Aus dem Schatten heraus sah er zu, wie der Mann mittleren Alters die Tür schloß und einen Augenblick in der Diele stehenblieb, um sein Hemd über den Kugelbauch zu ziehen und in die Hose zu stopfen. Der Mann lachte gutgelaunt in sich hinein, dann entfernte er sich schweren Schritts durch die Diele, stieg die Treppe hinunter und verschwand aus dem Blickfeld.
Es war spät. Erst in einigen Stunden würde die Sonne aufgehen. Wegen der rotgestrichenen Wände spendeten die Kerzen, die man vor versilberten Reflektoren zu beiden Seiten der schmalen Diele angebracht hatte, reichlich wenig brauchbares Licht. So mochte er es – wenn der tröstliche Deckmantel der Schatten in tiefster Nacht dem schändlichen Verlangen seine Stimmung verlieh.
Ausschweifungen gab man sich am besten nachts hin. Und im Dunkeln.
Er blieb eine Weile in der Stille der Diele stehen und kostete sein Verlangen aus. Er ließ seiner Lust freien Lauf und spürte, wie deren wollüstiger Schmerz ihn ganz erfüllte.
Er schloß den Mund und atmete durch die Nase, um all die Gerüche besser aufnehmen zu können, die ebenso übersinnlich wie beharrlich waren. Er zog die Schultern nach hinten und benutzte die Bauchmuskeln, um langsamer und tiefer einzuatmen.
Eine Vielzahl unterschiedlicher Düfte konnte er unterscheiden, angefangen bei den Gerüchen, die Männer mit hereinbrachten und wieder mit hinaus in ihren Alltag nahmen, die Gerüche ihrer Arbeit – nach Pferd, Ton, Getreidestaub, nach dem Wollfett, das die Soldaten zur Pflege ihrer Uniformen verwendeten, und dem Öl, das sie zum Schärfen ihrer Waffen benutzten, bis hin zu den zarten Spuren von Mandelöl und dem schalen Staub und dem feuchten Holz des Gebäudes.
Es war ein Fest auf ihn einströmender Sinnlichkeit, das eben erst begann.
Noch einmal blickte er kurz und prüfend die Diele entlang. Aus keinem der anderen Zimmer hörte er Geräusche der Lust. Es war spät, selbst für ein Etablissement wie dieses. Der fette, dickbäuchige Mann war wahrscheinlich der letzte gewesen, abgesehen von ihm selbst.
Er war gern der letzte. Die Klarheit der vor ihm liegenden Ereignisse, die zurückgebliebenen Gerüche bedrängten ihn mit einem Ansturm von Empfindungen. In diesem Zustand der Erregung waren seine Sinne stets geschärft, und er genoß jede Einzelheit.
Für einen Moment schloß er die Augen und spürte das Beben seines Verlangens. Sie würde ihm helfen. Sie würde sein sehnliches Begehren mehr als befriedigen, und aus diesem Grunde war er hier. Sie gab sich stets bereitwillig hin.
Andere Männer, wie der dickbäuchige Kerl, warfen sich einfach auf eine Frau, stöhnten kurz im Augenblick der Befriedigung, dann war es vorbei. Sie verschwendeten niemals einen Gedanken daran, was die Frau empfand, wonach es sie verlangte, oder daran, sie zu befriedigen. Diese Männer waren brünftige Tiere, unkundig aller Künste, die zum Höhepunkt für beide beitragen konnten. Ihr eifriger Blick, ihr Wollen war zu sehr auf das Objekt ihrer Lust gerichtet, und das, was zu echter Befriedigung führte, nahmen sie nicht wahr.
Das Flüchtige, das Vergängliche war es, das eine über die Sinne hinausreichende Erfahrung erzeugte. Dank einer ungewöhnlichen Wahrnehmung und seiner einzigartigen Bewußtheit gelang es ihm, solche vergänglichen Ereignisse einzufangen, sie auf ewig in seinem Gedächtnis zu speichern und so einer dem Wesen nach flüchtigen Befriedigung Dauer zu verleihen.
Er schätzte sich glücklich, daß er solche Dinge sah und daß zumindest er den Frauen Erfüllung schenken konnte.
