollt Ihr nicht eintreten? Heute geht ein kalter Wind. Drinnen ist es wärmer und geschützter. Wie es aussieht, werden wir heute abend etwas Schnee bekommen.«

Ulic und Egan bezogen beim hinteren Tor Posten. In der Gasse wimmelte es von Soldaten. Richard, Kahlan, Nadine und Drefan gingen in die Werkstatt. Cara und Raina folgten ihnen wie ein Schatten, blieben jedoch in der Nähe der Tür.

An Pflöcken in den staubigen Wänden hingen alte Stühle und Schablonen. In sämtlichen Ecken hatten Spinnweben, auf denen sich im Wald der Tau gesammelt hätte, gewaltige Mengen Sägemehl eingefangen. Auf der Werkbank lagen Stuhlteile, die verleimt wurden, eine feine Säge, eine Reihe kleiner Fein- und Rundhobel sowie eine Anzahl von Stemmeisen. Mehrere Rauh- und Tischlerhobel hingen neben Hämmern und anderen Werkzeugen an der Wand hinter der Werkbank.

Teilweise fertiggestellte Stühle, die man bis zur Endfertigung mit gedrehten Tauen fest zusammengebunden hatte oder die in Nut- und Federzwingen trockneten, standen überall auf dem Fußboden herum. Auf einem Sägebock, an dem der Großvater gestanden hatte, als sie den Innenhof betraten, lag ein gespaltenes Eschenscheit, das er mit einem Zugmesser bearbeitet hatte.

Clive, ein breitschultriger junger Mann, schien gewillt, seinem Vater das Reden zu überlassen.

»Was fehlt diesen Kindern?« fragte Erling. Drefan räusperte sich und überließ die Antwort Richard.

Richard war so müde, daß er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Fast kam es ihm vor, als schlafe er und dies sei nur ein böser Traum.

»Sie haben die Pest. Zu meiner Erleichterung sehe ich, daß Darby gesund ist.«

Erling fiel das faltige Kinn herunter. »Die Guten Seelen mögen uns das ersparen!«

Clive erbleichte. »Meine Töchter sind krank.«

Plötzlich machte er kehrt und rannte zur Treppe, blieb dann aber unvermittelt stehen. »Bitte, Meister Drefan, werdet Ihr Euch um sie kümmern?«

»Selbstverständlich. Zeigt uns den Weg.«

Oben waren Darbys Mutter, seine Großmutter und die Tante damit beschäftigt gewesen, Fleischpasteten zuzubereiten. In einem Kessel, den man in die Feuerstelle gehängt hatte, kochten Pastinaken, und vom Wasserdampf waren die Fenster beschlagen.

Die drei Frauen warteten, durch Clives Rufe alarmiert, mit aufgerissenen Augen oben mitten im Gemeinschaftszimmer. Der Anblick der Fremden erschreckte sie, sie verbeugten sich jedoch sofort, als sie Kahlans weißes Kleid erblickten. Im Kleid der Mutter Konfessor mußte Kahlan niemandem in Aydindril vorgestellt werden und, was das anbetraf, auch niemandem in den gesamten Midlands.

»Hattie, dieser Mann hier, Meister Drefan, ist ein Heiler, und er ist gekommen, um sich die Mädchen anzusehen.«

Hattie, das kurze, sandfarbene Haar mit einem Kopftuch nach hinten gebunden, wischte sich die Hände an der Schürze ab. Ihr Blick huschte zwischen all den Menschen hin und her, die in ihrem Heim standen. »Danke, hier entlang, bitte.«

»Wie geht es ihnen?« fragte Drefan Hattie auf dem Weg nach hinten ins Schlafzimmer.

»Beth klagt seit gestern über Kopfschmerzen«, antwortete Hattie. »Davor war ihr sehr übel. Die üblichen Kinderkrankheiten, weiter nichts.« Für Richard klang dies eher wie ein flehentliches Bitten. »Ich habe ihr etwas schwarzen Andorn zur Beruhigung gegeben.«

»Das ist gut«, versicherte ihr Nadine. »Ein Aufguß aus Flohkraut könnte auch helfen. Ich habe etwas dabei. Ich lasse es hier, für den Fall, daß sie es braucht.«

»Danke für Eure Freundlichkeit«, sagte Hattie, deren Besorgnis mit jedem Schritt wuchs.

