Basis Leuchtender Berg

Daniel Jorno Tsavo hasste die Verzögerung von drei Sekunden bei der Kommunikation zwischen der Erde und dem Mond. Es nervte ihn, eine Frage zu stellen und dann eine halbe Ewigkeit warten zu müssen, bis die Antwort kam. Aber er musste sich mit diesem Handicap abfinden. Und nun hatten die Sicherheitsleute ihn auch noch gewarnt, dass ein Sonnensturm aufzog; die normale Kommunikation würde gestört werden, und alle Aktivitäten an der Oberfläche wurden eingestellt, bis der Sturm abflaute. Na schön, sagte er sich, dieser Anruf für Yamagata erfolgt per Bündellaser-Verbindung. Sie dürfte durch den Sturm nicht gestört werden, sofern er nicht so stark ist, dass er den Lasersender an der Oberfläche verschmort.

»Pancho Lane will Ihre Basis besuchen?«, erwiderte Nobuhiko Yamagata schließlich.

Tsavo nickte heftig. »Sie hat gerade angerufen. Sie ist in der Astro-Einrichtung in den Malapert Mountains, keine hundert Kilometer von meinem Standort entfernt.«

Wieder die schier endlose Verzögerung. Tsavo nutzte die Zeit, um Yamagata zu mustern. Sein rundes, flaches Gesicht wirkte starr, die Augen umflort, die Miene unergründlich. Aber seine Gedanken müssen sich jagen, sagte Tsavo sich. Mach schon. Sag mir, was ich tun soll.

»Das ist eine einmalige Gelegenheit«, sagte Yamagata schließlich.

Tsavo stimmte freudig zu. »Ich habe mir erlaubt, sie für morgen einzuladen.«

Yamagata schien schon wieder in Gedanken versunken. »Keine Verzögerung«, sagte er schließlich. »Bringen Sie sie möglichst schnell zu Ihrer Basis. Ich werde sofort einen Trupp Verhörspezialisten auf einem Hochgeschwindigkeitsflug entsenden. Es gibt viel, was wir von ihr in Erfahrung bringen können.«


Die Aussicht auf die Wolke eines Sonnensturms verleidete Pancho den Aufenthalt an der Oberfläche. Den Prognosen der Wissenschaftler zufolge würde es zwar noch über sechs Stunden dauern, bis sich das Maximum der Strahlung aufbaute, aber sie fühlte sich dennoch unbehaglich. Sie trug einen Standard-Hartschalenraumanzug, während sie dem Leiter der Astro-Basis über den Kamm von Mount Randolph folgte. Sturm hin oder her, der Direktor wollte ihr zeigen, was seine Leute alles leisteten, und Pancho hatte nicht die Absicht, vor ihren Leuten Furcht zu zeigen.

Ich sollte eigentlich den Softsuit testen, den ich mitgenommen habe, sagte sie sich und erwiderte sich zugleich: Du weißt doch, was man über Testingenieure sagt — sie hätten mehr Glück als Verstand. Ich werde erst dann einen Softsuit tragen, wenn sie sich ein paar Jahre lang in der Praxis bewährt haben. Mama Lane hat ihre Töchter nicht dazu erzogen, bei der Erprobung neuer Ausrüstung Selbstmord zu begehen.

Sie wurde auf einem schnellen Rundgang durch den kleinen Wald von glänzenden weißen Türmen geführt, die ins helle Sonnenlicht emporragten. Die breiten Kuppeldächer waren mit dunklen Solarzellen gepflastert, die die Strahlungsenergie der Sonne absorbierten und sie in Elektrizität umwandelten. Sie sehen wie große Pilze aus, sagte sich Pancho. Nein, eher wie riesige Penisse, korrigierte sie sich und kicherte stumm. Ein phallischer Wald. Eine Sammlung von Schwänzen. Kolossale Dödel, die alle strammstanden.

»Wie Sie sehen«, ertönte die Sandpapierstimme des Stützpunkt-Kommandanten, »besteht ein weiterer Vorteil der Türme darin, dass sie nicht verstauben, weil die Solarzellen so hoch über der Oberfläche liegen.«

Pancho musste ihre Freude unterdrücken. »Dann müssen sie auch nicht abgestaubt werden«, sagte sie bemüht ernsthaft.

