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Richard, endlich allein unter der endlosen Weite des blauen Himmels, unter den verschneiten Gipfeln der hochaufragenden Berge und in dem von ihm so geliebten Wald, war froh, wieder unterwegs zu sein. Er würde Jennsen vermissen, doch das würde nur vorübergehend sein. Es würde ihr gut tun, eine Weile auf sich gestellt unter Menschen zu leben, die, wie sie, erst noch herausfinden mußten, was es hieß, ein eigenständiges Leben zu führen und sich nach und nach in der großen weiten Welt zurechtzufinden. Er jedenfalls mochte die Erfahrungen, die er seit der Aufgabe seines behüteten Lebens in Kernland gemacht hatte, nicht missen, denn ohne sie wäre er nicht mit Kahlan zusammen.

Es tat gut, zu laufen und die Beine dabei zu strecken. Er schob den Bogen höher auf seine Schulter, während sie sich einen Weg über den sonnenlichtgesprenkelten, jedes Geräusch dämpfenden Waldboden suchten. Jetzt, nachdem er dem Tod so nahe gewesen war und beinahe sein Augenlicht verloren hätte, schien die Welt nur so vor Lebendigkeit zu sprühen. Die Moose wirkten üppiger, die Blätter glänzender, die hochaufragenden Föhren ehrfurchtgebietender.

Und Kahlans Augen erschienen ihm grüner als je zuvor, ihr Haar weicher, ihr Lächeln herzlicher.

So verhaßt ihm seine Gabe einst gewesen sein mochte, jetzt war er erleichtert, sie zurückzuhaben. Sie war ein Teil von ihm, ein Teil dessen, was ihn ausmachte, ein Teil dessen, was ihn zu dem machte, der er war.

Kahlan hatte ihn einmal gefragt, ob es ihm besser gefallen würde, sie wäre ohne ihre Konfessorinnenkraft geboren worden. Er hatte ihr geantwortet, so etwas würde ihm niemals in den Sinn kommen, schließlich liebe er sie so, wie sie sei; im Übrigen sei es unsinnig, bestimmte Züge eines Menschen für sich zu betrachten, denn das hieße seine Persönlichkeit leugnen. Mit ihm verhielt es sich nicht anders; seine Gabe war Teil seines Wesens, und seine Talente bestimmten all sein Tun.

Er hatte sich die Schwierigkeiten mit seiner Gabe allein selbst zuzuschreiben; immerhin hatte ihm die Magie des Schwertes der Wahrheit durch ihr Versagen zu dieser Erkenntnis verholfen.

Es war ein beruhigendes Gefühl, es endlich wieder an seiner Seite zu tragen, zu wissen, daß es wieder im Einklang mit ihm war, bereit, ihn selbst und seine Lieben zu verteidigen – nicht etwa, weil er kämpfen, sondern weil er leben wollte.

Der Tag war warm, und sie kamen bei ihrem Aufstieg über den felsigen Pfad hinauf zum Paß gut voran. Als sie schließlich die höchste Stelle im Einschnitt zwischen den gigantischen Bergen erreichten, war die Luft merklich abgekühlt, doch ohne den schneidenden Wind war das nicht einmal unangenehm.

Sie machten am höchsten Punkt des Passes eine kurze Rast, um einen letzten Blick auf die Statue Kaja-Rangs zu werfen, die seit Tausenden von Jahren vollkommen allein an dieser Stelle stand und über ein Reich von Menschen wachte, die unfähig waren, das Böse zu erkennen.

In gewisser Hinsicht war die Statue ein Monument des Scheiterns. Kaja-Rang und sein Volk hatten es nicht geschafft, diesen Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen, Richard dagegen war es gelungen – wenn auch mit Kaja-Rangs Hilfe.

Richard legte seine Hände auf den kalten Granit, auf die Worte Taiga Vassternich, die ihm das Leben gerettet hatten, und dankte jenem Mann, dessen Statue zu den Säulen der Schöpfung hinüberblickte, jenem Ort, wo er seine Schwester kennen gelernt hatte.

Zu seiner Überraschung trat plötzlich Cara hinzu, legte ihre Hände über seine, sah hoch zur Statue und sagte: »Danke, daß du geholfen hast, Lord Rahl zu retten.«

Kurz darauf machten sie sich an den Abstieg durch den Paß; als sie nach Passieren der offenen Felsbänke schließlich in den dichten Wald gelangten, vernahm Richard den Ruf eines Fliegenschnäppers, ebenjenes Signal, das er Cara beigebracht und das ihnen oft gute Dienste geleistet hatte.

»Wißt Ihr eigentlich«; sagte Cara, während sie die Gruppe über das felsige Gelände an der Seite eines Bachlaufs führte, »daß Anson sich hervorragend mit Vögeln auskennt?«

Richard tastete sich vorsichtig durch ein Gewirr von Zedernwurzeln. »Tatsächlich?«

»Ja. Während Eurer Genesung haben wir uns lange unterhalten.« Sie stützte sich mit der Hand an der faserigen Rinde eines rötlichen Zedernstammes ab, zog ihren langen, blonden Zopf nach vorn und setzte, eine Hand am Zopf, ihren Weg fort.

»Er hat mich zu meinem gekonnten Vogelpfiff beglückwünscht.«

Richard warf einen Seitenblick hinüber zu Kahlan. Ihr angedeutetes Achselzucken sollte ihm offenbar zu verstehen geben, daß sie nicht die leiseste Ahnung hatte, worauf Cara hinauswollte.

»Aber ich sagte doch, daß Ihr ihn hervorragend beherrscht«, sagte Richard.

»Ich erklärte ihm, Ihr hättet ihn mir beigebracht, und daß es der Ruf des kurzschwänzigen Föhrenhabichts sei – worauf er erwiderte, einen solchen Vogel gebe es gar nicht, und der Ruf, den ich als Signal verwendete, sei der eines gewöhnlichen Fliegenschnäppers. Ich, eine Mord-Sith, verwende den Ruf eines Vogels mit Namen Fliegenschnäpper. Man stelle sich vor.«

Eine Weile gingen sie schweigend weiter.

Richard konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, achtete aber darauf, daß die Mord-Sith es nicht sah. Plötzlich zeigte Kahlan mit ausgestrecktem Arm nach vorn. »Seht doch, dort.«

Durch eine Lücke in den Wipfeln der Zedern erblickten sie eine schwarz gezeichnete Riesenkrähe, die, getragen von den Aufwinden der Berge, weit oben am strahlend blauen Himmel ihre Kreise zog. Die Riesenkrähen hatten es aufgegeben, Jagd auf sie zu machen; dieses Exemplar hielt einfach Ausschau nach seinem Abendessen.

»Wie lautete gleich das alte Sprichwort?«, fragte Cara. »In dem es heißt, ein Raubvogel, der zu Beginn einer Reise über einem kreist sei ein unmißverständliches Warnsignal?«

»Ja, jetzt erinnere ich mich«, erwiderte Richard. »Aber davon werde ich mich nicht beirren lassen. Ihr dürft uns trotzdem auch weiterhin begleiten.«

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