17

Den obersten Knopf an seinem Wams öffnend, stieß Dalton Campbell mit seiner anderen Hand leicht gegen die hohe Mahagonitür zu ihrem Gemach, bis er spürte, wie der Schnappriegel mit einem leisen Klicken ins Schloß sprang. Die Stille des Raums hatte augenblicklich eine beruhigende Wirkung auf ihn. Der Tag war lang gewesen und längst noch nicht vorbei; da war immer noch das Fest, das es zu besuchen galt.

»Teresa«, rief er quer durchs Wohnzimmer bis nach hinten ins Schlafgemach, »ich bin es.«

Er wünschte, sie könnten zu Hause bleiben, zu Hause bleiben und sich lieben. Seine Nerven konnten etwas Ablenkung gebrauchen. Nun ja, vielleicht später; falls nichts Geschäftliches dazwischenkam.

Er löste einen weiteren Knopf und riß gähnend an dem offenen Kragen; der Duft von Flieder füllte seine Lungen. Die schweren blauen Moirévorhänge an den gegenüberliegenden Fenstern waren gegen den dunkler werdenden Himmel zugezogen und überließen den Raum dem sanften Licht der Duftlampe und dem flackernden Schein des niedrigen Feuers im Kamin, das eher der Behaglichkeit wegen brannte, die es verströmte, denn wegen des Bedürfnisses nach Wärme.

Er bemerkte den dunkelvioletten Teppich, dessen weizenfarbige Fransen frisch gekämmt aussahen. Die vergoldeten Stühle waren so neben den eleganten Tischen mit den üppigen Sträußen frischer Blumen plaziert, daß sie ihre protzigen gelbbraunen Ledersitze und -rücken herzeigten. Die samtenen Decken und Kissen waren nach einer genauen Ordnung über die Sofas verteilt, deren wohlüberlegte Präzision das Gefühl beiläufiger Vertrautheit mit Luxus vermitteln sollte.

Dalton erwartete von seiner Frau, das Personal zu beaufsichtigen und dafür Sorge zu tragen, daß die Gemächer sowohl für geschäftliche Zusammenkünfte als auch für den Empfang von Gästen vorzeigbar waren, was ein und dasselbe war, wenn auch von einer anderen Warte aus betrachtet. Teresa sollte sich darüber im klaren sein, daß in Anbetracht der Festlichkeit am Abend die Wahrscheinlichkeit noch größer war, daß er jemanden in ihre Wohnräume bat – jemand Wichtigen. Das konnte jeder sein, von einem Würdenträger bis hin zu einem Paar völlig unauffälliger Augen und Ohren.

Sie alle waren auf ihre Art bedeutend, sie alle verflochten sich zu jenem Spinnennetz, an dem er unablässig arbeitete, in dem er lauschte und Ausschau hielt nach jedem kleinen Rucken. Feste mit vielen Menschen waren ein geballtes Durcheinander, wo getrunken wurde, wo man sich unterhielt, wo innere und äußere Bewegung herrschten. Oft bot sich auf ihnen die Gelegenheit, Allianzen zu schmieden, Ergebenheiten zu bekräftigen oder Loyalitäten zu erzwingen – und so sein Spinnennetz zu pflegen.

Teresa steckte den Kopf zur Tür herein und zeigte ihre Freude, ihn zu sehen, mit einem Lächeln. »Mein Geliebter!«

Trotz der gelösten Stimmung, die ihn nach dem Schließen der Tür überkommen hatte, mit dem er die alltäglichen Sorgen – wenn auch nur für den Augenblick – ausgesperrt hatte, blickte er hilflos lächelnd in ihre geheimnisvoll funkelnden Augen.

»Tess, mein Liebling. Dein Haar sieht wundervoll aus.«

Ein goldener Kamm schmückte die Vorderpartie ihres vollen Schopfes. Der Reichtum der herabbaumelnden dunklen Locken wurde von einem Übermaß an mit Ziermünzen besetzten Goldbändern zusammengehalten, die ihr Haar verlängerten und beinahe so etwas wie einen Kragen bildeten. Wenn sie sich vorbeugte, teilten sich die glitzernden Streifen und entblößten neckisch ihren grazilen Hals.

Sie war mit ihren zwanzig Jahren fast zehn Jahre jünger als er. Dalton hielt sie für ein über jeden Vergleich erhabenes, entzückendes Geschöpf – ein willkommenes Extra zu ihrem Auftreten, das darauf abzielte, mit allen Mitteln ihre Ziele durchzusetzen. Er konnte kaum glauben, daß sie vor kaum sechs Monaten endlich seine Frau geworden war. Andere hatten zur Debatte gestanden, manche von höherem Stand, keine jedoch von größerem Ehrgeiz.

Einen Dalton Campbell wies man nicht zurück. Jeder, der ihn auf die leichte Schulter nahm, würde seinen Tag der Abrechnung erleben, an dem er lernte, ihn nicht zu unterschätzen, und an dem ihm schließlich Gelegenheit gegeben wurde, seinen Fehler zu bedauern.

Als er sie vor fast einem Jahr gebeten hatte, seine Frau zu werden, hatte sie ihn ausgefragt, ihn auf ihre samtweiche, neckische Art, hinter der sich oft die stählerne Härte ihrer Ziele verbarg, gefragt, ob er tatsächlich zu den Männern gehöre, die etwas erreichen wollten, denn sie habe unbedingt die Absicht, gesellschaftlich vorwärtszukommen. Damals war er Assistent des Gouverneurs in Fairfield gewesen, kein unbedeutender Posten, für ihn jedoch nicht mehr als eine praktische Zwischenstation, ein Ort, an dem man seine Aktiva erwarb und Verbindungen pflegte.

Er war nicht auf ihre ätzenden Fragen eingegangen, sondern hatte ihr ganz nüchtern erklärt, er sei ein Mann auf dem Weg nach oben, und kein anderer Mann, mit dem sie sich treffe, habe unabhängig von seiner gegenwärtigen Stellung auch nur die geringste Chance, Dalton Campbells zukünftigen Rang zu erreichen. Seine ernste Erklärung hatte sie verblüfft, und ihr war das Lächeln vergangen. Noch ganz im Bann seiner Überzeugung und der Aufrichtigkeit seiner Absichten, hatte sie eingewilligt, ihn zu heiraten.

Zu ihrer Freude hatten sich seine Vorhersagen bewahrheitet. Noch während die Pläne für ihre Hochzeit Gestalt annahmen, wurde ihm eine bessere Stellung zuerkannt.

Während der ersten Ehemonate waren sie dreimal umgezogen, jeweils in größere Gemächer, und jedesmal als Folge eines besseren Postens.

Die Personen, die Grund hatten, ihn zu kennen – sei es wegen seines Rufes oder weil sie mit der anderischen Regierung zu tun hatten –, wußten seine umfassende Kenntnis des anderischen Rechts zu schätzen. Dalton Campbell war weithin anerkannt für sein brillantes Verständnis der Feinheiten des Gesetzes, des festungsähnlichen Fundaments, auf dem es errichtet war, der feinen Struktur seiner Klugheit und Präzedenzen, des Umfangs seiner schützenden Mauern.