»Was ist mit dem anderen Mädchen?« erkundigte sich Drefan.

Hattie hatte die Tür fast erreicht. »Lily ist nicht so krank, fühlt sich aber nicht recht wohl. Vermutlich stört es sie nur, daß ihre Schwester die ganze Aufmerksamkeit und Tee mit Honig bekommt. Kinder sind so. Sie hat ein paar kleine, runde Entzündungen an den Beinen.«

Drefan zögerte kurz.

Beth hatte Fieber, aber nicht übermäßig. Sie hatte einen rasselnden Husten und beklagte sich, ihr Kopf tue weh. Drefan überging sie fast ganz. Er betrachtete Lily auf die analytische Art, die ihm eigen war, wie sie in die Decken gewickelt dasaß und sich ernst mit ihrer Lumpenpuppe unterhielt.

Die Großmutter nestelte nervös an ihrem Kragen herum und verfolgte von der Tür aus, wie Hattie sich umständlich an der Bettdecke zu schaffen machte. Die Tante wischte Lilys Stirn mit einem feuchten Lappen ab, während Nadine ein paar tröstliche Worte zu dem Mädchen sagte. Nadine hatte wirklich eine beruhigende, freundliche Art an sich. Sie wählte Kräuter aus den Ledersäckchen in ihrem Beutel aus und wickelte sie zu mehreren Stoffpäckchen zusammen, während sie der aufmerksam zusehenden Mutter Anweisungen für die Zubereitung gab.

Richard und Kahlan gingen zusammen mit Drefan zu dem jüngeren Mädchen hinüber. Kahlan hockte sich hin, sprach mit ihr und erzählte ihr, was für eine hübsche Puppe sie habe, damit sie sich nicht vor Richard und Drefan ängstigte. Lily warf besorgte Blicke in ihre Richtung, während sie mit Kahlan schwatzte. Kahlan schlang einen Arm um Richard, um Lily zu zeigen, daß man sich vor ihm nicht fürchten müsse. Richard zwang sich zu lächeln.

»Lily«, sagte Drefan mit gezwungener Fröhlichkeit, »würdest du mir die wunden Stellen an deiner Puppe zeigen?«

»Sie hat hier ein Aua, da eins und da.« Sie schaute aus ihren großen, runden Augen hoch zu Drefan.

»Und tun sie ihr weh?«

Lily nickte. »Sie macht ›Au‹, wenn ich sie anfasse.«

»Wirklich? Nun, das ist wirklich schlimm. Aber es geht ihr bestimmt bald wieder besser.« Er ging in die Hocke, damit er nicht so hoch über ihr aufragte, legte Kahlan einen Arm um die Hüfte und zog sie zu sich herunter. »Das ist meine Freundin Kahlan, Lily Ihre Augen sind nicht sehr gut. Sie kann die wunden Stellen auf den Beinen deiner Puppe nicht sehen. Würdest du Kahlan die auf deinen Beinen zeigen?«

Nadine sprach noch immer mit der Mutter über das andere Mädchen. Lily sah kurz zu ihr hinüber.

Kahlan strich Lily das Haar zurück und sagte ihr, was für eine hübsche Puppe sie habe. Lily strahlte. Kahlans langes Haar faszinierte sie. Kahlan erlaubte ihr, es anzufassen.

»Kannst du mir die wehen Stellen auf deinen Beinen zeigen?« fragte Kahlan.

Lily zog ihr weißes Nachthemd hoch. »Hier, genau wie bei meiner Puppe.«

Auf der Innenseite beider Oberschenkel hatte sie mehrere dunkle Flecken in der Größe von Pennymünzen. Als Drefan sie vorsichtig berührte, sah Richard, daß sie hart wie Schwielen waren. Kahlan zog Lilys Nachthemd wieder herunter, strich es glatt und legte ihr die Decke über den Schoß, während Drefan ihr die Wange tätschelte und ihr erzählte, was für ein tapferes Mädchen sie sei und daß die ›Auas‹ ihrer Puppe am Morgen besser sein würden.

