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Teresa lächelte. »Aber gern.«

Dalton nahm sich zwei Kalbsklößchen mit Dill von dem Servierteller, den ihm der Diener hinhielt. Der junge Hakenier beugte ein Knie, schwenkte eleganten Schritts herum und glitt mit einer fließenden Bewegung weiter. Dalton legte das Fleisch auf der Platte ab, die er mit Teresa teilte, während diese an ihrer Lieblingsspeise, Jungkaninchen, knabberte.

Die langatmige Festlichkeit langweilte und ermüdete Dalton. Es gab wichtige Arbeiten, die seine Aufmerksamkeit verlangten. Zweifellos war es seine oberste Pflicht, dem Minister aufzuwarten, doch wäre diesem Ziel besser gedient, wenn er sich mit Angelegenheiten hinter den Kulissen der regierenden Gewalten befasste, statt vor aller Leute Augen beifällig über die Scherze des Ministers zu lachen.

Bertrand erzählte soeben einigen reichen Kaufleuten am anderen Ende der Tafel, mit einer Wurst in der Hand herumfuchtelnd, einen Witz. Am derben Lachen der Kaufleute und an der Art, wie er die Wurst handhabte, glaubte Dalton zu erkennen, um was für eine Art Scherz es sich handelte. Vor allem Stein hatte seine Freude daran.

Als das Gelächter sich legte, entschuldigte sich Bertrand sogleich überfreundlich bei seiner Frau und bat sie, ihm den Scherz zu verzeihen. Sie tat die Angelegenheit kichernd mit einer affektierten Handbewegung ab und setzte hinzu, er sei unverbesserlich. Die Gutmütigkeit, mit der sie ihren Gatten gewähren ließ, wurde von den Kaufleuten mit einem stillvergnügten Lachen quittiert.

Teresa stieß Dalton sachte mit dem Ellenbogen an und fragte leise: »Was war das für ein Scherz, den der Minister zum Besten gegeben hat? Ich konnte nichts verstehen.«

»Du solltest dem Schöpfer dankbar sein, dass er dich nicht mit einem besseren Gehör gesegnet hat. Es war einer der typischen Scherze Bertrands, wenn du weißt, was ich meine.«

»Nun«, erwiderte sie grinsend, »vielleicht erzählst du ihn mir, wenn wir zu Hause sind?«

Dalton schmunzelte. »Wenn wir zu Hause sind, Tess, werde ich ihn dir sogar zeigen.«

Sie lachte heiser. Dalton nahm eines der Kalbsklößchen in die Hand und tunkte es in eine Wein- und Ingwersoße. Er ließ sie abbeißen und ein wenig von der Soße von seinem Finger schlecken, bevor er sich den Rest in den Mund schob.

Während er kaute, wandte er seine Aufmerksamkeit drei der Direktoren auf der gegenüberliegenden Seite des Saales zu, die allem Anschein nach in eine ernste Unterhaltung vertieft waren. Mit ausholenden Handbewegungen gestikulierend, beugten sie sich vor, runzelten die Stirn, schüttelten die Köpfe und unterstrichen mit erhobenem Finger ihre jeweiligen Standpunkte. Dalton wusste, um was es bei ihrem Gespräch ging, denn fast jede Unterhaltung im Saal kreiste um ein einziges Thema: die Ermordung Claudine Winthrops.

Der Minister, in einem violett und rostrot gestreiften, eng sitzenden Koller über einem goldenen, mit Weizenährenmuster besetzten Ärmelwams, legte Dalton seinen Arm über die Schultern und beugte sich zu ihm. Die weißen Rüschen an den Stulpen des Ministers waren voller Rotweinflecken, was ihm den Anschein verlieh, als blute er unter dem eng anliegenden Ärmel.

»Noch immer sind alle über Claudines Ermordung überaus bestürzt«, meinte Bertrand.

