Das Hunphries-Anwesen

In seinem Kellerbüro schaute Humphries' Sicherheitschef mit zunehmender Besorgnis auf die Bildschirme an der Wand neben seinem Schreibtisch. Vier Leute halten zwei Dutzend meiner Leute auf. Die blöden Kerle sitzen dort rum wie ein Rudel verängstigter Eichhörnchen. Und nun brennt es auch noch im hinteren Treppenhaus. Humphries wird mir deswegen die Hölle heiß machen.

Zornig hieb er auf die Tastatur auf dem Schreibtisch. »Was, zum Teufel, macht ihr da? Wartet ihr vielleicht noch auf Steaks, um 'ne Grillparty zu veranstalten?«

Er hatte nur eine Tonverbindung mit seiner Truppe im ersten Stock, keine Bildübertragung. »Ich habe hier sechs Verletzte.«

»Und ihr habt noch anderthalb Dutzend Gesunde! Schnappt euch die Einbrecher!«

»Wieso sollten wir bei einem Sturmangriff noch mehr Ausfälle riskieren? Sie haben keine Fluchtmöglichkeit. Wir können sie aushungern.«

»Während das verdammte Haus niederbrennt?«, schrie der Sicherheitschef.

»Dann werden wir sie eben ausräuchern!«

Der Sicherheitschef ließ sich das durch den Kopf gehen. Humphries hat sich in der Suite eingeigelt. Sie kommen nicht an ihn ran. Das Feuer hat den automatischen Alarm ausgelöst. Das Obergeschoss ist durch Brandschutztüren isoliert. Die Fenster sind auch schon mit Blenden versperrt. Okay. Wir überlassen dem Feuer die Arbeit.

Die obere Halle war bereits verqualmt. Mit dem Rücken am umgestürzten Tisch spähte Fuchs in den Gang und sah Flammen über den Teppich züngeln und auf sie zukommen.

»Wir müssen hier raus«, wiederholte Amarjagal sich.

Die Flammen erreichten schon die Gardinen am hintersten Fenster.

Sie wurden angekokelt.

»Es hat keinen Sinn, hier zu sterben«, gab Sanja hustend zu bedenken.

Fuchs hätte am liebsten mit den Fäusten auf den Boden gehämmert. Humphries war nur ein paar Meter entfernt, hinter dieser Cermet-Barriere. Der Feigling, sagte Fuchs sich wutentbrannt. Der gottverdammte Feigling. Aber er ist klüger als ich. Er war auf diesen Angriff vorbereitet, während ich meine Leute unnütz in Gefahr gebracht habe. Wir werden nichts erreichen, selbst wenn wir es überleben. Er stellte sich Humphries' grinsende Visage vor und spürte einen Zorn in sich aufsteigen, der noch heißer loderte als die Flammen, die auf sie zukrochen.

»DIE OBERE ETAGE IST VOLLSTÄNDIG ABGERIEGELT«, sagte die Lautsprecherstimme. »DAS FEUER WIRD DER LUFT DEN SAUERSTOFF ENTZIEHEN. SIE HABEN DREI MÖGLICHKEITEN: ERSTICKEN, GEBRATEN WERDEN ODER SICH ERGEBEN.«


Humphries saß im Schneidersitz auf seinem Kingsize-Bett und herrschte das Bildschirm-Konterfei seines Sicherheitschefs an: »Sie lassen es zu, dass der Korridor im ersten Stock ausbrennt? Haben Sie überhaupt eine Vorstellung vom Wert der Kunstgegenstände an den Wänden? Das Mobiliar ist allein schon mehr wert als Ihr Jahresgehalt!«

Der Sicherheitschef fühlte sich ausgesprochen unbehaglich. »Sir, das ist die einzige Möglichkeit, sie zu erwischen. Sie haben schon sechs meiner Leute verwundet. Es hat keinen Sinn, dass noch mehr verletzt werden.«

»Dafür bezahle ich sie aber!«, keifte Humphries. »Um mich zu schützen! Um diesen Hundesohn Fuchs zu töten! Aber nicht, um mein Haus niederzubrennen!«

Ferrer saß auf einem Polsterstuhl auf der anderen Seite des geräumigen Zimmers; den Bademantel hatte sie züchtig über die Knie gezogen.