»Das stimmt. Es spart langfristig ziemlich viel Geld.«

Sie nickte im Helm. »Wie steht's mit dem Schaden durch Mikrometeoriten?«

»Die Zellen sind natürlich gehärtet. Die Abnutzung durch Verschleiß entspricht in etwa den Boden-Konfigurationen um Selene.«

»Ähem.« Pancho schien sich einen Bericht in Erinnerung zu rufen, der das Gegenteil besagte. »Hat die Analyse denn nicht …«

Eine neue Stimme schaltete sich in ihr Gespräch ein. »Ms. Lane, Ma'am, wir haben einen Anruf für Sie von der Nairobi-Basis in Shackleton.«

»Legen Sie das Gespräch auf Leitung Zwei«, sagte sie.

Es war zwar nur eine Tonübertragung, aber sie erkannte dennoch den schmelzenden Bariton von Tsavo. »Ms. Lane, Pancho, hier ist Daniel. Ich schicke in der nächsten halben Stunde ein Raumboot zu Ihrer Anlage. Sie sind jederzeit bei uns eingeladen.«

»Ich werde sobald wie möglich rüberkommen, Danny«, erwiderte Pancho mit einem erfreuten Grinsen.

»Sie wissen, dass ein Sonnensturm aufzieht«, sagte er.

Pancho nickte im Helm. »Ja. Ich werde bei Ihnen sein, bevor er losbricht.«

»Fein. Das ist wunderbar.«


Pancho brach die Besichtigungstour ab und entschuldigte sich beim Stützpunkt-Kommandanten. Der runzelte in unverhohlener Enttäuschung die Stirn.

Und da wartete auch schon ein Raumboot von Nairobi Industries auf der Startrampe auf sie. Das auf dünnen Stelzen stehende Raumfahrzeug hatte einen viperngrünen Anstrich, und direkt unterhalb der Glasstahlkuppel des Cockpits war das Firmenlogo — ein ovaler Masai-Schild mit zwei gekreuzten Speeren — schabloniert.

Sie lief zu dem Raum, den der Stützpunkt-Kommandant ihr als Unterkunft zur Verfügung gestellt hatte, nahm die noch ungeöffnete Reisetasche und ging zur Startrampe. Sie rief Jake Wanamaker auf dem Handy an und sagte ihm, wohin sie ging und wieso. Dann rief sie ihren Sicherheitschef an und fragte ihn, wieso es ihm noch immer nicht gelungen sei, Lars Fuchs aufzutreiben.

»Ich will, dass Sie ihn finden«, befahl sie. »Und zwar fix.«


In diesem Moment kauerte Lars Fuchs mit seinen drei Besatzungsmitgliedern in einer schmalen, dunklen Nische zwischen einem der großen Energieerzeugungskonverter und der offenen Lagerzone mit den Regalen, die er als Schlafstelle nutzte.

»Hier leben Sie, Kapitän?«, fragte Amarjagal mit einem Flüstern, in dem Respekt und Unglauben gleichermaßen zum Ausdruck kamen.

»Das ist mein Hauptquartier«, erwiderte Fuchs gleichmütig. »Vorläufig.«

»Sie können auch bei mir einziehen, Sir«, sagte Nodon. »Sie müssen doch nicht hier …«

»Ich werde hier bleiben. So ist das Risiko geringer, entdeckt zu werden.«

Die drei Mongolen wechselten Blicke, blieben aber stumm.

In den Wochen, seitdem Fuchs untergetaucht war, hatte er das Einsatzmuster der Wartungsroboter erkannt, die auf den verzweigten Gängen zwischen den Maschinen und Lagerzonen auf der obersten Ebene von Selene entlangrollten. Man vermochte ihnen leicht aus dem Weg zu gehen, und er richtete sich jede Nacht in den Hochregalen der Lagerzone ein und rollte den Schlafsack aus. Es war ein ›rustikales‹ Leben, aber gar nicht mal unbequem, sagte Fuchs sich. Solange er sich darauf beschränkte, nur die notwendigsten Lebensmittel und andere Vorräte zu entwenden, würden Selenes Behörden sich nicht die Mühe machen, ihn aufzuspüren. Nach dem, was Big George ihm gesagt hatte, würden die Behörden eher einen geringen ›Schwund‹ der Bestände akzeptieren, als eine Suchaktion in den trübe beleuchteten Maschinenräumen und Lagerzonen zu organisieren.

