Roberta legte den Kopf in den Nacken und reckte den Hals vor, um den Blick, vorsichtig über den Rand der nahen Klippe hinwegspähend, über die fruchtbaren Felder ihres geliebten Nareeftales tief unten schweifen zu lassen. Frisch gepflügte Felder von dunkler, sattbrauner Farbe wechselten sich mit atemberaubenden, leuchtend grünen Flächen frisch ausgesäter Feldfrüchte und den dunkleren grünen Weideflächen ab, auf denen wie bedächtige, winzige Ameisen wirkendes Vieh das zarte, junge Gras abweidete. Durch all dies mäanderte, im frühmorgendlichen Licht der Sonne glitzernd, der Fluß Dammar, auf seinem Weg begleitet von einer Reihe dunkelgrüner Bäume, die extra angetreten zu sein schienen, um sich die prächtige Parade des Flusses anzuschauen.
Wann immer sie in die Wälder nahe der Nistklippe hinaufstieg, gönnte sie sich diesen Blick aus der Ferne, nur um das hübsche Tal unter ihr in Augenschein nehmen zu können. Nach diesem kurzen Ausblick richtete sie den Blick stets auf den schattigen Waldboden zu ihren Füßen, auf das herumliegende Laub und die moosbewachsenen Stellen zwischen den versprengten, sonnenbeschienenen Flecken, wo der Untergrund fest war und ihr Sicherheit gab.
Roberta verschob den über die Schulter geschlungenen Sack und setzte ihren Weg fort. Geschickt manövrierte sie über die unbewachsenen Stellen zwischen den Heidelbeer- und Weißdornsträuchern, trat auf Steine, die wie Inseln inmitten dunkler Spalten und Löcher lagen, und tauchte unter niedrigen Fichtenzweigen und Erlenästen hindurch, schlug auf der Suche – stets auf der Suche – mit ihrem Spazierstock hier einen Farn, dort einen niedrigen, wuchernden Balsamast zur Seite, während sie unablässig weiterging.
Sie erspähte einen vasenförmigen, gelben Hut und bückte sich, um ihn in Augenschein zu nehmen. Ein Pfifferling, wie sie zu ihrer Freude bemerkte, und kein giftiger Elmsfeuerpilz. Die meisten Menschen schätzten den gelben Pfifferling wegen seines nussigen Geschmacks. Sie umfaßte den Stiel mit einem Finger und pflückte ihn heraus. Bevor sie ihren Fund in den Sack steckte, strich sie, allein wegen des angenehm weichen Gefühls, mit dem Daumen über die federsanften Lamellen.
Verglichen mit all den anderen, die ringsum in die Höhe ragten, war der Berg, auf dem sie nach ihren Pilzen suchte, eher klein und – abgesehen von der Nistklippe – angenehm gerundet, mit Pfaden, die, manchmal von Menschen, meist aber von Tieren gemacht, die sanften, bewaldeten Hänge einander kreuzend überzogen. Es war die Art von Wald, die ihren alt werdenden Muskeln und den zunehmend schmerzenden Knochen zupaß kam.
Es hieß, von vielen der höheren Berge aus könne man das weit südlich gelegene Meer erkennen. Sie hatte schon oft gehört, es sei ein begeisternder Anblick. Viele kletterten alle ein, zwei Jahre dort hinauf, um die Herrlichkeit des Schöpfers an seinem Werk in Augenschein zu nehmen.
Einige dieser Pfade führten den Benutzer an den schroffen Rändern der Klippen und Geröllhänge entlang. Manch einer hütete sogar Ziegen- oder Schafherden auf diesen steilen, felsigen Hängen. Doch abgesehen von einer Wanderung als kleines Kind, als ihr Vater, möge seine Seele ruhen, sie – aus welchem Grund, war ihr entfallen – bis nach Fairfield mitgenommen hatte, war sie nie dort oben gewesen. Roberta gab sich damit zufrieden, in der Nähe des Schwemmlandes zu bleiben. Im Gegensatz zu vielen anderen stieg Roberta nie in die höheren Berge hinauf, denn große Höhen machten ihr Angst.
Weiter bergauf, im Hochland, gab es noch erheblich üblere Orte, so zum Beispiel das hoch oben gelegene Ödland, in dem die Kriegervögel nisteten.