»Sie sind in Ihrer Suite hundertprozentig sicher«, sagte der Sicherheitschef. »Die Wände sind aus Beton, und die Tür ist aus feuerfestem, verstärktem Cermet.«

»Und mein Korridor geht in Flammen auf!«

»Die Einbrecher haben das Feuer gelegt, Sir, und nicht meine Leute. Sie haben nun die Wahl, sich zu ergeben oder in den Flammen umzukommen.«

»Während Ihre Leute auf den Ärschen sitzen.«

»Ja, Sir«, erwiderte der Sicherheitschef steif, »während meine Leute den Rest des Hauses sichern und darauf warten, dass die Eindringlinge sich ergeben.«

Humphries starrte wütend auf das Bild seines Sicherheitschefs und schnaubte frustriert. »Kommen Sie mir dieses Jahr nur nicht wegen Weihnachtsgeld«, knurrte er.


»Wir sitzen in der Falle«, sagte Amarjagal. Sie wirkte noch immer so ungerührt wie eine Statue.

Fuchs sah die Flammen an den Vorhängen züngeln und auf dem Teppichboden auf sie zukriechen. Aber die Rauchentwicklung hatte sich inzwischen nicht verstärkt: Der Qualm war zwar lästig, aber es bestand keine Erstickungsgefahr.

»Wo zieht der Rauch ab?«, murmelte er.

»Kapitän, wir müssen etwas tun«, sagte Sanja mit belegter Stimme. »Wir halten hier nicht mehr lange aus.«

Fuchs rappelte sich auf und ging ein paar Schritte den Gang entlang. Er sah, wie der Rauch sich an den brennenden Vorhängen kräuselte und in einer dünnen Schicht unter der Decke dahinströmte. In der Mitte der Halle hatte der Rauch sich schon merklich verzogen.

»Hilf mir«, rief er Sanja zu und hob eine schwere Truhe mit Ebenholz-Intarsien an. Die zwei Männer schleppten sie in die Mitte der Halle, und Fuchs kletterte hinauf.

Und er entdeckte einen Ventilator, dessen Gitter geschickt wie eine schmuckvolle Verzierung in die Decke integriert war. Er stellte fest, dass das Belüftungsgitter geschlossen war — aber nicht ganz. Der Rauch wurde teilweise abgesaugt. Er drückte mit beiden Händen gegen das Gitter. Es gab nach, aber nur ein bisschen.

Sanja verstand sofort. Er nahm eine Kupfer-Statuette vom nächsten Tisch und reichte sie Fuchs, mit der Standfläche voran. Fuchs hämmerte mit der Wut der Verzweiflung gegen das Ventilatorgitter. Es wurde eingedellt und verbeult. Mit einem animalischen Brüllen schlug er wieder zu, und der Ventilator gab mit einem metallischen Kreischen nach. Sofort strömte der ganze Rauch, der unter der Decke entlangwaberte, in die Öffnung.

»Es ist groß genug, um hindurchzukriechen!«, rief er.

»Nodon«, sagte Amarjagal. Sie war inzwischen auch wieder aufgestanden. »Er ist bewusstlos.«

»Trage ihn! Komm!«

Fuchs zog sich in den Lüftungsschacht. Er war verräuchert und stockfinster. Hustend griff er nach dem bewusstlosen Nodon. Der Schacht kann nicht allzu lang sein, sagte er sich. Wir sind unterm Dach. In der Nähe muss es einen Ausstieg geben.

Kriechend, hustend und mit brennenden Augen, aus denen Tränen strömten, schleppte er den schlaffen Körper von Nodon durch den Schacht. Die Metallwände waren heiß, aber er kroch unverdrossen weiter. Er wusste, dass er einen Weg aus dem Gebäude finden musste oder bald tot sein würde.