Die Männer, für die Dalton arbeitete, wußten diese seine umfassenden Kenntnisse der Gesetze zu würdigen, am meisten jedoch schätzten sie seine Kenntnis der verborgenen Passagen, der Zuflüchte und geheimen Fluchtwege aus düsteren Fallen und Winkeln. Zudem schätzten sie seine Fähigkeit, das Gesetz fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel, sobald eine Situation nach einer anderen Lösung verlangte, einer, die das Gesetz nicht bereitzuhalten imstande war. In solchen Fällen erwies er sich als gleichermaßen einfallsreich und ebenso effektiv.

Teresa benötigte, so schien es, kaum länger als ein Fingerschnippen, um sich den gehobeneren Verhältnissen, in denen sie sich regelmäßig wiederfand, anzupassen und die neue Aufgabe, das Haushaltspersonal zu führen, mit der Selbstsicherheit eines Menschen zu versehen, der sein ganzes Leben nichts anderes getan hatte.

Erst wenige Wochen zuvor hatte er die führende Stellung auf dem Anwesen des Ministers ergattert. Teresa hatte frohlockt, als sie erfuhr, sie würden luxuriöse Gemächer in einem derart renommierten Haus beziehen. Plötzlich sah sie sich als angesehene Frau unter Frauen von Rang und Einfluß.

Vielleicht wäre sie außer sich vor Freude gewesen und hätte ihm die Kleider heruntergerissen, um ihn auf der Stelle zu nehmen, als er ihr die Nachricht überbracht hatte, doch um der Wahrheit gerecht zu werden – sie hatte gar nichts anderes erwartet.

Wenn es einen Menschen gab, der seinen skrupellosen Ehrgeiz teilte, dann Teresa.

»O Dalton, erzähl mir bitte, welche Würdenträger auf dem Fest sein werden. Ich ertrage diese Spannung keinen Augenblick länger.«

Abermals gähnte er und räkelte sich. Er wußte, sie hatte sich um ihr ganz eigenes Spinnennetz zu kümmern.

»Nichts als langweilige Würdenträger.«

»Aber der Minister wird dort sein.«

»Das ist richtig.«

»Also, Dummer, der ist doch nicht langweilig. Außerdem habe ich einige der Frauen kennengelernt, die Ehefrauen hier auf dem Anwesen. Alles großartige Menschen, so freundlich, wie ich es mir nur wünschen konnte. Ihre Ehemänner sind alles wichtige Leute.«

Sie fuhr sich auf durchtriebene, neckische Art mit der Zunge über ihre Oberlippe. »Allerdings nicht so bedeutend wie mein Mann.«

»Tess, mein Schatz«, meinte er lächelnd, »du könntest einen Toten dazu bringen, deinetwegen bedeutend zu werden.«

Sie zwinkerte ihm zu und verschwand. »Es wurden mehrere Nachrichten für dich unter der Tür hindurchgeschoben«, rief sie aus dem Zimmer nebenan. »Sie liegen im Schreibtisch.«

Der elegante Schreibtisch in der Ecke funkelte wie ein dunkler Edelstein. Gefertigt aus polierten Elmenknoten, war jedes geviertelte, exakt spiegelbildlich abgestimmte Furnierblatt von einem rautenförmigen Band aus abwechselnd unbehandeltem und eingefärbtem Ahornholz eingefaßt; in sämtliche dunklen Rauten hatte man einen Punkt aus Gold gesetzt. Im Gegensatz zu denen der meisten anderen Möbel im Zimmer waren seine Beine tief glänzend poliert und nicht vergoldet.

In dem Geheimfach hinter einer der oberen Schubladen befanden sich mehrere versiegelte Nachrichten. Er erbrach die Siegel und überflog, ihre Wichtigkeit abschätzend, eine nach der anderen. Manche waren von Interesse, keine jedoch wirklich dringend. Größtenteils dienten sie der Weitergabe von Informationen – kleine Vibrationen aus den Ecken seines Spinnennetzes.

In einer war die Rede von einem seltsamen und offenbar zufälligen Tod durch Ertrinken in einem öffentlichen Brunnen. Geschehen war dies an einem frühen Nachmittag, als wie gewöhnlich größere Menschenmengen an dem Wahrzeichen vorübergingen. Obwohl es heller Tag gewesen und unter den Augen aller geschehen war, hatte man erst etwas bemerkt, als es bereits zu spät war. Dalton hatte in letzter Zeit ähnliche Nachrichten über nicht geklärte Todesfälle erhalten und wußte daher, die Nachricht war möglicherweise eine unausgesprochene Warnung; es könnte sich um eine Art Blutrache unter Beteiligung von Magie gehandelt haben, die jedoch wie ein unglücklicher Unfall hatte aussehen sollen.

In einer war lediglich von einer ›verstörten Frau‹ die Rede, dort hieß es, sie sei beunruhigt gewesen und habe einem Direktor ein Sendschreiben geschickt, in dem sie ihn während des Festes um ein kurzes Gespräch unter vier Augen ersuchte und ihn bat, den Brief vertraulich zu behandeln. Dalton kannte die Frau, auf die der Brief sich bezog, daher wußte er auch, daß es Direktor Linscott sein mußte, dem sie geschrieben hatte. Die Person, die ihm die Nachrichten schrieb, war nicht so dumm, Namen schriftlich festzuhalten.

Er glaubte den Grund für ihre Ruhelosigkeit zu kennen. Der Wunsch nach einem Treffen unter vier Augen war es, der ihn beunruhigte. In der Nachricht stand, der Brief der Frau sei irgendwie verlorengegangen und nie zugestellt worden.

Dalton legte die Briefe für eine spätere Überprüfung zurück ins Fach und schob die Lade wieder an ihren Platz. Wegen dieser Frau würde er etwas unternehmen müssen. Was, wußte er noch nicht.

Eine Überreaktion konnte manchmal ebenso viele Probleme mit sich bringen wie Stillhalten. Möglicherweise mußte er die Frau nur anhören und ihr Gelegenheit geben, ihrem Ärger Luft zu machen, wie sie es vielleicht schon bei Direktor Linscott vorgehabt hatte. Ebensogut konnte sich Dalton ihre Beschwerde anhören. Irgend jemand, irgendwo in seinem feingesponnenen Netz aus Verbindungen, würde ihm genau jene Information liefern, die er benötigte, um die richtige Entscheidung zu treffen, und wenn nicht, glättete ein beschwichtigendes Gespräch mit der Frau die Wogen vielleicht so weit, daß er den erforderlichen Hinweis erhielt.

Obwohl Dalton seine neue Stellung erst seit kurzem bekleidete, hatte er keine Zeit verschwendet und sich alsbald bei fast jedem auf dem Anwesen lieb Kind gemacht. Für manche war er so zu einem nützlichen Kollegen geworden, für andere zu einem Vertrauten und für ein paar wenige zu deren Beschützer. Jede Methode, eine jede auf ihre Weise, trug ihm Ergebenheit ein; schnürte sein ständig wachsendes Spinnennetz aus Beziehungen wie das sprichwörtliche Rädchen.

Vom ersten Tag an jedoch war es Daltons vorrangiges Ziel gewesen, sich dem Minister unentbehrlich zu machen. Im Laufe seiner zweiten Woche auf diesem Posten war ein ›Ermittler‹ von einem der Direktoren des Ministeriums für kulturelle Zusammenarbeit zu den Bibliotheken des Anwesens geschickt worden. Minister Chanboor war nicht nur alles andere als erfreut gewesen, er hatte einen überaus haßerfüllten Wutanfall bekommen – eine nicht ungewöhnliche Reaktion, wenn man Bertrand Chanboor mit besorgniserregenden, wenn nicht gar verhängnisvollen Neuigkeiten konfrontierte.