»Da bin ich aber froh«, freute sich Lily. »Sie mag es nämlich nicht, krank zu sein.«

Erling hobelte zerstreut an einem Stuhl herum, der auf der Werkbank stand. Richard sah, daß er nicht recht darauf achtete, was er tat, und ihn verdarb. Der Mann blickte nicht auf, als sie die Treppe runterkamen. Auf Richards Drängen war Clive oben bei seiner Frau und seinen Töchtern geblieben.

»Haben sie sich angesteckt?« fragte Erling mit heiserer Stimme.

Drefan legte dem alten Mann ermutigend die Hand auf die Schulter. »Ich fürchte, ja.«

Erling machte zitternd eine ungelenke Bewegung mit dem Hobel.

»Als ich jung war, habe ich in Sparlville gelebt. Eines Sommers kam die Pest. Sie raffte eine große Zahl von Menschen dahin. Ich hatte gehofft, das nicht noch einmal zu erleben.«

»Verstehe«, sagte Drefan mit gedämpfter Stimme. »Ich habe auch mit angesehen, wie sie ganze Dörfer hingerafft hat.«

»Es sind meine einzigen Enkeltöchter. Was können wir tun, um ihnen zu helfen?«

»Ihr könnt versuchen, das Haus auszuräuchern«, schlug Drefan vor.

Erling brummte: »Haben wir in Sparlville gemacht. Wir haben auch Heilmittel und Mittel zur Vorbeugung gekauft, aber die Menschen sind trotzdem gestorben.«

»Ich weiß«, sagte Drefan. »Ich wünschte, ich könnte etwas tun, leider habe ich noch nie von einem wirklich wirksamen Heilmittel gehört. Sollte Euch etwas einfallen, was damals in Eurer Jugend geholfen hat, dann probiert es aus. Ich kenne längst nicht alle Heilmethoden. Schlimmstenfalls wird es keinen Schaden anrichten, und günstigstenfalls hilft es vielleicht.«

Erling legte den Hobel beiseite. »Manche Leute haben Feuer angezündet, um die Krankheit aus ihrem Blut zu treiben. Andere meinten, es läge daran, daß ihr Blut wegen der Sommerhitze und des Fiebers bereits zu heiß sei, und versuchten, ihre Lieben anzufächeln, um ihr Blut zu kühlen. Was würdet Ihr empfehlen?«

Drefan schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich weiß es einfach nicht. Ich habe gehört, daß Menschen sowohl durch beide Methoden geheilt wurden als auch in beiden Fällen trotzdem gestorben sind. Manche Dinge liegen nicht in unserer Hand. Niemand kann sich dem Zugriff des Hüters entziehen, wenn er kommt.«

Erling rieb sich das zerfurchte Kinn. »Ich bete zu den Guten Seelen, daß sie die Mädchen verschonen.« Seine Stimme versagte. »Sie sind zu gut, zu unschuldig, als daß der Hüter schon die Hand nach ihnen ausstrecken dürfte. Sie haben unzählige Freuden über dieses Haus und diese Familie gebracht.«

Drefan legte Erling die Hand abermals auf die Schulter. »Es tut mir leid, Meister Anderson, aber Lily hat die Male.«

Der Tischler rang um Atem und versuchte sich an der Werkbank festzuhalten. Drefan war darauf vorbereitet gewesen und fing ihn auf, damit er nicht hinfiel, als seine Knie nachgaben. Er half ihm, sich auf den Sägebock zu setzen.

Während Erling seine Tränen hinter beiden Händen verbarg, wendete Kahlan das Gesicht ab und vergrub es an Richards Schulter. Richard war wie benommen.

»Großvater«, rief Darby von der Treppe, »Was ist?«

Erling richtete sich auf. »Nichts, mein Junge. Ich sorge mich nur um deine Schwestern, das ist alles. Alte Männer werden komisch, weiter nichts.«

Darby kam erleichtert die übrigen Stufen herunter. »Das mit Kip tut mir wirklich leid, Yonick. Wenn dein Vater etwas braucht, läßt mich meiner bestimmt von der Arbeit fort, damit ich helfen kann.«

Yonick nickte. Er wirkte ebenfalls benommen.

