34

Nicht weit entfernt wurde Du Chaillu von den Meistern der Klinge sowie den meisten Jägern versorgt. Die Seelenfrau der Baka Tau Mana war aus der Welt der Seelen zurückgekehrt, beinahe jedenfalls, doch Richard erkannte, daß sie dabei ihre Körperwärme verloren hatte. Die Decken reichten nicht aus, daher hatte Richard den Männern erlaubt, ein Feuer anzuzünden, das sie zusätzlich wärmen sollte – unter der Bedingung, daß sie alle dicht beieinander blieben, um die Chance, überrascht zu werden, so gering wie möglich zu halten.

Zwei der Schlammenschen entfernten das Gras und hoben eine niedrige Grube aus, während die übrigen Jäger fest verschnürte Grasscheite herstellten, denen man durch Auswringen den größten Teil der Feuchtigkeit entzog. Vier der Grasbündel wurden mit einem harzigen Pech überzogen, das die Jäger bei sich trugen, und anschließend zu einer Pyramide aufgeschichtet. Als diese brannte, wurden die übrigen Grasscheite um das kleine Feuer geschichtet und zum Trocknen mit Erde bedeckt. Wenig später hatten sie trockenes Gras als Brennmaterial, und es brannte ein stattliches Feuer.

Du Chaillu sah aus wie eine wandelnde Tote. Ihr war immer noch sehr übel, aber wenigstens lebte sie. Das Atmen, obschon immer wieder von Hustenanfällen unterbrochen, fiel ihr wieder leichter. Die Meister der Klinge achteten darauf, daß sie heißen Tee trank, während die zu Glucken mutierten Jäger ein wenig Tavabrei für sie zubereiteten. Alles deutete daraufhin, daß sie sich wieder erholen und fürs erste der Welt des Lebendigen erhalten bleiben würde.

Die Vorstellung, ein Mensch könnte nach dem Tod wieder zum Leben erwachen, kam für Richard einem Wunder gleich. Hätte er nur davon gehört, statt es mit eigenen Augen zu sehen, er hätte es wohl kaum für möglich gehalten. Sein Glauben und Denken hatte sich in mehr als einer Hinsicht völlig verändert.

Für Richard bestand kein Zweifel mehr, was sie zu tun hatten.

Cara, die Arme verschränkt, sah den Männern zu, die sich um Du Chaillu kümmerten. Auch Kahlan beobachtete sie, ebenso fasziniert wie die anderen – mit Ausnahme von Cara. Daß eine Tote wieder zu atmen begann, schien für sie nichts Außergewöhnliches zu sein. Die Mord-Sith hielten offenbar andere Dinge für normal als allgemein üblich.

Richard nahm Kahlan sachte beim Arm und zog sie zu sich. »Du sagtest vorhin, seit Jahrhunderten habe niemand die Dominie Dirtch passieren können. Ist es denn überhaupt jemals vorgekommen?«

Kahlan wandte ihm ihre Aufmerksamkeit zu. »Das ist unklar und zumindest außerhalb Anderiths eine strittige Frage.«

Seit Du Chaillu Anderith zum erstenmal erwähnt hatte, wurde Richard den Eindruck nicht mehr los, daß es nicht gerade Kahlans Lieblingsort war.

»Wieso das?«

»Das ist eine Geschichte, die einiger Erklärungen bedarf.«

Richard entnahm seinem Bündel drei Stücke Tavabrot und reichte Cara und Kahlan jeweils eines davon. Dann musterte er Kahlans Gesicht.

»Ich höre.«

Kahlan, sichtlich auf der Suche nach einem Anfang, riß ein kleines Stück ihres Tavabrotes ab.

»Das inzwischen unter dem Namen Anderith bekannte Land wurde einst von einem Volk mit Namen Hakenier überfallen. Unter den Anderiern heißt es, die Hakenier hätten die Dominie Dirtch gegen das damals dort lebende Volk eingesetzt, jenes Volk, das jetzt Anderier genannt wird.

Als ich noch jung war und in der Burg der Zauberer studierte, brachte man mir dort etwas anderes bei. Wie auch immer, das Ganze liegt viele Jahrhunderte zurück. Geschichte neigt dazu, von denen verfälscht zu werden, die den Geschichtsunterricht kontrollieren. Ich möchte zum Beispiel behaupten, daß die Imperiale Ordnung ein völlig anderes Bild der Geschehnisse in Renwold an ihre Nachkommen weitergeben wird als wir.«

»Ich würde gerne etwas über die anderische Geschichte erfahren«, sagte er, während sie das Tavastück kaute, das sie abgerissen hatte. »Über die Geschichte, wie die Zauberer sie dir beigebracht haben.«

Kahlan schluckte, dann begann sie. »Nun, vor etlichen Jahrhunderten – möglicherweise vor bis zu zwei-, dreitausend Jahren – kam das Volk der Hakenier aus der Wildnis und überfiel Anderith. Man glaubt, sie seien ein weit entfernt lebendes Volk gewesen, dessen Land aus irgendeinem Grund unbewohnbar geworden war. Ähnliches ist auch schon an anderen Orten vorgekommen, zum Beispiel, wenn sich ein Flußlauf aufgrund eines Erdbebens oder einer Flutkatastrophe ändert. Ein ehemals fruchtbarer Landstrich wird zu trocken für Landwirtschaft oder Viehzucht. Ernten bleiben aus, und die Bewohner ziehen fort.