Zwei Tage nach Eintreffen dieses Ermittlers konnte Dalton den Minister davon unterrichten, der Mann selbst sei verhaftet worden; er habe sich betrunken und sei unten in Fairfield im Bett einer Hure gelandet. Natürlich war nichts davon ein folgenschweres Verbrechen, auch wenn es in den Augen manch eines Direktors schlimm genug ausgesehen hätte. Allerdings wurde der Mann mit einem äußerst seltenen und wertvollen Buch in seiner Manteltasche aufgegriffen.

Ein äußerst seltenes und wertvolles Buch, verfaßt von keinem anderen als Joseph Ander persönlich. Der uralte, unschätzbar wertvolle Text war, gleich nachdem der Ermittler zum Zechen gegangen war, im Ministerium für Kultur als gestohlen gemeldet worden.

Auf Daltons Anweisung hin wurde das Büro des Direktors umgehend über das Verschwinden des Buches informiert – Stunden vor der Festnahme des Schuldigen. Zusammen mit dem Bericht hatte Dalton den Direktoren seine persönliche Versicherung übermittelt, er werde nicht ruhen, bis der Übeltäter gefunden sei, und habe die Absicht, eine sofortige öffentliche Ermittlung in die Wege zu leiten, um aufzudecken, ob ein solches Verbrechen gegen die Kultur der Vorbote einer verräterischen Intrige sei. Das verblüffte Schweigen aus dem Ministerium der Direktoren war bezeichnend gewesen.

Der Gouverneur in Fairfield, ebenjener, für den Dalton einst gearbeitet hatte, war ein Bewunderer des Ministers für Kultur, der ihm gewissermaßen stets zu Gefallen war, und nahm den Diebstahl aus der Anderischen Bibliothek für Kultur selbstverständlich nicht auf die leichte Schulter. Er erkannte den Diebstahl als das, was er war: als Aufwiegelung. Der mit dem Buch erwischte Ermittler wurde wegen eines kulturellen Verbrechens gegen das anderische Volk unverzüglich hingerichtet.

Weit davon entfernt, den Skandal zu unterdrücken, erzeugte dies eine Atmosphäre, in der allmählich die häßlichen Gerüchte über ein Geständnis des Täters überhandnahmen – ein Geständnis, das ihm vor der Hinrichtung abgenommen worden sei und von dem es hieß, es bringe auch andere mit dem Verbrechen in Verbindung. Der Direktor, der den Mann zu ›Zwecken der Ermittlung‹ auf das Anwesen entsandt hatte, war als Beweis für seine Ehrenhaftigkeit, und um Spekulationen und versteckten Andeutungen ein Ende zu machen, zurückgetreten. Nachdem Dalton widerstrebend den Rücktritt des Direktors akzeptiert hatte, gab er in seiner Funktion als offizieller, mit der Untersuchung der gesamten Angelegenheit beauftragter. Vertreter des Ministers eine Erklärung ab, in der er seinen Zweifel an dem Geständnis zum Ausdruck brachte, und schloß die gesamte Angelegenheit ab.

Ein alter Freund Daltons hatte das große Glück, auf den plötzlich freien Sitz berufen zu werden, auf den er beinahe sein ganzes Leben lang hingearbeitet hatte. Als erster hatte Dalton ihm, dem neuen Direktor, die Hand geschüttelt. Einem dankbareren und froheren Menschen war Dalton nie zuvor begegnet. Dalton freute das, er sah es gerne, wenn verdienstvolle Menschen – Menschen, die er liebte und denen er vertraute – glücklich waren.

Nach diesem Zwischenfall entschied Bertrand Chanboor, seine Verpflichtungen machten eine engere Zusammenarbeit mit seinem Adjutanten erforderlich, und ernannte Dalton nicht nur zum Adjutanten des Ministers, sondern auch zum Stabschef, womit er ihm die Machtbefugnis über seinen gesamten Haushalt erteilte. Dalton berichtete jetzt ausschließlich dem Minister. Die Stellung hatte ihnen auch ihre neuesten Gemächer eingebracht – die elegantesten des gesamten Anwesens, wenn man von denen des Ministers persönlich absah.

Dalton fand, daß Teresa sich sogar noch mehr darüber gefreut hatte als er – wenn das überhaupt möglich war. Sie hatte sich in die Wohnung verliebt, die mit der vermehrten Machtbefugnis einherging. Die Menschen von adeligem Rang, unter denen sie jetzt verkehrte, fesselten sie. Es berauschte sie, die Wichtigen und Mächtigen kennenzulernen, die das Anwesen besuchten.

Wie auch die Bewohner des Anwesens behandelten diese Gäste Teresa mit eben jener Ehrerbietung, die einer Frau ihres hohen Ranges gebührte, und das, obwohl die meisten im Gegensatz zu ihr von adliger Geburt waren, sie dagegen nur – wie auch Dalton – zwar aus gutem Hause, nicht aber adelig. Dalton hatte, nachdem er einmal begriffen hatte, daß wohlwollende Treueverhältnisse für ein von der Vorsehung bestimmtes Leben von erheblich größerer Bedeutung sein konnten, Fragen der Herkunft stets für unbedeutend und weniger wichtig gehalten, als manche Leute dachten.

Teresa räusperte sich von der anderen Zimmerseite her. Als Dalton sich am Schreibtisch umsah, reckte sie die Nase in die Höhe und trat in erhabener Anmut ins Wohnzimmer, um sich in ihrem neuen Kleid zur Schau zu stellen.

Er bekam große Augen. Sich zur Schau stellen war genau der richtige Ausdruck für das, was sie hier tat.

Der Stoff glitzerte traumhaft im Schein der Lampen, der Kerzen und des niedrigen Feuers. Goldene Muster aus blattartigen Gebilden verzweigten sich vor einem dunklen Hintergrund. Goldfarbene Litzen säumten Nähte und Ränder und lenkten die Aufmerksamkeit auf ihre schmale Taille und ihre sinnlichen Kurven. Der Seidenstoff des Rockes, frischem Weizen gleich, der jede Unebenheit des sanft geschwungenen Hügellandes in der Tiefebene umschmeichelt, verriet die Gestalt ihrer wohlgeformten Beine.

Der Ausschnitt jedoch war es, der ihm die Sprache verschlug. Steil von den Enden ihrer Schultern abfallend, stürzte er jäh in unerhörte Tiefen. Der Anblick ihrer derart entblößten, sinnlichen Brüste hatte eine tiefgreifende Wirkung auf ihn, die ebenso erregend wie beunruhigend war.

Teresa drehte sich und rückte sowohl ihr Kleid ins allerbeste Licht wie auch den tiefausgeschnittenen Rücken. Dalton durchmaß den Raum mit großen Schritten, um sie in seinen Armen aufzufangen, als sie sich zum zweiten Male zu ihm herumdrehte. Kichernd fand sie sich in seinen Armen gefangen wieder. Er beugte sich vor, um sie zu küssen, doch sie schob sein Gesicht fort.

»Vorsicht. Ich habe Stunden gebraucht, um mein Gesicht zu schminken. Bring es nicht in Unordnung, Dalton.«

Hilflos stöhnend schmiegte sie sich gegen seinen Mund, als er sie trotzdem küßte. Die Wirkung, die sie auf ihn hatte, schien ihr zu gefallen. Ihm schien die Wirkung ebenfalls zu gefallen, die sie auf ihn hatte.

