Fusionsschiff Elsinore

Doug Stavenger begleitete Edith zum Fusionsschiff, das in einem engen Orbit um den Mond wartete. Er ging mit ihr durch die Luftschleuse der Elsinore, von wo der Kapitän des Schiffs persönlich seine Passagierin zu ihrem Quartier begleitete, einer bequemen kleinen Kabine auf halbem Weg zur Brücke.

Nachdem der Kapitän sie allein gelassen und die Tür zugeschoben hatte, nahm Stavenger seine Frau in die Arme.

»Du musst das nicht tun, Edie«, sagte er.

»Muss ich doch«, erwiderte sie. Sie lächelte, aber ihr Blick kündete von fester Entschlossenheit.

»Du könntest jemand anders schicken und dir von ihm Bericht erstatten lassen. Du könntest hier in Selene bleiben und die Nachrichtenshow oder Dokumentation oder was auch immer produzieren.«

»Doug«, sagte sie und schlang ihm die Arme um den Hals, »ich liebe dich, mein Schatz, aber du hast keine Ahnung, wie das Nachrichtengeschäft funktioniert.«

»Ich will nicht, dass du da draußen den Hals riskierst.«

»Aber es ist die einzige Möglichkeit, die Geschichte zu bekommen!«

»Und es zieht auch noch ein Sonnensturm auf«, sagte er.

»Das Schiff ist abgeschirmt, mein Schatz.« Sie nibbelte leicht seine Nase und sagte: »Du solltest lieber nach Selene zurückkehren, bevor die Strahlung sich verstärkt.«

Er runzelte betrübt die Stirn. »Wenn dir etwas zustoßen sollte …«

»Was für eine Geschichte das wäre!«, sagte sie mit einem Lächeln.

»Das ist eine ernste Sache.«

Ihr Lächeln wurde schwächer, aber nur ein wenig. »Ich bin ernst, Doug. Die einzige Möglichkeit, diese Verschwörung des Schweigens zu brechen, besteht darin, dass eine prominente Nachrichtenmoderatorin nach Ceres fliegt und aus erster Hand über die Geschehnisse berichtet. Wenn Selene die Geschichte sendet, wird sie auch von Unabhängigen auf der Erde übernommen. Dann werden die irdischen Netze sie auch bringen müssen. Sie werden keine Wahl haben.«

»Und wenn du dabei umkommst?«

»Werde ich schon nicht«, sagte sie bestimmt. »Ich will ja nicht in den Gürtel hinausfliegen. Ich werde in Ceres bleiben — im Habitat, das die Felsenratten für sich gebaut haben und wo es vollkommen sicher ist. Das ist einer der Tricks in diesem Geschäft: den Anschein erwecken, an der Front zu sein und dabei in der Sicherheit des Hauptquartiers bleiben.«

Stavenger verstärkte den Griff um ihre Taille. »Ich will wirklich nicht, dass du gehst, Edie.«

»Ich weiß, Liebster. Aber ich muss gehen.«

Schließlich gab er auf und ließ sie los. Doch den ganzen Weg zurück nach Selene in der kleinen Zubringerrakete, den ganzen Weg zurück in sein Zuhause im dritten Untergeschoss der Stadt, wurde Doug Stavenger das Gefühl nicht los, dass er seine Frau nie wiedersehen würde. Er sagte sich, dass er ein Idiot sei, eine Glucke und zu besitzergreifend. Dennoch wurde er dieses Gefühl nicht los.


Zwei Schiffe verließen Selene in Richtung des Gürtels. Die Elsinore mit Edith Elgin an Bord flog zum Habitat Chrysallis in der Umlaufbahn um den Asteroiden Ceres. Die Cromwell, ein Frachter der Astro Corporation, war scheinbar im Begriff, eine Erzladung aufzunehmen und nach Selene zu bringen.

Beide Schiffe aktivierten die elektromagnetischen Strahlenschirme, als sie aus dem Mondorbit ausscherten. Die riesige und stetig weiter wachsende Wolke energiereicher Strahlung — ein Produkt der Protuberanzen — hüllte sie bald ein. An Bord der Elsinore beobachteten die Mannschaft des Schiffes und ihr einziger Passagier mit Unbehagen den Anstieg der Strahlungswerte. Die Mannschaft der Cromwell verließ sich indes darauf, dass die Strahlenwolke ihre Annäherung an Vesta tarnte. Die Cromwell hatte keine menschlichen Passagiere an Bord. Ihre Fracht bestand vielmehr aus zwei Raketen mit stark isolierten Sprengköpfen, die mit Nanomaschinen gefüllt waren — dem Typ, der gemeinhin als Gobblers bezeichnet wurde.