Wie dem auch sei, gemäß dem, was man mir beigebracht hat, gelang es den Hakeniern auf irgendeine Weise, die Dominie Dirtch zu passieren. Wie, weiß niemand. Viele von ihnen kamen dabei ums Leben, irgendwie gelang es ihnen jedoch, sie zu passieren, woraufhin sie das heute unter dem Namen Anderith bekannte Land eroberten.

Die Anderier waren größtenteils ein Nomadenvolk aus untereinander heftig zerstrittenen Stämmen. In Dingen wie Schriftsprache, Metallverarbeitung und Bauhandwerk oder dergleichen waren sie unterentwickelt, und ihre Gesellschaft war kaum organisiert. Kurzum, verglichen mit den hakenischen Eroberern waren sie rückständig. Nicht, daß sie unintelligent gewesen wären, nur waren die Hakenier ein Volk, das über ein höher entwickeltes Wissen und fortgeschrittene Methoden verfügte.

Auch die hakenischen Waffen waren überlegen. So verfügten sie zum Beispiel über eine Kavallerie und ein in weitem Umfang ausgeprägteres Verständnis von Koordination und Taktik. Sie hatten eine klare Befehlsstruktur, wohingegen die Anderier endlos darüber stritten, wer ihre Streitmacht anführen sollte. Dies war auch einer der Gründe, weshalb die Hakenier die Anderier nach Passieren der Dominie Dirtch mühelos bezwingen konnten.«

Richard reichte Kahlan einen Wasserschlauch. »Die Hakenier waren also ein kriegerisches Volk. Haben sie von den Eroberungen gelebt?«

Kahlan wischte sich das Wasser ab, das an ihrem Kinn herabtröpfelte. »Nein, es war nicht ihre Art, ein Land nur wegen der Beute oder der Sklaven zu erobern, denn sie führten keine reinen Beutekriege.

Sie brachten ihr umfassendes Wissen mit, angefangen bei der Herstellung von Lederschuhen bis hin zur Eisenverarbeitung. Ein des Schreibens und Lesens kundiges Volk, verstanden sie sich auf höhere Mathematik und wußten, wie man diese auf Projekte, wie zum Beispiel in der Architektur, anwendet.

Am meisten verstanden sie von Landwirtschaft in großem Stil, sie besaßen von Ochsen oder Pferden gezogene Pflüge anstelle der von Hand gehackten Gärten, wie sie die Anderier als Ergänzung zu ihren Jäger- und Sammlertätigkeiten unterhielten. Die Hakenier schufen Bewässerungssysteme und führten zusätzlich zu den anderen Getreidesorten Reis ein. Sie wußten, wie man bessere Getreidearten, wie zum Beispiel Weizen, entwickelt und kultiviert, die ihnen eine optimale Nutzung von Boden und Wasser ermöglichten. Sie waren erfahrene Pferdezüchter, auch wußten sie, wie man besseres Vieh heranzüchtete, und zogen große Herden auf.«

Kahlan gab den Wasserschlauch zurück und aß ein Stück Tavabrot. Sie gestikulierte mit dem angebissenen Brot.

»Wie bei Eroberungen üblich, herrschten die Hakenier, wie Sieger dies eben tun. Hakenische Sitten und Gebräuche ersetzten die anderischen. Friede kam über das Land, wenn auch ein von hakenischen Oberherren aufgezwungener. Ihr Vorgehen war hart, aber nicht brutal. Statt die Anderier abzuschlachten, wie bei vielen Eroberern gang und gäbe, gliederten sie die Anderier in die hakenische Gesellschaft ein, wenn auch anfangs nur als billige Arbeitskräfte.«

Richard unterbrach sie mit vollem Mund. »Dann haben die Anderier also auch von den hakenischen Sitten und Gebräuchen profitiert?«

»Ja. Unter der Führung der hakenischen Oberherrn gab es genug zu essen. Sowohl das hakenische als auch das anderische Volk gelangte zu Wohlstand. Die Einwohnerzahl der Anderier war stets gering gewesen, das Volk hatte kurz vor dem Aussterben gestanden. Angesichts des Nahrungsmittelüberflusses wuchs die Bevölkerung um ein Vielfaches.«

Du Chaillu bekam einen Hustenanfall, und jeder wandte sich zu ihr um. Richard ging in die Hocke und kramte in seinem Bündel, bis er ein Stoffpaket fand, das Nissel ihnen mitgegeben hatte. Er faltete es auseinander und fand darin einige Blätter, die Nissel ihm vor einiger Zeit gegen Schmerzen verabreicht hatte. Kahlan erklärte, die zerstoßenen Kräuter dienten dazu, den Magen zu beruhigen. Er wickelte etwas davon in ein Stück Stoff und gab Cara den Beutel mit den zerstoßenen Kräutern.