»Und das zu Recht.« Dalton stippte einen Lammfleischwürfel in Minzgelee. »Eine grauenhafte Tragödie.«

»Ja, sie hat uns alle zu der Erkenntnis gezwungen, wie leicht uns die Ideale zivilisierten Umgangs entgleiten können, die wir so in Ehren halten. Sie hat uns die Augen dafür geöffnet, wie viel Arbeit noch vor uns liegt, wenn wir Hakenier und Anderier zu einer friedfertigen Gesellschaft vereinen wollen.«

»Unter Eurer weisen Führerschaft«, merkte Teresa mit aufrichtiger Begeisterung an, während Dalton seinen Lammwürfel verspeiste, »werden wir erfolgreich sein.«

»Vielen Dank für Eure Unterstützung, meine Liebe.« Bertrand beugte sich noch ein kleines Stück näher zu Dalton und senkte außerdem die Stimme. »Ich hörte, der Herrscher sei erkrankt.«

»Tatsächlich?« Dalton lutschte sich das Minzgelee vom Finger. »Ist es etwas Ernstes?«

Bertrand schüttelte in gespielter Besorgnis den Kopf. »Wir haben noch keine Nachricht.«

»Wir werden für ihn beten«, warf Teresa ein, während sie eine dünne Scheibe Pfefferfleisch auswählte. »Und auch für den armen Edwin Winthrop.«

Bertrand lächelte. »Ihr seid eine überaus aufmerksame und gutherzige Frau, Teresa.« Dabei starrte er auf ihr Leibchen, als erwartete er, ihr gütiges Herz dort hinter ihrem offenherzigen Busen schlagen zu sehen. »Sollte ich jemals krank darniederliegen, könnte ich mir keine edelmütigere Frau wünschen, die in meinem Namen zum Schöpfer betet. Gewiss würde ihm bei Euren zärtlich flehenden Worten das Herz aufgehen.«

Teresa strahlte. Hildemara, an einer Birnenscheibe knabbernd, stellte ihrem Gatten eine Frage, woraufhin sich dieser zu ihr umdrehte. Stein beugte sich vor, um mit ihnen über irgend etwas zu plaudern. Sie alle lehnten sich zurück, als ein Diener einen Servierteller gerösteten Rindfleisches brachte.

Als Stein sich eine Hand voll des gerösteten Fleisches nahm, blickte Dalton abermals zu den Direktoren hinüber, die immer noch in ihre Diskussion vertieft waren. Er ließ den Blick suchend über die gegenüberliegende Tafel wandern und lenkte Franca Gowenlocks Aufmerksamkeit auf sich. Das Gesicht der Frau verriet ihm, dass sie nicht imstande war, auch nur das Geringste davon aufzuschnappen. Dalton hatte keine Ahnung, was mit ihren Fähigkeiten nicht in Ordnung war, langsam wurde es jedoch zu einem ernst zu nehmenden Hindernis.

Ein Diener reichte dem Minister einen silbernen Servierteller. Er nahm sich mehrere Scheiben Schweinefleisch. Ein anderer brachte Lamm auf Linsen, dem Hildemara den Vorzug gab. Ein Tafelmeister schenkte an der Ehrentafel Wein nach und ging dann wieder. Der Minister, ganz Ehemann, legte Hildemara einen Arm um ihre Schultern und redete mit gesenkter Stimme auf sie ein.

Ein Servierer kam herein, einen großen, mit kleinen braunen Brotlaiben überladenen Korb in der Hand. Er trug sie zur Anrichte hinüber, wo sie auf silberne Tabletts verteilt wurden. Aus der Ferne vermochte Dalton nicht zu erkennen, ob irgend etwas mit dem Brot nicht stimmte. Ein großer Teil war als ungeeignet für das Fest erklärt und zur Schenkung an die Armen freigegeben worden. Essensreste von den Festen wurden, üblicherweise in großen Mengen, an die Armen verteilt.

Zuvor am selben Tag hatte Meister Drummond in der Küche irgendwelche Probleme mit dem Brotbacken gehabt. Die Ofen hätten ›irgendwie verrückt gespielt‹, wie der Mann sich ausdrückte. Eine Frau hatte sich schwere Verbrennungen zugezogen, bevor man sie mit Wasser hatte überschütten können. Dalton hatte sich um wichtigere Dinge als Brotbacken zu kümmern und nicht weiter nachgefragt.

»Dalton«, meinte der Minister, seine Aufmerksamkeit wieder seinem Adjutanten zuwendend, »konntet ihr die Beweise im Mordfall Claudine Winthrop schon auf ihre Verwendbarkeit hin überprüfen?«

Hildemara, auf der anderen Seite des Ministers, schien überaus gespannt auf Daltons Antwort.