Schließlich holte er tief Luft und schlich dann lautlos weiter durch den Flur. Dabei vermerkte er die Art und Weise, wie die Schatten und winzigen Lichtstrahlen, die von den versilberten Kerzenreflektoren zurückgeworfen wurden, über seinen Körper glitten. Er glaubte, vorausgesetzt, er wäre achtsam, eines Tages vielleicht die Berührung des Lichtes und der Dunkelheit spüren zu können.
Ohne anzuklopfen, öffnete er die Tür, aus der der dickbäuchige Mann gekommen war, trat in ihr Zimmer ein und stellte zufrieden fest, das es fast ebenso trüb beleuchtet war wie die Diele. Er schloß die Tür mit einem Finger.
Hinter der Tür war die Frau gerade dabei, ihren Schlüpfer über ihre Beine hochzustreifen. Sie machte die Knie breit und ging ein wenig in die Hocke, dann zog sie sie fest an ihren Körper. Als sie plötzlich den Blick ihrer himmelblauen Augen hob und ihn ansah, bestand ihre einzige Reaktion darin, daß sie die beiden Hälften ihres Morgenmantels über den Rest ihres nackten Körpers schlug und den Seidengürtel mit einer knappen Bewegung zwanglos zu einem losen Knoten band.
In der Luft stand der Geruch der heißen Kohlen in der wärmenden Kohlenpfanne unter dem Bett, der saubere Wohlgeruch von Seife, der sanfte Duft von Körperpuder und das widerwärtige Odeur eines Übelkeit erregenden, süßlichen Parfüms. Ganz wie die Dunkelheit, die Schatten formt, durchdrang all dies der in der Luft stehende scharfe Geruch der Lust, den die interessante Würze von Samenflüssigkeit noch unterstrich.
Das Zimmer hatte keine Fenster. Das Bett, bezogen mit fleckigen, zerwühlten Laken, hatte man in eine hintere Ecke geschoben. Obwohl es nicht groß war, nahm es einen Großteil des Zimmers ein. An der Wand neben dem Kopfende stand eine kleine, schlicht gearbeitete Fichtentruhe, vermutlich für persönliche Dinge. An der Wand über dem Kopf des Bettes hing eine Tuschzeichnung zweier in Leidenschaft vereinter Menschen. Sie überließ nichts der Phantasie.
Neben der Frau, hinter der Tür, stand auf einem wackelig aussehenden Schränkchen ein Waschbecken. Die weiße Schüssel wies am Rand eine nierenförmige Absplitterung auf und hatte einen Sprung, der wie eine Ader aussah, die von der Niere fortlief. Die Kleider, die über dem Beckenrand hingen, tropften noch. Das milchig trübe Wasser schwappte träge von einer Seite auf die andere. Sie hatte sich gerade gewaschen.
Sie hatten alle ihre Eigenheiten. Manche machten sich nicht die Mühe, sich zu waschen, aber das waren gewöhnlich die älteren, unattraktiven Frauen, die wenig Geld bekamen und die nur wenig scherte. Ihm war aufgefallen, daß die jüngeren, hübscheren, teureren Frauen sich nach jedem Mann wuschen. Er zog jene vor, die sich wuschen, bevor er zu ihnen kam, doch am Ende war ihm seine Lust wichtiger als derart banale Dinge.
Träge dachte er darüber nach, ob die, mit denen er zusammengewesen war und die keine Berufshuren waren, jemals einen Gedanken an diese Dinge verschwendeten. Vermutlich nicht. Er bezweifelte, ob andere Menschen sich über derart abseitige Dinge den Kopf zerbrachen. Andere achteten einfach nicht auf das Zusammenspiel der Einzelheiten.
Andere Frauen, die auf der Suche nach Liebe waren, befriedigten ihn, wenn auch nicht auf die gleiche Weise. Stets wollten sie reden und umworben werden. Sie wollten. Er wollte. Am Ende war sein Wollen stärker als das, was er vorgezogen hätte, und er gab ihnen, bevor sein Verlangen befriedigt werden konnte, ein wenig von dem, was sie verlangten.