In dieser trostlosen, unbewohnten Gegend existierte nichts außer den im giftigen Sumpfwasser gedeihenden Pakapflanzen, weder ein Grashalm noch der Schößling irgendeines verkrüppelten Gestrüpps. Auch sonst gab es dort oben nichts, wie sie hatte berichten hören, nur die endlose Weite düsteren, steinigen, sandigen Bodens sowie ein paar ausgebleichte Knochen. Es sei eine fremde Welt, berichteten jene, die es mit eigenen Augen gesehen hatten, lautlos bis auf den Wind, der den dunklen, sandigen Staub zu Hügeln schichtete, die mit der Zeit ihre Lage änderten, immer in Bewegung, als seien sie auf der Suche nach etwas, ohne es jemals zu finden.
Die tieferliegenden Berge – wie jene, auf denen sie nach Pilzen suchte – waren wundervolle, üppig bewachsene Orte, größtenteils runder und sanfter und bis auf die Nistklippe längst nicht so steil und felsig. Sie mochte es, wenn alles voller Bäume und Tiere war und alle möglichen Pflanzen gediehen. Die Wildwechsel, nach denen sie Ausschau hielt, blieben den schroffen Kanten, die ihr nicht behagten, fern und kamen der Nistklippe, wie sie genannt wurde, weil dort gern Falken nisteten, niemals wirklich nahe. Sie liebte die tiefen Wälder, in denen ihre Pilze wuchsen.
Roberta sammelte Pilze, um sie auf dem Markt zu verkaufen; manche frisch, andere getrocknet, einige eingelegt, wieder andere auf unterschiedlichste Weise zubereitet. Die meisten Menschen nannten sie Pilzfrau und kannten sie auch unter keinem anderen Namen. Auf dem Markt verkauft, halfen die Pilze ihrer Familie, ein wenig Geld als Tauschmittel für die Dinge zu verdienen, die das Leben leichter machten: Nadel und Faden, etwas fertiges Tuch, Schnallen und Knöpfe, eine Lampe, Öl, Salz, Zucker, Zimt, Nüsse – Dinge, die ein sorgloseres Dasein ermöglichten. Ein sorgloseres Dasein für ihre Familie, und insbesondere für ihre vier noch lebenden Enkelkinder. Robertas Pilze verhalfen ihnen zu all jenen Dingen, die sie als Ergänzung dessen benötigten, was sie selber anbauten oder herstellten.
Natürlich ließen sie sich auch gut essen. Am liebsten mochte sie die Pilze, die in den Wäldern oben auf dem Berg und nicht unten im Tal wuchsen. Die Pilze, die dort oben häufig von den tief hängenden Wolken heimgesucht wurden, gediehen in dem feuchten Klima überaus gut. Sie war stets der Ansicht gewesen, es gebe keine besseren Pilze als die von oben auf dem Gipfel, und viele Menschen suchten sie extra wegen dieser Bergpilze auf. Zudem hatte Roberta ihre geheimen Stellen, wo sie jedes Jahr die allerbesten Exemplare fand. Die großen Taschen ihrer Schürze waren, genau wie der Sack über ihrer Schulter, sichtlich voll und rund gefüllt.
Wegen der frühen Jahreszeit hatte sie hauptsächlich ausgedehnte Haufen braungelber Austernpilze entdeckt. Ihre fleischigen, zarten Hüte waren am besten, wenn man sie in Ei wälzte und briet, sie würde sie daher frisch verkaufen. Sie hatte jedoch Glück gehabt und würde Pfifferlinge sowohl zum Trocknen als auch frisch anbieten können. Außerdem hatte sie eine stattliche Anzahl von Fasanenrückenpilzen gefunden, die man am besten einlegte, wenn man den höchsten Preis erzielen wollte.
An den meisten Stellen war es für Wollsamtpilze noch zu früh, später im Sommer dagegen waren sie durchaus weit verbreitet. Sie hatte trotzdem eine ihrer Lieblingsstellen aufgesucht, wo es eine Vielzahl von Fichtenstümpfen gab, und dort einige der ockerfarbenen Wollsamtpilze entdeckt, die zur Herstellung von Farbstoff verwendet wurden. Roberta hatte sogar eine faulige Birke mit einem Büschel rauchig brauner Polyporlinge ausfindig gemacht. Die nierenförmigen Pilze wurden gerne von Köchen benutzt, um ein Feuer in Gang zu halten, sowie von Männern, um ihre Rasiermesser abzuziehen.