»Sag den Männern, sie sollen dies dem Tee beigeben und etwas ziehen lassen. Es wird ihrem Magen guttun. Sag Chandalen, Nissel hat es uns mitgegeben – er kann es dann Du Chaillus Leuten erklären, damit sie sich nicht sorgen.«

Cara nickte. Er legte ihr die Blätter in die Hand. »Erkläre ihr, sie soll, sobald sie den Tee getrunken hat, ein paar von diesen Blättern kauen. Das wird ihre Schmerzen lindern. Sollte ihr später erneut übel werden oder sie Magenschmerzen bekommen, kann sie noch ein weiteres Blatt zerkauen.«

Cara machte sich prompt an die Arbeit.

Vermutlich würde sie es niemals zugeben, doch Richard wußte, daß sie das befriedigende Gefühl, einem Menschen in Not zu helfen, durchaus schätzte. Er vermochte sich nicht vorzustellen, wieviel größer dieses Gefühl sein mußte, wenn man jemanden ins Leben zurückholte.

»Und was geschah daraufhin mit den Hakeniern und Anderiern? Hat alles bestens funktioniert? Haben die Anderier von den Hakeniern gelernt?« Er nahm sein Tavabrot zur Hand, um ein Stück abzubeißen. »Es herrschte nichts als Brüderlichkeit und Friede?«

»Größtenteils ja. Die Hakenier führten ein geordnetes Regierungssystem ein, während die Anderier früher untereinander völlig zerstritten waren, was oft zu blutigen Auseinandersetzungen führte. Tatsächlich hatten die erobernden Hakenier weniger Anderier getötet als diese untereinander bei ihren territorialen Streitigkeiten. Zumindest erklärten das die Zauberer, die mich unterrichteten.

Ich will zwar nicht behaupten, es sei in jeder Hinsicht fair und unparteiisch gewesen, aber immerhin verfügten die Hakenier über ein Rechtssystem: Es war besser als das primitive Gesetz der Straße, das die Anderier kannten. Nachdem sie Anderith erobert und die Menschen dort mit ihrer Lebensweise vertraut gemacht hatten, brachten sie ihnen das Lesen bei.

Die Anderier, ehedem ein rückständiges Volk, mögen vielleicht unwissend gewesen sein, aber sie waren überaus klug. Vielleicht hatten sie selber keine Ideen, aber sie verfügten über eine rasche Auffassungsgabe und eigneten sich Dinge in völlig neuem Maßstab an. In dieser Hinsicht waren und sind sie wohl noch immer brillant.«

Richard gestikulierte mit seinem eingerollten Tavabrot. »Wieso heißt es eigentlich nicht Hakenien oder ähnlich? Du hast selbst gesagt, der überaus größte Teil der Bevölkerung in Anderith sei hakenischer Abstammung.«

»Das kam später, darauf komme ich noch zu sprechen.« Kahlan riß abermals ein dickes Stück Tava ab. »So wie die Zauberer es mir erklärten, besaßen die Hakenier ein Rechtssystem, das nach ihrer Ansiedlung in Anderith und mit der Ausweitung des Wohlstandes immer weiter verbessert wurde.«

»Ein Rechtssystem, von den Eroberern?«

»Eine Zivilisation entsteht nicht in voll entwickeltem Zustand, Richard. Sie entwickelt sich in einem langwierigen Prozeß. Ein Teil dieses Prozesses besteht in der Vermischung der Völker, und zu dieser Durchmischung kommt es oft durch Eroberung, trotzdem entstehen dadurch häufig neue und zweckmäßigere Sitten und Gebräuche. Man kann Situationen nicht spontan nach so schlichten Kriterien wie Invasion und Eroberung beurteilen.«

»Aber wenn ein Volk ein Land überfällt und ein anderes Volk zwingt…«

»Nimm zum Beispiel D’Hara. Aufgrund der Eroberung – durch dich – wird es zu einem Ort der Gerechtigkeit werden, wo Folter und Mord als Herrschaftsmethoden ausgedient haben.«

Richard hatte nicht die Absicht, diesem Argument zu widersprechen. »Schon möglich. Trotzdem scheint es eine Schande, wenn eine Kultur durch eine andere zerstört wird, die sie überschwemmt. Das ist nicht fair.«

Sie bedachte ihn mit einem jener Blicke, die so sehr Zedds Art, ihn anzusehen, glichen: mit einem Blick, der besagte, sie hoffe, er werde die Wahrheit erkennen, statt mechanisch ebenso weit verbreitete wie irrige Ansichten nachzuplappern. Aus diesem Grund hörte er ihrer Erklärung aufmerksam zu.