»Ich dachte, ich wär' für heute abend fertig«, sagte sie. Ihre Worte hatten einen seidig glatten Klang, mit einem angenehmen, leicht kecken Schwung, verrieten aber kein wirkliches Interesse bei der Aussicht auf einen weiteren späten Gast.
»Ich glaube, ich bin der letzte«, sagte er und versuchte zu klingen, als wolle er sich rechtfertigen, um sie nicht zu verärgern. Es war nie so befriedigend, wenn sie verärgert waren. Nichts mochte er mehr, als wenn sie geradezu versessen darauf waren, ihm alle Wünsche zu erfüllen.
Sie seufzte. »Na schön.«
Weder zeigte sie sich verängstigt darüber, daß ein Mann, obwohl sie kaum etwas anhatte, einfach, ohne anzuklopfen, in ihr Zimmer eintrat, noch verlangte sie Geld. Silas Latherton unten, mit seinem Knüppel und dem langen Messer im Gürtel, sorgte dafür, daß die Frauen nichts zu befürchten hatten. Er ließ auch niemanden die Treppe hinauf, der nicht im voraus bezahlt hatte, damit die Frauen nicht mit der Unannehmlichkeit behelligt wurden, das Geld einzufordern. Allerdings hatte dadurch er und nicht sie die Kontrolle über ihre Einkünfte und deren Verteilung.
Ihr kurzes, glattes Blondhaar war zerzaust – von Meister Dickbauch, zweifellos – er fand das Wirrwarr jedoch aufreizend. Es verriet deutlich, was sie soeben getan hatte, und verlieh ihrem Äußeren etwas Erotisches – einem Äußeren, das ihm im übrigen ausgesprochen gut gefiel.
Sie hatte einen ansehnlichen, festen Körper, lange Beine und wundervoll geformte Brüste, zumindest nach dem, was er davon gesehen hatte, bevor sie den Morgenmantel geschlossen hatte. Er würde ihre Schönheit noch einmal sehen, und er konnte warten.
Die Vorfreude steigerte seine Erregung noch. Im Gegensatz zu ihren anderen Männern hatte er es nicht eilig, die Sache hinter sich zu bringen. Hatte es erst einmal angefangen, war es nur allzu schnell vorbei. Er konnte sich nicht mehr bremsen, wenn es einmal angefangen hatte. Erst einmal wollte er all die kleinen Einzelheiten genießen, damit er sie für alle Zeiten in seinem Gedächtnis aufbewahren konnte.
Sie war mehr als nur hübsch, entschied er. Sie war ein Geschöpf, das Züge besaß, die die Phantasien der Männer mit quälenden Erinnerungen an sie aufheizte, und sie zwang, immer und immer wieder zu ihr zurückzukehren, um zu versuchen, sie, wenn auch nur für flüchtige Augenblicke, zu besitzen. Die Selbstsicherheit, die sich in ihrer Körperhaltung offenbarte, verriet ihm, daß sie dies wußte. Die Häufigkeit, mit der Männer ihr Geld ausgaben, um sie zu besitzen, war eine dauernde Bestärkung dieser Selbstsicherheit.
Bei aller Anmut und unübersehbarer Schönheit besaßen diese Züge jedoch eine gewisse Härte, eine Schroffheit, die ihren wahren Charakter Lügen strafte. Zweifellos sahen die anderen Männer nur ihr hübsches Gesicht, aber nahmen nie Notiz davon.
Er schon. Er bemerkte die kaum merklichen Dinge, und sie waren ihm schon oft aufgefallen. Bei ihr handelte es sich um eine Niederträchtigkeit in ihren hübschen Zügen, die sie vor jemandem wie ihm nicht verbergen konnte.
»Bist du neu?« fragte er, obwohl er es längst wußte.
»Mein erster Tag hier«, antwortete sie. Auch das wußte er.
