Versorgungsschiff Roebuck

»Das gefällt mir immer noch nicht«, sagte Luke Abrams beim Blick auf den Radarschirm.

»Das Geld wird dir aber schon gefallen«, erwiderte seine Partnerin, Indra Wanmanigee.

Abrams warf ihr einen säuerlichen Blick zu. Sie saßen nebeneinander im Cockpit des Besatzungsmoduls der Roebuck. Normalerweise beförderte das Schiff Vorräte vom Habitat im Orbit um Ceres zu den Bergleuten und Prospektoren, die im Gürtel verstreut arbeiteten. Diesmal tauchten sie jedoch tiefer als üblich in den Gürtel ein. Und statt Vorräten transportierte die Roebuck nun eine Truppe von Söldnern, die mit zwei Hochleistungs-Lasern bewaffnet waren.

Wanmanigee war es überdrüssig geworden, ein Leben als Kauffrau für die Felsenratten zu führen, und hatte mit Humphries Space Systems vereinbart, die Roebuck als trojanisches Pferd einzusetzen. Sie sollte in den Tiefen des Gürtels kreuzen, in der Hoffnung, dass Lars Fuchs das Schiff abfangen würde, um es zu plündern. Nur dass Fuchs dann nicht die Vorräte finden würde, die er und seine Besatzung begehrten, sondern ausgebildete Söldner, die sein Schiff zerstören und ihn töten würden. Die HSS hatte ein hohes Kopfgeld auf Fuchs ausgesetzt. Das würde genügen, dass sie endlich heiraten und den Rest ihres Lebens wie eine indische Fürstin verbringen konnte.

»Es gefällt mir trotzdem nicht«, murmelte Abrams wieder. »Wir sitzen hier wie auf dem Präsentierteller. Fuchs könnte das Besatzungsmodul mit einem einzigen Laserschuss perforieren und uns beide töten.«

»Er tötet keine Unabhängigen«, erwiderte sie gelassen. »Eher wird er uns entern und die Fracht stehlen wollen.«

Abrams nuschelte etwas in den Bart, das sie nicht verstand. Sie wusste, dass er sich wegen der sechs Söldner Sorgen machte, die in der Ladebucht hausten. Es waren zwar zwei Frauen unter ihnen, aber Abrams befürchtete trotzdem, dass sie versuchen würden, sich an ihr zu vergreifen. Wanmanigee hielt sich im Besatzungsmodul auf; der einzige Söldner, den sie je zu Gesicht bekam, war ihr Anführer — ein stattlicher Macho-Typ, sagte sie sich, aber sie wollte keinen anderen Mann außer ihrem ständig besorgten Abrams mit den hängenden Schultern, dem schütteren Haar und dem Bauchansatz. Sie beherrschte ihn, und er liebte sie von ganzem Herzen. Sie hatte schon vor Jahren befunden, dass kein anderer Mann den Ärger wert sei.

Plötzlich richtete sich Abrams auf dem Copiloten-Sitz auf.

»Ich habe ein Echo«, sagte er und tippte mit einem Fingernagel auf den Radarschirm.


In der Nautilus saß Lars Fuchs in seiner Privatkabine und schaute bitter auf Big Georges Porträt, das auf dem Monitor über der Koje abgebildet wurde.

Während des langjährigen Exils hatte Fuchs einen diffizilen Kommunikationsmodus mit Big George etabliert; er war der einzige Mensch außer der Besatzung seines Schiffes, dem Fuchs vertraute. Es war George, der Fuchs' Todesurteil in lebenslängliche Verbannung umgewandelt hatte; der Aussie mit dem feuerroten Haar und buschigen Bart hatte Fuchs das Leben gerettet, als Humphries schon sicher gewesen war, sich seines Widersachers endgültig entledigt zu haben.

Fuchs deponierte Miniatur-Transceiver auf kleinen, unauffälligen Asteroiden. Von Zeit zu Zeit strahlte George mit einem Bündellaser eine hochkomprimierte Nachricht zu einem der Asteroiden ab. Jede codierte Botschaft endete dann mit der Katalognummer des Asteroiden, zu dem die nächste Botschaft abgestrahlt werden würde. Auf diese Weise konnte Fuchs sich über die Vorgänge in der Zivilisation auf dem Laufenden halten. Es war eine umständliche, schleppende Methode der Kommunikation; die Nachrichten, die Fuchs empfing, waren immer Wochen alt, manchmal sogar Monate. Aber es war seine einzige Verbindung zum Rest der Menschheit, und Fuchs war Big George dankbar dafür, dass er die Umstände und das Risiko auf sich nahm.

