Mehrere Tage darauf – Richard hatte sich fast wieder vollständig erholt – ritt Tristan Bashkars Onkel, König Jorin Bashkar, König von Jara, an der Spitze seiner Kompanie aus königlichen Lanzenträgern in Aydindril ein. Auf der Spitze einer jeden der einhundert Lanzen steckte ein Schädel.
Von einem Fenster aus verfolgte Kahlan, wie die Lanzen unter den wachsamen Blicken der d'Haranischen Soldaten in einer pfeilgeraden Doppelreihe parallel zum Eingang des Palastes der Konfessoren aufgepflanzt wurden. Staatsflaggen flatterten an Stangen, die vom ersten Paar sich gegenüberstehender jaranischer Soldaten gehalten wurden. Jorin Bashkar, gefolgt von seinem Sternendeuter Jevas Kadar, wartete ab, bis sich die Lanzenträger mit ihren in der Sonne blitzenden Uniformen perfekt ausgerichtet hatten, dann marschierte er entschlossenen Schritts in königlicher Manier zwischen den Schädelreihen hindurch auf den Eingang zu.
Kahlan schaute aus dem Fenster und berührte sachte Caras Arm. »Geht und holt Richard. Sagt ihm, er möge mich im Ratssaal treffen.«
Cara war schon an der Tür, bevor Kahlan sich auf den Weg machen konnte.
Unter den Bildern von Magda Searus, der ersten Mutter Konfessor, und ihrem Zauberer Merritt, die man unter die weite Kuppel des Ratssaals gemalt hatte, thronte Kahlan Amnell, Mutter Konfessor, auf dem Obersten Sitz und erwartete ihren Zauberer.
Ihr ging das Herz auf, als sie ihn schwungvoll den Saal betreten sah, mit seinem wehenden goldenen Umhang, im goldbesetzten Anzug eines Kriegszauberers, mit dem rubinroten Amulett auf seiner Brust, das im Sonnenlicht, durch das er schritt, aufblinkte, und seinen polierten und glänzenden Armbändern aus Silber. Das Licht fing sich im Schwert der Wahrheit an seiner Hüfte und erstrahlte wie ein Sonnenaufgang, dessen Lichtstrahlen gleißend über den polierten Marmorboden fielen.
»Guten Morgen, meine Königin«, rief er munter. Seine Stimme hallte durch den riesigen Saal. »Wie geht es Euch an Eurem letzten Tag in Freiheit?«
Im Ratssaal lachte Kahlan nur selten. Es war ihr immer ungehörig erschienen. Jetzt lachte sie, und das fröhliche Geräusch hallte durch den höhlenähnlichen Saal und entlockte den Wachen ein Lächeln.
»Es geht mir gut, Lord Rahl«, antwortete sie, während er das Podium erklomm.
In seinem Schatten folgten Cara und Berdine, zusammen mit Ulic und Egan, die die Positionen jeweils an ihrer Seite einnahmen.
»Was ist denn los?« fragte er, jetzt ernster geworden. »Ich hörte, soeben sei ein König mit einhundert Schädeln auf Lanzen eingeritten?«
»Der König von Jara. Erinnerst du dich noch? Du hast ihm Tristans Kopf geschickt und seine Kapitulation verlangt.«
»Ach, dieser König.« Richard ließ sich in den Sessel neben ihr gleiten. »Um wessen Köpfe handelt es sich?«
»Ich denke, das werden wir in Kürze erfahren.«
Die Wachen zogen die Doppeltür auf. Ein Lichtstrahl fiel durch die Türöffnung und rahmte, einem Schattenriß gleich, die beiden näher kommenden Gestalten ein.
Vor dem Podium schlug der König sein violettes, mit weißem Fuchspelz abgesetztes Gewand auf und ließ sich zu einer tiefen Verbeugung auf ein Knie fallen. Der Sternendeuter hinter ihm ließ sich bei seiner Verbeugung auf beide Knie fallen.
