Der Ort, das Hochland oberhalb des Nareef-Tales, war genauso abweisend, wie Richard gehört hatte: eine trostlose Ödnis. Heulend fegte der Wind in staubigen Böen darüber hinweg.
Er hatte beinahe erwartet, dass Joseph Ander einen solchen Ort auswählen würde.
Genauso tot waren die Berge, die den vollkommen stillen See umgaben. Sie waren felsig, braun und bar jeden Lebens, ihre Gipfel sämtlich schneebedeckt. Die Abertausende Rinnsale, die die Flanken hinabstürzten, blitzten im Sonnenlicht wie Reißzähne. Im Kontrast zu dieser Kargheit stand das Grün der Pakapflanzen, die sich auf der endlosen Wasserwüste, die die weite Senke zwischen den umliegenden Bergen füllte, beinahe wie Wasserlilien ausnahmen.
Richard hatte die Pferde weiter unten zurückgelassen und kletterte den schmalen Fußpfad hinauf, den er entdeckt hatte und der zum See hinaufführte. Er hatte die Pferde mit lockeren Haltestricken festgebunden und ihnen das Zaumzeug abgenommen, damit sie sich nach einer Weile befreien konnten, sollte ihm eine Rückkehr unmöglich sein.
Nur eines trieb ihn weiter, und das war seine Liebe zu Kahlan. Er musste die Chimären vertreiben, um sie heilen zu können, das war sein einziger Lebenszweck. Jetzt stand er auf dem unfruchtbaren Boden neben dem giftigen Gewässer und wusste, was er zu tun hatte.
Er musste Joseph Ander übertreffen, im Denken wie in seiner schöpferischen Kraft.
Es gab keinen Schlüssel für das Rätsel der Chimären, keine Antwort, keine Lösung, die ihrer Entdeckung harrte. Joseph Ander hatte im feinen Geflecht seiner Magie keinerlei Lücken hinterlassen.
Seine einzige Chance bestand darin, etwas zu tun, das Joseph Ander nie erwartet hätte. Richard hatte den Mann gut genug studiert, um zu wissen, wie er gedacht hatte. Er wusste, woran Ander geglaubt hatte und was die Menschen seiner Erwartung nach versuchen würden. Richard durfte nichts von alledem tun, wenn er Aussicht auf Erfolg haben wollte. Richard würde genau das tun, wofür Joseph Ander die Zauberer gescholten hatte, was diese jedoch nicht hatten erkennen können.
Er hoffte nur, die nötige Kraft zu besitzen, es bis zum Ende durchzustehen. Tagsüber war er hart geritten und hatte die Pferde gewechselt, damit sie ihn auch wieder zurückbringen konnten: Nachts war er zu Fuß gegangen, so lange die Füße ihn trugen.
Er war erschöpft und hatte nur eine Hoffnung: lange genug durchhalten zu können. Lange genug für Kahlan.
Der golddurchwirkten Ledertasche an seinem Gürtel entnahm er weißen Zauberersand. Mit diesem Sand begann Richard behutsam eine Huldigung zu zeichnen. Mit den die Gabe darstellenden Strahlen beginnend, zeichnete er ihn in Zedds Beschreibung, wie er gezeichnet werden musste, exakt entgegengesetzt. In der Mitte stehend, legte er die Linien der Gabe so an, dass sie auf ihn selbst gerichtet waren.
Als nächstes zeichnete er den Stern, der den Schöpfer darstellte, anschließend den Kreis des Lebens, das Quadrat für den Schleier und zuletzt die äußere Umgrenzung für den Beginn der Unterwelt.
Es sei die Phantasie, hatte Joseph Ander gesagt, die einen großen Zauberer ausmache, denn nur ein Zauberer mit Phantasie sei imstande, die Grenzen der Tradition hinter sich zu lassen.
Eine Huldigung könne in Abhängigkeit eines phantasievollen, schöpferischen Bannes entstehen.