»Keine Kultur hat von sich aus ein Recht auf Existenz. Kulturen sind nicht allein deshalb wertvoll, weil es sie gibt. Ohne manche Kulturen wäre die Welt besser dran.« Sie zog eine Braue hoch. »Ich möchte dich bitten, in diesem Zusammenhang an die Imperiale Ordnung zu denken.«

Richard entfuhr ein langer Seufzer. »Jetzt verstehe ich, was du meinst.«

Er trank einen Schluck Wasser, während sie noch etwas Tava aß. Trotzdem erschien es ihm noch immer als Unrecht, daß eine Kultur mitsamt ihrer Geschichte und Tradition ausgelöscht wurde, auch wenn er bis zu einem gewissen Punkt verstand, worauf sie hinauswollte.

»Die anderische Lebensart hörte also auf zu existieren. Du wolltest gerade etwas über das hakenische Rechtssystem sagen?«

»Ungeachtet dessen, was wir jetzt über ihre Gründe für ihre Anwesenheit dort denken, sind die Hakenier ein Volk, bei dem Fairneß in hohem Ansehen steht. Tatsächlich sehen sie darin eine wesentliche Voraussetzung für eine gerechte und gedeihende Gesellschaft. Daher räumten die folgenden Generationen von Hakeniern den von ihnen eroberten Anderiern, die sie schließlich als gleichberechtigt ansahen, im Lauf der Zeit immer mehr Freiheiten ein. Diese nachfolgenden Generationen entwickelten mit der Zeit Ansichten, die den unseren ganz ähnlich sind, bis sie das, was ihre Vorfahren dem Volk der Anderier angetan hatten, schließlich als Schande empfanden.«

Kahlan ließ den Blick über die Ebene schweifen. »Natürlich ist es einfacher, Schande zu empfinden, wenn die Schuldigen seit Jahrhunderten tot sind, vor allem, wenn einem ein solches In-Verruf-Bringen aus Nachlässigkeit einen höheren moralischen Standard verleiht, ohne daß man unter den damals gegebenen Umständen selber die Probe aufs Exempel machen mußte.

Wie auch immer, das Festhalten an ihren Vorstellungen von Gerechtigkeit erwies sich als der Anfang vom Niedergang des hakenischen Volkes. Wegen der Eroberung waren die Hakenier den Anderiern, die nie aufhörten, insgeheim auf Rache zu sinnen, stets verhaßt geblieben.«

Einer der Jäger, der Hafergrütze aufgekocht hatte, brachte ihnen ein warmes, dick mit breiiger, dampfender Hafergrütze belegtes Stück Tavabrot, das er in beiden Händen hielt. Die beiden waren froh über das warme Essen, und Kahlan bedankte sich bei ihm in seiner Sprache.

»Wie konnte es dann geschehen«, meinte Richard, nachdem sie beide einen Teil der mit süßen, getrockneten Beeren versetzen Hafergrütze verspeist hatten, »daß das hakenische Rechtssystem sich aufgrund des anderischen Rechtsempfindens dahingehend auswirkte, sie bis in unsere Zeit zu regelrechten Sklaven zu machen. Das erscheint doch kaum möglich.«

Ihm fiel auf, daß Du Chaillu, neben dem Feuer in eine Decke gehüllt, an der Hafergrütze nicht interessiert war. Cara hatte den Beutel mit den Kräutern im Tee ziehen lassen, hockte neben Du Chaillu und trug dafür Sorge, daß sie wenigstens einen kleinen Schluck aus der hölzernen Tasse trank.

»Das Rechtssystem war nicht der Grund für den Niedergang der Hakenier, Richard, sondern lediglich ein Schritt auf dem Weg nach unten – eine der ungeschminkten Tatsachen der Geschichte. Ich erzähle dir nur von den herausragenden Ereignissen, den Folgen. Kulturelle Verschiebungen wie diese sind im Laufe der Zeit ganz unvermeidlich.

Aufgrund der gerechten Gesetze gelang den Anderiern ein gesellschaftlicher Aufstieg, der sie schließlich befähigte, die Macht zu ergreifen. Anderier unterscheiden sich in ihrem Hunger nach Macht nicht von anderen Menschen.«

»Die Hakenier waren ein herrschendes Volk. Wie konnten sich diese Verhältnisse völlig ins Gegenteil verkehren?« Richard schüttelte den Kopf. Es fiel ihm schwer, der Darstellung der Zauberer Glauben zu schenken.

»In der Zwischenzeit war viel geschehen.« Kahlan leckte sich Hafergrütze von einem Finger. »Als die Anderier schließlich Zugang zu den gerechten Gesetzen bekamen, wurden diese für sie zu einem spitzen Werkzeug. Sofort nach ihrer Eingliederung in die Gesellschaft nutzten die Anderier ihre Freiheiten zur Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Stellung. Anfangs äußerte sich dies in der Teilhaberschaft an Geschäften, in der Beteiligung an den Handelsorganisationen, aus denen schließlich die Gilden hervorgingen, in der Mitgliedschaft in kleinen, örtlichen Ratsversammlungen und ähnlichem. Das Ganze vollzog sich Schritt für Schritt.