Richard ging vor den Jungs in die Hocke. »Ist einem von euch beim Ja'La-Spiel etwas Merkwürdiges aufgefallen?«

»Etwas Merkwürdiges?« fragte Darby. »Was denn zum Beispiel?«

Richard fuhr sich mit dem Fingerkamm durchs Haar. »Ich weiß es nicht. Habt ihr mit irgendwelchen Fremden gesprochen?«

»Klar«, meinte Darby. »Es waren Unmengen von Leuten da, die wir nicht kannten. Soldaten haben sich das Spiel angesehen. Viele Leute, die ich nicht kannte, kamen, um uns nach unserem Sieg zu gratulieren.«

»Ist euch irgend jemand besonders im Gedächtnis geblieben? War irgendwas an ihnen seltsam?«

»Ich hab' gesehen, wie Kip nach dem Spiel mit einem Mann und einer Frau sprach«, sagte Yonick. »Es sah aus, als wollten sie ihm gratulieren. Sie beugten sich beim Sprechen über ihn und zeigten ihm etwas.«

»Sie zeigten ihm etwas? Was denn?«

»Tut mir leid«, sagte Yonick. »Aber das konnte ich nicht erkennen. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mich von den Soldaten beglückwünschen zu lassen.«

Richard wollte dem Jungen mit seinen Fragen keine Angst einjagen, trotzdem mußte er auf Antworten drängen. »Wie sahen der Mann und die Frau aus?«

»Ich weiß nicht«, sagte Yonick. Die Tränen traten ihm in die Augen, als er sich an seinen Bruder erinnerte. »Der Mann war hager und jung. Die Frau war auch jung, aber älter als er. Ich glaube, sie war ziemlich hübsch. Sie hatte braunes Haar.« Er zeigte auf Nadine. »So wie ihres, nur nicht so dicht und nicht so lang.«

Richard sah zu Kahlan hoch. Der niedergeschlagene Ausdruck auf ihrem Gesicht verriet ihm, daß sie dasselbe befürchtete wie er.

»Ich erinnere mich an sie«, sagte Darby. »Meine Schwestern haben auch mit diesem Mann und der Frau gesprochen.«

»Aber von euch beiden keiner?«

»Nein«, sagte Darby Yonick schüttelte den Kopf. »Wir waren so aufgeregt und sind überall herumgesprungen, weil wir das Spiel vor den Augen von Lord Rahl gewonnen hatten. Viele Soldaten gratulierten uns, und auch eine Menge anderer Leute. Ich habe mit den beiden nicht gesprochen.«

Richard ergriff Kahlans Hand. »Kahlan und ich müssen Beth und Lily etwas fragen«, sagte er zu Drefan. »Wir sind gleich zurück.«

Eng aneinandergeschmiegt und Trost in der Berührung des anderen suchend, stiegen sie die Stufen hoch. Richard hatte Angst vor dem, was ihm die beiden Mädchen erzählen würden.

»Frag du sie«, flüsterte Richard ihr zu. »Vor mir fürchten sie sich. Es fällt ihnen bestimmt leichter, mit dir zu sprechen.«

»Glaubst du, es ist möglich, daß es die beiden waren?«

Richard brauchte nicht zu fragen, wen sie meinte. »Ich weiß es nicht. Aber du hast mir erzählt, Jagang habe behauptet, er habe sich das Ja'La-Spiel angesehen – mit Marlins Augen. Schwester Amelia hat Marlin begleitet. Sie hatten hier in Aydindril irgend etwas vor.«

Richard beruhigte die Frauen, daß sie den Mädchen nur kurz eine Frage stellen müßten. Die Frauen beschäftigten sich weiter mit ihrer Arbeit, während er und Kahlan noch einmal ins Schlafzimmer gingen. Richard bezweifelte, daß sie auf ihre Fleischpasteten mehr acht gaben als Erling auf den Stuhl, den er verdorben hatte.