Richard hatte die Absicht, weit mehr entstehen zu lassen.
Auf seinem Platz im Innern der Huldigung reckte Richard die Fäuste gen Himmel.
»Reechani! Sentrosi! Vasi! Ich rufe euch!«
Er wusste, was sie verlangten. Joseph Ander hatte es ihm selbst verraten.
»Reechani! Sentrosi! Vasi! Ich rufe euch herbei und biete euch meine Seele!«
Das Wasser kräuselte sich, als Wind aufkam. Es bewegte sich mit Bedacht und absichtsvoll. Der über das Wasser heranwehende Wind entflammte sich und ging in ein loderndes Feuer über.
Sie kamen.
Erfüllt von Verlangen und von Zorn senkte Richard die Arme und richtete sie auf das Ufer des Sees, dort, wo er sich schließlich über den felsendurchsetzten Überlauf und hinunter in das Nareef-Tal ergoss. Er richtete sein ganzes Sein auf diese eine Stelle.
Über sein Verlangen und seinen Zorn rief er die subtraktive Seite seiner Kraft herbei, die Seite der dunkelsten Dinge, die Seite aus der Unterwelt, aus den Schatten im ewigen Dunkel der Welt des Jenseits.
Explosionsartig entlud sich ein schwarzes Unwetter, während die Blitze aus seinen Fäusten sich zu einem Seil von gewaltiger Vernichtungskraft zusammendrehten, gelenkt von seinem Verlangen, genährt von seinem Zorn.
Am Ufer des Bergsees kam es zu einem explosionsartigen Ausbruch von Gewalt. Das dahinter liegende Felsgestein zerbarst unter der Berührung des schwarzen Blitzes zu einem Hagel aus Dampf und Geröll. Mit einem Schlag hatte das untere Seeufer an der Felskante aufgehört zu existieren. Die zerstörerische Kraft der Subtraktiven Magie hatte es verdampfen lassen.
Mit ohrenbetäubendem Getöse begann der See sich zu leeren.
Aufgewühlt zog sich das Wasser selbst über den Rand. An der Kante schäumte und gischtete es. Die Pakapflanzen wirbelten im Wasser, als sie vom Grund des Sees gerissen wurden. Der gewaltige See aus giftigem Wasser stürzte über den Rand in die Tiefe.
Das über den See herannahende Feuer, der Wind auf dem Wasser und die aufgewühlten Wassermassen beruhigten sich, als sie näher kamen. Sie waren das Wesen der Chimären, das Destillat, das in ihrem Namen sprach.
»Kommt zu mir«, befahl Richard. »Ich biete euch meine Seele.«
Als die Chimären kreisend immer näher kamen, entnahm Richard der Tasche an seinem Gürtel noch eine andere Substanz.
Und dann, während der See sich leerte und er dort, wo einst giftiges Wasser gewesen war, einen schlammigen Grund zurückließ, begann die Luft draußen, unmittelbar über den in die Tiefe stürzenden Wassermassen, zu flirren. Etwas gewann Substanz und nahm in der Welt des Lebendigen Gestalt an.
In der Luft über der Wasseroberfläche begann sich flackernd eine Gestalt abzuzeichnen: eine Gestalt in einem Gewand, ein alter Mann aus Rauch und flimmerndem Licht, eine Gestalt, die Qualen litt.
Richard reckte abermals die Fäuste gen Himmel. »Reechani! Sentrosi! Vasi! Kommt zu mir!«
Und sie kamen. Er war umgeben von der Substanz des Todes. Dort inmitten eines Mahlstromes aus Tod zu stehen war beinahe mehr, als Richard auszuhalten vermochte. Es war das widerwärtigste Gefühl, das er je verspürt hatte.
Die Chimären riefen ihn mit den betörenden Klängen einer anderen Welt. Richard ließ sie gewähren, er hatte für ihre Verlockungen nur ein Lächeln übrig.
Er ließ sie kommen, diese Diebe der Seelen.