Als Fuchs in diesem Moment jedoch Georges unglückliches Gesicht sah, war er alles andere als dankbar.

»Darum ging es auf dieser abgefuckten Party doch nur«, knurrte George. »Er hat sich auf die abgefuckte Piano-Bank gestellt und allen Leuten verkündet, dass er Vater würde. Und er hat dabei gegrinst wie ein Honigkuchenpferd.«

Fuchs löschte Georges Bild vorn Schirm und erhob sich vom Stuhl. Das Abteil durchmaß nur drei Schritte, und er durchschritt es zweimal, dreimal, viermal …

Das war unvermeidlich, sagte er sich. Sie ist seit acht Jahren mit ihm verheiratet. Und sie hat in dieser Zeit jede Nacht in seinem Bett gelegen. Was hast du eigentlich erwartet?

Und doch loderte ein Zorn in ihm auf wie emporquellendes Magma in einem Vulkan. Das ist Humphries' Art, mich zu reizen. Mich zu demütigen. Er zeigt der ganzen Welt, dem ganzen Sonnensystem, dass er der Zampano ist. Er hat mir die Frau genommen und ihr ein Kind gemacht. Der Bastard! Das arrogante, affektierte, überhebliche Dreckschwein von einem Bastard! Da habe ich ihn all die Jahre bekämpft, und er schlägt zurück, indem er mir die Frau stiehlt und mit ihr einen Sohn zeugt. Der Feigling! Der rückgratlose schleimige Feigling.

Mit geballten Fäusten ging Fuchs zum dunklen Bildschirm; das Bild von Georges Gesicht mit der zottigen Mähne brannte ihm noch immer in den Augen. Er musste sich irgendwie und an irgendetwas abreagieren, musste diese Wut irgendwie entweichen lassen — sofort — bevor er explodierte.

»Kontakt«, ertönte Nodons melodische Stimme im Interkom. »Wir haben Radarkontakt zu einem Schiff.«

Fuchs schaute ruckartig zum Lautsprecher empor, der in die Decke integriert war.

»Es scheint sich um ein Versorgungsschiff zu handeln«, fügte Nodon hinzu.

Fuchs' Lippen kräuselten sich zu einem humorlosen Lächeln. »Ich komme auf die Brücke«, sagte er.

Als er die kleine, mit Ausrüstung angefüllte Brücke betrat, hatte Nodon das sich nähernde Versorgungsschiff schon auf den Hauptbildschirm gelegt. Amarjagal saß auf dem Pilotensitz — schweigend und griesgrämig wie immer. Fuchs trat hinter sie und richtete die Aufmerksamkeit auf das Schiff.

»Was tut ein Versorgungsschiff so tief im Gürtel?«, fragte er sich laut.

Nodon schaute mit seinen großen, wässrigen Augen vom Bildschirm zu Fuchs und wieder zurück. »Vielleicht ist es vom Kurs abgekommen«, mutmaßte er.

»Oder ein Köder«, sagte Fuchs unwirsch. »Irgendwelche anderen Schiffe zu sehen?«

»Nein, Sir. Das nächste Objekt ist ein kleiner Asteroid mit einem Durchmesser von weniger als zehn Metern.«

»Entfernung?«

»Vierhundert Kilometer. Vierhundertzweiunddreißig, um genau zu sein.«

»Könnte es sich dabei um ein getarntes Schiff handeln?«

»Es könnte sich ein Schiff dahinter verstecken«, meldete Amarjagal sich zu Wort. »Oder sogar darauf stehen.«

Die Lampe des Funkgeräts blinkte gelb.

»Sie versuchen Kontakt mit uns aufzunehmen«, sagte Nodon und deutete auf die Lampe.

»Nur zuhören, nicht antworten«, befahl Fuchs ihm.

»Hier spricht die Roebuck«, ertönte es im Lautsprecher. Es war eine Männerstimme; Fuchs hatte den Eindruck, dass sie etwas zittrig war. Er ist aufgeregt, vielleicht nervös.

»Wir haben eine volle Ladung Nachschub für euch. Wir sind auch bereit, Krediteinheiten zu akzeptieren, wenn ihr keine Ware zum Tauschen habt.«

»Ist die Roebuck ein HSS-Schiff?«, fragte Fuchs Nodon.

Seine Finger huschten über die in die Steuerkonsole integrierte Tastatur. »Nein, Sir. Sie ist als ein unabhängiges Schiff registriert.«

»Sind die Laser bereit?«

Nodon deutete auf die grünen Lampen der Waffenkonsole und erwiderte: »Ja, Sir. Die Leute sind auf Gefechtsstation.«


In der Ladebucht der Roebuck hatte die Söldnertruppe bereits die Raumanzüge angelegt und wärmte die Laser vor.