»Erhebt Euch, meine Kinder«, erwiderte Kahlan die Verbeugung in aller Form.
»Mutter Konfessor«, sagte König Jorin, »es tut gut, Euch wiederzusehen.«
Kahlan war immer schon der Ansicht gewesen, daß ihm seine schlanke Erscheinung, sein ergrauendes, sauber gestutztes Haar, das so geschnitten war, daß es nach hinten zu wehen schien, als stünde er im Wind, seine elegante Scheide mitsamt Schwert, seine Ordensbänder, seine Schärpe, sein blauer, goldbestickter Mantel und seine juwelenbesetzten Anstecknadeln das Aussehen eines äußerst prächtigen Königs verliehen.
»Euch auch, König Jorin.« Kahlan hob eine Hand und stellte vor: »Dies ist Lord Rahl, Herrscher des d'Haranischen Reiches und mein zukünftiger Gatte.«
Der König zog eine Braue hoch. »Wie ich bereits erzählen hörte. Meinen Glückwunsch.«
Richard beugte sich vor. »Ich habe Euch eine Nachricht zukommen lassen. Wie lautet Eure Antwort?«
Kahlan fand, daß ihr noch einiges an Arbeit bevorstand, wenn sie Richard die angemessene diplomatische Etikette beibringen wollte.
Der König lachte schallend. »Es ist mir eine Freude, Teil eines Reiches zu werden, das von einem Mann geführt wird, der mich nicht mit seinen geschwollenen Reden zu Tode langweilt.« Er deutete mit dem Daumen auf den Sternendeuter hinter sich. »Wie so mancher andere.«
»Soll das heißen, Ihr kapituliert?« hakte Richard nach.
»Das soll es allerdings, Lord Rahl. Mutter Konfessor.«
»Eine große Delegation der Imperialen Ordnung kam nach Sandilar und forderte uns auf, uns ihnen anzuschließen. Wir hatten auf ein Zeichen gewartet, wie es uns Javas Kedar geraten hatte. Tristan wollte die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen und hat versucht, einen günstigen Handel mit der Imperialen Ordnung abzuschließen.
Als die Pest kam, glaubten wir, sie sei ein Beweis für die Macht der Imperialen Ordnung, und ich muß gestehen, wir bekamen es mit der Angst. Doch als Ihr dann die Pest aus dem Land vertrieben hattet, war das für mich Zeichen genug. Javas hier wird zweifellos in Kürze das entsprechende Himmelszeichen entdecken, das mich in meinem Entschluß bestärkt. Wenn nicht, gibt es auch noch andere Sterndeuter.«
Javas Kedar errötete und verneigte sich. »Wie ich bereits erwähnte, Eure Hoheit, ist es für mich als Sterndeuter ein leichtes, Eure Entscheidung zu bestätigen.«
Der König warf einen finsteren Blick über die Schulter. »Gut!«
»Und die Schädel?« wollte Richard wissen.
