Als die Männer hinter Tom aus den Bäumen hervor ins Freie traten, stellte Richard zu seinem Entsetzen fest, daß es deutlich weniger waren, als sich nach Aussage Owens mit ihm in den Bergen versteckt gehalten hatten. Mit sorgenzerfurchter Stirn stieg er auf das kleine Plateau, wo Kahlan ihn bereits erwartete.
Ihr war die Besorgnis ebenfalls deutlich anzusehen. »Stimmt etwas nicht?«
»Soweit ich erkennen kann, hat er nicht einmal fünfzig Mann mitgebracht.«
Kahlan ergriff seine Hand, während sie mit sanfter Stimme ermutigend auf ihn einzureden versuchte. »Das sind immerhin fünfzig mehr als zuvor.«
Cara näherte sich ihnen von hinten und entledigte sich ein Stück weiter seitwärts ihrer Fracht, ehe sie ihren Platz an Richards linker Seite einnahm. Richard blickte in ihr grimmig-finsteres Gesicht. Wie machte sie das bloß, fragte er sich, immer so auszusehen, als erwarte sie, daß alles exakt nach ihrem Willen geschah.
Tom kam über die Kante des Felsvorsprungs geklettert, gefolgt von den Männern. Der anstrengende Aufstieg hatte ihm den Schweiß aus den Poren getrieben, doch als er Jennsen erblickte, die soeben auf der anderen Seite den Hang heraufkam, milderte ein etwas bemühtes Lächeln seine Züge. Sie erwiderte das knappe Lächeln und blieb dann im Schatten der Statue stehen; offenbar wollte sie im Hintergrund bleiben.
Als der abgerissene Männerhaufen Richard in seinen schwarzen Hosen und Stiefeln, dem schwarzen, am Rand mit goldenen Streifen abgesetzten Waffenrock, dem breiten Ledergürtel und den ledergepolsterten Manschetten mit den uralten Symbolen an den Handgelenken und der in Silber und Gold gearbeiteten Scheide erblickten, schien sie aller Mut zu verlassen. Als sie dann auch noch Kahlan an seiner Seite erblickten, wichen sie, offensichtlich unschlüssig, wie sie sich verhalten sollten, unter zaghaften Verbeugungen ängstlich bis zur Felskante zurück.
»Los, nun kommt schon«, rief Tom ihnen zu und forderte sie auf, auf den breiten, flachen Felsen zu klettern und vor Richard und Kahlan hinzutreten.
Owen ging durch ihre Reihen, redete mit leiser Stimme auf die Männer ein und drängte sie, auf Toms Handzeichen hin vorzutreten. Zögernd gehorchten sie und kamen mit schlurfenden Schritten ein Stück naher, wenn auch nach wie vor darauf bedacht, einen beträchtlichen Sicherheitsabstand zwischen sich und Richard zu wahren.
Während die Männer einander noch verlegen ansahen, unschlüssig, was sie als Nächstes tun sollten, trat Cara vor und deutete mit großer Geste auf Richard.
»Ich stelle vor Lord Rahl«, erklärte sie mit klarer Stimme, die bis zu den am höchsten Punkt des Passes versammelten Männern hinübertrug, »Sucher der Wahrheit und rechtmäßiger Besitzer des Schwertes der Wahrheit, Herrscher des d’Haranischen Reiches und Gemahl der Mutter Konfessor.«
Hatten die Männer zuvor bereits eingeschüchtert und unsicher gewirkt, so verstärkte sich dieses Verhalten durch Caras Vorstellung noch. Als sie ihren Blick von Richard und Kahlan lösten, wieder zu Cara mit ihren durchdringenden Augen sahen und erkannten, daß diese offenbar auf etwas wartete, ließen sie sich alle in einer Verbeugung vor Richard auf die Knie nieder.
Als schließlich auch Cara bewußt ein Stück vortrat, noch vor die Männer, und sich ebenfalls auf die Knie hinunterließ, begriff auch Tom und folgte ihrem Beispiel. Die beiden beugten sich vor, bis sie mit der Stirn den Boden berührten.
Verunsichert harrten die Männer in der stillen, frühmorgendlichen Luft aus, nach wie vor unsicher, was nun von ihnen erwartet wurde.
»Führe uns, Meister Rahl«, intonierte Cara mit klarer, vernehmlicher Stimme, damit die Männer sie hören konnten. Sie wartete.