Zieh bitte keine falschen Schlüsse, auch die Anderier waren harte Arbeiter. Da die Gesetze für alle gerecht waren, konnten sie plötzlich durch Arbeit dieselben Dinge erreichen wie die Hakenier. Sie hatten Erfolg und wurden geachtet. Am wichtigsten war jedoch, sie wurden zu Geldverleihern. Wie sich herausstellte, hatten die Anderier eine Begabung für geschäftliche Dinge. Mit der Zeit vollzogen sie den Wandel von der einfachen Arbeiterklasse zur Klasse der Kaufleute. Als Kaufleute bekamen die Familien Gelegenheit, im Laufe der Jahre Vermögen anzuhäufen.

Schließlich wurden sie also Geldverleiher und dadurch zu einer finanziellen Macht. Einige wenige große und weitverzweigte anderische Familien kontrollierten einen beträchtlichen Teil der Finanzen und wurden in großem Umfang zur verborgenen Macht hinter der hakenischen Regierung. Die Hakenier wurden selbstzufrieden, die Anderier dagegen behielten ihr Ziel stets im Auge.

Zudem wurden Anderier zu Lehrern. Fast von Anfang an betrachteten die Hakenier das Unterrichten als einfache Funktion, die den Anderiern offenstehen sollte. Das gab den Hakeniern die Freiheit, sich reiferen Aspekten der Herrschaft zu widmen. Die Anderier übernahmen sämtliche Zweige des Unterrichtens – nicht nur das Unterrichten selbst – und gewannen so zunehmend die Kontrolle über die Ausbildung geeigneter Lehrer und damit über die Lehrinhalte.«

Richard schluckte einen Mund voll Hafergrütze hinunter. »Ich nehme an, das war für die Hakenier irgendwie ein Fehler?«

Kahlan gestikulierte mit ihrem angebissenen Tavabrot, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Neben Lesen und Rechnen wurden die Kinder in Geschichte und Kultur unterrichtet, angeblich damit sie in Kenntnis ihrer Stellung innerhalb der Kultur und der Gesellschaft ihres Landes aufwachsen konnten.

Nach dem Willen der Hakenier sollten alle Kinder etwas Besseres lernen als Krieg und Eroberung. Sie waren überzeugt, die anderischen Lehren von den brutalen hakenischen Eroberungen auf Kosten des edlen anderischen Volkes würden den Kinder helfen, zivilisiert und mit Achtung vor anderen aufzuwachsen. Stattdessen führten die Schuldgefühle, die dadurch in den jungen Köpfen entstanden, zum Abbau des Zusammenhalts innerhalb der hakenischen Gesellschaft und des Respekts vor der hakenischen Herrschaft.

Die gesamte Wirtschaft fußte auf der Erzeugung von Getreide – hauptsächlich von Weizen. Farmen machten Bankrott, und die Farmer konnten das für die Ausfuhr bestimmte Getreide nicht liefern, für das die Kaufleute sie bereits bezahlt hatten. Schulden wurden für fällig erklärt, als jeder versuchte, in diesen schweren Zeiten zu überleben. Wer über keine größeren finanziellen Rücklagen verfügte, verlor seine Farm.

Möglicherweise verordnete die Regierung dem ökonomischen System bestimmte Zwangsmaßnahmen, um die Panik einzudämmen, die herrschenden Hakenier befürchteten jedoch, das Mißfallen der Geldverleiher zu erregen, die sie unterstützten.

Und schließlich entstanden noch gewaltigere Probleme: Die ersten Menschen starben, es kam zu Hungeraufständen. Fairfield wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Hakenier und Anderier gleichermaßen erhoben sich in gewalttätigen, zügellosen Aufständen. Das Land versank im Chaos. Viele wanderten in andere Länder aus, in der Hoffnung, dort eine neue Existenz zu finden, ehe sie verhungerten.

Die Anderier jedoch benutzen ihr Geld, um Lebensmittel aus dem Ausland zu kaufen. Nur dank der finanziellen Mittel der wohlhabenden Anderier war es möglich, Lebensmittel von weit her einzukaufen, und diese Vorräte waren es, die den meisten Menschen die Hoffnung auf ein Überleben gaben. Die Anderier mit ihren Lebensmittelvorräten aus dem Ausland wurden als Erretter angesehen.

Die Anderier kauften bankrotte Geschäfte und Farmen auf von Leuten, die dringend Geld benötigten. Allein dem Geld der Anderier, so wenig es war, sowie ihren Lebensmittelvorräten war es zu verdanken, daß die meisten Familien nicht verhungern mußten.

Erst in diesem Augenblick begannen die Anderier, ihren wahren Preis einzufordern und Rache zu nehmen.

Der Mob auf den Straßen machte die von den Hakeniern geführte Regierung für die Hungersnot verantwortlich. Anderier mit ihren Handelsverbindungen schürten den Aufstand und weiteten ihn von einem Ort zum nächsten aus. Das Land versank in Anarchie, während die hakenischen Herrscher in den Straßen gelyncht und ihre Leichen vor den jubelnden Massen durch die Straßen geschleift wurden.