»Ich habe in verschiedene viel versprechende Richtungen ermittelt«, erwiderte Dalton unverbindlich. »Ich hoffe, die Untersuchungen schon bald zum Abschluss bringen zu können.«

Wie immer waren sie gezwungen, ihre Worte mit Bedacht zu wählen, wenn sie auf Festen miteinander sprachen, damit Äußerungen, deren Verbreitung sie kaum wollen konnten, nicht auf empfangsbereite Ohren stießen. Durchaus möglich, dass außer Franca noch andere mit der Gabe gesegnete Lauscher anwesend waren, die keine Probleme mit ihrer Fähigkeit hatten. Dalton, von Bertrand und seiner Gattin ganz zu schweigen, hegte keinen Zweifel, dass sich die Direktoren die mit der Gabe Gesegneten zunutze machen könnten.

»Nun, die Sache ist die«, sagte Bertrand, »wie mir Hildemara berichtet, zeigen sich verschiedene Personen zunehmend besorgt, wir könnten die Angelegenheit nicht ernst genug nehmen.«

Dalton wollte bereits ansetzen, dies mit Beweisen zu widerlegen, als Bertrand eine Hand hob und fortfuhr.

»Selbstverständlich ist nichts daran wahr. Ich weiß, wie hart Ihr auf die Festnahme der Verbrecher hingearbeitet habt.«

»Tag und Nacht«, warf Teresa ein. »Ich kann Euch versichern, Minister Chanboor, Dalton bekommt in letzter Zeit kaum Schlaf, so hart hat er seit der Ermordung der armen Claudine geschuftet.«

»Oh, das weiß ich«, meinte Hildemara, die sich an ihrem Gemahl vorbeibeugte und vor Teresas und aller anderen auf sie gerichteten Augen Daltons Handgelenk tätschelte. »Mir ist bekannt, wie hart Dalton gearbeitet hat. Alle wissen seinen Einsatz zu schätzen. Wir wissen, welch große Zahl von Menschen er hat herbringen lassen, damit sie verhört werden können.

Nur beginnen sich einige Leute zu fragen, ob all diese Bemühungen die Schuldigen jemals ans Licht bringen werden. Die Menschen fürchten sich vor den Mördern, die noch unter ihnen sind, und warten voller Ungeduld darauf, dass die Angelegenheit zum Abschluss gebracht wird.«

»Ganz recht«, warf Bertrand ein. »Wir wollen mehr als jeder andere, dass der Mord aufgeklärt wird, damit wir unseren Seelenfrieden wieder finden und unser Volk wieder ruhig schlafen kann.«

»So ist es«, meinte Hildemara mit einem kalten Glitzern in den Augen. »Er muss unbedingt aufgeklärt werden.«

Die gebieterische Kälte in ihrem Ton war nicht zu überhören. Dalton wusste nicht, ob Hildemara Bertrand von ihren Anordnungen im Fall Claudine unterrichtet hatte, aber das dürfte für ihn kaum eine Rolle spielen. Er hatte mit der Frau nichts mehr zu schaffen und sich anderen zugewandt. Bestimmt hatte er nichts dagegen, wenn sie hinter ihm aufräumte und etwaigen Ärger im Keim erstickte.

Dalton hatte angenommen, der Minister und seine Gemahlin würden der Beschwerden der Leute überdrüssig werden, bevor die Leute es überdrüssig wurden, über die Ermordung einer prominenten Frau auf dem Anwesen zu sprechen. Vorsichtshalber hatte er bereits Pläne geschmiedet: Alles deutete darauf hin, dass er gezwungen sein würde, sie in die Tat umzusetzen.

Seine erste Alternative wäre abzuwarten, denn er wusste, das Gerede würde bald abklingen und die ganze Geschichte in Vergessenheit geraten. Schlimmstenfalls würden die Leute gelegentlich aus vorübergehender Empörung oder gar Sensationsgier mit der Zunge schnalzen. Andererseits sah Bertrand es gern, wenn man ihn in seinem Amt für kompetent hielt. Das Opfer der anderen war für ihn von untergeordneter Bedeutung, für Hildemara schien es unerheblich. Die Ungeduld der Leute jedoch war gefährlich.