»Lily«, fragte Kahlan mit sanfter Stimme lächelnd zuerst das jüngere Mädchen, »weißt du noch, wie du deinem Bruder beim Ja'La-Spielen zugesehen hast?«

Lily nickte. »Er hat gewonnen. Wir haben uns richtig gefreut, daß er gewonnen hat. Vater hat gesagt, Darby hat einen Punkt erzielt.«

»Ja, wir haben ihn auch spielen sehen und haben uns für ihn gefreut. Erinnerst du dich noch an die beiden Leute, mit denen du gesprochen hast? Einen Mann und eine Frau?«

Sie runzelte die Stirn. »Als Mutter und Vater gejubelt haben? Diesen Mann und die Frau?«

»Ja. Weißt du noch, was sie zu dir gesagt haben?«

»Beth hat meine Hand gehalten. Sie wollten wissen, ob das mein Bruder war, den wir angefeuert haben.«

»Das stimmt«, rief Beth vom anderen Bett aus. Ihre Stimme versagte, als sie von einem Hustenanfall übermannt wurde. Nachdem sie sich erholt hatte und wieder Luft bekam, fuhr sie fort. »Sie meinten, Darby hätte richtig gut gespielt. Sie haben uns dieses hübsche Dings gezeigt, das sie dabeihatten.«

Richard starrte sie an. »Ein hübsches Dings?«

»Das glänzende Ding in dem Kästchen«, erklärte Lily.

»Das stimmt«, sagte Beth. »Sie haben es mir und Lily gezeigt.«

»Was war es denn?«

Beth dachte trotz Kopfschmerzen angestrengt nach. »Es war … es war … Ich weiß nicht genau. Es lag in einem Kästchen, das so schwarz war, daß man die Seiten nicht sehen konnte. Das Dings drinnen war richtig hübsch.«

Lily bestätigte das mit einem Nicken. »Meine Puppe hat es auch gesehen. Sie fand es auch richtig hübsch.«

»Habt ihr eine Ahnung, was es war?«

Beide schüttelten den Kopf.

»Es lag in einem Kästchen, das so schwarz war wie Mitternacht. Wenn man es ansieht, ist es so, als blicke man in ein schwarzes Loch«, wiederholte Richard.

Die beiden nickten.

»Klingt wie der Stein der Nacht«, flüsterte Kahlan ihm zu.

Richard kannte diese Schwärze gut. Nicht nur der Stein der Nacht war so, sondern auch die äußere Hülle der Kästchen der Ordnung.

Die Farbe war so düster, daß sie das Licht aus einem Raum zu saugen schien.

Seiner Erfahrung nach, bedeutete dieses Fehlen allen Lichts nichts Gutes. Der Stein der Nacht konnte Wesen aus der Unterwelt hervorholen, und die Kästchen der Ordnung enthielten eine Magie, die, in böser Absicht verwendet, die Welt des Lebendigen vernichten konnte. Mit den Kästchen konnte man ein Tor zur Unterwelt öffnen.

»Und drinnen lag etwas Leuchtendes«, fuhr Richard fort. »War es, als blicke man in eine Kerze oder die Flamme einer Lampe? War es so ein Leuchten?«

»Es war bunt«, sagte Lily. »Ich hab' hübsche Farben gesehen.«

»Wie buntes Licht«, sagte Beth. »Das Dings lag auf weißem Sand.«

Auf weißem Sand. Richards Nackenhaare sträubten sich. »Wie groß war das Kästchen?«

Beth hielt ihre Hände einen Fuß weit auseinander. »An der Seite ungefähr so lang. Aber es war nicht sehr dick. Ungefähr so wie ein Buch. Ja, wie ein aufgeschlagenes Buch. Daran hat das Kästchen mich erinnert – an ein Buch.«

»Und drinnen, in den Sand, waren da Linien hineingezeichnet? So ähnlich, wie man mit einem Stock Linien in die Erde kratzt?«

Beth nickte, während sie rasselnd hustete. Als der Anfall endlich nachließ, keuchte sie und bekam wieder Luft.

