47

»Oh, sehr freundlich«, stieß Zedd in gespieltem Entzücken hervor, als die Frau den schweren Band in den Lichtkegel der hohen Lampe legte. »Jetzt bin ich ganz sicher, es besteht absolut kein Zweifel mehr: Ihr könnt nur eine gute Seele sein, die gekommen ist, mir beizustehen, Madame Firkin.«

Die Frau wurde unversehens so schüchtern wie ein junges Mädchen; ihre Wangen röteten sich, als sie lächelte.

»Dazu bin ich doch da, Meister Rybnik.«

Er beugte sich näher zu ihr und senkte seine Stimme zu einem munteren Flüstern. »Von schönen Frauen ziehe ich es vor, Ruben genannt zu werden.«

Wenn die Umstände es erforderten, einen Decknamen zu benutzen, bevorzugte Zedd den Namen Ruben Rybnik; er fand den Namen fesch. Sein einfaches Leben weckte das Bedürfnis nach gelegentlichem Glanz. Zedd war der Ansicht, dass heitere Zerstreuungen als Ausgleich unverzichtbar waren. Etwas so Simples wie die Verwendung des Namens Ruben Rybnik kam diesem Bedürfnis da sehr entgegen.

Die Frau begriff die kokette Bemerkung nicht und blinzelte ihn verständnislos an – was Zedd überraschte, denn ihrem Aussehen nach hatte sie sich bestimmt ihr Leben lang vor glühenden Verehrern kaum retten können. Zedd sah sich gezwungen, deutlicher zu werden.

»Aus diesem Grund, Madame Firkin, ziehe ich es vor, Ihr nennt mich Ruben.«

Sie starrte ihn verwirrt an, dann schließlich, als er sah, wie die Erkenntnis in ihren dunkelbraunen Augen eins und eins zusammenzählte, entfuhr ihr unvermittelt ein Kichern, das durch den langen Saal hallte. An den anderen Tischen hoben ein paar Leute den Kopf. Er bemerkte, wie einer der Aufseher zu ihnen herübersah. Madame Firkin versuchte ihr Grinsen mit dem Handrücken zu verdecken, während sie tiefrot anlief.

»Ruben.« Die Frivolität, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen, ließ sie abermals kichern. Sie sah sich um, bevor sie sich zu ihm beugte. »Vedetta.«

»Ah«, gurrte Zedd. »Vedetta. Was für ein hinreißender Name.«

Als sie kichernd davoneilte, hallte ihr Schlurfen leise durch den riesigen Saal – durch das untere der beiden Stockwerke der eleganten anderischen Bibliothek. Von seinem Platz an einem der Tische aus hatte Zedd schon eine ganze Weile durch die Fenster dem Sonnenuntergang zugesehen. Die Lampenreihen ließen das honigfarbene Eichenholz des Raumes in einem warmen Glanz erglühen und spendeten all denen Licht, die selbst jetzt noch lieber Worte verschlangen als ein Abendessen.

Zedd zog den schweren Band, den Vedetta Firkin aufgestöbert hatte, heran. Bereits ein flüchtiger Blick verriet ihm, dass er wertlos war. Er schlug ihn dennoch auf, um so zu tun, als lese er mit aufrichtigem Interesse darin.

Das tat er keineswegs. Das Buch, in dem er tatsächlich las, lag oben rechts, und selbst bei gesenktem Kopf konnte er die Augen nach rechts verdrehen und darin lesen, sodass jeder, der neugierig vorüberschlenderte, getäuscht wurde. Und Neugierige gab es in der Nähe einige.

Schon sein großspuriger Auftritt hatte für Aufsehen gesorgt, als er, am oberen Ende der Bibliothek stehend, schwungvoll verkündete, er sei im Besitz einer Gesetzeshypothese, in der es darum gehe, die Haftung von Zweitlieferanten gegenüber ihren Vertragspartnern mit Hilfe von im Kleingedruckten der Handelsverträge nicht eigens ausgeführten, im Zivilrecht uralter Handelsgrundsätze jedoch mit enthaltenen, höhere Gewalt betreffenden Klauseln für null und nichtig zu erklären, und er sei überzeugt, diese anhand der hervorragenden in der Geschichte anderischen Rechts aufgeführten Beispiele kluger Rechtsprechung nachweisen zu können.

Nicht einer hatte den Mut besessen, seine Behauptungen in Zweifel zu ziehen. In der Bibliothek war jeder nur zu gern bereit, ihn seine Forschung betreiben zu lassen. Dass Franca ihn begleitete, war hilfreich, denn sie war in der Bibliothek bekannt.