»Die Delegation der Imperialen Ordnung. Ich habe ihre Köpfe mitgebracht, um Euch davon zu überzeugen, daß ich es ehrlich meine. Ihr solltet sehen, daß ich diesen Entschluß aus tiefster Überzeugung fälle. Ich fand, es sei eine passende Antwort für einen Herrscher, der ein Land mit einer Pestepidemie überzieht, die unterschiedslos alle tötet. Dadurch gibt er sein wahres Wesen zu erkennen und straft alles Lügen, was er sonst noch über sich verbreiten läßt.«
Richard verneigte sich vor dem König. »Ich danke Euch, König Jorin.«
»Wer hat die Enthauptung meines Neffen Tristan angeordnet?«
»Das war ich«, sagte Richard. »Ich stand zusammen mit der Mutter Konfessor auf dem Balkon, als er vor meinen Augen auf ein mit Werg ausgestopftes Nachthemd einstach, das wir als Lockvogel dort hingelegt hatten. Er befand sich in dem Glauben, die Mutter Konfessor zu töten.«
Der König zuckte die Achseln. »Gerechtigkeit gilt für alle gleich, unabhängig von ihrem Stand. Ich bin Euch deswegen nicht gram. Tristan hat unserem Volk ohnehin keine guten Dienste erwiesen. Ich sehe dem Tag bereits mit Freuden entgegen, an dem wir uns von der Bedrohung durch die Imperiale Ordnung befreit haben.«
»Wie wir auch«, gab Richard zurück. »Dank Eurer Hilfe sind wir diesem Tag ein gutes Stück näher gekommen.«
Als der König ging, um die Unterzeichnung der Dokumente zu beaufsichtigen und logistische Dinge mit den d'Haranischen Befehlshabern abzusprechen, erhoben sich Richard und Kahlan und wollten gehen. Doch einer der Posten hielt sie zurück.
»Was gibt's?« fragte Kahlan.
»Drei Männer bitten darum, Lord Rahl sprechen zu dürfen.«
»Drei Männer? Wer sind sie?«
»Sie haben ihre Namen nicht genannt, Mutter Konfessor, aber sie sagen, sie seien Raug'Moss.«
Richard setzte sich wieder. »Schicke sie herein.«
Kahlan suchte unter dem Tisch seine Hand und drückte sie beruhigend, als die drei Gestalten in flachsenen Gewändern mit weiten, über die Köpfe gezogenen Kapuzen und vor dem Körper gefalteten Händen vor das Podest schritten und dort stehenblieben.
»Ich bin Lord Rahl«, erklärte Richard.
»Ja«, meinte der vorderste, »wir spüren die Bande.« Er deutete neben sich. »Dies ist Bruder Kerloff, und das Bruder Houck.« Er schob seine Kapuze zurück, und man sah ein von tiefen Falten zerfurchtes Gesicht sowie einen sich lichtenden grauen Haarschopf. »Ich bin Marsden Taboor.«
Richard musterte die drei Männer aufmerksam. »Willkommen in Aydindril. Wie ich höre, wollt Ihr mich sprechen. Was kann ich für Euch tun?«
»Wir sind auf der Suche nach Drefan Rahl«, erwiderte Marsden Taboor.
Richard fuhr mit dem Daumen an der Tischkante entlang, wobei er die drei Männer nicht aus den Augen ließ. »Tut mir leid, aber Euer Hohepriester ist tot.«
Die beiden Männer im Hintergrund wechselten einen Blick.
Marsden Taboors Miene verfinsterte sich. »Unser Hohepriester? Der Hohepriester der Raug'Moss bin ich, und das schon seit der Zeit vor Drefans Geburt.«
Richard runzelte die Stirn. »Drefan erzählte uns, er sei der Hohepriester.«
Marsden Taboor fuhr sich nach Worten suchend mit der Hand über die Schläfe.
»Lord Rahl, ich fürchte, Euer Bruder ist … einer Selbsttäuschung erlegen. Wenn er Euch tatsächlich erzählt hat, er sei der Hohepriester der Raug'Moss, dann hat er Euch aus Gründen getäuscht, die vorzustellen mir angst macht.
Seine Mutter ließ ihn bei uns zurück, als er noch ein kleiner Junge war. Wir zogen ihn auf, denn wir wußten, was sein Vater mit ihm machen würde, sollte er dahinterkommen, daß er einen Sohn ohne die Gabe hat. Drefan konnte recht gefährlich werden. Nachdem wir das erkannt hatten, hielten wir ihn innerhalb unserer Gemeinschaft unter Verschluß, um zu verhindern, daß er jemanden verletzte.
Er hatte eine Begabung für das Heilen, und wir hofften, er würde noch Frieden mit sich finden. Über das Heilen, so hofften wir weiter, würde er seinen Wert aus eigenem Recht beweisen.