Teresa wich zurück. Sie zupfte an den ziermünzenbesetzten goldenen Bändern, die in ihr Haar geknotet waren.

»Wirkt es schon länger, Liebling?« fragte sie mit flehender Stimme. »Es ist die reine Qual, zu warten, bis es wächst.«

Jetzt, da er über eine neue Stellung und die damit verbundenen neuen Wohnräume verfügte, war er auf dem Weg, es in der Welt zu etwas zu bringen und zu einem mächtigen Mann zu werden. Mit dieser neuen Machtbefugnis gingen die Standesprivilegien einher: seine Gemahlin durfte, als Widerspiegelung ihrer Stellung, ihr Haar länger tragen.

Andere Gattinnen bei Hofe trugen ihr Haar fast bis auf die Schultern; seine Frau würde sich nicht mehr von ihnen unterscheiden, außer vielleicht, daß ihr Haar ein wenig länger sein würde als – von wenigen abgesehen – das aller anderen Frauen bei Hof und in ganz Anderith. Schließlich war sie mit einem bedeutenden Mann verheiratet.

Der Gedanke durchfuhr ihn mit einem Gefühl eiskalter Erregung, so wie es von Zeit zu Zeit geschah, wenn ihm wahrhaftig bewußt wurde, wie weit er es gebracht und was er erreicht hatte.

Dalton Campbell war fest entschlossen, dies nur als einen Anfang zu betrachten, denn er hatte die Absicht, noch höher aufzusteigen. Er hatte Pläne, zudem schenkte ihm ein Mann Gehör, der ganz versessen auf Pläne war.

Unter anderem. Doch egal, mit solch unbedeutenden Dingen wurde Dalton fertig. Der Minister nahm lediglich die Vorrechte seines Amtes in Anspruch.

»Tess, mein Schatz, dein Haar wächst prächtig. Sollte dich je eine Frau von oben herab ansehen, weil es noch nicht länger ist, dann merke dir einfach ihren Namen, denn am Ende wird es länger sein als das aller anderen. Wenn es dann entsprechend gewachsen sein wird, kannst du dir die Dame noch einmal vornehmen und es ihr heimzahlen.«

Teresa hüpfte auf den Ballen ihrer Füße und schlang ihm die Arme um den Hals, sie jubelte vor übermütiger Freude.

Die Finger hinter ihrem Rücken ineinander verschlingend, sah sie ihn kokett von unten herauf an. »Gefällt dir mein Kleid?« Um ihre Absicht zu unterstreichen, schmiegte sie sich an ihn, während sie ihm in die Augen sah und ohne Hast verfolgte, wie sein Blick an ihr nach unten wanderte.

Statt einer Antwort beugte er sich über sie, schob ihr mit einer einzigen, raschen Bewegung die Hand unter den Seidenrock und an der Innenseite ihres Schenkels hinauf bis zur nackten Haut oberhalb ihrer Strümpfe. Sie stöhnte in gespielter Überraschung, als seine Hand ihre intimste Stelle berührte.

Dalton küßte sie abermals, während er sie befingerte. Er dachte längst nicht mehr daran, sie mit auf das Fest zu nehmen. Er wollte mit ihr ins Bett.

Als er sie Richtung Schlafzimmer drängte, wand sie sich aus seinem lüsternen Griff. »Dalton! Bring mich nicht in Unordnung, Liebling. Sonst sieht jeder die Falten in meinem Kleid.«

»Ich glaube kaum, daß irgend jemand auf die Falten in deinem Kleid achten wird. Ich glaube, sie werden alle darauf stieren, was daraus hervorquillt. Teresa, ich möchte nicht, daß du so herumläufst, außer um deinen Gatten bei seiner Rückkehr an der Tür zu empfangen.«

Sie versetzte ihm einen spielerischen Klaps auf die Schulter. »Laß den Unsinn, Dalton.«

»Es ist mir ernst.« Er stierte abermals auf ihren Busen. »Teresa, dieses Kleid ist … es ist zu offenherzig.«

Sie wandte sich ab. »Ach, hör auf, Dalton. Du redest dummes Zeug. Alle Frauen tragen heutzutage solche Kleider.« Sie wirbelte, den koketten Blick wieder im Gesicht, abermals um ihn herum. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig, oder? Weil du mit ansehen mußt, wie andere Männer deine Frau bewundern.«

Sie war das einzige gewesen, das er sich je mehr gewünscht hatte als Macht. Anders als bei allen anderen Dingen in seinem Leben hegte er, wenn es um Teresa ging, nicht das geringste Bedürfnis nach einvernehmlichen Regelungen. Die Seelen wußten, es gab auf dem Anwesen genügend Männer, die bewundert, ja sogar beneidet wurden, weil sie für sich selbst an Einfluß gewannen, indem ihre Gattinnen sich Minister Chanboor zur Verfügung stellten. Dalton Campbell gehörte nicht zu ihnen. Er gebrauchte sein Talent und seinen Verstand, um dorthin zu gelangen, wo er stand, nicht den Körper seiner Frau. Auch das verschaffte ihm einen Vorteil gegenüber anderen.

Seine Geduld schwand rasch dahin, was seinen Ton nicht gerade nachsichtig machte. »Und woher sollen sie wissen, daß du meine Frau bist? Ihre Blicke werden nie bis zu deinem Gesicht gelangen.«

»Hör auf, Dalton du wirst unerträglich langweilig. All die anderen Frauen werden Kleider wie dieses tragen. Das ist jetzt Mode. Du bist ständig so mit deiner neuen Arbeit beschäftigt, daß du nichts über die vorherrschenden Sitten weißt. Ich dagegen schon. Ob du es glaubst oder nicht, dieses Kleid ist konservativ im Vergleich zu denen, die andere tragen werden. Ich würde mich nicht trauen, ein so gewagtes Kleid zu tragen wie diese Frauen – ich weiß, wie du sein kannst –, aber ich möchte auch nicht fehl am Platze wirken. Niemand wird sich etwas dabei denken, höchstens vielleicht, daß die Frau der rechten Hand des Ministers ein wenig spießig ist.«

Kein Mensch würde sie für ›spießig‹ halten. Sie würden denken, sie wolle allen zeigen, daß sie für Verlockungen offen war.

»Du kannst ein anderes Kleid anziehen, Teresa. Das Rote mit dem VAusschnitt. Darin kann man immer noch genug … genug von deinem Busen sehen. Das Rote kann wohl kaum als spießig gelten.«

Sie drehte ihm den Rücken zu und verschränkte schmollend ihre Arme. »Vermutlich macht es dir Spaß, mich zu zwingen, ein häßliches Kleid zu tragen und mit ansehen zu müssen, wie alle anderen Frauen hinter meinem Rücken darüber tuscheln, ich kleidete mich wie die Gattin eines einfachen Gouverneursgehilfen. Das rote Kleid habe ich getragen, als du noch ein Niemand warst. Ich dachte, du würdest dich freuen, mich in meinem neuen Kleid zu sehen und so zu wissen, daß deine Frau mit der Mode der bedeutenden Frauen hier mithalten kann. Jetzt jedoch werde ich hier nirgendwo mithalten können. Ich werde die langweilige Gattin des Adjutanten des Ministers sein, kein Mensch wird auch nur mit mir sprechen wollen, ich werde nie Freunde finden.«

Dalton holte tief Luft und ließ sie langsam wieder ab. Er sah, wie sie mit dem Knöchel eines Fingers gegen ihre Nase tupfte. »Tess, werden die anderen Frauen auf dem Fest wirklich so etwas tragen?«

Sie wirbelte herum und strahlte ihn von unten herauf an. Ihm fiel auf, daß ihr Gesichtsausdruck sich gar nicht so sehr vom strahlenden Lächeln des hakenischen Mädchens unten in der Küche unterschied, als er sie aufgefordert hatte, den Minister kennenzulernen.