Es war spät, und die Betreiber der Bibliothek wollten nach Hause, fürchteten jedoch, sich den Zorn eines Mannes mit so außergewöhnlichen Gesetzeskenntnissen zuzuziehen. Sein Bleiben veranlasste ein paar andere, ebenfalls noch zu verweilen. Zedd wusste nicht, ob sie es taten, um die längere Öffnungszeit der Bibliothek zu nutzen oder um ihn zu beobachten.

Franca saß auf der anderen Seite des Tisches, wenn auch ein wenig seitlich versetzt, um Platz zu schaffen für all die Bücher, die ausgebreitet vor ihnen lagen. Konzentriert ging sie Bücher durch und lenkte gelegentlich sein Augenmerk auf Dinge, denen er ihrer Ansicht nach vielleicht Beachtung schenken sollte. Franca war gescheit und machte auf Dinge aufmerksam, die kaum ein anderer verstanden hätte, Dinge, die möglicherweise von Bedeutung sein konnten. Bislang jedoch hatte sie nichts Verwertbares entdeckt. Er war selbst nicht recht sicher, wonach sie eigentlich suchten, aber eins wusste er genau: Gefunden hatten sie es noch nicht.

Zedd, in tiefer Konzentration versunken, erschrak, als ihn jemand an der Schulter berührte.

»Entschuldigt«, meinte Vedetta leise.

Zedd lächelte die schüchterne Dame an. »Schon in Ordnung, meine liebe Vedetta.« Er zog fragend die Brauen hoch.

»Oh.« Sie griff in die Tasche ihrer Schürze und errötete erneut, als ihre Hand suchend herumtastete.

Die Hand hielt inne. »Ich hab’s gefunden.«

»Was gefunden?«

Sie beugte sich näher und senkte die Stimme noch ein wenig mehr.

Zedd bemerkte, dass Franca, den Kopf über ein Buch gebeugt, sie von der anderen Seite des Tisches aus beobachtete.

»Eigentlich dürfen wir das hier überhaupt niemandem zeigen. Es ist äußerst wertvoll und selten.« Ihr Gesicht erglühte abermals tiefrot. »Aber Ihr seid ein außergewöhnlicher Mann, Ruben, so gebildet und alles, dass ich es aus den Gewölben hervorgeholt habe, um es Euch ganz kurz zu zeigen.«

»Das habt Ihr getan, Vedetta? Wie überaus freundlich von Euch. Um was handelt es sich denn?«

»Das weiß ich eigentlich gar nicht. Zumindest nicht genau. Aber es hat Joseph Ander persönlich gehört.«

»Tatsächlich«, meinte Zedd gedehnt.

Sie nickte ernst. »Dem Berg.«

»Wie?«

»Dem Berg. So haben ihn einige seiner Zeitgenossen damals genannt. Manchmal, wenn ich nichts zu tun habe, lese ich die alten Schriften aus jener Zeit – um mehr über unseren verehrten Ahnherren, Joseph Ander, zu erfahren. Einige nannten ihn damals vermutlich ›Berg‹.«

Zedd war aufs Äußerste gespannt, als er sah, wie sie ihre Hand aus der Schürze zog. Sie hielt einen kleinen Gegenstand darin. Seine Stimmung sank, weil er es für zu klein hielt, um ein Buch zu sein.

Doch dann schien sein Herz einen Schlag lang auszusetzen, als er sah, dass es sich tatsächlich um ein kleines, schwarzes Büchlein handelte.

Ein Reisebuch.

Sogar der Stift steckte noch im Rücken.

Zedd benetzte sich die Lippen, als sie es ihm mit beiden Händen hinhielt. Er legte einen Finger an die Unterlippe. Offenbar hatte sie nicht die Absicht, ein so wertvolles Stück aus der Hand zu geben, da konnte er ein noch so gebildeter Gelehrter sein. Zwei bewaffnete Aufseher drüben neben der in die Gewölbe führenden Tür musterten die Besucher kritisch, ohne jedoch speziell auf Zedd zu achten.

»Dürfte ich vielleicht einen Blick hineinwerfen, Vedetta?«, fragte Zedd in angestrengtem Flüsterton.