Und dann hob er die Arme und zeigte in die Richtung der Erscheinung.
»Euer Herr und Meister.«
Die Chimären umkreisten ihn, heulend vor Wut. Jetzt erkannten sie, wer sich vor ihnen in die Luft erhob.
»Dort ist er, Sklaven. Euer Herr und Meister.«
»Wer ruft mich?«, hallte ein Schrei über das Wasser.
»Richard Rahl, Nachfahr des Aldric. Ich bin es, der gekommen ist, um dein Herr und Meister zu sein, Joseph Ander.«
»Du hast mich in meinem Heiligtum gefunden. Du bist der Erste. Dir gebührt mein Lob.«
»Und ich verdamme dich, Joseph Ander, an deinen Platz im Leben nach dem Tode, wo alle hingehören, wenn ihre Zeit hier abgelaufen ist.«
Draußen über dem See erklang ein glockenhelles Lachen.
»Mich zu finden ist eine Sache, mich zu vernichten eine andere. Aber mir zu gebieten, ist etwas völlig anderes. Du verfügst nicht einmal im Ansatz über die dazu erforderliche Kraft. Du vermagst dir nicht einmal vorzustellen, was ich zu erschaffen in der Lage bin.«
»Das hab ich längst«, rief Richard über die hinabstürzenden Wassermassen hinweg. »Wasser, höre mich. Luft, sieh, was ich dir zeige. Feuer, spüre die Wahrheit.«
Ringsum drehten und wanden sich die drei Chimären, neugierig, was er ihnen zu bieten hatte.
Abermals reckte Richard seine Hand vor. »Das ist euer Herr und Meister, der Mann, der euch seinen Befehlen unterworfen hat statt euren eigenen. Dort seht ihr seine Seele nackt und entblößt vor euch.«
Besorgnis verdüsterte das Gesicht von Joseph Ander. »Was tust du da? Was glaubst du damit zu erreichen?«
»Die Wahrheit, Joseph Ander. Ich entkleide dich der Lüge deiner Existenz.«
Richard hob eine Hand und öffnete sie auf Joseph Ander gerichtet, öffnete die Hand, die das Gegengewicht enthielt – den schwarzen Zaubersand. Richard ließ einen dünnen Strang aus schwarzen Blitzen zwischen ihnen knistern.
»Dort ist er, Reechani. Höre ihn. Dort ist er, Vasi. Sieh ihn an. Dort ist er, Sentrosi, spüre ihn durch meine Berührung.«
Jetzt versuchte Joseph Ander selbst Magie zurückzuschleudern, doch er hatte sich einer anderen Welt anvertraut, einer, die er selbst erschaffen hatte. Diese Leere vermochte er nicht zu überbrücken. Richard dagegen hatte ihn gerufen und konnte durch diese Leere hindurchreichen.
»Und nun, meine Chimären, stelle ich euch vor die Wahl. Meine Seele oder seine. Des Mannes, der seine Seele nicht dem Leben nach dem Tode überlassen wollte. Des Mannes, der sich weigerte, euren Meister in der Unterwelt aufzusuchen, und sich stattdessen zu eurem Herrn und Meister in dieser Welt aufschwang, wo er euch all diese lange Zeit zu Sklaven machte.
Oder meine Seele, der ich hier inmitten dieser Huldigung stehe, von wo aus ich euch zu mir ziehen werde, und wo ihr mir dienen werdet wie vorher ihm.
Entscheidet euch also: Nehmt Rache, oder kehrt in die Sklaverei zurück.«
»Er lügt!«, schrie Joseph Anders Geist.
Die aufs Äußerste erregten Chimären rings um Richard trafen ihre Entscheidung. Sie hatten die Wahrheit erkannt, die Richard ihnen vor Augen hielt. Knisternd kamen sie über die von Richard geschlagene Brücke und durchquerten die Leere in die Welt des Lebendigen.
Die Welt erbebte unter der Wildheit dieses Vorgangs.