Auf ihren Wanderstab gestützt, bückte sich Roberta über einen harmlos aussehenden Pilz von bräunlicher Farbe. Er hatte einen Ring um seinen schmutzig weißen Stengel. Sie sah, daß die gelblichen Lamellen im Begriff waren, eine rostrote Farbe anzunehmen, auch für diesen Pilz war es die richtige Jahreszeit. Mit einem Grunzen machte sie ihrem Mißfallen Luft, ließ den tödlich giftigen Nadelholzhäubling stehen und ging weiter.
Unter die ausladenden Zweige einer Eiche zurückgekehrt, deren Umfang dem ihrer beiden Ochsen entsprach, wenn sie Schulter an Schulter ins Joch gespannt wurden, pflückte sie drei würzige Pfifferlinge von stattlicher Größe. Diese besonders würzige Sorte wuchs fast ausschließlich unter Eichenholz; sie waren bereits von Gelb zu Orange übergegangen, würden also ausgezeichnet schmecken.
Roberta wußte genau, wo sie sich befand, allerdings hatte sie ihren gewohnten Pfad verlassen, daher war ihr die riesige Eiche zuvor nie aufgefallen. Als sie die Baumkrone erblickte, wußte sie augenblicklich, daß dies wegen des dichten Schattens eine gute Stelle für Pilze sein mußte. Sie wurde nicht enttäuscht.
Am Fuß der Eiche, rings um die Stelle, wo dieser aus dem Erdboden wuchs, entdeckte sie zu ihrem Entzücken ein Büschel kleiner Röhrlinge oder Rindervenen, wie manche sie nannten, weil die aufrechten, roten Röhren manchmal eine kräftig rote Farbe aufwiesen, die an ein zusammengebundenes, auf gleicher Höhe abgeschnittenes Bündel Adern erinnerte. Diese hier waren allerdings eher rosa, Roberta hielt dennoch nicht viel von ihnen. Manche kauften sie allerdings wegen ihres herben Geschmacks, außerdem waren sie eher selten, daher erzielten sie einen anständigen Preis.
Unter dem Baum, im tiefen Schatten, stand ein Ring aus Seelenglocken, so genannt wegen ihrer glockenartigen Hüte. Sie waren nicht giftig, wegen ihres bitteren Geschmacks und ihres hölzernen Fleisches mochte sie jedoch niemand. Schlimmer noch, die Menschen glaubten, jeder, der in ihren Ring trat, würde verhext werden, daher weigerten sich die meisten Menschen, die wunderhübschen Seelenglocken auch nur anzusehen. Schon seit sie laufen gelernt und ihre Mutter sie zum Pilzesuchen mitgenommen hatte, war Roberta durch Seelenglockenringe gelaufen. Sie hielt nicht viel von diesem Aberglauben über ihre geliebten Pilze, trat in den Ring der Seelenglocken, stellte sich vor, ihre feinen Glöckchen zu hören, und sammelte die kleinen Röhrlinge ein.
Einer der ausladenden Äste der Eiche hing tief genug, um einen Sitz zu bilden. Er war so breit wie ihre üppige Hüfte und so bequem und trocken, daß man sich gut darauf niederlassen konnte.
Roberta ließ ihren Sack zu Boden gleiten. Mit einem Seufzer der Erleichterung lehnte sie ihre müden Knochen an einen anderen Ast, der gerade im richtigen Winkel nach oben gebogen war, um Schulter und Kopf abzustützen. Der Baum schien sie wie eine schützende Hand zu umschließen.
Versunken in einen Tagtraum hielt sie es für einen Teil des Traumes, als sie ein Flüstern hörte, das wie ihr Name klang. Es war ein angenehmes, leises Geräusch, mehr eine Ahnung schöner Dinge und angenehmer Gedanken denn ein Wort.
Beim zweiten Mal wußte sie, es gehörte nicht zu ihrem Tagtraum, zudem war sie jetzt sicher, daß es ihr Name war, der dort gesprochen wurde, wenn auch auf eine Weise, die sehr viel intimer war als ein gesprochenes Wort.
Entscheidend war, daß die Art, wie es gesprochen wurde, eine Saite ihres Herzens zum Klingen brachte. Es klang wie die Musik der Seele selbst: voller Freundlichkeit, Mitgefühl und Wärme. Sie seufzte leise, es machte sie glücklich, legte sich über sie wie der wärmende Schein der Sonne an einem kühlen Tag.