Da Jake Wanamaker weder mit der Cromwell zu sprechen noch mit Pancho Kontakt aufzunehmen vermochte, hatte er nichts Besseres zu tun, als im Nachrichtenzentrum umherzustapfen und die Techniker finster zu mustern, die an den Konsolen arbeiteten. Schließlich setzte er sich an eine freie Konsole und rief Panchos Nachrichten auf. Vielleicht finde ich hier etwas, aus dem hervorgeht, was sie im Schilde führt, sagte er sich. Zugleich wusste er, dass das auch nur ein Vorwand war, um sich irgendwie zu beschäftigen, bevor er noch das Inventar zertrümmerte.

Ein Rattenschwanz von Routine-Anrufen, größtenteils von Astro-Büros oder Vorstandsmitgliedern. Aber eine der Nachrichten war rot blinkend markiert. Ein Karl Manstein. Keine Identifizierung; nur ein Anruf ohne Nachricht. Und doch war sie markiert. Wanamaker verfolgte den Anruf durch Astros Sicherheitssystem zurück, und der Name Manstein löste sich vor seinen Augen auf und wurde durch den Namen Lars Fuchs ersetzt.

Lars Fuchs hatte Pancho angerufen, wurde Wanamaker sich bewusst. Er erinnerte sich daran, dass sie mit Fuchs hatte Kontakt aufnehmen wollen und ihren Sicherheitsleuten die Hölle heiß machte, weil sie nicht imstande waren, ihn zu finden.

Der Mann sitzt direkt unter ihren Nasen, sagte Wanamaker sich. Genau hier in Selene. Aber er hat keine Rückrufnummer hinterlassen.

Wanamaker ließ Fuchs' Anruf vom Computer zurückverfolgen. Er war von einem Wandtelefon in der Ausrüstungs-Lagerzone gekommen. Ob er sich dort versteckt hält, fragte sich Wanamaker.

Er nahm das Konsolen-Mikrofon und befahl dem Nachrichten-Computer, jeden Anruf von Fuchs oder Karl Manstein direkt zu ihm durchzustellen.

Nun kann ich nichts mehr tun als warten, sagte sich Wanamaker und lehnte sich auf dem Stuhl vor der Konsole zurück. Warten, wie die Sache mit Pancho sich entwickelte. Warten, wie die Vesta-Mission der Cromwell sich entwickelte. Warten, bis Fuchs wieder anrief.

Er hasste es zu warten.

Dann wurde er sich bewusst, dass jemand hinter ihm stand. Er drehte sich um und sah, dass es Tashkajian war. Sie schaute genauso düster und besorgt, wie er sich fühlte.


Martin Humphries schlenderte gerade durch den weitläufigen Untergrund-Garten, als Victoria Ferrer auf dem gewundenen Ziegelweg herbeieilte und ihm atemlos die Nachricht mit den Gerüchten über Pancho überbrachte.

»Wer zum Teufel sollte Pancho denn kidnappen?«, kicherte Humphries.

Ferrer ging neben ihm durch die breiten Rabatten bunter Blumen und sagte: »Es wird oben darauf gewettet, dass Sie dahinterstecken.«

»Ich? Das ist lächerlich.«

»Wirklich?«, fragte sie.

»Ich hätte nichts dagegen, wenn man sie umbringt. Aber wieso sie kidnappen?«

Ferrer zuckte leicht die Achseln. »Sie könnte mit einem Kerl abgehauen sein. Es heißt, dieser Bursche, der die Nairobi-Operation leitet, sei ein attraktiver Mann.«

»Pancho würde das nicht tun«, sagte Humphries mit einem Kopfschütteln.

»Dann stöbern die Astro-Sicherheitsleute also überall herum und fragen sich, wo sie steckt.«

Humphries hielt mitten auf dem Pfad an und sog die vom Blütenduft geschwängerte Luft ein. »Dann wollen wir hoffen, dass sie tot ist. Aber ich bezweifle es. Pancho ist nämlich ein zähes Biest.«

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