Mit einem wütenden Geheul, das nur der Welt der Toten entstammen konnte, griffen sie über diese Brücke nach Joseph Anders unsterblichem Geist und nahmen ihn mit sich zurück in jene Welt, aus der sie einst gekommen waren. Sie brachten ihn nach Hause.
Einen einzigen, sich ewig dehnenden Augenblick lang stand der Schleier zwischen diesen beiden Welten offen. In diesem Augenblick berührten sich Leben und Tod.
In der plötzlichen, darauf folgenden Stille hielt Richard die Hände vor den Körper. Er schien unversehrt zu sein. Das fand er bemerkenswert.
Dann dämmerte ihm, was er soeben vollbracht hatte. Er hatte Magie erschaffen. Er hatte ins Gleichgewicht gebracht, was Joseph Ander zu Unrecht korrumpiert hatte.
Jetzt musste er zurück zu Kahlan. Ob sie noch lebte? Er zwang sich, diesen Gedanken zu vertreiben. Sie musste noch leben!
Zedd schlug nach Atem ringend die Augen auf. Es herrschte Dunkelheit. Er tastete um sich und stieß auf Felswände. Wankend bewegte er sich vorwärts, auf das Licht zu. Auf das Geräusch.
Er gewahrte, dass er sich wieder in seinem eigenen Körper befand und nicht mehr in dem des Raben, begriff aber nicht, wie das möglich sein konnte. Und doch war es Wirklichkeit. Er betrachtete seine Hände. Es waren keine Federn, sondern tatsächlich Hände.
Er hatte seine Seele zurück.
Vor Erleichterung weinend fiel er auf die Knie. Der Verlust seiner Seele hatte seine Befürchtungen bei weitem übertroffen. Dabei hatte er doch schon das Schlimmste befürchtet.
Seiner Seele beraubt, hatte er in den Raben hineinschlüpfen können. Seine Laune besserte sich ein wenig. Diese Erfahrung war für ihn vollkommen neu, denn keinem Zauberer war es je gelungen, sich selber in ein Tier hineinzuprojizieren. Wenn man sich vorstellte, dass man dafür nur seine Seele opfern musste…
Er beschloss, einmal sei genug, und ging weiter auf das Licht zu, auf das Tosen des Wassers. Ihm fiel wieder ein, wo er sich befand. Als er das Ufer erreichte, sprang er in den See und schwamm an das gegenüberliegende Ufer. Ohne nachzudenken, fuhr er mit der Hand an seinem Gewand entlang, um sich zu trocknen.
Und dann merkte er, dass seine Kraft zurückgekehrt war. Seine Stärke, seine Gabe war wieder da.
Als er ein Geräusch hörte, sah er auf. Spinne stieß ihn mit ihrem Maul an.
Grinsend rieb er ihre freundliche, weiche Nase. »Spinne, Mädchen. Schön, dich zu sehen, altes Haus. Schön, dich zu sehen.«
Auch Spinne bekundete schnaubend ihre Freude.
Zedd fand den Sattel und das übrige Zaumzeug, wo er es zurückgelassen hatte. Nur so zum Spaß warf er Spinne die Decke und den Sattel auf den Rücken. Spinne fand dies interessant. Spinne war keine Spielverderberin, außerdem ein gutes Pferd.
Auf ein Geräusch von oben hin drehte Zedd sich um. Etwas kam den Berg herunter: Wasser. Aus irgendeinem Grund war das Seeufer eingebrochen, die gesamten Wassermassen stürzten in die Tiefe.
Zedd saß auf. »Zeit, von hier zu verschwinden, Mädchen.«
Spinne tat ihm den Gefallen.
Dalton war soeben in sein Büro zurückgekehrt, als er hinter sich jemanden hereinkommen hörte. Als der Mann sich umdrehte, um die Tür zu schließen, warf Dalton einen Blick auf den Saum von Steins Umhang und sah den frischen Skalp, den dieser dort angenäht hatte.