Der Sicherheitschef starrte auf die Monitore und versuchte zu erkennen, was im Dämmerlicht der oberen Halle vorging. Das einzige Licht kam von den flackernden Flammen. Die Einbrecher waren in Bewegung — da war er sich sicher —, doch war es fast unmöglich, Einzelheiten im Rauch zu erkennen. Sogar die Infrarotkameras waren jetzt praktisch nutzlos. Ein paar Vorhänge brannten, und die Flammen überlasteten die empfindlichen Fotozellen der Überwachungskameras. Alles, was er sah, waren überbelichtete Flammen und pechschwarze huschende Schemen. Das Feuer ist auf die obere Halle begrenzt, wie er beim Blick auf die anderen Bildschirme sah. Glück im Unglück. Ich werde wahrscheinlich kündigen müssen, wenn das hier vorbei ist. Falls Humphries mich nicht von sich aus feuert.


Humphries schritt das große Schlafzimmer ab und murmelte: »Das gefällt mir nicht. Ich will nicht hier drin eingesperrt sein.«

Victoria Ferrer unterdrückte ein süffisantes Grinsen. Er hat wirklich Angst, sagte sie sich. Normalerweise würde er mir den Bademantel vom Leib reißen und mich aufs Bett drängen, wenn wir uns in seinem Schlafzimmer eingeschlossen hätten.

»Die Warterei gefällt mir nicht«, sagte er lauter.

»Sehen Sie es mal so«, sagte sie, ohne sich vom Stuhl zu erheben. »Fuchs kommt in den Flammen um. Wenn die Brandschutztüren sich wieder öffnen, können Sie rausgehen und über seiner Leiche triumphieren.«

Er nickte, aber rein mechanisch. Der Gedanke an den Sieg über Fuchs überwog offensichtlich nicht seine kreatürliche Angst.


Fuchs' Lungen brannten. Die metallenen Wände des Belüftungsschachts heizten sich immer stärker auf, während er blind durch die Röhre kroch und Nodons reglosen Körper mit einer schmerzverkrampften Hand nachzog. Er sah weder Amarjagal noch Sanja hinter sich. Er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt noch da waren. Seine ganze Welt war nun auf diese rauchgeschwängerte, glutheiße Hölle beschränkt.

Durch tränenerfüllte Augen sah er ein Licht vor sich. Das kann nicht sein, sagte er sich. Ich halluziniere schon. Der Garten ist noch im nächtlichen Beleuchtungs-Modus. Er kann nicht so hell erleuchtet sein …

Das Herz krampfte sich in seiner Brust zusammen. Wenn die Wachen die ganze Außenbeleuchtung eingeschaltet haben! Fuchs ließ Nodon und die anderen zurück und robbte wie ein Dachs durch den schräg nach oben verlaufenden Schacht. Licht! Luft! Er stieß mit dem Kopf gegen ein metallenes Gitter und spürte, wie göttlich kühle Luft über sein erhitztes rußiges Gesicht fächelte. Der Rauch strömte aus. Frische Luft drang herein.

Mit den bloßen Händen hieb Fuchs gegen das Gitter, schlug dagegen, bis die Fingerknöchel wund waren und bluteten, stieß mit dem Kopf dagegen und hebelte es schließlich auf, indem er sich mit den Füßen gegen die Schachtwände stemmte, mit der Schulter ansetzte und mit ganzer Kraft gegen das dünne Metall drückte. Endlich gab es nach.

Er sog gierig die frische Luft ein und wischte sich mit den schmutzigen Händen die Augen trocken. Dann tauchte er wieder in den Schacht ein, packte Nodon am Kragen seines Overalls und zog ihn aufs Dach hinauf. Amarjagals Kopf tauchte hinter Nodons Stiefeln auf. Sie war auch schmutzig und von Ruß geschwärzt. Aber sie lächelte und zog sich aus dem Schacht.

»Duck dich«, zischte Fuchs. »Die Wachen werden auf dem Grundstück patrouillieren.«

Nun kam auch Sanja zum Vorschein und robbte zu Fuchs herüber. Sie ließen den Blick über den herrlichen Garten mit seinen Bäumen und blühenden Büschen schweifen, der direkt ans Haus angrenzte.

Und es gab Wachen dort unten, die mit automatischen Waffen ausgerüstet waren und Schießbefehl hatten.

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