»Selbstverständlich werden die anderen Frauen so etwas tragen. Nur daß ich nicht so schamlos bin wie sie, deswegen ist es nicht ganz so offenherzig. Ach, Dalton, du wirst schon sehen. Du wirst stolz auf mich sein. Ich bin stolz auf dich. Nur auf dich, Dalton. Für einen so wichtigen Mann wie dich ist eine Gattin von ganz entscheidender Bedeutung. Ich wahre deine Stellung, wenn du nicht zugegen bist. Du hast keine Ahnung, wie Frauen sein können – kleinlich, eifersüchtig, ehrgeizig, intrigant, hinterhältig und treulos. Ein geschickt gewähltes, gehässiges Wort zu ihrem Gatten, und schon ist es in aller Munde. Ich werde dafür sorgen, daß eine solche gehässige Bemerkung, sollte sie gemacht werden, rasch verklingt und niemand wagt, sie weiterzuerzählen.«

Er nickte. Er wußte sehr wohl, daß Frauen ihren Gatten Informationen und Tratsch zutrugen. »Vermutlich.«

»Du hast stets behauptet, wir seien Partner. Du weißt, ich beschütze dich. Du weißt, wie hart ich dafür arbeite, daß du an jeden Ort paßt, an den wir uns begeben. Du weißt, ich würde nie etwas tun, um unsere Ziele zu gefährden. Du hast mir stets versprochen, mich an die besten Orte zu bringen, wo man mich als allen Frauen gleichgestellt akzeptieren wird. Und du hast dein Versprechen wahr gemacht, mein Gemahl. Das war mir stets klar gewesen, deshalb habe ich eingewilligt, dich zu heiraten. Ich habe dich zwar stets geliebt, aber ich hätte dich niemals geheiratet, hätte ich nicht an deine Zukunft geglaubt. Wir sind aufeinander angewiesen, Dalton. Habe ich mir je einen Fehltritt geleistet, wenn wir an einem neuen Ort ankamen?«

»Nein, Tess, niemals.«

»Glaubst du, ich würde es leichtfertig tun, jetzt, an einem so wichtigen Ort wie diesem? Wo du an der Schwelle zu wahrer Größe stehst?«

Teresa war die einzige, der er seine kühnen, ehrgeizigen Ziele und seine verwegensten Pläne anvertraute. Sie kannte seine Absichten, und sie verspottete ihn nie deswegen. Sie glaubte an ihn.

»Nein, Tess, das würdest du gewiß nicht alles aufs Spiel setzen. Dessen bin ich sicher.« Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und seufzte. »Zieh das Kleid an, wenn du der Meinung bist, es sei schicklich. Ich verlasse mich auf dein Urteilsvermögen.«

Nachdem die Angelegenheit geklärt war, schob sie ihn in Richtung Ankleidezimmer. »Jetzt komm, zieh dich um. Mach dich fertig. Du wirst der bestaussehende Mann dort sein, das weiß ich ganz sicher. Sollte irgend jemand Grund zur Eifersucht haben, dann ich, denn all die anderen Frauen werden grün vor Neid werden, weil ich den besten Fang bei Hofe gemacht habe, und du wirst es sein, dem man tuschelnd Angebote macht.«

Er drehte sie herum, packte sie bei den Schultern und wartete, bis sie ihm in die Augen sah. »Halte dich unbedingt von einem Mann namens Stein fern – Bertrands Ehrengast. Kokettiere mit deinem … deinem neuen Kleid nicht vor seinen Augen herum. Verstanden?«

Sie nickte. »Woran werde ich ihn erkennen?«

Er ließ ihre Schultern los und richtete sich auf. »Das wird nicht schwer sein. Er trägt einen Übermantel aus menschlichen Skalps.«

Teresa erschrak. »Nein.« Sie beugte sich näher. »Ist es der, von dem du mir erzählt hast, der von jenseits der Wildnis im Süden angereist ist? Aus der Alten Welt? Der gekommen ist, um unsere zukünftigen Untertanenpflichten zu erörtern?«

»Ja. Halte dich von ihm fern.«

Angesichts derart erschreckender Neuigkeiten kniff sie abermals die Augen zusammen. »Wie erfrischend. Meines Wissens hat hier noch niemand einen so interessanten Fremden kennengelernt. Er muß sehr bedeutend sein.«

»Er ist ein wichtiger Mann, ein Mann, mit dem wir geschäftliche Dinge besprechen werden, daher möchte ich ihn nicht in Streifen schneiden müssen, nur weil er versucht hat, dich in sein Bett zu kriegen. Wertvolle Zeit ginge verloren, wenn wir warten müßten, bis der Kaiser einen neuen Beauftragten aus der Alten Welt schickt.«

Das war keine eitle Prahlerei, und das wußte sie auch. Mit dem Studium des Schwertes beschäftigte er sich ebenso ernsthaft wie mit dem Gesetz. Dalton vermochte einen Floh auf einem Pfirsich zu enthaupten, ohne dessen Flaum durcheinanderzubringen.

Teresa mußte schmunzeln. »Er braucht mich ja nicht anzusehen, und allein schlafen muß er ohnehin ganz sicher nicht. Die Frauen werden sich um die Gelegenheit schlagen, einem so unerhörten Mann Gesellschaft leisten zu können. Menschliche Skalps…« Sie schüttelte den Kopf über einen derart wunderlichen Einfall. »Die Frau, die es schafft, in seinem Bett zu landen, wird auf Monate ganz oben auf jeder Gästeliste stehen.«

»Vielleicht möchten sie ein hakenisches Mädchen einladen, das ihnen erklärt, wie aufregend und großartig es war«, fauchte Dalton.

»Ein hakenisches Mädchen?« tat Teresa den absonderlichen Einfall mit einem Stöhnen ab. »Das glaube ich kaum. Hakenische Mädchen zählen bei diesen Frauen nicht.«

Sie wandte sich erneut dem wichtigeren Teil seiner Neuigkeit zu. »Dann ist also noch keine Entscheidung gefallen? Wir wissen immer noch nicht, ob Anderith bei den Midlands bleiben wird oder ob wir mit ihnen brechen und uns Kaiser Jagang aus der Alten Welt anschließen?«

»Richtig, wir wissen noch nicht, was werden wird. Die Direktoren sind darin geteilter Meinung. Stein ist eben erst eingetroffen, um zu sagen, was er auf dem Herzen hat.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen flüchtigen Kuß. »Ich werde mich von dem Mann fernhalten. Während du hilfst, das Schicksal Anderiths zu beschließen, werde ich dir wie immer den Rücken frei und meine Ohren offen halten.«

Sie machte einen Schritt Richtung Schlafzimmer, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. »Wenn der Mann gekommen ist, um seine Sicht der Dinge darzulegen…« Plötzlich dämmerte so etwas wie Erkenntnis in ihren dunklen Augen. »Dalton, heute abend wird der Herrscher hier sein, nicht wahr? Der Herrscher höchstpersönlich wird bei dem Fest zugegen sein.«