Dalton trat an den Beistelltisch und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Ihm war heiß und ein wenig schwindelig.
Nun, das war zu erwarten gewesen.
»Was wollt Ihr, Stein?«
»Ein reiner Geselligkeitsbesuch.«
»Aha«, machte Dalton. Er trank einen Schluck.
»Ein hübsches neues Büro habt Ihr hier.«
Hübsch war es. Alles nur vom Besten, der einzige Gegenstand aus seinem alten Büro war der Ständer aus verschnörkeltem Silber neben dem Schreibtisch. Er mochte den Schwertständer und hatte ihn daher mitgebracht. Als wäre er soeben daran erinnert worden, betastete er das Heft des in dem Ständer ruhenden Schwertes.
»Nun«, setzte Stein hinzu, »Ihr habt es Euch verdient, ganz zweifellos, denn Ihr habt viel erreicht. Viel erreicht, für Euch selbst und Eure Gemahlin.«
Dalton machte eine Handbewegung. »Neues Schwert, Stein? Ein wenig zu elegant für Euren Geschmack, sollte man meinen.«
Der Mann schien sich zu freuen, dass Dalton die Waffe aufgefallen war.
»Dies hier«, sagte er, es mit dem Daumen am nach unten geschwungenen Handschutz einige Zoll weit aus der Scheide hebend, »ist das Schwert der Wahrheit. Das echte, das sonst der Sucher bei sich trägt.«
Die Vorstellung, es in den Händen eines Mannes wie Stein zu wissen, fand Dalton überaus beunruhigend. »Und was tut dann Ihr damit?«
»Einer meiner Leute brachte es mir. War übrigens gar nicht so einfach.«
»Tatsächlich?«, fragte Dalton, Interesse heuchelnd.
»Um es mir zu bringen, mussten sie eine Mord-Sith gefangen nehmen. Das echte Schwert der Wahrheit, und eine echte Mord-Sith obendrein. Man stelle sich vor.«
»Eine ziemliche Leistung. Der Kaiser wird hocherfreut sein.«
»Das wird er, sobald ich ihm das Schwert zum Geschenk mache. Eure Nachricht hat ihn übrigens ebenfalls erfreut. Lord Rahl eine so vernichtende Niederlage beizubringen, das ist schon eine Leistung. Nicht mehr lange, und unsere Truppen treffen ein, dann nehmen wir ihn fest. Und die Mutter Konfessor, habt Ihr sie inzwischen gefunden?«
»Nein.« Dalton trank noch einen Schluck Wasser. »Aber Schwester Penthea hat sich mit einem Bann an der Aktion beteiligt, daher wüsste ich nicht, wie sie eine Chance haben sollte. Nach den Knöcheln meiner Leute zu urteilen, haben sie gute Arbeit geleistet.« Er hielt inne und senkte den Blick. »Bis sie erwischt und getötet wurden jedenfalls. Nein, diese Begegnung wird die Mutter Konfessor nicht überleben. Sollte sie wider Erwarten doch noch leben, werde ich früh genug davon erfahren. Ist sie dagegen tot« – er zuckte mit den Achseln –, »werden wir ihre Leiche vielleicht niemals finden.«
Dalton lehnte sich gegen den Schreibtisch. »Wann wird Jagang eintreffen?«
»Bald. Vielleicht in einer Woche, die Vorhut vielleicht schon eher. Er freut sich darauf, sich in Eurer prächtigen Stadt niederzulassen.«
Dalton kratzte sich die Stirn. Er hatte zu tun. Nicht, dass irgend etwas Wichtiges dabei gewesen wäre.
»Nun, ich bin in der Nähe, falls Ihr mich braucht«, meinte Stein.