Hakenische Gelehrte weckten die Blutgier des verängstigten Volkes, da sie irgendwie für die Hungersnot verantwortlich zu sein schienen. Gut ausgebildete Hakenier wurden als Feinde des Volkes angesehen, selbst von der Mehrheit der Hakenier, die Bauern oder Arbeiter waren. Es kam zu blutigen Säuberungswellen gegen die Gebildeten. Im Verlauf dieser Aufstände und dieses Zustandes der Gesetzlosigkeit wurde die gesamte herrschende Klasse der Hakenier systematisch umgebracht. Jeder Hakenier, der über irgendwelche höheren Qualifikationen verfügte, war verdächtig und wurde hingerichtet.

In kurzer Zeit hatten die Anderier, sei es auf finanziellem Weg oder durch den Pöbel, jedes noch verbliebene Geschäft und Unternehmen in den Ruin geführt.

In diesem Vakuum ergriffen die Anderier die Macht und schufen Ordnung – mit Lebensmitteln für ein verhungerndes Volk, das aus Anderiern und Hakeniern gleichermaßen bestand. Als sich der Staub legte, hatten die Anderier die Kontrolle über das Land an sich gerissen, und dank der starken Söldnerstreitkräfte, die anzuheuern sie sich leisten konnten, hielten sie das Land bald darauf in eisernem Griff.«

Richard hatte zu essen aufgehört. Er konnte kaum glauben, was er hörte, und blickte wie erstarrt vor sich hin, während Kahlan mit ausholenden Handbewegungen den Niedergang der Vernunft schilderte.

»Die Anderier stellten alles auf den Kopf, aus Schwarz wurde Weiß und umgekehrt. Sie verkündeten, Hakenier seien aufgrund der uralten hakenischen Tradition des Unrechts gegenüber den Anderiern nicht imstande, einen Anderier gerecht zu beurteilen. Die Anderier dagegen beteuerten, sie hätten, da sie so lange Opfer der gottlosen hakenischen Oberherren gewesen seien, das Wesen der Ungleichheit verstanden und seien demzufolge als einzige berechtigt, in Fragen der Gerechtigkeit zu entscheiden.

Schreckliche Geschichten hakenischer Grausamkeit wurden zur Währung gesellschaftlicher Geltungssucht. In dem Versuch, die entsetzlichen Vorwürfe zu entkräften, und um zu verhindern, von den gut bewaffneten Truppen selektiert zu werden, unterwarfen sich verängstigte Hakenier bereitwillig der anderischen Autorität und den erbarmungslosen Söldnern. Die Anderier, die so lange auf Macht hatten verzichten müssen, nutzten ihren Vorteil gnadenlos aus. Hakeniern wurde verboten, Machtpositionen zu bekleiden. Wahrscheinlich, weil die hakenischen Oberherren von den Anderiern verlangt hatten, sie mit Nachnamen anzureden, wurde den Hakeniern nach einer Weile das Recht auf einen Nachnamen verweigert, es sei denn, sie erwiesen sich als würdig und erhielten eine besondere Erlaubnis.«

»Aber haben sie sich denn nicht vermischt?« fragte Richard. »Haben die Hakenier und Anderier nach all diesen Jahren nicht untereinander geheiratet?«

Kahlan schüttelte den Kopf. »Die Anderier, ein großgewachsenes, dunkelhaariges Volk, hielten es von Anfang an für ein Verbrechen gegen den Schöpfer, die rothaarigen Hakenier zu ehelichen. Sie waren überzeugt, der Schöpfer habe in seiner Weisheit die Menschen unterschiedlich erschaffen. Sie glaubten nicht daran, daß die Menschen sich mischen sollten wie Vieh, dem eine neue Eigenschaft angezüchtet werden soll – wie die Hakenier dies getan hatten. Ich will nicht behaupten, daß es nicht gelegentlich vorkam, aber bis zum heutigen Tag ist dergleichen überaus selten.«

Richard rollte seinen letzten Bissen Tava mit Hafergrütze zusammen. »Und wie ist es jetzt dort?« Er schob sich den Bissen in den Mund.

»Da nur die mit den Füßen Getretenen – die Anderier – unbescholten sein können, eben weil sie unterdrückt werden, dürfen auch nur sie herrschen. Sie lehren, die hakenische Unterdrückung dauere bis zum heutigen Tag an. Schon der Blick eines Hakeniers kann als Ausdruck des Hasses gewertet werden. Hakenier dagegen können niemals unterdrückt und damit unbescholten sein, da sie von Natur aus korrupt sind. Zur Zeit ist es gegen das Gesetz, daß Hakenier lesen lernen, aus Angst, sie könnten abermals die Herrschaft an sich reißen und das Volk der Anderier weiterhin brutal behandeln und massakrieren – so sicher wie auf den Tag die Nacht folgt, um es mit ihren Worten auszudrücken. Man verlangt von den Hakeniern, daß sie Bußversammlungen genannte Schulungen besuchen, um sie bei der Stange zu halten. Die Vorherrschaft der Anderier über die Hakenier ist zur Zeit völlig durchorganisiert und in Gesetzen festgelegt.