Vor einer Weile verschwand er dann. Mehrere unserer Heiler wurden tot aufgefunden. Sie waren auf eine höchst unangenehme Art ums Leben gekommen: Jemand hatte sie zu Tode gefoltert. Seitdem sind wir auf der Suche nach Drefan. Wir waren an verschiedenen Orten, wo er in Erscheinung getreten war, und entdeckten dort Frauen, die auf ähnliche Weise massakriert worden waren.
Drefan hatte Frauen gegenüber eine recht abstoßende Einstellung. Schon sein Vater neigte Frauen gegenüber nicht gerade zur Freundlichkeit. Es ist ihm zwar gelungen, seinem Vater körperlich zu entkommen, geistig jedoch nicht.
Ich hoffe, er hat hier niemandem Schaden zugefügt.«
Richard schwieg eine Weile, bevor er sich dazu äußerte.
»Wir hatten eine Pestepidemie. Eine fürchterliche Epidemie. Tausende von Menschen haben den Tod erlitten. Drefan hat, die noblen Ideale der Raug'Moss ehrend, selbstlos alles getan, um den Erkrankten zu helfen. Er hat sein Wissen weitergegeben und auf diese Weise möglicherweise verhindert, daß noch mehr Menschen starben.
Mein Bruder hat auf seine Art zur Eindämmung der Seuche beigetragen und ist dabei ums Leben gekommen.«
Marsden Taboor faltete die Hände wieder vor dem Körper und musterte Richard eingehend. »So jedenfalls möchtet Ihr ihn in Erinnerung behalten?«
»Er war mein Bruder. Ich habe es teilweise ihm zu verdanken, daß ich die Kraft der Vergebung kennengelernt habe.«
Unter dem Tisch drückte Kahlan Richards Hand.
»Danke, daß Ihr mich empfangen habt, Lord Rahl.« Marsden Taboor verbeugte sich. »In Eurem Licht gedeihen wir.«
»Danke«, antwortete Richard leise.
Die drei Heiler wollten schon gehen, als Marsden Taboor sich noch einmal umdrehte. »Ich kannte Euren Vater. Ihr kommt nicht nach ihm. Drefan schon. Nicht viele Menschen werden das Dahinscheiden Eures Vaters oder Bruders betrauern.
Ich sehe es Euch an den Augen an, Lord Rahl. Ihr seid ein Heiler, ein wahrer Heiler, nicht bloß ein Krieger. Ein Zauberer muß als Heiler im Gleichgewicht sein, sonst ist er verloren. D'Hara ist damit gut gedient, endlich, nach so langer Zeit. Ruft uns, wann immer Ihr uns braucht.«
Als die Türen sich schlossen, seufzte Ulic: »Lord Rahl, da sind noch weitere Abgesandte, die Euch zu sprechen wünschen.«
»Vorausgesetzt, Ihr fühlt Euch kräftig genug«, fügte Cara hinzu.
»Irgend jemand will uns immer sprechen.« Richard erhob sich und reichte Kahlan die Hand. »Diese Leute kann General Kerson empfangen. Haben wir nicht etwas viel Wichtigeres zu tun?«
»Bist du sicher, daß du dich kräftig genug fühlst?« schmunzelte Kahlan.
»Ich habe mich nie besser gefühlt. Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt, oder?«
Lächelnd ergriff Kahlan seine Hand und erhob sich. »Auf gar keinen Fall. Worauf warten wir noch, wenn Lord Rahl sich gänzlich erholt hat? Ich bin bereit.«
»Wird auch langsam Zeit«, murmelte Berdine.
Während sie auf Richards Rückkehr warteten, legte Kahlan beruhigend eine Hand auf Caras Rücken. »Sie würde uns niemals anlügen. Wenn die Sliph sagt, Ihr könnt reisen, dann könnt Ihr reisen.«
Die Sliph hatte Cara, Berdine, Ulic und Egan einer Prüfung unterzogen, denn alle waren der Ansicht, sie sollten Richard und Kahlan zum Schutz begleiten.