Beim dritten Mal setzte sie sich auf, um nachzusehen. Sie sehnte sich danach, den Ursprung einer so bezaubernden Stimme zu ergründen. Noch in der Bewegung hatte sie das Gefühl, Teil eines ihrer Tagträume zu sein, friedvoll und zufrieden. Der Wald ringsum schien in der Morgensonne zu funkeln, zu erglühen.
Roberta entfuhr ein leises Stöhnen, als sie ihn nicht weit entfernt erblickte.
Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen, und doch kam es ihr so vor, als hätte sie ihn immer schon gekannt. Sie begriff, daß er ein altvertrauter Freund war, ein Labsal, ein Verbündeter im Geiste seit der Jugendzeit, obwohl sie zuvor nie viel darüber nachgedacht hatte. Er war es, der ihr auf Schritt und Tritt gefolgt war, wie es schien. Der, an den sie immer dachte, wenn sie sich ihren Tagträumen hingab. Das vage und dennoch so bekannte Gesicht.
Jetzt wurde ihr bewußt, er war ebenso wirklich, wie sie ihn sich vorgestellt hatte, wenn sie ihn in ihren Phantasien küßte, was sie getan hatte, seit sie alt genug war, um zu wissen, daß ein Kuß mehr war als das, was die Mutter einem vor dem Zubettgehen gab. Seine Küsse gab es im Bett, voller Wärme und Innigkeit.
Sie hatte nie geglaubt, er könnte wirklich sein, doch jetzt war sie sicher, es immer schon gewußt zu haben. So wie er dort stand und ihr in die Augen sah, wie konnte er da nicht wirklich sein? Sein wirres Haar ließ sein strahlendes Gesicht frei, und man sah sein freundliches Lächeln, wenn es sie auch verwirrte, daß sie nicht hätte sagen können, wie er nun tatsächlich aussah. Gleichzeitig jedoch war ihr sein Gesicht ebenso vertraut wie das eigene.
Außerdem kannte sie alle seine Gedanken, genau wie er alle ihre Gedanken und Sehnsüchte kannte. Er war ihr wahrer Seelenverwandter.
Sie kannte seine Gedanken und brauchte seinen Namen nicht. Daß sie seinen Namen nicht kannte, war lediglich Beweis dafür, daß sie auf einer geistigen Ebene miteinander verbunden waren, die über Worte hinausging.
Und nun war er aus dem Dunst dieser spirituellen Welt herausgetreten, denn er gehörte zu ihr wie sie zu ihm.
Er reichte ihr seine perfekt geformte Hand. Sein Lächeln war wissend, liebevoll und freundlich. Er verstand sie, verstand Dinge bei ihr, die nie ein anderer würde verstehen können. Sie weinte vor Freude über dieses Verständnis, das Verständnis für ihre Seele.
Seine Hand öffnete sich für sie, er lockte sie mit seinem Verlangen. Roberta griff nach seiner Hand und spürte tief in ihrem Herzen, wie sehr es sie nach ihm verlangte.
Fast glaubte sie zu schweben. Ihre Füße streiften den Erdboden so leicht wie ein Atemhauch, der einen Blütenflaum erfaßt. Ihr Körper trieb wie Pflanzen im Wasser, als sie sich nach ihm reckte, nach seiner Umarmung.
Je näher sie kam, desto wärmer wurde ihr. Nicht warm wie von der Sonne auf ihrem Gesicht, sondern warm wie von um den Hals geschlungenen Kinderarmen. Warm wie die Arme ihrer Mutter auf ihrem Körper, wie das Lächeln und der süße Kuß eines Geliebten.
Ihr gesamtes Leben lief auf diesen einen Punkt hinaus, auf das Verlangen, in seine Arme zu sinken und seine zärtliche Umarmung zu spüren, auf das Verlangen, ihm ihre Sehnsucht zuzuflüstern, weil sie wußte, er würde es verstehen, auf das Verlangen nach dem zarten Hauch von seinen Lippen an ihrem Ohr, wenn er ihr sagte, er verstehe sie.
Sie brannte darauf, ihm flüsternd ihre Liebe zu gestehen, zu hören, wie er das Flüstern erwiderte.