Dalton ergriff ihr Kinn mit seinen Fingerspitzen. »Eine kluge Frau ist die beste Verbündete, die ein Mann sich wünschen kann.«

Lächelnd ließ er sich an seinen kleinen Fingern ins Ankleidezimmer ziehen. »Ich habe den Mann nur von weitem gesehen. O Dalton, du bist unglaublich, mich an einen Ort zu bringen, wo ich Gelegenheit erhalten werde, mit dem Herrscher höchstpersönlich an einem Tisch zu sitzen.«

»Denk einfach daran, was ich gesagt habe, und halte dich von Stein fern, es sei denn, ich bin in deiner Nähe. Das gleiche gilt übrigens für Bertrand. Ich bezweifle allerdings, daß er es wagen würde, mir in die Quere zu kommen. Wenn du deine Sache gut machst, stelle ich dich dem Herrscher vor.«

Ihre Sprachlosigkeit währte nicht lange. »Wenn wir uns heute abend zurückziehen und schlafen gehen, wirst du schon sehen, wie gut ich sein kann. Die Seelen mögen mich behüten«, setzte sie leise hinzu, »hoffentlich halte ich es solange aus. Der Herrscher. O Dalton, du bist so unglaublich.«


Während sie vor einem Spiegel an ihrem Toilettentisch saß und überprüfte, welchen Schaden er mit seinen Küssen in ihrem Gesicht angerichtet hatte, zog Dalton den hohen Kleiderschrank auf. »Nun, Tess, welcher Tratsch ist dir zu Ohren gekommen?«

Er blickte in den Kleiderschrank, ging seine Hemden durch und suchte nach dem mit dem Kragen, der ihm am ehesten zusagte. Da ihr Kleid von goldener Farbe war, änderte er seine Pläne und beschloß, seine rote Jacke anzuziehen. Sie war ohnehin die beste, wenn er ein selbstbewußtes Auftreten an den Tag zu legen beabsichtigte.

Zum Spiegel gebeugt, sich die Wangen mit einem kleinen Schwamm abtupfend, den sie zuvor durch einen silbernen Behälter mit rosafarbenem Puder gezogen hatte, plapperte Teresa weiter zusammenhanglos über den Tratsch im Haus. Nichts davon erschien Dalton wichtig. Seine Gedanken wanderten zu den wirklichen Sorgen, mit denen er sich zu beschäftigen hatte, zu den Direktoren, die es noch zu überzeugen galt, und wie er Bertrand Chanboor zu behandeln gedachte.

Der Minister war ein gerissener Mann, ein Mann, den Dalton verstand. Der Minister teilte Daltons Ehrgeiz, wenn auch in einem weiter gefaßten, öffentlicheren Sinn. Bertrand Chanboor war ein Mann, der alles wollte – von einem hakenischen Mädchen, das seine Aufmerksamkeit erregt hatte, bis hin zum Herrscherthron. Hätte Dalton etwas zu sagen – und das hatte er –, würde Bertrand Chanboor bekommen, was er wollte.

Und Dalton käme in den Besitz jener Macht und Autorität, nach der es ihn verlangte. Er mußte nicht Herrscher werden. Minister für Kultur genügte ihm.

Der Minister für Kultur war die wahre Macht im Lande Anderith, er erließ die meisten Gesetze und ernannte die Gouverneure, um sie durchzusetzen. Einfluß und Machtbefugnis des Ministers für Kultur wirkten sich auf jedes Geschäft, auf jede Person im Lande aus. Er führte das Regiment über den Handel, die Künste, die öffentlichen Einrichtungen und die Glaubensrichtungen. Er hatte die Oberaufsicht über die Armee und alle öffentlichen Vorhaben. Obendrein galt er als Verkörperung der Religion. Der Herrscher war dagegen Zeremonie und Gepränge, Juwelen und Bekleidung, Festlichkeiten und Affären.

Nein, Dalton würde sich mit dem Amt des Ministers für Kultur ›zufriedengeben‹. Mit einem Herrscher, der auf dem Spinnennetz tanzte, das Dalton perfekt bediente.

»Ich habe deine guten Stiefel wienern lassen«, sagte Teresa. Sie deutete auf das andere Ende des Kleiderschranks. Er bückte sich und nahm sie in die Hand.

»Was gibt es Neues aus Aydindril, Dalton? Du sagtest, Stein solle seine Meinung über die Alte Welt und die Imperiale Ordnung kundtun. Was ist mit Aydindril? Was haben die Midlands vorzubringen?«

Wenn es etwas gab, das Daltons ehrgeizige Ziele und Pläne stören konnte, dann die Geschehnisse in Aydindril.

»Die aus Aydindril zurückgekehrten Botschafter berichteten, die Mutter Konfessor habe sich und die gesamten Midlands nicht nur auf Gedeih und Verderb mit Lord Rahl verbündet, dem neuen Lenker des d’Haranischen Reiches, sondern wolle diesen Mann sogar ehelichen. Mittlerweile dürfte sie mit dem Mann verheiratet sein.«

»Verheiratet! Die Mutter Konfessor persönlich, verheiratet.« Teresa richtete ihr Augenmerk wieder auf den Spiegel. »Muß eine großartige Angelegenheit gewesen sein. Ich könnte mir vorstellen, daß eine solche Hochzeit alles in Anderith in den Schatten stellt.« Teresa hielt nachdenklich vor ihrem Spiegel inne. »Aber die Kraft einer Konfessor überwältigt einen Mann, sobald diese ihn heiratet. Dieser Lord Rahl wird nichts weiter sein als eine Marionette der Mutter Konfessor.«

Dalton schüttelte den Kopf. »Offenbar besitzt er die Gabe und kann nicht durch ihre Kraft vernichtet werden. Ein kluger Zug von ihr, einen Lord Rahl von D’Hara zu ehelichen, der die Gabe besitzt. Das beweist nur ihre Gerissenheit, ihre innere Überzeugung und eine geschickte strategische Planung. Durch den Zusammenschluß der Midlands und D’Haras ist ein Reich entstanden, das man fürchten und mit dem man rechnen muß. Die Entscheidung wird nicht leichtfallen.«

Des weiteren hatten die Botschafter berichtet, Lord Rahl sei ein offenkundig unbescholtener Mann von großer innerer Überzeugung, ein Mann, der sich dem Frieden und der Freiheit für all jene verschrieben habe, die sich ihm angeschlossen hatten.

Zudem sei er ein Mann, der ihre Kapitulation vor dem zunehmend größer werdenden d’Haranischen Reich verlange, und zwar sofort.

Solche Männer neigten zur Unvernunft. Ein solcher Mann konnte endlosen Ärger bedeuten.

Dalton zog ein Hemd heraus und zeigte es Teresa. Sie war einverstanden und nickte. Er entkleidete sich bis zur Hüfte und schob seine Arme, den Geruch von Sauberkeit genießend, in das frische, reine Hemd.

»Stein überbringt uns Kaiser Jagangs Angebot über einen Platz in seiner neuen Weltordnung. Wir werden uns anhören, was er zu berichten hat.«

Wenn Stein ein Anzeichen war, dann verstand sich die Imperiale Ordnung auf die Feinheiten der Macht. Allen Anzeichen aus Aydindril zum Trotz war man dort bereit, eine Reihe von Punkten zur Diskussion zu stellen, die Dalton und dem Minister wichtig waren.