Vergiß bitte nicht, Richard, die Geschichte, wie ich sie dir jetzt erzähle, wurde mir von den Zauberern beigebracht. Was die Anderier lehren, ist etwas vollkommen anderes. Sie lehren, sie seien ein unterdrücktes Volk gewesen, das nach jahrhundertelanger Unterdrückung aufgrund seines höheren Wesens einmal mehr seine kulturelle Überlegenheit geltend gemacht hat. Nach allem, was ich weiß, könnte ihre Version sogar stimmen.«

Richard war mittlerweile aufgestanden und zog, die Hände in die Hüften gestemmt, ein ungläubiges Gesicht. »Und das hat der Rat in Aydindril gestattet? Dort hat man zugelassen, daß die Anderier die Hakenier auf diese Weise zu Sklaven machen?«

»Die Hakenier unterwerfen sich widerstandslos. Sie glauben, was ihnen die anderischen Lehrer beigebracht haben – daß es so besser ist.«

»Aber wie kann der Zentrale Rat eine solche Verdrehung der Gerechtigkeit zulassen?«

»Du vergißt, daß die Midlands ein Bund souveräner Länder waren. Die Konfessoren setzten sich dafür ein, daß die Herrschaft in den Midlands bis zu einem gewissen Maß gerecht war. Wir haben nie die Ermordung politischer Gegner und ähnliches hingenommen, wenn sich aber ein Volk wie die Hakenier bereitwillig mit den Zuständen in ihrem Land einverstanden erklärte, hatte der Rat wenig Einfluß. Brutale Formen der Machtausübung stießen auf Widerstand, bizarre Formen der Machtausübung nicht.«

Richard warf die Hände in die Höhe. »Aber die Hakenier sind nur deswegen einverstanden, weil sie diesen Unsinn eingetrichtert bekommen. Sie wissen doch überhaupt nicht, wie lächerlich das ist. Das ist dasselbe wie der Mißbrauch eines unwissenden Volkes.«

»In deinen Augen ist es vielleicht Mißbrauch. Sie sehen das anders, nämlich als einen Weg zum Frieden in ihrem Land. Das ist ihr gutes Recht.«

»Die Tatsache, daß man sie absichtlich unwissend hält, beweist, daß es sich um einen Mißbrauch handelt.«

Sie neigte den Kopf in seine Richtung. »Hast du mir nicht gerade selbst erklärt, die Hakenier hätten kein Recht, die anderische Kultur zu zerstören? Und jetzt argumentierst du, der Rat hätte ebendies tun sollen?«

Die Enttäuschung stand Richard ins Gesicht geschrieben. »Du sprichst vom Rat der Midlands?«

Kahlan trank noch einen Schluck und reichte ihm dann den Wasserschlauch.

»Dies alles liegt Jahrhunderte zurück. Kein Land war stark genug, ein Gesetz in den übrigen Midlands durchzusetzen. Wir versuchten lediglich, mit Hilfe des Rates zusammenzuarbeiten. Die Konfessoren schritten ein, sobald ein Herrscher seine Schranken überschritt.

Hätten wir vorschreiben wollen, wie die einzelnen Länder zu regieren seien, wäre der Bund auseinandergebrochen, und an die Stelle von Vernunft und Zusammenarbeit wären kriegerische Auseinandersetzungen getreten. Ich behaupte nicht, er war perfekt, Richard, aber zumindest hat er den meisten Menschen ein Leben in Frieden ermöglicht.«

Er seufzte. »Vermutlich. Ich bin kein Experte in Regierungsdingen. Vermutlich hat er den Völkern der Midlands über Jahrtausende gute Dienste geleistet.«

Kahlan nagte an ihrem Tavabrot. »Geschehnisse wie die in Anderith sind der Grund dafür, daß ich verstanden habe, was du erreichen möchtest, und daran glaube, Richard. Bis zu deinem von D’Hara unterstützten Aufstieg war kein Land alleine stark genug, ein gerechtes, für alle Völker geltendes Recht festzuschreiben. Gegen einen Widersacher wie Jagang war der Bund der Midlands chancenlos.«

Richard vermochte sich nicht recht vorzustellen, wie es für sie als Mutter Konfessor gewesen sein mußte, ihr Lebenswerk in die Brüche gehen zu sehen. Richards Vater, Darken Rahl, hatte Ereignisse in Gang gesetzt, die die gesamte Welt verändert hatten. Zumindest Kahlan hatte das Chaos als Chance begriffen.

Richard rieb sich die Stirn und überlegte, was als nächstes zu tun war.