Nach nichts in ihrem Leben sehnte sie sich mehr als nach diesen Armen, die ihr so vertraut erschienen.
Ihre Muskeln waren nicht mehr müde, ihre Glieder taten nicht mehr weh. Sie war nicht länger alt, die Jahre waren von ihr abgefallen wie Kleider in den befreienden Händen eines Geliebten, bevor sie dazu übergingen, sich mit dem wahren Wesen ihres Seins zu befassen.
Wegen ihm, ihm allein, stand sie wieder in der einnehmenden Blüte ihrer Jugend, wo alles möglich war.
Ganz ruhig streckte er ihr die Arme entgegen, sein Verlangen nach ihr war ebenso groß wie ihres nach ihm. Sie streckte sich nach seiner Hand, doch sie schien weiter weg, sie streckte sich noch mehr, und wieder war sie weiter fort.
Ein jähes Gefühl der Panik überkam sie, als sie Angst bekam, er könnte verschwunden sein, bevor sie ihn endlich berühren konnte. Ihr war, als schwimme sie in Honig und käme nicht voran. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich nach seiner Berührung gesehnt. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich danach gesehnt, sich ihm anzuvertrauen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich danach gesehnt, ihre Seele mit der seinen zu vereinen.
Und jetzt entglitt er ihr.
Roberta, die Beine bleischwer, sprang durch die frühlingshafte Sonne, durch die süße Luft, und lief ihrem Geliebten in die Arme.
Und wieder war er weiter fort.
Er öffnete die Arme, um sie zu empfangen. Sie spürte sein Verlangen. Sie sehnte sich danach, ihn zu trösten, ihn vor Leid zu bewahren, sein Streben zu erleichtern.
Er spürte ihre Sehnsüchte, rief laut ihren Namen, um sie in ihrem Bemühen zu bestärken, zu ihm zu kommen. Als sie den Namen von seinen Lippen hörte, ging ihr das Herz vor Freude auf. Es ging ihr auf, während sie das quälende Verlangen spürte, die Leidenschaft zu erwidern, die er in ihren Namen legte.
Weinend flehte sie, seinen Namen zu erfahren, jetzt, da sie ihrer unsterblichen Liebe einen zu geben vermochte.
Sie reckte sich ihm mit aller Kraft entgegen. Sie legte ihr ganzes Sein in diesen verwegenen Sprung, ihn zu erreichen, und gab bis auf das heftige Verlangen, ihn zu erreichen, alles Streben auf.
Roberta schrie ihre namenlose Liebe heraus, schrie ihr Verlangen heraus, während sie nach seinen Fingern langte. Als er ihren Namen so voller Schönheit rief, daß sie zu vergehen drohte, breitete sie die Arme aus, um ihn endlich zu umschlingen. Es war, als schwebe sie ihm endlos durch die Luft entgegen, die Sonne im Gesicht, den Wind im Haar, doch es war gut so, denn jetzt war sie dort, wo sie sein wollte – bei ihm.
Einen vollkommeneren Augenblick hatte es in ihrem ganzen bisherigen Leben nicht gegeben, ein vollkommeneres Gefühl in ihrem ganzen Sein.
Sie vernahm die absolute Melodie dieser Gefühle, die zum Ruhm all dessen erklang.
Fast ging ihr das Herz über, als sie sich mit einem letzten verzweifelten Bemühen in seine Arme stürzte, ihr Verlangen herausschreiend, ihre Liebe, ihre Erfüllung, und nur noch einen Wunsch hatte, seinen Namen zu kennen, damit sie ihm alles von sich geben konnte.
Sein strahlendes Lächeln galt ihr und ihr allein. Seine Lippen waren für sie bestimmt und nur für sie. Sie schloß das letzte kleine Stück Distanz zu ihm, verging danach, endlich die Liebe ihres Lebens zu liebkosen, ihren Seelenverwandten, die einzig wahre Leidenschaft in ihrem Leben.
Endlich waren seine Lippen nah, sie sank in seine ausgestreckten Arme, in seine Umarmung, zu einem perfekten Kuß.
In diesem makellosen Augenblick, kurz bevor ihre Lippen sich berührten, als sie durch ihn hindurchblickte und unmittelbar hinter ihm den gnadenlosen Grund des Tales unerbittlich auf sich zurasen sah, wußte sie endlich seinen Namen.
Tod.