»Na ja … schätze, es kann wohl nicht schaden.«

Vorsichtig schlug die Frau den Einband auf. Das Reisebuch befand sich in ursprünglichem Zustand, allerdings war das Buch, das Ann bei sich gehabt hatte, ebenso alt und ebenso gut erhalten. Reisebücher waren von Magie erfüllte Gegenstände, was vermutlich erklärte, warum sie nach jahrtausendelangem Gebrauch noch fast wie neu aussahen. Das sowie die Sorgfalt, mit der die Schwestern diese wertvollen Bücher behandelten. Die Menschen hier ließen nicht weniger Umsicht walten.

Zedd stockte der Atem.

Berg.

Jetzt begriff er. Des Berges Zwilling war das Gegenstück zu diesem Reisebuch. Alles nahm in seinem Kopf Gestalt an. Des Berges Zwilling war vernichtet worden, und mit ihm womöglich auch die Einteilung der Chimären.

Dieses Buch jedoch, Joseph Anders Reisebuch, würde exakt dieselben Worte enthalten – wenn sie nicht mit dem Stift gelöscht worden waren.

Wie gebannt verfolgte er, wie Vedetta Firkin die erste leere Seite umschlug. Ein dreitausend Jahre alter Zauberer war im Begriff, zu ihm zu sprechen.

Zedd starrte auf die Worte dort auf der folgenden Seite. Er konzentrierte sich, so gut es eben ging, dennoch ergaben die Worte keinen Sinn. Ein Bann, so fürchtete er, der verhindern sollte, dass jemand sie las.

Nein, daran lag es nicht. Außerdem war die Magie versiegt; ein solcher Bann hätte seine Wirkung längst verloren. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass die Schrift in einer ihm unbekannten Sprache abgefasst war.

Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Es war Hoch-D’Haran.

Zedds Mut sank. Mit Hoch-D’Haran war praktisch niemand mehr vertraut. Richard hatte ihm gegenüber behauptet, er habe es gelernt. Was Zedd keineswegs bezweifelte, nur war Richard unterwegs nach Aydindril. Zedd würde ihn niemals finden, geschweige denn einholen können.

Außerdem würden ihm die Leute hier in der Bibliothek wohl kaum erlauben, das Buch mitzunehmen, und Zedd verfügte über keine Magie, die daran etwas hätte ändern können.

»Was für eine Pracht, so etwas zu Gesicht zu bekommen«, meinte Zedd leise, während er zusah, wie die Frau langsam die Seiten vor seinen Augen umblätterte.

»Ja, nicht wahr«, erwiderte sie ehrfurchtsvoll. »Manchmal steige ich in das Gewölbe hinunter und sitze einfach nur da und sehe mir die Dinge an, die Joseph Ander geschrieben hat, und stelle mir vor, wie seine Finger die Seiten umblättern. Mir läuft dabei stets ein kalter Schauer über den Rücken«, vertraute sie ihm an.

»Mir auch«, meinte Zedd.

Das schien ihr zu gefallen. »Es ist so schade, dass niemand hier es jemals übersetzen konnte. Wir wissen nicht einmal, um welche Sprache es sich handeln könnte. Einige der Gelehrten hier vermuten, dass es sich womöglich um einen alten, von Zauberern verwendeten Schlüssel handelt.

Joseph Ander war nämlich ein Zauberer«, vertraute sie ihm mit gedämpfter Stimme an. »Nicht jeder weiß das, aber das war er: ein bedeutender Mann.«

Zedd fragte sich, woher sie wissen wollten, dass er ein bedeutender Mann war, wenn sie nicht die geringste Ahnung hatten, was er geschrieben hatte. Dann wurde ihm klar, dass sie ihn gerade deswegen für so bedeutend hielten.

»Ein Zauberer«, wiederholte Zedd. »Man sollte meinen, ein Zauberer möchte, dass seine Schriften bekannt werden.«

Vedetta kicherte. »Ach, von Zauberern versteht Ihr wirklich nichts, Ruben. So sind sie eben, geheimnisvoll und so.«

»Vermutlich«, erwiderte er gedankenverloren, während er versuchte, eines der Worte zu entziffern, die vor seinen Augen vorüberflogen.

Unmöglich.