»Aydindril ist groß genug, daß es hier genug Kunden für mich gibt, aber angesichts der riesigen Armee hier läuft das Geschäft noch besser. Blaue Augen sind in dieser Gegend nicht sehr häufig. Meine blauen Augen erinnern die d'Haranischen Soldaten an die Mädchen zu Hause. So viele zusätzliche Männer, das bedeutet, daß Frauen wie ich sehr gefragt sind.«
»Und so kannst du einen besseren Preis herausschlagen.«
Sie gestattete sich ein kleines selbstgefälliges, wissendes Grinsen. »Wenn du es dir nicht leisten könntest, wärst du nicht hier oben. Also hör auf, dich zu beschweren.«
Er hatte nur eine Feststellung treffen wollen und bedauerte die Art, wie sie seine Worte auffaßte. Ihre Stimme hatte einen barschen Unterton. Er versuchte die Wogen des Mißfallens zu glätten.
»Soldaten können manchmal derb mit einer jungen Frau umgehen, die so attraktiv ist wie du.« Ihre himmelblauen Augen zuckten nicht einmal, als sie das Kompliment vernahm. Wahrscheinlich hatte sie es so oft gehört, daß sie taub war gegen solches Lob. »Freut mich, daß du zu Silas Latherton gekommen bist«, setzte er hinzu. »Er läßt nicht zu, daß seine Gäste die jungen Damen grob anfassen. Hier unter seinem Dach bist du sicher aufgehoben. Freut mich, daß du hierher gekommen bist.«
»Danke.« Ihr Tonfall hatte nichts Warmes, aber wenigstens waren die Wogen geglättet. »Ich bin froh, daß sich sein Ruf unter seinen Kunden rumgesprochen hat. Einmal wurde ich verprügelt. Gefallen hat mir das nicht. Abgesehen von den Schmerzen, konnte ich einen ganzen Monat nicht arbeiten.«
»Das muß schrecklich gewesen sein. Die Schmerzen, meine ich.«
Sie zeigte mit dem Kopf aufs Bett. »Ziehst du deine Sachen aus, oder was?«
Er erwiderte nichts, sondern deutete auf ihren Morgenmantel. Während sie den Knoten des Seidengürtels lockerte, sah er zu.
»Wie du willst«, sagte sie und ließ den Mantel gerade so weit auseinanderklaffen, daß er verführt werden würde weiterzumachen.
»Ich möchte … ich möchte, daß du auch deinen Spaß dabei hast.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Schätzchen, mach dir wegen mir keine Sorgen. Mir wird es schon Spaß machen. Du bringst mich sicher richtig auf Touren. Aber du bist es, der dafür bezahlt. Kümmern wir uns also erst einmal um dein Vergnügen.«
Der leicht sarkastische Unterton in ihrer Stimme gefiel ihm. Sie verbarg ihn geschickt hinter ihrer gehauchten Art zu sprechen, ihm jedoch war er nicht entgangen.
Mit Bedacht, langsam, legte er, eine nach der anderen, vier Goldmünzen auf den Waschtisch neben ihr. Das war das Zehnfache dessen, was Silas Latherton unten für die Gesellschaft seiner Frauen verlangte, und wahrscheinlich dreißig Mal soviel, wie er ihr für jeden Mann bezahlte. Während er seine Hand zurückzog, betrachtete sie die Münzen, so als zählte sie sie ganz für sich, um sich zu vergewissern, ob sie auch wirklich sah, was sie zu sehen glaubte. Es war eine Menge Geld.
Sie blickte ihn fragend an.
Ihm gefiel das verwirrte Zucken in ihren Augen. Frauen wie sie ließen sich nicht oft durch Geld verwirren, aber sie war jung, und wahrscheinlich war noch kein Mann so großzügig zu ihr gewesen. Daß sie das beeindruckte, gefiel ihm.
»Du sollst deinen Spaß haben. Ich bin bereit, dafür zu zahlen, daß ich zusehen kann, wie du deinen Spaß hast.«
»Schätzchen, für soviel Geld wirst du dich an meine Schreie erinnern, bis du ein alter Mann geworden bist.«
Dessen war er sicher.
Sie setzte ihr bestes Lächeln auf und ließ den Mantel von den Schultern gleiten. Indem sie ihn fest aus ihren großen, himmelblauen Augen ansah, hängte sie den Morgenmantel an einen Holzhaken an der Rückseite der Tür.
Sie strich ihm über die Brust, dann schlang sie ihm die Arme um die Hüften. Sachte, aber zielstrebig preßte sie ihre festen Brüste an ihn.