Tom warf einen Blick über seine Schulter auf die blonden Männer, die ihn unverwandt anstarrten. Als er darauf mißbilligend die Stirn in Falten legte, dämmerte ihnen, daß sie die Worte nachsprechen sollten. Sie beugten sich, dem Beispiel Toms und Caras folgend, ebenfalls vor, bis ihre Stirn den kalten Granit berührte.
»Führe uns, Meister Rahl«, setzte Cara erneut an, ohne ihre Stirn vom Boden gelöst zu haben.
Diesmal fielen die Männer unter Toms Anleitung nach ihr in die Andacht ein.
»Führe uns, Meister Rahl«, sprachen sie, wenn auch mit einem spürbaren Mangel an Übereinstimmung.
»Lehre uns, Meister Rahl«, fuhr Cara fort, nachdem alle den Anfang des Treueschwures geleistet hatten. Wieder fielen sie hinter ihr ein, aber immer noch zögernd und wenig aufeinander abgestimmt.
»Beschütze uns, Meister Rahl«, verkündete Cara.
Die Männer sprachen die Worte nach, jetzt bereits etwas harmonischer.
»In Deinem Licht werden wir gedeihen.«
Murmelnd sprachen sie ihr die Worte nach.
»Deine Gnade gebe uns Schutz.«
Sie wiederholten ihre Worte.
»Deine Weisheit erfüllt uns mit Scham.«
Wieder erklang das Gemurmel der Männer.
»Wir leben nur, um zu dienen.«
Kaum hatten sie die Zeile nachgesprochen, intonierte Cara die letzte Zeile mit deutlich erhobener Stimme: »Unser Leben gehört Dir.«
Als sie zu Ende gesprochen hatten, erhob Cara sich und bedachte die noch immer vornübergebeugt am Boden kauernden Männer mit einem grimmigen Funkeln. »So lautet die Andacht an den Lord Rahl. Ihr werdet sie jetzt mit mir zusammen noch zweimal wiederholen, wie es sich im Feld geziemt.«
Erneut berührte Cara mit der Stirn den Boden zu Richards Füßen.
»Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. Beschütze uns, Meister Rahl. In Deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit erfüllt uns mit Scham. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört Dir.«
Stolz und aufrecht standen Richard und Kahlan vor den Männern, während diese die zweite und dritte Andacht intonierten. Dies war keineswegs ein nichtssagendes, hohles, eigens für die Männer inszeniertes Spektakel; es war die Andacht, wie sie seit Jahrtausenden gesprochen wurde, und Cara war jedes einzelne Wort davon ernst.
»Ihr dürft Euch jetzt erheben«, erklärte sie, an die Männer gewandt.
Die Männer, die Köpfe eingeschüchtert zwischen den Schultern, rappelten sich vorsichtig wieder auf und warteten schweigend. Richard blickte jedem von ihnen in die Augen, ehe er zu sprechen begann.
»Mein Name ist Richard Rahl. Ich bin der Mann, den ihr zu vergiften beschlossen habt, um mich zu einem Sklaven zu machen, der gezwungen ist zu tun, was immer ihr von mir verlangt.
Was ihr getan habt, ist ein schwerwiegendes Verbrechen. Ihr glaubt vielleicht, euer Tun als angemessen rechtfertigen oder es als Mittel der Überredung betrachten zu können; dennoch gibt euch nichts das Recht, einem Menschen, der euch weder ein Leid zugefügt noch damit gedroht hat, zu drohen oder sein Leben zu gefährden. Das sind – neben Folter, Vergewaltigung und Mord – exakt die Methoden, derer sich die Imperiale Ordnung bedient.«
»Aber wir wollten doch gar nicht, daß Ihr zu Schaden kommt«, rief einer der Männer entsetzt, daß Richard sie eines derart abscheulichen Verbrechens beschuldigte. Andere pflichteten ihm prompt bei, er habe sicher alles bloß falsch verstanden.
»In euren Augen bin ich ein Barbar«, fiel Richard ihnen ins Wort- in einem Tonfall, der sie augenblicklich verstummen und einen Schritt zurückweichen ließ. »Ihr haltet euch für etwas Besseres als mich, was es irgendwie rechtfertigt, mir – und damit auch der Mutter Konfessor – etwas Derartiges anzutun. Und dies alles nur, weil ihr etwas haben wollt und quengeligen kleinen Kindern gleich erwartet, daß wir es euch geben.