Lediglich Cara hatte die Prüfung der Sliph bestanden. Richard vermutete, daß es an der Verbindung lag, die Cara mit dem Führer der Andolier, dem Legaten Rishi, gehabt hatte, der offenkundig ein Element beider Seiten der Magie besaß. Die Vorstellung, irgend etwas mit Magie zu schaffen zu haben, behagte Cara überhaupt nicht, die Sliph war ohnehin schon Magie genug, um sie bedenklich zu stimmen.
Kahlan beugte sich zu ihr vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Ihr habt hier in diesem Raum schon schwerere Prüfungen bestanden. Ich bin eine Schwester des Strafers. Ich werde Euch die ganze Zeit über die Hand halten.«
Cara sah erst Kahlan an, dann die Sliph.
»Du mußt es tun, Cara«, flehte Berdine sie an. »Du wirst die einzige Mord-Sith bei der Hochzeit unseres Lord Rahl und der Mutter Konfessor sein.«
Caras Stirn bebte, da sie sich an Berdine wandte. »Lord Rahl hat dich geheilt.« Berdine nickte. »Hast du seitdem … bestimmte Bande zu ihm gespürt?«
Berdine schmunzelte. »Ja. Deswegen möchte ich, daß du mitgehst. Ich komme schon zurecht. Ich weiß, Raina würde das auch wollen.« Sie versetzte Ulic einen leichten Klaps auf den Bauch. »Außerdem muß jemand hierbleiben und dafür sorgen, daß Ulic und Egan nicht aus der Reihe tanzen.«
Die beiden Gemeinten verdrehten die Augen.
Cara legte Kahlan eine Hand auf den Arm und sagte: »Seit Lord Rahl Euch geheilt hat, habt Ihr es da … auch gespürt?«
Kahlan mußte schmunzeln. »Ich habe es schon gespürt, bevor er mich geheilt hatte. Das nennt man Liebe, Cara. Wenn man eine aufrichtige Zuneigung für jemanden empfindet, nicht etwa, weil man über die Bande mit ihm verbunden ist, sondern weil man ein Gefühl im Herzen mit ihm teilt. Bei Eurer Heilung habt Ihr die Liebe gespürt, die er für Euch empfindet.«
»Aber gewußt habe ich es schon vorher.«
Kahlan zuckte die Achseln. »Vielleicht war das nur eine lebendigere Art, es zu fühlen.«
Cara nahm ihren Strafer und rollte ihn zwischen den Fingern. »Vielleicht ist er ein Bruder des Strafers.«
Kahlan schmunzelte. »Ich glaube, nach allem, was wir zusammen durchgemacht haben, stehen wir uns ebenso nah wie eine Familie.«
Richard kam herein. »Ich bin bereit. Sollen wir aufbrechen?«
Das Schwert der Wahrheit konnte Richard in der Sliph nicht mitnehmen. Dessen Magie war mit der Erhaltung des Lebens während der Reise nicht vereinbar. Er war hinaufgegangen, um sein Schwert in der Enklave des Obersten Zauberers zurückzulassen, wo es sich in Sicherheit befand und wo niemand – nur er selbst – herankommen würde. Außer Zedd, natürlich. Doch Zedd lebte nicht mehr. Zumindest glaubte Kahlan, daß er nicht mehr lebte. Richard dagegen weigerte sich standhaft, an seinen Tod zu glauben.
