Humphries' Träume

Er war wieder ein Kind und wurde an der Hand durch das majestätische Gebäude mit Wänden aus Marmor geführt, wo Leute schweigend in kleinen Gruppen zusammenstanden, auf die Bilder auf den Wänden schauten und sich mit gedämpfter Stimme unterhielten. Die Bilder bedeuteten ihm nichts, genauso wenig wie die Namen, die sein Privatlehrer ihm zuflüsterte: da Vinci, Raphael, Degas, Renoir. Dann sah er das Bild der eleganten Segelboote, die durch ein ruhiges blaues Meer unter der Sommersonne glitten. Als er sich nicht mehr davon loszureißen vermochte, sagte sein Privatlehrer herablassend: »Monet. Er wird eigentlich überschätzt.«

Plötzlich war es Weihnachten, und statt des Gemäldes, das er sich gewünscht hatte, schenkte sein Vater ihm einen neuen Computer. Als er vor Enttäuschung in Tränen ausbrach, baute sein Vater sich vor ihm auf und sagte streng: »Im Internet kannst du dir so viele Bilder anschauen, wie du willst.«

Und dann war er auf dem Boot, dem Trimaran, und der Sturm zog schnell auf, und das Boot wurde von den riesigen Wellen umhergeworfen, und eine Welle schlug überm Bug zusammen und riss ihn von den Füßen. Er spürte, wie ihm die Glieder taub wurden im kalten Wasser und er unterging, während sein Vater auf dem schwankenden Deck stand und mit verschränkten Armen und enttäuschtem Gesichtsausdruck zusah. Es ist ihm egal, ob ich ertrinke, wurde der kleine Martin sich bewusst, als er hilflos im eisigen Wasser zappelte. Es ist ihm gleich, ob ich lebe oder sterbe.

»Das war dumm von dir, Marty«, knurrte sein Vater ihn an, nachdem ein Besatzungsmitglied ihn aus dem Meer gefischt hatte. »Du bist jetzt neun Jahre alt und hast noch immer weniger Verstand als ein Spatz.«

In diesem Moment begriff Martin Humphries — neun Jahre alt, klatschnass und vor Kälte bibbernd —, dass es niemanden auf der Welt gab, der ihn beschützte; niemanden, der ihm half, und niemanden, der ihn liebte. Nicht einmal seine Mutter, die die meiste Zeit betrunken war, scherte sich einen Dreck um ihn. Er war allein. Abgesehen davon, was und wen er kaufen konnte.

›Das ist nur ein Traum‹, sagte er sich. ›Das alles ist schon vor langer Zeit geschehen. Mutter ist schon seit einer Ewigkeit tot, und Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Es ist vorbei. Er kann dich nicht mehr erniedrigen.‹

Aber andere waren dazu in der Lage. Er sah sich auf der Vorstandssitzung der Astro Corporation, wo jeder am langen Tisch ihn anstarrte.

Am Kopfende des Tischs, auf dem Platz der Vorsitzenden, zu der sie eben gewählt worden war, wies Pancho Lane anklagend mit dem Finger auf ihn.

»Wie lang wollen wir noch zulassen, dass der Chef unseres größten Rivalen in unserem Vorstand sitzt?«, fragte sie mit Nachdruck. »Wie lang wollen wir den Judas denn noch unter uns dulden? Ihm geht es doch nur darum, die Kontrolle über die Astro Corporation zu übernehmen, und er wird jede Chance nutzen, uns zu schaden, wenn wir ihn nicht hier und jetzt loswerden.«

Die Abstimmung war knapp, aber nicht knapp genug.

»Das war's dann«, sagte Pancho und vermochte kaum das zufriedene Grinsen zu verbergen, das um ihre Mundwinkel spielte. »Martin, Sie sind aus diesem Vorstand gekegelt worden. Das war aber auch höchste Zeit.«

Er sah, dass er kreidebleich im Gesicht war und dass ihm die Hände zitterten, so sehr er sich auch anstrengte, sie unter Kontrolle zu halten. Die anderen versuchten zwar, ihre Gefühle zu verbergen, aber er sah dennoch, dass sie insgeheim über ihn lachten. Sie alle — sogar diejenigen, von denen er geglaubt hatte, sie würden auf seiner Seite stehen.

Er spürte kalten Schweiß auf Stirn und Oberlippe und stand mit wackligen Beinen auf. Das Blut rauschte ihm in den Ohren, und im Kopf jagten sich revanchistische und trotzige Gegenreden.

»Wir sind noch nicht fertig miteinander«, war aber alles, was er hervorbrachte.

Als er aus dem mit edlen Teppichen ausgelegten Vorstandszimmer wankte, hörte er gedämpftes Lachen hinter seinem Rücken. Ich werde es ihnen heimzahlen, schwor er sich. Jedem Einzelnen von ihnen. Ganz besonders Pancho, diesem Dreckstück aus der Gosse. Ich werde es ihnen allen heimzahlen, und wenn es mich den letzten Penny und jeden Tropfen Schweiß und Blut kostet. Ich werde es ihnen heimzahlen. Ich werde sie tot sehen. Ich werde auf ihren Gräbern tanzen.

Загрузка...