Wenn Fuchs sich durch etwas gestört fühlte, dann durch das ständige Summen und Stampfen, das diese oberste Ebene von Selene erfüllte. Er wusste, dass Selenes Atomreaktoren über hundert Kilometer entfernt waren, auf der anderen Seite von Alphonsus' Ringwallbergen. Dennoch lagen ein permanentes elektrostatisches Knistern in der Luft und ein schwacher Ozongeruch, der unangenehme Erinnerungen an aufziehende Gewitter auf der Erde auslöste. Fuchs sagte sich zwar, dass er diese Beeinträchtigungen ignorieren sollte. Dennoch hatte er oft Kopfschmerzen, die im Rhythmus des konstanten elektrischen Pulses hämmerten.

Er hatte diesen Ort als Hauptquartier gewählt, weil er von dort einen Blick auf den großen Bildschirm hatte, der sich an der einen Seite der Lagerzone befand. Man hatte ihn dort platziert, um den menschlichen Maschinenführer zu unterstützen, der gelegentlich Waren aus den Lagerbeständen kommissionierte. Fuchs nutzte seine Verbindung zu Selenes Hauptrechner, um die Pläne der städtischen Wasser- und Belüftungssysteme zu studieren. Er suchte nach einem Weg ins Herrenhaus von Humphries. Bislang war die Suche freilich erfolglos gewesen.

»Der Mann muss der größte Paranoiker im Sonnensystem sein«, murmelte Fuchs.

»Oder der größte Feigling«, sagte Amarjagal. Sie saß neben ihm auf dem Gitterrost des Stegs. Im Schneidersitz mutete sie an wie ein kleiner Berg.

Nodon und Sanja hatten sich etwas abseits niedergelassen. Ihre kahl rasierten Schädel waren in der stickig warmen Luft mit einem glitzernden Schweißfilm überzogen. Aus dieser geringen Distanz nahm Fuchs ihren ranzigen Körpergeruch wahr. Er wusste, dass sie Duschen in den Unterkünften hatten. Vielleicht wollen sie ihre Wasserzuteilungen schonen. Fuchs selbst wusch sich gelegentlich mit Wasser, das er von einer der unter der Decke verlaufenden Hauptleitungen abzapfte. Trotz aller Vorsicht hinterließ er immer Pfützen, die Teams von emsig summenden, effizienten Wartungsrobotern anlockten. Fuchs befürchtete, dass früher oder später menschliche Wartungsarbeiter anrücken würden, um der Ursache für die Undichtigkeiten auf den Grund zu gehen.

»Jeder mögliche Zugang zu seiner Felsenhöhle ist durch dreifach redundante Sicherheitssysteme geschützt«, sagte Fuchs beim Studium der Skizzen. »Bewegungsmelder, Kameras, Wärmefühler.«

»Sogar die Kabelstränge sind geschützt«, sagte Nodon und wies mit dem Finger darauf.

»Es könnte nicht einmal eine Maus durch diese Röhren schlüpfen«, sagte Sanja.

»Der Mann ist ein großer Feigling«, wiederholte Amarjagal. »Er hat viel Angst.«

Er hat auch allen Grund, sich zu fürchten, sagte sich Fuchs. Aber nur dann, wenn wir einen Weg in sein Herrenhaus finden.

Trotz des gründlichen Studiums der Skizze vermochten sie keinen Zugang in Humphries' Reich zu finden, außer es zu stürmen. Aber wir sind nur zu viert, erinnerte Fuchs sich, und wir haben keine Waffen. Humphries muss bis an die Zähne bewaffnete Sicherheitsleute haben, die auf dem Grundstück patrouillieren.

Nodon schüttelte leicht den Kopf. »Ich sehe keine Möglichkeit.«

Fuchs atmete tief durch und stieß die Luft langsam aus. »Ich schon«, sagte er.

Die drei drehten sich mit fragendem Blick zu ihm um.

»Einer von euch wird einen neuen Job antreten und eine Stelle in Selenes Wartungsabteilung annehmen müssen.«

»Ist das denn möglich?«, fragte Amarjagal.

»Es sollte möglich sein«, erwiderte Fuchs. »Ihr seid alles qualifizierte Techniker. Ihr habt Referenzen von der Astro Corporation.«

»Ich werde es tun«, sagte Nodon.

»Gut.«

»Und wenn Nodon für die Wartungsabteilung arbeitet?«, fragte Amarjagal.

Fuchs schaute sie leidenschaftslos an. Von den dreien war sie am lebendigsten und noch am ehesten geneigt, Fragen zu stellen. Ob es daran liegt, dass sie eine Frau ist, fragte Fuchs sich.