»Bis auf«, vertraute ihm Vedetta ganz leise flüsternd an, während ihre Augen rasch zu einem kurzen Blick nach rechts und links zuckten, »diese Stelle hier.« Sie tippte auf eine Seite nahe dem Ende. »Durch einen Zufall ist es mir gelungen, diese Worte hier zu entziffern. Nur diese zwei.«

»Ach, wirklich?« Zedd schielte mit zusammengekniffenen Augen auf die Worte ›Fuer Owbens‹. Er hob den Kopf und sah in ihre aufgeregten Augen. »Wisst Ihr wirklich, was dieses ›Fuer Owbens‹ bedeutet, Vedetta, oder glaubt Ihr nur, eine gewisse Ahnung zu haben?«

Sie runzelte erfüllt von Ernsthaftigkeit die Stirn. »Ich weiß es wirklich. Ganz zufällig stieß ich auf eine Stelle in einem anderen Buch mit dem Titel Reich des Pulverfasses, wo die gleichen Worte erwähnt und beide Versionen benutzt werden. Darin ging es um ein paar…«

»Ihr konntet die Worte also entziffern. Und was bedeuten sie nun?«

Sie brachte den Mund ganz nah an sein Ohr. »Die Öfen.«

Zedd wandte den Kopf herum und sah in ihre dunklen Augen. »Die Öfen?«

Sie nickte. »Die Öfen.«

Er runzelte die Stirn. »Irgendeine Ahnung, was das bedeutet?«

Vedetta klappte das kleine schwarze Reisebuch zu.

»Tut mir Leid, nein.« Sie richtete sich auf. »Es ist schon spät, Ruben. Die Aufseher meinten, sobald ich Euch dies gezeigt hätte, wollten sie die Bibliothek schließen.«

Zedd versuchte nicht, seine Enttäuschung zu verbergen. »Selbstverständlich. Gewiss möchten alle nach Hause gehen, etwas essen und anschließend ins Bett.«

»Aber Ihr könnt morgen wiederkommen, Ruben. Ich würde Euch morgen gerne wieder helfen.«

Zedd strich sich über die Lippe, während seine Gedanken rasten, er sämtliche Informationsfetzen durchging, die er hatte in Erfahrung bringen können, und zu klären versuchte, ob überhaupt irgend etwas davon brauchbar wäre. Es sah nicht so aus.

»Was?« Er sah zu ihr auf. »Wie war das?«

»Ich sagte, hoffentlich könnt Ihr morgen wiederkommen. Ich würde Euch gerne wieder helfen.« Sie lächelte schüchtern. »Ihr seid eine größere Herausforderung als die meisten, die hierher kommen. Nur wenige machen sich die Mühe, in so alten Büchern zu forschen wie ihr. Das ist eine Schande, finde ich. Die Menschen heute halten das Wissen von früher einfach nicht mehr in Ehren.«

»Das ist wohl wahr«, erwiderte er in vollem Ernst. »Ich würde gerne morgen wiederkommen, Vedetta.«

Sie errötete erneut. »Vielleicht … wenn Ihr wollt, könntet Ihr mit in meine Wohnung kommen, und ich könnte Euch etwas zu essen machen?«

Zedd lächelte. »Das würde ich wirklich gerne, Vedetta, und Ihr seid in der Tat überaus freundlich, doch das wird nicht möglich sein. Ich bin mit Franca hier. Sie ist meine Gastgeberin, und wir müssen zurück nach Fairfield und über unsere Nachforschungen sprechen. Über mein Projekt, Ihr wisst schon. Das Gesetz.«

Ihre Lachfältchen erschlafften. »Verstehe. Nun, ich hoffe, ich sehe Euch morgen.«

Zedd bekam ihren Ärmel zu fassen, als sie sich zum Gehen wandte. »Vielleicht könnte ich morgen auf Euer Angebot zurückkommen? Das heißt, wenn es dann noch gilt.«

Ihr strahlendes Lächeln kehrte zurück. »Aber ja, morgen wäre eigentlich sogar noch günstiger. Ich hätte Gelegenheit – nun, morgen wäre ausgezeichnet. Morgen Abend wird meine Tochter fort sein, da bin ich ganz sicher, und wir könnten wunderbar zusammen zu Abend essen, nur wir beide.

Mein Gatte ist vor sechs Jahren verstorben«, fügte sie an ihrem Kragen nestelnd hinzu. »Ein prachtvoller Mann.«

»Davon bin ich überzeugt.« Zedd erhob sich und machte eine tiefe Verbeugung. »Also dann bis morgen.« Er hob einen Finger. »Und vielen Dank, dass Ihr mir dies besondere Buch aus dem Gewölbekeller gezeigt habt. Ich fühle mich überaus geehrt.«

Sie wandte sich zum Gehen, noch immer ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Gute Nacht, Ruben.«

Er winkte ihr zum Abschied nach und schenkte ihr ein breites Lächeln. Kaum sah er sie im Gewölbekeller verschwinden, wandte Zedd sich um und gab Franca ein Zeichen.