»Ich wünsche mir ebenso sehr wie jeder andere, dass die Mörder gefunden werden«, meinte Dalton. »Als Mann des Gesetzes bin ich jedoch durch meinen Amtseid verpflichtet, dafür zu sorgen, dass wir die richtigen Mörder finden und nicht einfach unberechtigte Beschuldigungen erheben, nur damit jemand bestraft wird. Ich weiß, genau diesen ernsten Rat habt Ihr mir früher schon gegeben«, log Dalton für alle mithörenden Ohren.

Als er sah, dass Hildemara im Begriff war, Einwände gegen jede Verzögerung vorzubringen, setzte Dalton in leisem, plötzlich verärgertem Ton hinzu: »Es wäre nicht nur falsch, aus lauter Eilfertigkeit Unschuldige anzuklagen. Wenn wir vorschnell Männer dieses Verbrechens beschuldigen und sich nach der Bestrafung herausstellte, dass die Mutter Konfessor ihnen das Geständnis abzunehmen wünscht und dahinterkommt, dass wir Unschuldige bestraft haben, würde zudem unsere Unfähigkeit zu Recht bloßgestellt werden, und zwar nicht nur durch die Mutter Konfessor, sondern in gleichem Maße auch durch den Herrscher und die Direktoren

Er wollte absolut sichergehen, dass sie die darin enthaltenen Risiken begriffen.

»Schlimmer noch, sollten wir einen Mann zum Tode verurteilen und die Hinrichtung vollstrecken, bevor die Mutter Konfessor Erlaubnis erhält, den Fall zu überprüfen, könnte sie sich auf eine Weise einschalten, die nicht nur die Regierung zu Fall bringen könnte, sondern es könnten zur Strafe auch Spitzenbeamte von ihrer Kraft berührt werden.«

Bertrand und Hildemara hatten Daltons ruhige, aber ernüchternde Ausführungen mit großen Augen schweigend verfolgt.

»Natürlich, Dalton. Ihr habt natürlich Recht.« Bertrand fächelte sich Luft zu. »Ich wollte selbstverständlich nicht den Eindruck erwecken, als sei es mir mit diesem Vorschlag ernst. In meiner Funktion als Minister kann ich nicht zulassen, dass jemand zum Schein angeklagt wird. Ich würde bei so etwas niemals tatenlos zusehen. Es wäre nicht nur eine Ungerechtigkeit gegenüber dem zum Schein Angeklagten, ein solches Vorgehen würde es auch den tatsächlichen Mördern ermöglichen, zu entkommen und weitere Morde zu begehen.«

»Aus Euren Bemerkungen scheint hervorzugehen« – Hildemaras Stimme nahm erneut einen bedrohlichen Unterton an –, »dass Ihr kurz davor steht, die Namen der Mörder bekannt zu geben? Ich habe so viel Gutes über Eure Fähigkeiten gehört, daher nehme ich an, Ihr wollt nur gründlich sein. Als Hauptadjutant des Ministers werdet Ihr doch bestimmt bald wieder Gerechtigkeit herstellen? Die Menschen werden sich von der Kompetenz des Ministers für Kultur überzeugen wollen. Sein Anteil an der Auflösung dieses Falles muss genauso deutlich werden.«

»Ganz recht«, meinte Bertrand, der seine Frau scharf ansah, bis sie sich in ihren Sessel zurücksinken ließ. »Wir wünschen eine gerechte Lösung.«

»Hinzu kommt«, fuhr Hildemara fort, »dass man sich erzählt, erst kürzlich sei ein armes hakenisches Mädchen vergewaltigt worden. Die Gerüchte über diese Vergewaltigung greifen rasch um sich. Die Menschen glauben, es besteht eine Verbindung zwischen beiden Verbrechen.«

»Ich habe auch gehört, wie man sich dergleichen hinter vorgehaltener Hand erzählt«, meinte Teresa. »Einfach schrecklich.«

Dalton hätte sich denken können, dass Hildemara dahinter gekommen war und diesen Fall ebenfalls aus der Welt geschafft haben wollte. Er war auf diese Entwicklung vorbereitet, hoffte jedoch, dieses Problem nach Möglichkeit umgehen zu können.