»Und die Direktoren? Was haben sie zu unserem Schicksal anzumerken?«

Dalton äußerte seine Unzufriedenheit mit einem Brummen.

»Die Zahl der Direktoren, die sich den alten Sitten verpflichtet fühlen, der sogenannten Freiheit der Völker der Midlands, schrumpft zusehends. Die Stimmen jener Direktoren, die darauf bestehen, daß wir beim Rest der Midlands bleiben – und uns Lord Rahl anschließen –, werden immer seltener. Die Menschen sind es leid, sich ihre überholten Ansichten und wenig inspirierten Lehren anzuhören.«

Teresa legte ihre Bürste fort. Sie runzelte besorgt die Stirn. »Wird es zum Krieg kommen, Dalton? Auf wessen Seite werden wir kämpfen? Werden wir in einen Krieg hineingezogen werden?«

Dalton legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Der Krieg wird zu einem langen, blutigen Kampf ausarten. Ich habe nicht die Absicht, mich oder unser Volk da hineinziehen zu lassen. Ich werde tun, was ich muß, um Anderith zu schützen.«

Vieles hing davon ab, welche Seite die Oberhand behielt. Es erschien wenig sinnvoll, sich auf die Seite der Verlierer zu schlagen.

»Wenn es sein muß, können wir die Dominie Dirtch einsetzen. Keine Armee, weder die Lord Rahls noch die des Kaisers Jagang, ist imstande, einer solchen Waffe standzuhalten. Bevor es dazu kommt, wäre es jedoch das beste, sich jener Seite anzuschließen, die die besten Bedingungen und Erfolgsaussichten bietet.«

Sie ergriff seine Hand. »Aber dieser Lord Rahl ist ein Zauberer. Du hast selbst gesagt, er besitzt die Gabe. Niemand vermag zu sagen, wie sich ein Zauberer verhalten wird.«

»Das könnte ein Grund sein, sich auf seine Seite zu schlagen. Andererseits hat die Imperiale Ordnung geschworen, die Magie auszumerzen. Vielleicht verfügen sie über Möglichkeiten, seinen Fähigkeiten entgegenzuwirken.«

»Aber wenn dieser Lord Rahl ein Zauberer ist, wäre dies eine schreckliche Magie – genau wie die Dominie Dirtch. Wenn wir uns ihm nicht ergeben, entfesselt er womöglich seine Kraft gegen uns.«

Er tätschelte ihre Hand und ging daran, sich weiter anzuziehen. »Sei unbesorgt, Tess. Ich werde dafür sorgen, daß Anderith nicht in Schutt und Asche fällt. Und wie gesagt, die Imperiale Ordnung behauptet, sie werde der Magie ein Ende machen. Stimmt das, dann hat ein Zauberer nichts gegen uns in der Hand. Wir werden einfach abwarten müssen, was Stein uns zu sagen hat.«

Er hatte keine Ahnung, wie die Imperiale Ordnung es schaffen wollte, der Magie ein Ende zu machen, schließlich existierte die Magie ebenso lange wie die Welt. Vielleicht meinte die Imperiale Ordnung in Wirklichkeit, sie wolle all jene eliminieren, die die Gabe besaßen. Das wäre keine neue Idee und hätte, in Daltons Überlegungen, Aussicht auf Erfolg.

Da gab es einmal jene, die bereits dafür eintraten, alle, die die Gabe besaßen, abzufackeln. Anderith hatte mehrere der radikaleren Anführer in Ketten gelegt, darunter auch Serin Rajak. Charismatisch, fanatisch und besessen wie ein tollwütiger Hund, galt Serin Rajak als unbezähmbar und gefährlich. Wenn er überhaupt noch lebte, denn er lag bereits seit Monaten in Ketten.

Rajak war der Überzeugung, die ›Hexen‹ – so nannte er die mit der Gabe – seien böse. Er verfügte über eine Reihe von Gefolgsleuten, die er vor seiner Verhaftung zu wüstem und alles zerstörendem Mob aufgewiegelt hatte.

Solche Männer waren gefährlich. Dalton hatte sich dennoch dafür eingesetzt, ihn nicht hinzurichten. Männer wie er konnten durchaus auch nützlich sein.

»Oh, und das wirst du einfach nicht für möglich halten«, meinte Teresa gerade. Sie hatte wieder von dem Tratsch angefangen, den sie aufgeschnappt hatte. Da ihm gerade Serin Rajak durch den Kopf ging, hörte er nur halb hin. »Diese Frau, von der ich sprach, die eine so hohe Meinung von sich hat, Claudine Winthrop, nun, sie erzählte uns, der Minister habe ihr Gewalt angetan.«

Dalton hörte noch immer nur halb zu. Ihm war bekannt, daß der Tratsch der Wahrheit entsprach. Claudine Winthrop war besagte ›verwirrte Frau‹ aus der Nachricht im Geheimfach seines Schreibtisches, jene Frau, für die er eine Entschädigung zu finden hatte. Sie war es auch, die Direktor Linscott den Brief geschrieben hatte – den Brief, der nie angekommen war.

Wann immer sich Claudine Winthrop die Gelegenheit bot, scharwenzelte sie um den Minister herum, flirtete mit ihm, lächelte ihn an, zwinkerte ihm zu. Was glaubte sie wohl, was passieren würde? Sie hatte bekommen, was sie bekommen mußte, und das wußte sie. Und jetzt beschwerte sie sich?

»Daher ist sie so erzürnt darüber, vom Minister auf derart rohe Weise behandelt zu werden, daß sie nach dem Abendessen vor Lady Chanboor und sämtlichen Gästen verkünden will, der Minister habe ihr auf derbste Weise Gewalt angetan.«

Dalton spitzte die Ohren.

»Es sei eine Vergewaltigung gewesen, so nennt sie es, und als Vergewaltigung werde sie es der Gattin des Ministers zutragen.« Teresa drehte sich auf ihrem Hocker und fuchtelte ihm mit einem kleinen Pinsel aus Eichhörnchenhaar vor dem Gesicht herum. »Und den Direktoren des Ministeriums für kulturelle Zusammenarbeit, vorausgesetzt, es sind welche anwesend. Falls der Herrscher tatsächlich anwesend sein sollte, könnte daraus ein häßlicher Streit entstehen, Dalton. Der Herrscher ist verpflichtet, die Hand zu heben und Ruhe zu befehlen, damit sie sprechen kann.«

Dalton war mittlerweile ganz bei der Sache. Die zwölf Direktoren würden bei dem Fest anwesend sein. Jetzt wurde ihm klar, worum es im Fall Claudine Winthrop ging.