»Gehen wir.«

Franca schloss ihre Bücher und kam um den Tisch. Zedd bot ihr seinen Arm, als sie zusammen die Haupttreppe hinaufstiegen. Auf dem fast einen Fuß breiten und zu einem exquisiten Profil geschnitzten Eichengeländer spiegelten sich die Lichtpunkte der das Treppenhaus flankierenden Lampen.

»Irgendetwas gefunden?«, tuschelte sie, als sie außer Hörweite der anderen waren.

Mit einem Blick über seine Schulter vergewisserte sich Zedd, dass keiner der anderen, die Interesse für sie bekundet hatten, ihnen von hinten zu nahe kam. Wenigstens drei Personen hatten Zedds Verdacht erregt, sie waren jedoch zu weit hinten mit dem Wegräumen ihrer Aufzeichnungen und Bücher beschäftigt, um mithören zu können – vorausgesetzt, sie waren nicht mit der Gabe gesegnet.

Die Sorge war jedoch grundlos, da die Magie außer Kraft gesetzt war. Ein kleiner Vorteil des Schwindens der Magie.

»Nein«, meinte Zedd schicksalsergeben. »Ich konnte überhaupt nichts Brauchbares finden.«

»Was war das für ein kleines Buch, das sie aus dem Gewölbekeller heraufgeholt hat? Das sie nicht aus der Hand geben wollte?«

Zedd winkte ab. »Völlig unbrauchbar. Es war auf Hoch-D’Haran.« Er sah sie aus den Augenwinkeln an. »Es sei denn, Ihr beherrscht HochD’Haran.«

»Nein. Ich habe es nur ein paar Mal in meinem ganzen Leben zu Gesicht bekommen.«

Zedd seufzte. »Die Frau kannte nur die Bedeutung zweier Worte aus dem gesamten Buch: ›Die Öfen‹.«

Franca blieb auf der Treppe stehen; sie hatten den Absatz fast erreicht.

»Die Öfen?«

Zedd runzelte die Stirn. »Wisst Ihr, was es damit auf sich hat?«

Franca nickte. »Es handelt sich um einen Ort. Außer den mit der Gabe Gesegneten dürfte ihn kaum jemand kennen. Meine Mutter hat mich einmal dorthin mitgenommen.«

»Was ist das für ein Ort?«

Franca kniff die Augen zusammen und versuchte, in ihre Vergangenheit zu blicken. »Nun … es ist ein unnatürlich heißer Ort. Eine Höhle. Man kann die Kraft – die Magie – dort in der Höhle spüren, aber davon abgesehen gibt es dort nichts.«

»Ich verstehe nicht ganz.«

Franca zuckte mit den Achseln. »Ich auch nicht. Dort ist nichts, trotzdem ist es ein eigenartiger Ort, den wohl nur die mit der Gabe Gesegneten richtig zu würdigen wissen. Man spürt dort eine Art von … ich weiß auch nicht. Das Gefühl der Kraft, die einen durchzieht, sobald man einfach nur dort in den Öfen steht, lässt einen erschauern. Wer die Gabe nicht hat, spürt allerdings überhaupt nichts.«

Sie sah nach den anderen, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte. »Es ist ein Ort, über den wir eigentlich nicht sprechen. Ein geheimer Ort – nur für die mit der Gabe bestimmt. Da wir nicht wissen, was sich in seinem Innern befindet, halten wir es geheim.«

»Ich muss mir diesen Ort unbedingt ansehen. Können wir jetzt sofort aufbrechen?«

»Er liegt hoch oben in den Bergen – mehrere Tagesmärsche von hier. Wenn Ihr wollt, können wir morgen früh aufbrechen.«

Zedd dachte darüber nach. »Nein, ich glaube, ich möchte lieber allein gehen.«

Franca wirkte gekränkt. Aber wenn es das war, was er vermutete, wollte er sie nicht in der Nähe haben. Außerdem kannte er diese Frau eigentlich kaum und war nicht sicher, ob er ihr trauen konnte.

»Seht doch, Franca, es könnte gefährlich sein, und wenn Euch etwas zustieße, würde ich mir das nie verzeihen. Ihr habt mir bereits selbstlos Eure Zeit und Mühe geopfert – und genug riskiert.«

Danach schien sich Franca besser zu fühlen. »Ich schätze, jemand wird Vedetta ausrichten müssen, dass Ihr morgen nicht zum Abendessen kommen könnt. Sie wird enttäuscht sein.« Franca musste schmunzeln. »Ich an ihrer Stelle wäre es jedenfalls.«

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