»Die Luken erst öffnen, wenn ich es sage«, verkündete ihr Anführer von seiner Position auf der Galerie, die an der Innenseite der geräumigen Ladebucht umlief. »Ich will Fuchs nicht zu früh verraten, dass wir bereit sind, ihm den Arsch zu grillen.«


Fuchs rieb sich das breite, stoppelbärtige Kinn und starrte auf die Darstellung des Versorgungsschiffs auf dem Haupt-Bildschirm der Brücke.

»Was hat ein unabhängiges Versorgungsschiff so tief im Gürtel verloren?«, wiederholte er. »Hier draußen gibt es doch gar keine Bergleute und Prospektoren.«

»Außer uns«, pflichtete Amarjagal ihm bei.

»Laser Nummer eins auf ihre Ladebucht feuern«, sagte Fuchs schroff.

Nodon zögerte für einen Sekundenbruchteil.

»Feuer!«, brüllte Fuchs.


Der erste Laserschuss richtete kaum mehr Schaden an, als die dünne Hülle der Ladebucht dei Roebuck zu perforieren. Als die Luft aus der Ladebucht strömte, erteilte der Söldner-Kommandant den Befehl, die Luken zu öffnen und das Feuer auf die Nautilus zu erwidern.

Im Cockpit spürte Abrams, dass am ganzen Körper der kalte Schweiß ausbrach. »Er schießt auf uns!«

Wanmanigee verspannte sich auch. »Wir müssen die Raumanzüge anlegen! Schnell!«

Das waren ihre letzten Worte.


Fuchs hatte die Augen auf den Hauptbildschirm geheftet und sah, wie die Ladeluken der Roebuck sich öffneten.

»Sie schießen zurück«, meldete Amarjagal mit monotoner und ruhiger Stimme.

»Alle Waffen Feuer«, sagte Fuchs. »Schießt sie in Stücke.«

Es war ein höchst ungleicher Kampf. Die Laserstrahlen der Roebuck perlten förmlich von der Kupferarmierung der Nautilus ab. Die fünf Laserkanonen der Nautilus hingegen durchstachen die dünne Hülle der Roebuck und zersägten die Ladebucht und die Besatzungskapsel innerhalb weniger Sekunden. Fuchs sah ein paar Gestalten in Raumanzügen aus dem Wrack taumeln.

»Feuer einstellen«, sagte er.

»Sollen wir sie aufsammeln?«, fragte Nodon und wies mit dem Finger auf das Bild der hilflos treibenden Leute in den Raumanzügen.

»Willst du deine Rationen mit ihnen teilen?«, fragte Fuchs ihn spöttisch.

Nodon zögerte. Er war offensichtlich hin- und hergerissen.

»Und wenn wir sie an Bord nehmen, was sollten wir dann mit ihnen tun? Wie werden wir sie wieder los? Glaubst du vielleicht, wir können nach Ceres zurückfliegen und sie dort absetzen?«

Nodon schüttelte den Kopf. Dennoch drehte er sich noch einmal zu den hilflosen Gestalten um, die inmitten der Trümmer dessen trieben, was vor ein paar Minuten noch ein Raumschiff gewesen war. Sein Finger schwebte über der Funktastatur.

»Geh nicht auf ihre Frequenz«, befahl Fuchs ihm. »Ich will ihr Betteln nicht hören.«

Für eine Weile betrachteten Fuchs und die Besatzung der Brücke die im All treibenden Gestalten. Sie mussten um Hilfe schreien, sagte Nodon sich. Uns um Gnade anflehen. Aber wir hören sie nicht.

Schließlich brach Fuchs das Schweigen. »Beschleunigung ein Drittel Ge«, befahl er. »Wir gehen wieder auf den ursprünglichen Kurs. Suchen wir lieber nach einem echten Versorgungsschiff, um die Vorräte aufzufüllen.«

»Aber …«

»Das sind Söldner«, sagte Fuchs schroff. »Auftragskiller. Sie sind hergekommen, um uns zu töten. Nun werden sie tot sein. Das ist kein großer Verlust.«

Nodon schaute noch immer unglücklich. »Aber sie werden sterben. Sie werden … für immer da draußen treiben.«

»Sieh es mal so«, sagte Fuchs mit eisenharter Stimme. »Wir haben den Gürtel um ein paar kleine Asteroiden bereichert.«

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