»Das stimmt. Da waren saubere Linien, in einem Muster. Genau so hat es ausgesehen. Es war ein Kästchen oder vielleicht ein großes Buch, und als sie es aufgemacht haben, um uns die hübschen Farben zu zeigen, war da weißer Sand drin, in den man sorgfältig Linien gezeichnet hatte. Dann haben wir die hübschen Farben gesehen.«

»Das heißt, auf dem Sand lag etwas? Dieses Ding, das das bunte Licht erzeugte, lag auf dem Sand?«

Beth kniff verwirrt die Augen zusammen und versuchte sich zu erinnern. »Nein … eher kam das Licht aus dem Sand.« Sie ließ sich auf ihr Bett zurückfallen und wälzte sich, sichtlich von ihrer Krankheit gepeinigt, auf die Seite.

Von der Pest gepeinigt. Vom schwarzen Tod.

Aus einem schwarzen Kästchen.

Richard war unfähig, sich bei Lily zu bedanken. Er wagte nicht, sich auf seine Stimme zu verlassen.

Lily legte sich wieder hin. Ihre winzige Stirn zog sich in Falten. »Ich bin müde.« Sie schürzte die Lippen, den Tränen nahe. »Mir geht's nicht gut.«

Sie zog die Beine an und steckte sich den Daumen in den Mund.

Kahlan steckte die Decke rings um Lily fest und versprach ihr eine Überraschung, sobald sie wieder gesund war. Ihr liebevolles Lächeln lockte ein kleines Schmunzeln auf Lilys Lippen. Fast hätte Richard ebenfalls gelächelt. Fast.

Draußen vor dem Haus der Andersons nahm Richard Drefan in der Gasse beiseite. Kahlan sagte den anderen, sie sollen warten, dann stellte sie sich zu den beiden.

»Was sind Male?« wollte Richard wissen. »Du meintest zu dem Großvater, die Jüngste habe die Male.«

»Diese Flecken auf ihren Armen und Beinen werden Male genannt.«

»Und wieso hat den Mann vor Angst beinahe der Schlag getroffen, als er dich sagen hörte, daß das Mädchen sie habe?«

Drefan wendete seine blauen Augen ab. »Die Menschen sterben auf unterschiedliche Weise an der Pest. Den Grund dafür kenne ich nicht, man könnte sich höchstens vorstellen, daß es etwas mit ihrem Zustand zu tun hat. Kraft und Verletzbarkeit der Aura sind bei jedem anders.

Ich habe die unterschiedlichen Todesarten, die die Pest verursacht, nicht alle mit eigenen Augen gesehen, da sie zum Glück nur selten auftritt. Einen Teil meiner Kenntnisse habe ich aus den Aufzeichnungen, die die Raug'Moss aufbewahren. Die Pestepidemien, die ich gesehen habe, fanden stets an kleinen, entlegenen Orten statt. In der Vergangenheit, vor vielen hundert Jahren, gab es ein paar große Epidemien in großen Städten, und die Aufzeichnungen darüber habe ich gelesen.

Bei manchen Menschen bricht sie ganz plötzlich aus – sehr hohes Fieber, unerträgliche Kopfschmerzen, Erbrechen, brennende Schmerzen im Rücken. Diese Opfer sind fast von Sinnen, so heftig sind die Schmerzen über Tage oder Wochen, bis sie schließlich sterben. Manche erholen sich wieder. Beth ist so ein Fall. Ihr Zustand wird sich noch stark verschlimmern. Ich habe schon gesehen, daß Kranke wie sie alles überstanden haben. Sie hat eine kleine Chance.

Mitunter, wenn der Schwarze Tod sie übermannt und ihnen den Körper zersetzt, sehen die Opfer aus wie der erste Junge. Andere werden von entsetzlichen, schmerzhaften Schwellungen am Hals, in den Achselhöhlen oder der Leistengegend gepeinigt. Sie leiden jämmerlich, bis sie schließlich sterben. So ein Fall ist Bert. Wenn das Leiden in die entscheidende Phase und zum Ausbruch gebracht werden kann, erholen sich diese Menschen manchmal.«

»Und was ist mit Lily?« fragte Kahlan. »Was ist mit diesen Malen, wie Ihr sie genannt habt?«

»Ich habe sie noch nie zuvor gesehen, jedenfalls nicht mit eigenen Augen, aber ich habe in unseren Aufzeichnungen über sie gelesen. Die Male erscheinen auf den Beinen und manchmal auf der Brust. Menschen, die die Male aufweisen, wissen oft bis zum Ende gar nicht, daß sie erkrankt sind. Irgendwann stellen sie zu ihrem Entsetzen fest, daß sie die Male aufweisen, und kurz darauf sind sie tot.