»So, und was möchtest du, Schätzchen? Ein paar hübsche Kratzspuren auf deinem Rücken, um deine junge Frau eifersüchtig zu machen?«
»Nein«, sagte er. »Nein, ich will nur zusehen, wie du deinen Spaß hast. Du hast so ein hübsches Gesicht und einen so schönen Körper. Ich glaube, wenn man dich gut genug bezahlt, dann gefällt dir deine Rolle, das ist alles. Ich will sehen, wie du dich amüsierst.«
Sie schielte zu den Münzen hinüber, dann schaute sie lächelnd zu ihm hoch. »Oh, das werde ich, Schätzchen. Versprochen. Ich bin eine sehr talentierte Hure.«
»Das hatte ich gehofft.«
»Ich werde dich mit meinen Reizen so betören, daß du immer wieder in mein Bett willst.«
»Du scheinst meine Gedanken zu lesen.«
»Ich heiße Rose«, hauchte sie ihn an.
»Ein Name, so schön wie du selbst.« Und genauso einfallslos.
»Und du? Wie soll ich dich nennen, wenn du regelmäßig zu mir kommst, wonach ich mich schon jetzt sehne?«
»Mir gefällt der Name, den du mir bereits gegeben hast. Mir gefällt es, wie er sich von deinen Lippen anhört.«
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Freut mich, dich kennenzulernen, Schätzchen.«
Er schob einen Finger unter den Saum ihres Höschens.
»Kann ich das haben?«
Sie strich ihm mit der Hand nach unten über den Bauch und gab, als sie ihn berührte, ein Stöhnen zum besten.
»Ich habe einen langen Tag hinter mir. Es ist nicht gerade … sauber. Ich habe ein paar saubere in meiner Truhe. Für das, was du bezahlt hast, kannst du so viele davon haben, wie du willst. Du kannst sie alle haben, Schätzchen, wenn du willst.«
»Das hier genügt mir voll und ganz. Ich brauche nur dieses.«
Sie schaute geziert lächelnd zu ihm hoch. »Verstehe. Das gefällt dir also, ja?«
Er antwortete nicht.
»Warum ziehst du es mir nicht aus?« neckte sie ihn. »Hol dir deine Beute.«
»Ich will zusehen, wie du es tust.«
Ohne zu zögern, ließ sie das Höschen so effektvoll, wie sie konnte, über ihre Beine nach unten gleiten. Dann drückte sie sich wieder an ihn und streichelte ihm, wobei sie den Blick nicht von seinen Augen ließ, damit über die Wangen. Sie setzte ein verruchtes Lächeln auf und legte es ihm in die Hand.
»Da hast du es. Nur für dich, mein Schätzchen. Genau wie du es magst – mit dem Duft von Rose.«
Er betastete es mit seinen Fingern, spürte die Wärme, die noch darin steckte. Sie reckte sich, um ihn zu küssen. Hätte er es nicht besser gewußt, hätte er nicht gewußt, was sie war, er hätte glauben können, sie wollte ihn mehr als alles andere im Leben. Doch er würde sie zufriedenstellen.
»Was soll ich für dich tun?« hauchte sie. »Sag es mir, und es gehört dir – und dieses Angebot mache ich anderen Männern nicht. Aber ich bin so scharf auf dich. Egal was. Sag es mir einfach.«
Er konnte den Schweiß der anderen Männer auf ihr riechen. Er roch den beißenden Geruch ihrer Lust.
»Sehen wir doch einfach, wie es sich ergibt, was meinst du, Rose?«
»Was immer du sagst, Schätzchen.« Sie lächelte verträumt. »Was auch immer.«
Sie zwinkerte ihm zu, während sie die vier Goldmünzen vom Waschtisch raffte. Aufreizend schwankend ging sie zu der kleinen Truhe hinüber und hockte sich davor hin. Er hatte sich gefragt, ob sie in die Hocke gehen oder sich bücken würde. Zufrieden registrierte er dieses Detail, das Überbleibsel aus einer gezierten, zurückhaltenden Vergangenheit.