»Ich werde einen Identifizierungschip beschaffen müssen, um auf die unterste Ebene von Selene zu gelangen.«

»Wie bekommen Sie einen?«

»Ich werde Hilfe brauchen«, gestand er.

Die drei Asiaten schauten ihn fragend an.

»Ich werde Pancho anrufen. Ich bin sicher, dass sie eine Kennmarke für mich bekommt, die mir Zugang zu Humphries' Felsenhöhle gewährt.«

Er griff nach einem Strohhalm, und er wusste es. Noch schlimmer — als er Pancho von einem der Telefone aus anrief, die in den Gängen der Maschinenräume positioniert waren, sagte man ihm, dass Ms. Lane nicht in ihrem Büro und nicht erreichbar sei.

»Wo ist sie?«, fragte Fuchs.

»Ms. Lane ist zurzeit nicht erreichbar«, erwiderte die künstliche Telefonstimme. »Hinterlassen Sie bitte Ihren Namen, und man wird Sie so bald wie möglich zurückrufen.«

Fuchs hatte freilich nicht die Absicht, seinen Namen preiszugeben. »Ist sie dort zu erreichen, wo sie sich gerade befindet?«

»Ms. Lane ist zurzeit nicht erreichbar«, erwiderte der Computer fröhlich.

»Wie lang wird sie weg sein?«

»Darüber liegt keine Information vor, Sir.«

Fuchs überlegte schnell. Es hat keinen Sinn, Informationen aus einer doofen Maschine herausholen zu wollen, sagte er sich. Außerdem wollte er nicht so lange am Telefon bleiben, um nicht die Aufmerksamkeit von Selenes Überwachungskameras auf sich zu ziehen.

»Sagen Sie ihr, dass Karl Manstein angerufen hat und noch einmal anrufen wird.«

Mit einem Gefühl der Verzweiflung und Ausweglosigkeit hieb er auf die AUS-Taste des Telefons.


Es war nicht leicht, Douglas Stavenger zu überraschen. Auch wenn er schon vor Jahrzehnten offiziell von jedem formalen Amt zurückgetreten war, hielt er sich dennoch über alles auf dem Laufenden, was in Selene geschah. Und auch über das, was sonst noch so geschah.

Er wusste, dass seine Frau vom Medienintendanten erwartete, der Berichterstattung über den im Gürtel tobenden Krieg breiteren Raum einzuräumen. Er wusste aber auch, dass die Konzerne am genauen Gegenteil interessiert waren — nämlich daran, die Geschichte unter den Teppich zu kehren. Die Starlight-Tragödie hatte die Lage zwar streiflichtartig erhellt, doch hatten sowohl Astro als auch Humphries Space Systems jedes Gran ihrer enormen Macht in die Waagschale geworfen, damit die Medien die Geschichte schleunigst in den Hintergrund schoben.

Als Stavenger nun mit seiner Frau am Frühstückstisch saß, wurde er durch ihre Enthüllung regelrecht erschüttert.

»Du fliegst nach Ceres?«

Edith lächelte liebreizend über die Teetasse hinweg. »Niemand sonst will sich dieser Geschichte annehmen, Doug. Also werde ich es tun.«

Er unterdrückte einen Impuls, den Kopf zu schütteln. Eine Zeit lang sagte er gar nichts, sondern starrte nur auf die Schüssel mit Joghurt und Honig, während seine Gedanken sich überschlugen.

»Das gefällt mir nicht, Edie.« Mehr brachte er nicht hervor, als er wieder zu ihr aufschaute.

»Mir selbst gefällt es nicht, mein Schatz, aber irgendjemand muss es tun, und ich wüsste nicht, wer diese Aufgabe sonst übernehmen sollte.«

»Es ist gefährlich da draußen.«

Ihr Lächeln wurde breiter. »Wer wird sich denn an der Frau von Doug Stavenger vergreifen? Das würde den Kriegseintritt von Selene bedeuten, nicht wahr?«

»Nein, nicht automatisch.«

»Nicht?« Sie schaute ihn stirnrunzelnd an.

»Ich könnte mir vorstellen, dass die Konzerne Selenes Reaktion fürchten würden.«

»Falls irgendjemand mir etwas antut«, fuhr sie ernst fort, »würdest du doch dafür sorgen, dass Selene auf der anderen Seite in den Krieg eintritt. Stimmt's? Und das würde dann das Blatt zuungunsten des Konzerns wenden, der mir etwas angetan hat. Nicht wahr?«

Er nickte widerwillig.