»Also gut, jetzt weiß ich ein wenig über die Geschichte Anderiths. Wäre mir die Geschichte D’Haras bekannt, würde ich sie bestimmt noch unerquicklicher finden, trotzdem erkennt man mich dort als Führer an und kämpft für die Gerechtigkeit – so seltsam das auch klingen mag. Die Seelen wissen, einige Völker haben mir die Verbrechen aus der Vergangenheit D’Haras um meinen Rahl’schen Hals gehängt.

Nach dem, was du mir von der anderischen Geschichte erzählt hast, handelt es sich offenbar um ein Volk, das sich niemals der Herrschaft der Imperialen Ordnung unterwerfen würde. Glaubst du, wir könnten Anderith dazu bringen, sich uns anzuschließen?«

Kahlan atmete tief durch, während sie darüber nachdachte. Er hatte gehofft, sie würde zustimmen, ohne lange überlegen zu müssen.

»Sie werden von einem Herrscher regiert, der gleichzeitig ihr religiöser Führer ist. Dieser Aspekt der anderischen Gesellschaft geht auf den religiösen Glauben der Anderier zurück. Die Direktoren des Büros für Kulturelle Zusammenarbeit entscheiden darüber, wer auf Lebenszeit zum Herrscher ernannt wird. Angeblich sind die Direktoren eine moralische Instanz, die den zum Herrscher Ernannten überwacht – in etwa vergleichbar mit dem Obersten Zauberer, der die Aufgabe hat, den Richtigen zum Sucher zu ernennen.

Das anderische Volk glaubt, wenn der zum Herrscher Ernannte erst von den Direktoren gesalbt ist, überschreitet er die Grenzen fleischlichen Seins und tritt mit dem Schöpfer selbst in Verbindung. Manch einer ist der tiefen Überzeugung, er sei die Stimme des Schöpfers in dieser Welt. Einige betrachten ihn mit derselben Ehrerbietung, die eigentlich dem Schöpfer vorbehalten sein sollte.«

»Dann ist er es also, den wir überzeugen müssen, sich uns anzuschließen?«

»Teils, teils. Genaugenommen führt der Herrscher jedoch gar nicht die Alltagsgeschäfte der Regierung. Er ist mehr eine Art Symbolfigur, die vom Volk für das geliebt wird, was sie repräsentiert. Heutzutage stellen die Anderier weniger als vielleicht zehn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung, trotzdem hat sich an der Einstellung der Hakenier für ihren Herrscher nichts geändert: Er besitzt die Macht, der übrigen Regierung einen bestimmten Kurs zu verordnen, häufiger jedoch stimmt er einfach dem von ihr beschlossenen zu. Die Verwaltung Anderiths obliegt größtenteils dem Minister für Kultur. Der Minister legt fest, was im Land geschehen soll. Das wäre in unserem Fall ein Mann namens Bertrand Chanboor.

Das Büro des Ministers für Kultur unmittelbar vor den Toren Fairfields bildet das Regierungsgremium, das letztlich die Entscheidungen trifft. Die Abgesandten, die ich in Aydindril angetroffen habe, werden unsere Worte an Bertrand Chanboor weiterleiten.

Unabhängig von seiner dunklen Vergangenheit, stellt Anderith heute unbestritten eine Macht dar, mit der man rechnen muß. Die alten Anderier mögen ein primitives Volk gewesen sein, doch diese Zeiten sind vorbei. Es sind wohlhabende Kaufleute, die über weitreichende Handelsbeziehungen und unermeßliche Reichtümer verfügen. Mit ebensolchem Geschick regieren sie, sie haben ihre Macht und das Land sicher im Griff.«

Richard ließ den Blick suchend über das Grasland schweifen. Seit die Chimäre aufgetaucht war, um Du Chaillu zu töten, und er zum ersten Mal gespürt hatte, wie sich ihm die Haare im Nacken sträubten, achtete er auf das Gefühl in der Hoffnung, es beim nächsten Mal eher zu erkennen und alle rechtzeitig warnen zu können.

Er blickte hinüber zu Cara, die Du Chaillu mit Hafergrütze fütterte. Sie mußte zurück zu ihrem Volk, statt ihr ungeborenes Kind kreuz und quer durch die Lande zu tragen.

»Außerdem sind die Anderier keine satten, verweichlichten, trägen Kaufleute«, fuhr Kahlan fort. »Bis auf die Armee, in der nach außen hin so etwas wie Gleichberechtigung herrscht, dürfen ausschließlich Anderier Waffen tragen, und gewöhnlich können sie gut damit umgehen. Die Anderier sind, was immer du über sie denken magst, keine Narren und lassen sich auch nicht leicht von etwas überzeugen.«

Richard, in Gedanken bereits Pläne schmiedend, ließ den Blick abermals über das Grasland wandern.

»Jagang hat sowohl in Ebinissia als auch Renwold bewiesen«, meinte er, »was er Völkern antut, die sich weigern, sich ihm anzuschließen. Wenn Anderith sich nicht uns anschließt, wird es abermals Opfer einer Invasion durch Fremde werden. Nur wird den Invasoren diesmal jedes Gespür für Gerechtigkeit abgehen.«

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