Als sie die Münzen unter einige ihrer Kleidungsstücke in der Truhe schob, erblicke er oben auf ihren Sachen ein kleines mit ein wenig Rot verziertes Kissen. Ein solches Detail machte ihn neugierig. Es schien hier fehl am Platz.
»Was ist das?« fragte er und wußte, daß er sich mit seinem Geld ihre Geduld erkauft hatte.
Sie hielt es hoch, so daß er es sehen konnte. Es war ein kleines Kopfkissen, ein Ziergegenstand, ein kleines Nichts. Eine rote Rose war darauf gestickt.
»Ich habe es selbst gemacht, als ich noch jünger war. Damit's schön riecht, habe ich es mit Zedernspänen gefüllt.« Sie strich mit den Fingern liebevoll über die Rose. »Meine Namensvetterin – eine Rose für Rosa. Mein Vater nannte mich so. Er war aus Nicobarese.
Rosa bedeutet Rose in seiner Sprache. Er rief mich immer kleine Rosa und sagte, ich wüchse im Garten seines Herzens.«
Dieses Detail versetzte ihn in Erstaunen. Er war begeistert, etwas derart Intimes von ihr zu erfahren. Er fühlte sich, als besäße er sie bereits. Das Vergnügen, eine solche scheinbar unbedeutende Kleinigkeit zu wissen, pulsierte durch seine Adern.
Während er zusah, wie sie das kleine Paket aus ihrer Vergangenheit in ihre Truhe zurücklegte, dachte er über ihren Vater nach und fragte sich, ob der wußte, wo sie war, oder ob er sie, die Rose, die in seinem Herzen verwelkte, vielleicht angewidert davongejagt hatte. Er stellte sich eine heftige, zornerfüllte Szene vor. Er dachte an ihre Mutter – hatte die ihre Wahl im Leben verstanden, oder beweinte sie eine verlorene Tochter?
Jetzt spielte er ebenfalls eine Rolle in dem, was sie darstellte, in ihrem Leben.
»Darf ich dich Rosa nennen?« fragte er.
Sie sah über die Schulter. Ihre Augen beobachteten seine Finger, die ihre Unterhose zu einer Kugel zusammenknüllten.
Lächelnd wandte sie ihm den Blick wieder zu. »Du bist jetzt mein ganz besonderer Kunde. Ich habe noch keinem anderen Mann meinen richtigen Namen verraten. Es wäre mir ein Vergnügen, ihn von deinen Lippen zu hören.«
Sein Herz klopfte, und er taumelte vor Begierde. »Danke, Rosa«, sagte er leise und meinte es auch so. »Ich sehne mich so danach, dir Vergnügen zu bereiten.«
»Deine Hände zittern ja.«
Das taten sie immer, bis es losging. Danach waren sie fest und sicher wie Stein. Sobald er anfing, würde er ganz ruhig werden. Dies war nur die Vorfreude.
»Entschuldige.«
Ein heiseres, lustvolles Lachen löste sich aus ihrer Kehle. »Aber warum denn? Es erregt mich, daß du nervös bist.«
Er war nicht nervös, nicht im geringsten, aber er war erregt.
Ihre Hände stellten fest, daß er es war. »Ich möchte wissen, wie du schmeckst.« Sie leckte ihm das Ohr. »Ich habe heute abend keinen Gast mehr. Wir haben alle Zeit der Welt, es zu genießen.«
»Ich weiß«, gab er leise zurück. »Deswegen wollte ich der letzte sein.«
»Ja«, neckte sie ihn, »ich will auch, daß es ganz lange dauert. Kannst du machen, daß es lange dauert, Schätzchen?«
»Ich kann, und ich werde«, versprach er. »Ganz lange.«
Auf sein Versprechen hin gab sie ein zufriedenes Schnurren von sich und drehte sich in seinen Armen herum, um ihr Hinterteil an ihn zu pressen. Sie bog ihren Rücken nach hinten durch, wiegte ihren Kopf an seiner Brust und stöhnte erneut. Er verkniff sich ein Grinsen, als er ihr in die himmelblauen Augen blickte.
Ja, sie war eine talentierte Hure.
Seine Hand glitt über den unteren Teil ihres Rückens, zählte die Wirbel und befingerte die Räume zwischen ihnen. Sie stöhnte fordernd.