»Und das würde den Krieg entscheiden. Richtig?«

»Vielleicht.«

»Das ist eine Tatsache, und du weißt es. Jeder weiß es, einschließlich Pancho Lane und Martin Humphries.« Sie nahm noch einen Schluck Tee, dann stellte sie die Porzellantasse mit einem leisen Klirren ab. »Also werde ich da draußen so sicher sein wie in Abrahams Schoß.«

»Es gefällt mir trotzdem nicht«, murmelte er.

Sie beugte sich über den kleinen Tisch und ergriff seine Hand. »Aber ich muss es tun, Doug. Du verstehst das doch, oder? Es ist wichtig: nicht nur für mich, sondern für alle Beteiligten — für das ganze Sonnensystem, um Gottes willen. Einschließlich Selene.«

Stavenger schaute seiner Frau in die Augen und wusste, dass er sie nicht davon abhalten konnte.

»Dann werde ich mit dir gehen«, sagte er.

»Oh nein! Du musst hier bleiben!«

»Ich glaube nicht …«

»Du bist mein Schutz, Doug. Was geschieht, wenn wir beide da draußen getötet werden? Wer sollte Selene dann führen?«

»Der ordnungsgemäß gewählte Regierungsrat.«

»Ja, sicher«, spottete sie. »Wenn du nicht die Strippen ziehst, ist das doch eine Schar konfuser Hühner, die nichts zustande bringt. Und das weißt du auch.«

»Nein, das weiß ich nicht.«

Sie lächelte wieder. »Ich brauche deinen Schutz, Doug, und ich bekomme ihn nur dann, wenn du hier in Selene bist und die Dinge unter Kontrolle hast«

»Das ist zu viel der Ehre.«

»Und du bist die jüngste graue Eminenz im Sonnensystem.«

Er lachte. Das war ein stehender Witz zwischen ihnen.

»Außerdem«, fuhr Edith fort, »würdest du die ganze Aufmerksamkeit auf dich ziehen, wenn du nach Ceres kämst. Man würde sich förmlich überschlagen beim Versuch, dir zu beweisen, dass alles in Ordnung ist. Ich würde von niemandem eine authentische Geschichte bekommen.«

Er zog das Streitgespräch noch fast für eine halbe Stunde in die Länge, doch Stavenger wusste, dass seine Frau in jedem Fall tun würde, was sie wollte. Und er auch. Edith wird nach Ceres fliegen, wurde er sich bewusst, und ich werde hier bleiben.


Nobuhiko vermochte vor Aufregung kaum an sich zu halten, als er seinen Vater anrief und ihm mitteilte, dass Pancho Lane die Nairobi-Basis auf dem Mond besuchen würde.

Yamagata der Ältere war in seiner Zelle im Kloster — ein recht großer Raum, dessen Steinwände nun von Bücherregalen und intelligenten Bildschirmen gesäumt wurden. Der Raum war spärlich ausgestattet, doch Nobu bemerkte, dass sein Vater es geschafft hatte, einen großen, rechteckigen Mahagoni-Schreibtisch zu organisieren.

Saito hockte auf einer Tatami-Matte direkt unter dem großen Wandbildschirm, der eine komplexe Grafik zeigte, die Nobu als Darstellung der aktuellen Kurse der Börse von Tokio deutete.

»Sie betritt freiwillig die Basis von Nairobi?«, fragte Saito.

»Ja!«, stieß Nobu hervor. »Ich habe einem Verhörtrupp befohlen, sofort dorthin zu fliegen! Die Afrikaner können sie unter Drogen setzen und die Verhörspezialisten quetschen sie aus, ohne dass sie es jemals erfährt!«

Saito grunzte. »Von den Kopfschmerzen am nächsten Tag mal abgesehen.«

Nobu wollte schon lachen, beherrschte sich aber.

Sein Vater schwieg für eine nervenaufreibende Weile. »Du gehst nach Shackleton«, sagte er schließlich. »Du selbst.«

»Ich? Aber wieso …?«

»Kein Verhörtrupp weiß so viel über unsere Arbeit wie du, mein Sohn. Du wirst viel mehr aus ihr herausholen, als sie es ohne dich bewerkstelligen könnten.«

Nobu ließ sich das durch den Kopf gehen. »Aber wenn sie mich irgendwie erkennt und sich später erinnert …«

»Dann muss sie beseitigt werden«, erwiderte Saito knapp. »Das wäre zwar bedauerlich, aber unumgänglich.«

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