An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ach übrigens, Dalton, Bertrand erzählte mir, Ihr hättet Euch mehr als verständnisvoll gezeigt, was ihn und Eure Gemahlin anbetrifft.«
Dalton zuckte mit den Schultern. »Wieso nicht? Sie ist bloß eine Frau. Ich brauche nur mit dem Finger zu schnippen und bekomme ein Dutzend von ihrer Sorte. Wohl kaum ein Grund, Besitz ergreifend zu werden.«
Stein schien aufrichtig erfreut. »Schön, dass Ihr Euch habt überzeugen lassen. Die Imperiale Ordnung wird Euch zusagen. Von der Vorstellung einer Besitz ergreifenden Haltung gegenüber Frauen halten wir nicht viel.«
Dalton versuchte sich vorzustellen, wo die Mutter Konfessor sich verkrochen haben mochte.
»Nun, dann wird mir die Imperiale Ordnung vermutlich gut gefallen. Von diesen Vorstellungen halte ich selber nicht viel.«
Stein kratzte seinen Stoppelbart. »Freut mich, dass Ihr so denkt, Dalton. Da dem so ist, möchte ich Euch zu Eurer Wahl dieser Hure von Gemahlin beglückwünschen.«
Dalton, der sich soeben umwandte, um einige Papiere durchzusehen, erstarrte. »Verzeihung, wie war das?«
»Oh, Bertrand borgt sie mir von Zeit zu Zeit. Er hat mit ihr geprahlt und wollte, dass ich ebenfalls meinen Teil von ihr bekomme. Ihr hat er erklärt, es sei der Wille des Schöpfers, dass sie mir zu Gefallen ist. Ich musste es Euch einfach sagen, sie ist eine ziemlich heiße Nummer.«
Stein wandte sich zur Tür.
»Da ist noch etwas«, sagte Dalton.
»Und das wäre?«, fragte Stein und drehte sich um.
Dalton ließ die Spitze seines Schwertes pfeifend kreisen und schlitzte Steins Wanst unmittelbar über dem Waffengurt auf. Er machte den Schnitt nicht tief, um nicht alles zu durchtrennen, gerade tief genug, dass Stein die Eingeweide vor die Füße quollen.
Stein rang schockiert nach Atem, sein Kiefer fiel herunter, seine Pupillen waren von einem Kranz aus Weiß umgeben, als er an sich hinabstarrte. Der Versuch, Luft zu holen, endete in einem keuchenden Grunzen.
»Wisst Ihr«, meinte Dalton, »wie sich herausstellt, bin ich doch eher der Besitz ergreifende Typ. Bedankt Euch bei den Gütigen Seelen für Euer schnelles Ende.«
Stein fiel auf die Seite. Dalton stieg über ihn hinweg, trat hinter ihn.
»Doch gerade weil es schnell war, möchte ich nicht, dass Ihr den Eindruck bekommt, Ihr könntet etwas versäumen oder ich würde Euch gar irgend etwas vorenthalten.«
Dalton packte Steins schmieriges Haar mit der Faust. Mit seinem Schwert schnitt er die Haut rings um Steins Schädel ein, dann stemmte er einen Stiefel in Steins Rücken und riss seinen Skalp herunter. Anschließend trat er wieder vor und zeigte ihn dem kreischenden Mann. »Das war übrigens für Franca. Nur, damit Ihr es wisst.«
Während Stein mit hervorquellenden Eingeweiden und einer ausgiebig blutenden Kopfwunde auf dem Boden lag, ging Dalton beiläufig zur Tür und machte sie auf, erfreut, dass der neue Mann sie trotz all des Geschreis nicht unerlaubt geöffnet hatte.
»Phil und Gregory, kommt herein.«
»Ja, Minister Campbell?«
»Phil, Stein hier beschmutzt mein Büro. Bitte helft ihm hinaus.«
»Jawohl, Minister Campbell.«
»Außerdem möchte ich nicht, dass er die Teppiche ruiniert.« Dalton warf, während er einige Papiere zur Hand nahm, einen Blick auf den schreienden Mann. »Schafft ihn dort rüber und schmeißt ihn aus dem Fenster.«