Sie sterben unter wenig oder gar keinen Schmerzen. Aber sterben tun sie alle. Keiner, der die Male aufweist, überlebt. Der alte Mann muß sie schon einmal gesehen haben, denn er weiß das.

Bei den Pestepidemien, deren Zeuge ich wurde, traten diese Male nicht auf. In den Berichten heißt es, die schlimmsten Epidemien, bei denen der Tod sich am weitesten ausbreitete, seien durch die Male gekennzeichnet gewesen. Manche Menschen hielten sie für sichtbare Zeichen der tödlichen Berührung durch den Hüter.«

»Aber Lily ist noch ein kleines Mädchen«, protestierte Kahlan, als könnten Widerworte etwas ändern. »Sie wirkte gar nicht so krank. Wäre es nicht möglich, daß sie…«

»Lily fühlt sich nicht wohl. Die Male an ihren Beinen sind voll ausgeprägt. Ihr Tod wird noch vor Mitternacht eintreten.«

»Heute abend?« fragte Richard bestürzt.

»Ja. Allerspätestens. Eher innerhalb der nächsten Stunden. Vielleicht sogar…«

Aus dem Haus drang der langgezogene, schrille Schrei einer Frau. Das Entsetzen darin jagte Richard einen Schauer über den Rücken. Die Soldaten, die sich hinten, am anderen Ende der Gasse, mit gesenkter Stimme unterhalten hatten, verstummten. Das einzige Geräusch war ein Hund, der in der nächsten Straße bellte.

Aus dem Haus war der gequälte Schrei eines Mannes zu hören.

Drefan schloß die Augen. »Ich wollte es gerade sagen, vielleicht sogar schon eher.«

Kahlan vergrub ihr Gesicht an Richards Schulter. Sie krallte sich in sein Hemd. Richards Kopf wirbelte herum.

»Das sind Kinder«, weinte sie. »Dieser Bastard tötet Kinder!«

Drefans Brauen zogen sich zusammen. »Wovon redet sie?«

»Drefan« – Richard nahm Kahlan fester in die Arme, als sie zu zittern begann – »ich glaube, diese Kinder sterben, weil ein Zauberer und eine Magierin vor ein paar Tagen das Ja'La-Spiel besucht und diese Epidemie mit Magie ausgelöst haben.«

»Ausgeschlossen. Es dauert länger, bis die Menschen erkranken.«

»Der Zauberer war derselbe, der Cara bei deiner Ankunft verletzt hat. Er hat eine Prophezeiung auf der Wand der Grube zurückgelassen. Sie beginnt mit den Worten: ›Mit dem roten Mond kommt der Feuersturm‹.«

Drefan runzelte die Stirn und betrachtete ihn unschlüssig. »Wie kann Magie eine Epidemie auslösen?«

»Das weiß ich nicht«, sagte Richard leise.

Er ertrug es nicht, den nächsten Teil der Prophezeiung laut auszusprechen. Der, der der Klinge verbunden ist, wird mit ansehen, wie sein Volk stirbt. Wenn er nichts unternimmt, werden er und alle, die er liebt, in dieser Glut sterben, denn keine Klinge, sei sie aus Stahl oder aus Magie erschaffen, kann seinen Gegner berühren.

Kahlan lag zitternd in seinen Armen, und er wußte, sie litt Todesqualen wegen des letzten Teils der Prophezeiung.

Um dieses Inferno zu löschen, muß er das Heilmittel im Wind suchen. Lichtblitze wird man auf diesem Pfad sehen können, denn die Frau in Weiß, seine wahre Liebe, wird ihn in ihrem Blut verraten.

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