»Ein hakenisches Mädchen? Wer will denn behaupten, dass sie die Wahrheit sagt? Vielleicht will sie eine außereheliche Schwangerschaft verbergen und beruft sich in diesen Zeiten überhitzter Leidenschaft auf Vergewaltigung, um sich Sympathien zu verschaffen.«

Bertrand tunkte ein Stück Schweinefleisch in eine kleine Schale Senf. »Noch hat niemand ihren Namen genannt, doch soweit ich gehört habe, glaubt man der Geschichte. Man ist nach wie vor bemüht, ihren Namen herauszufinden, um sie vor einen Friedensrichter bringen zu können.«

Bertrand runzelte die Stirn zu einem viel sagenden Blick, um Dalton zu signalisieren, dass sie von dem Mädchen des Metzgers redeten. »Man befürchtet nicht nur, die Geschichte könnte stimmen, sondern dass es sich um dieselben Kerle handelt, die auch Claudine überfallen haben. Die Menschen haben Angst, dieselben Verbrecher könnten mittlerweile zum zweiten Mal zugeschlagen haben und es womöglich noch ein drittes Mal versuchen.«

Bertrand legte den Kopf in den Nacken und ließ das Schweinefleisch in seinen Mund fallen. Stein, auf Hildemaras anderer Seite, verfolgte die Unterhaltung mit wachsender Verachtung, während er sein geröstetes Fleisch verzehrte. Er würde die Angelegenheit selbstverständlich rasch mit seiner Klinge bereinigen. Dalton ebenfalls, wenn es so einfach wäre.

»Aus diesem Grund«, meinte Hildemara, die sich erneut vorbeugte, »muss das Verbrechen unbedingt aufgeklärt werden. Die Menschen müssen erfahren, wer dafür verantwortlich ist.« Nachdem sie ihren Befehl losgeworden war, richtete sie sich in ihrem Sessel auf.

Bertrand drückte Daltons Schulter. »Ich kenne Euch, Dalton. Ich weiß, Ihr wollt nicht einfach an die Öffentlichkeit treten und Euren Erfolg verkünden, bevor Ihr die Ernte sicher eingefahren habt, denn dafür seid Ihr zu bescheiden, aber ich weiß, Ihr habt das Verbrechen längst gelöst und werdet die Mörder in Kürze bekannt geben. Und zwar bevor die Menschen sich die Mühe machen, ein armes hakenisches Mädchen vor den Friedensrichter zu schleifen. Nachdem sie wegen dieser Geschichte offenbar bereits so viel gelitten hat, wäre es doch bedauerlich, wenn sie weitere Demütigungen hinnehmen müsste.«

Sie wussten es vermutlich nicht, doch Dalton hatte ja bereits mit Snip darüber geredet, den Stein ins Rollen zu bringen. Allerdings war ihm klar, dass er ihm selber eine andere Richtung würde geben müssen.

Stein, drüben zur anderen Seite Hildemaras sitzend, schmiss sein Brot angewidert auf den Tisch.

»Das Brot ist angebrannt!«

Dalton seufzte. Der Mann schien Gefallen an seinen lächerlichen Wutausbrüchen zu finden. Nicht auf ihn zu achten wäre tückisch, da er wie ein kleines Kind jederzeit etwas anstellen konnte, um beachtet zu werden. Sie hatten ihn in ihrer Unterhaltung übergangen.

»Wir hatten ein paar Probleme mit den Öfen unten in der Küche«, erklärte Dalton. »Wenn Ihr dunkles Brot nicht mögt, schneidet doch die verbrannte Kruste ab.«

»Ihr habt Probleme mit Hexen!«, brüllte er. »Und dann unterhaltet Ihr Euch über das Abschneiden von Brotkrusten? Das ist Eure Lösung?«

»Wir haben Probleme mit den Öfen«, entgegnete Dalton mit äußerster Selbstbeherrschung, während er einen aufmerksamen Blick in den Raum warf, um festzustellen, ob irgend jemand den Mann beachtete. Ein paar Frauen, zu weit entfernt, um etwas mitzubekommen, zwinkerten ihm zu. »Wahrscheinlich ein verstopfter Aschegang. Wir werden das morgen reparieren lassen.«