»Das hat sie gesagt, ja? Hast du gehört, wie sie es sagte?«

Teresa stemmte eine Hand in die Hüfte. »Aber ja. Ist das nicht ein Ding? Dabei sollte sie doch wissen, wie Minister Chanboor ist, daß er mindestens die Hälfte aller Frauen auf dem Anwesen in sein Bett gelockt hat. Und jetzt will sie Ärger machen? Das dürfte eine ziemliche Sensation werden, möchte ich meinen. Eins sage ich dir, Dalton, sie führt etwas im Schilde.«

Als Teresa schwatzend zu einem anderen Thema übergehen wollte, unterbrach er sie und fragte: »Was hatten die anderen Frauen dazu zu sagen? Zu Claudines Plänen?«

Teresa legte den Eichhörnchenpinsel fort. »Nun, wir alle sind der Meinung, daß es einfach fürchterlich ist. Immerhin gilt der Minister für Kultur als wichtiger Mann. Eines Tages könnte er sogar Herrscher werden – der jetzige Herrscher ist schließlich kein junger Mann mehr. Der Minister könnte jeden Augenblick berufen werden, den Herrscherthron zu besteigen. Das ist eine schreckliche Verantwortung.«

Sie richtete ihren Blick wieder auf den Spiegel und machte sich mit einer Haarnadel zu schaffen. Dann wandte sie sich abermals um und drohte ihm damit. »Der Minister ist schrecklich überarbeitet und hat ab und zu das Recht auf eine harmlose Zerstreuung. Die Frauen sind willig. Das geht niemanden etwas an – es ist ihr Privatleben – und hat keinerlei Auswirkung auf die öffentlichen Geschäfte. Außerdem ist es schließlich nicht so, als hätte die kleine Schlampe nicht geradezu darum gebeten.«

Das vermochte Dalton nicht zu bestreiten. Er konnte ums Verrecken nicht begreifen, wie Frauen, adlige oder hakenische junge Frauen, dem alten Lüstling zuzwinkern und anschließend überrascht sein konnten, wenn er daraufhin anbiß, sozusagen.

Natürlich war dieses hakenische Mädchen, Beata, weder alt noch erfahren genug gewesen, um solche Erwachsenenspiele völlig zu durchschauen. Vermutlich hatte sie bei der Geschichte Stein ebensowenig auf ihrer Rechnung gehabt. Das Mädchen tat Dalton ein wenig leid, auch wenn sie Hakenierin war. Nein, sie hatte Stein, der im hohen Weizen lauerte, sicherlich nicht bemerkt, als sie den Minister ehrfürchtig angelächelt hatte.

Die anderen Frauen jedoch, die bei Hofe sowie die erwachsenen Frauen, die wegen der Partys und Festlichkeiten aus der Stadt auf das Anwesen kamen, sie wußten, was es mit dem Minister auf sich hatte, und sahen keinerlei Grund, sich hinterher zu beschweren.

Dalton wußte, einige waren nur dann zufrieden, wenn sie einen nicht näher benannten, wenngleich bedeutenden Ausgleich erhielten, irgendeine Entschädigung. In diesem Augenblick wurde es für Dalton zum Problem. Er fand eine Entschädigung für sie und tat sein Bestes, sie davon zu überzeugen, wie gerne sie diese hätten. Die meisten waren klug genug, eine solch großzügige Lösung zu akzeptieren – die meisten hatten ohnehin von Anfang an nicht mehr gewollt.

Zweifellos waren die Frauen auf dem Anwesen darüber aufgebracht, daß Claudine intrigierte, um Ärger zu machen. Viele dieser Ehefrauen hatten dem Minister beigewohnt, hatten sich von der berauschenden Atmosphäre der Macht, die diesen Mann umgab, verführen lassen. Dalton hatte allen Grund zu der Annahme, daß viele, die noch nicht im Bett des Ministers gelandet waren, dort noch zu landen beabsichtigten. Entweder war Bertrand noch nicht an sie herangekommen, oder er hatte gar nicht die Absicht. Höchstwahrscheinlich ersteres. Er neigte dazu, Männer erst dann auf sein Anwesen zu berufen, wenn er auch ihre Frauen kennengelernt hatte. Dalton mußte bereits einen durchaus fähigen Mann als Verweser ablehnen, weil Bertrand dessen Frau zu gewöhnlich fand.

Es gab nicht nur einen endlosen Strom von Frauen, die in Ohnmacht fielen, um diesem Mann zu Willen zu sein, auch er war in dieser Hinsicht unersättlich. Nichtsdestoweniger hatte er gewisse Maßstäbe. Wie viele ältere Männer hatte er eine Vorliebe für die Jugend.

Er war imstande, seiner Gier nach üppigen jungen Frauen zu frönen, ohne – wie die meisten Männer über fünfzig – die Prostituierten in der Stadt aufsuchen zu müssen. Genaugenommen mied Bertrand diese Frauen wie die Pest, denn er fürchtete sich vor ihren ansteckenden Krankheiten.

Andere Männer seines Alters, die auf anderem Wege keine jungen Frauen bekommen und ihnen auch nicht zu widerstehen vermochten, hatte keine Chance, sehr viel älter zu werden. Ebensowenig wie die jungen Frauen. Die Krankheiten forderten schnell zahlreiche Opfer.

Bertrand Chanboor konnte stets aus einer nicht abreißenden Zufuhr gesunder junger Frauen von begrenzter Erfahrung und Moral auswählen. Bereitwillig flatterten sie in die Kerzenflammen aus hohem Ansehen und beinahe unumschränkter Macht.

Dalton strich Teresa sachte mit dem Finger über die Wange. Er konnte von Glück reden, eine Frau zu haben, die seine ehrgeizigen Ziele teilte, diese im Gegensatz zu vielen anderen jedoch mit Scharfblick verfolgte.

»Ich liebe dich, Tess.«

Überrascht von seiner unvermittelten zärtlichen Geste, ergriff sie seine Hand mit beiden Händen und überschüttete sie der Länge nach mit Küssen.

Er hatte nicht die geringste Ahnung, was er im Leben vollbracht haben mochte, um sie verdient zu haben. Nichts bei ihm hatte darauf hingedeutet, daß er jemals eine so tüchtige Frau wie Teresa bekommen würde. Sie war das einzige in seinem Leben, das er nicht durch reine Willenskraft, durch das Niedermachen jedweden Widerstandes, durch die Beseitigung all dessen, was sein Ziel in Frage stellen konnte, erlangt hatte. In sie hatte er sich schlicht hilflos verliebt.

Wieso die Guten Seelen sich entschieden hatten, alles Übrige in seinem Leben zu übersehen und ihn mit diesem Leckerbissen zu belohnen, vermochte er nicht einmal ansatzweise zu erraten, doch er nahm ihn gerne an und hielt bedingungslos daran fest.

Während er in ihre schwärmerischen Augen blickte, begann Geschäftliches sich in seine lustvoll umherschweifenden Überlegungen einzuschleichen.

Er würde nicht umhinkommen, sich um Claudine zu kümmern. Sie mußte zum Schweigen gebracht werden, und zwar bevor sie Schwierigkeiten machen konnte. Dalton ging in Gedanken die Gefälligkeiten durch, die er ihr als Gegenleistung dafür bieten konnte, daß sie die Zweckmäßigkeit ihres Schweigens erkannte. Niemand, nicht einmal Lady Chanboor, verschwendete viele Gedanken auf die Tändeleien des Ministers, wenn jedoch eine Frau von Rang den Vorwurf der Vergewaltigung erhob, war dies lästig.

Es gab Direktoren, die sich an Ideale der Rechtschaffenheit klammerten. Die Führer des Ministeriums für kulturelle Zusammenarbeit hatten das Sagen, wenn es um die Frage ging, wer Herrscher wurde. Manch einer wollte, daß der nächste Herrscher ein Mann von sittlichem Charakter wäre. Einem Neuling konnten sie den Thron verwehren.

Nach Bertrands Ernennung zum Herrscher würde es keine Rolle mehr spielen, was sie dachten, vorher jedoch ganz bestimmt.

Claudine mußte zum Schweigen gebracht werden.

»Wo willst du hin, Dalton?«

Er wandte sich an der Tür um. »Ich muß noch eine Nachricht verfassen und diese dann abschicken. Es wird nicht lange dauern.«

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