Er rieb sich die Hände. »Was ist, Cara? Kommt Ihr nun mit oder nicht? Ich hätte Euch wirklich sehr gerne dabei. Es würde uns sehr viel bedeuten.«
Cara lächelte. »Ich habe ohnehin keine andere Wahl. Ihr seid nicht in der Lage, Euch selbst zu beschützen. Ohne eine Mord-Sith seid Ihr hilflos.«
Richard wandte sich dem silbernen Gesicht zu, das sie beobachtete. »Ich weiß, ich habe dich früher schon einmal schlafen gelegt, Sliph, aber du hast nicht weitergeschlafen. Warum nicht?«
»Du hast mich nicht in den Tiefschlaf geschickt, aus dem mich nur jemand wie du herbeirufen kann. Du hast mich zur Ruhe gelegt. Wenn du mich nur zur Ruhe legst, können andere mich rufen.«
»Aber wir dürfen nicht zulassen, daß diese anderen dich benutzen. Kannst du dich ihnen nicht verweigern? Oder einfach fortbleiben, wenn sie dich rufen? Wir können nicht zulassen, daß du Jagangs Zauberer und ähnliche Leute überall in des Schöpfers weiter Welt verteilst, wo sie nichts als Schaden anrichten.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Die, die mich zur Sliph gemacht haben, haben mich so erschaffen, wie ich bin. Ich muß mit denen reisen, die mich darum bitten, vorausgesetzt, sie sind im Besitz des erforderlichen Preises an Kraft.« Sie bewegte sich auf den Brunnenrand zu und kam näher. »Doch als ich schlief, hattest nur du, mein Herr und Meister, die Macht, mich herbeizurufen, andere jedoch konnten mich nicht benutzen.«
»Aber ich habe bereits früher einmal versucht, dich wieder schlafen zu legen, und es hat nicht geklappt.«
Das Lächeln der Sliph kehrte zurück. »Du hattest damals nicht das Silber, das man braucht.«
»Das Silber?«
Die Sliph reckte sich und berührte seine Armbänder. »Dieses Silber.«
»Soll das heißen, als ich damals meine Handgelenke übereinander gelegt habe, um dich schlafen zu legen, ging es deshalb nicht, weil ich diese Armbänder nicht trug? Und wenn ich dich jetzt schlafen lege, wird es funktionieren?«
»So ist es, mein Herr und Meister.«
Richard überlegte einen Augenblick. »Tut es dir – weh, wenn jemand dich schlafen legt?«
»Nein. Wenn ich schlafe, ist das für mich die reine Wonne, denn dann vereine ich mich mit dem Rest meiner Seele.«
Richard zog ein erstauntes Gesicht. »Du begibst dich zum Schlafen in die Welt der Seelen?«
»Ja, mein Herr und Meister. Ich darf niemandem erzählen, wie es kommt, daß er mich schlafen legen kann, aber du bist mein Herr und Meister, und da du es selbst wissen willst, wirst du nicht böse sein, wenn ich es dir verrate.«
Richard seufzte erleichtert. »Danke, Sliph. Du hast uns erklärt, wie wir verhindern können, daß die falschen Leute dich benutzen. Es freut mich zu wissen, daß es dir gefällt, schlafen zu gehen.«
Richard drückte Berdine an sich. »Kümmert Euch um alles, bis wir wieder zurück sind.«
»Dann trage ich also die alleinige Verantwortung?« fragte Berdine.
Richard runzelte argwöhnisch die Stirn. »Ihr alle drei tragt die Verantwortung.«
»Habt Ihr das auch ganz bestimmt gehört, Herrin Berdine?« fragte Ulic. »Ihr sollt später nicht behaupten, Ihr hättet von einem solchen Befehl nichts gehört.«
Berdine schnitt ihm eine Grimasse, während Richard Kahlan auf den Brunnenrand hinaufhalf. »Ich habe es gehört. Wir alle drei sollen uns um alles kümmern.«
Kahlan zog das Knochenmesser an ihrem Arm und den Rucksack auf ihrem Rücken zurecht. Sie reichte Cara die Hand.
»Und jetzt, Sliph«, meinte Richard mit einem breiten Grinsen, »möchten wir reisen.«