»Hexen«!, wiederholte Stein aufgebracht. »Hexen haben Banne ausgesprochen, damit das Brot hier verbrennt. Jedes Kind weiß doch, wenn eine Hexe in der Nähe ist, kann sie nicht widerstehen, Banne auszusprechen, damit das Brot anbrennt.«

»Dalton«, raunte Teresa, »er kennt sich mit Magie aus. Vielleicht weiß er etwas, von dem wir nichts ahnen.«

»Er ist ein abergläubischer Mensch, weiter nichts.« Dalton lächelte ihr zu. »Wie ich Stein kenne, erlaubt er sich einen Scherz mit uns.«

»Ich könnte Euch helfen, sie aufzuspüren.« Stein kippte seinen Sessel nach hinten und ging daran, mit einem Messer unter seinen Fingernägeln herumzustochern. »Ich kenne mich mit Hexen aus. Wahrscheinlich haben Hexen diese Frau getötet und die andere vergewaltigt. Da Ihr offenkundig nicht dazu imstande seid, werde ich sie für Euch finden. Ich könnte einen weiteren Skalp für meinen Umhang gebrauchen.«

Dalton warf seine Serviette auf den Tisch und entschuldigte sich bei Teresa. Er erhob sich, ging mit großen Schritten um den Minister und seine Gemahlin herum und beugte sich dicht an Steins Ohr. Der Mann stank.

»Ich habe meine Gründe, die Dinge so zu tun, wie ich es für richtig halte«, zischte Dalton leise. »Wenn wir es auf meine Weise machen, kriegen wir dieses Pferd dazu, das Feld für uns zu pflügen, unseren Karren zu ziehen und unser Wasser zu schleppen. Wollte ich einfach nur sein Fleisch, könnte ich auf Euch verzichten; ich würde es eigenhändig schlachten.

Ich habe Euch schon einmal gewarnt, auf Eure Worte zu achten, aber da Ihr es offenkundig nicht begriffen habt, werde ich es Euch ein weiteres Mal erklären, und zwar auf eine Weise, dir sogar Ihr begreift.«

Stein grinste, dass man seine gelben Zähne sah. Dalton beugte sich noch näher.

»Das Problem, um das es hier geht, ist zum Teil auf Euch selbst und Eure Unfähigkeit zurückzuführen, etwas freundlich anzunehmen, das man Euch aus freien Stücken zur Verfügung stellt. Stattdessen hieltet Ihr es für angebracht, ein Mädchen mit Gewalt zu nehmen, das weder bereit noch willig war. Was passiert ist, kann ich nicht mehr ändern, aber solltet Ihr Euch noch einen einzigen Patzer dieser Art erlauben, um Aufsehen zu erregen, werde ich Euch eigenhändig die Kehle aufschlitzen und Euch in einem Korb zum Kaiser zurücksenden. Ich werde ihn bitten, uns jemanden zu schicken, der etwas mehr Verstand als ein brünstiges Schwein besitzt.«

Dalton presste Stein sein in der Handfläche verborgenes Stiefelmesser, von dem nur die äußerste Spitze zu sehen war, gegen die Unterseite seines Kinns.

»Ihr befindet Euch in Gegenwart Eurer Vorgesetzten. Und jetzt erklärt den guten Leuten hier an der Tafel, dass Ihr Euch nur einen derben Spaß geleistet habt. Und noch etwas, Stein – macht, dass es überzeugend klingt, sonst werdet Ihr die Nacht nicht überleben, das schwöre ich.«

Stein erklärte sich lachend einverstanden. »Ich mag Euch, Campbell. Wir beide sind uns ziemlich ähnlich. Ich bin sicher, wir werden miteinander ins Geschäft kommen; Euch und dem Minister wird die Imperiale Ordnung gefallen. Wir sind, trotz Eurer geckenhaften Tanzerei beim Abendessen, aus ein und demselben Holz.«

Dalton kehrte zu Hildemara und Bertrand zurück. »Stein möchte etwas loswerden. Sowie er damit fertig ist, muss ich fort und einige brandneue Informationen einsehen. Ich glaube, möglicherweise habe ich die Namen der Mörder.«

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