Ihr Gewackel mit dem Hintern war schuld, daß er die gesuchte Stelle verfehlte.
Sie wankte.
Beim zweiten Mal rammte er ihr das Messer unten in den Rücken, traf die richtige Stelle zwischen den Wirbeln und durchtrennte ihr das Rückenmark.
Er warf ihr einen Arm um die Hüfte, um sie zu stützen. Diesmal war das schockierte, ächzende Stöhnen echt. Kein Mensch in den anderen Zimmern würde es von jenem unterscheiden können, das sie normalerweise für Männer von sich gab. Andere achteten nicht auf solche feinen Einzelheiten.
Er schon, und er genoß den Unterschied.
Als ihr Mund aufklaffte und sie schreien wollte, stopfte er ihr das zerknüllte Höschen hinein. Er erwischte genau den richtigen Zeitpunkt, so daß nur der Ansatz ihres Keuchens zu hören war, bevor der Ton schriller wurde. Daraufhin riß er den seidenen Gürtel vom Morgenmantel am Haken neben sich ab und wickelte ihn ihr viermal um den Kopf, um den Knebel in ihrem Mund zu fixieren. Mit einer Hand und unter Zuhilfenahme seiner Zähne zog er ihn fest und schlang ihn zu einem Knoten.
Zu gern hätte er ihre tiefempfundenen, aufrichtigen Schreie gehört, doch das hätte ein vorzeitiges Ende ihres Vergnügens bedeutet. Er liebte diese Schreie. Sie waren immer ehrlich.
Nun preßte er seinen Mund seitlich an ihren Kopf. Er konnte den Männerschweiß in ihren Haaren riechen.
»Oh, Rosa, du wirst mich so befriedigen. Du wirst mir mehr Vergnügen bereiten als allen anderen Männern zuvor. Ich möchte, daß du auch auf deine Kosten kommst. Ich weiß, das ist es, was du immer gewollt hast. Ich bin der Mann, auf den du gewartet hast. Endlich bin ich da.«
Er ließ sie zu Boden gleiten. Ihre Beine waren jetzt nutzlos. Sie würde nirgendwohin gehen.
Sie versuchte, ihm einen Stoß zwischen die Beine zu versetzen. Er fing ihre zierliche kleine Faust mit der Hand auf. Während er ihre Faust aufquetschte, betrachtete er ihre aufgerissenen, himmelblauen Augen. Er nahm ihre Handfläche zwischen Daumen und Zeigefinger und bog sie nach hinten, bis ihr Handgelenk brach.
Sodann benutzte er die Ärmel ihres Morgenmantels, um ihr die Hände zu fesseln, damit sie sich den Knebel nicht aus ihrem Mund ziehen konnte. Sein Herz schlug wie ein Hammer, als er auf ihr gedämpftes Winseln lauschte. Er konnte ihre Worte hinter dem Knebel nicht verstehen, aber sie steigerten seine Erregung, denn er spürte, welche Schmerzen darin zum Ausdruck kamen.
Ein Sturm der Empfindungen toste durch seinen Verstand. Wenigstens schwiegen die Stimmen noch, und er konnte sich ganz seiner Lust hingeben. Er war nicht sicher, was diese Stimmen waren, dennoch war er gewiß, sie nur wegen seiner einzigartigen Geisteskraft hören zu können. Seine unvergleichliche Wahrnehmung war es, die es ihm ermöglichte, so unendlich schwache Nachrichten aus dem Äther aufzufangen, und weil er auf die Einzelheiten achtete.
Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ihre perfekt gezupften Brauen zogen sich zusammen, gingen in der Mitte hoch und zerfurchten die Haut auf ihrer Stirn zu säuberlichen Falten. Er zählte sie, denn es war etwas Besonderes.
Mit aufgerissenen, angsterfüllten himmelblauen Augen beobachtete sie, wie er seine Kleider auszog und sie zur Seite legte. Es wäre nicht gut, wenn sie sich mit Blut vollsaugen würden.
Das Messer lag jetzt fest in seiner Hand. Er stand über ihr, nackt und erigiert, um ihr zu zeigen, welche guten Dienste sie ihm bislang leistete.
Und dann begann er.