Als Alternative laßt ihr mir nur den Tod. Was ihr von mir verlangt, ist weit schwieriger, als ihr euch vorstellen könnt, was meinen Tod durch euer Gift zu einer durchaus realen Möglichkeit und somit sehr wahrscheinlich macht. Das sind die Tatsachen.
Fast wäre ich an eurem Gift bereits gestorben. Doch dann wurde mir, im allerletzten Augenblick, vorübergehend Aufschub gewährt, als einer von euch mir ein erstes Gegenmittel brachte. Meine Freunde und Lieben hatten in jener Nacht bereits fest mit meinem Tod gerechnet. Schuld daran wart ihr, denn ihr habt ganz bewußt entschieden, mich zu vergiften und somit meinen Tod billigend in Kauf genommen.«
»Aber das ist doch gar nicht wahr«, beharrte einer, die Hände flehentlich erhoben. »Wir wollten nie, daß Euch ein Leid geschieht.«
»Warum hatte ich ohne glaubwürdige Gefahr für mein Leben tun sollen, was ihr verlangt? Wenn ihr mir wirklich nichts Böses wollt, wenn ihr tatsächlich nicht entschlossen seid, mich umzubringen, falls ich euch nicht zu Willen bin, dann beweist es und händigt mir das Gegenmittel aus – gebt mir mein Leben zurück. Mein Leben gehört mir, nicht euch.«
Diesmal ergriff niemand das Wort.
»Nein? Ihr seht also, es ist genau, wie ich sagte. Ihr seid entschlossen, mich entweder zu ermorden oder eurem Willen zu unterwerfen. Mir bleibt lediglich die Wahl, mich zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu entscheiden. Ich will nichts mehr darüber hören, welche Haltung sich hinter eurer Absicht verbirgt. Eure Haltung spricht euch nicht von euren sehr realen Verbrechen frei. Eure Taten, nicht eure Haltungen, offenbaren eure wahre Absicht.«
Richard verschränkte die Hände hinter dem Rücken und begann, langsam vor den Männern auf- und abzugehen. »Nun könnte ich mich natürlich so verhalten, wie ihr es offenbar geradezu mit Begeisterung tut: Ich könnte mir einreden, es sei mir unmöglich zu wissen, ob dies alles überhaupt wirklich ist. Ich könnte mich so verhalten wie ihr und mich für unfähig erklären zu unterscheiden, was wirklich ist, und mich weigern, mich der Wirklichkeit zu stellen.
Ich bin aber der Sucher der Wahrheit, weil ich eben nicht versuche, mich vor der Wirklichkeit zu verstecken. Die Entscheidung zu leben erfordert, daß man sich der Wahrheit stellt, und genau das beabsichtige ich zu tun. Ich habe die feste Absicht zu leben.
Ihr müßt heute eine Entscheidung treffen, eine Entscheidung, die euer zukünftiges Leben und das eurer Lieben betrifft. Wie ich, werdet ihr euch der Wirklichkeit stellen müssen, wenn ihr eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben wollt. Wenn ihr euer ersehntes Ziel erreichen wollt, werdet ihr am heutigen Tag der ungeschminkten Wahrheit ins Gesicht sehen müssen.«
Richard deutete mit der Hand auf Owen. »Hattest du nicht davon gesprochen, es seien sehr viel mehr Männer? Wo sind die übrigen?«
Owen trat einen Schritt vor. »Sie haben sich den Soldaten der Imperialen Ordnung ergeben, um unnötige Gewalttaten zu vermeiden. Lord Rahl.«
Richard starrte ihn fassungslos an. »Wie kannst du, nach allem, was du mir erzählt hast, nach allem, was du von den Soldaten der Imperialen Ordnung gesehen hast, so etwas nur glauben, Owen?«
»Aber was sagt uns denn, daß es die Gewalt diesmal nicht verhindern wird? Das Wesen der Wirklichkeit entzieht sich unserer Erkenntnis ...«
»Ich habe es dir schon einmal erklärt: Du wirst dich mir gegenüber auf die Tatsachen beschränken und nicht irgendwelche sinnlosen, auswendig gelernten Phrasen herunterbeten. Wenn du irgendwelche konkreten Informationen besitzt, möchte ich darüber unterrichtet werden. Dieser bedeutungslose Unfug interessiert mich nicht.«
Owen nahm seinen kleinen Rucksack vom Rücken und wühlte darin, bis er einen kleinen Stoffbeutel zutage förderte. Als er ihn betrachtete, traten ihm Tränen in die Augen.
»Die Soldaten der Imperialen Ordnung kamen dahinter, daß sich einige Männer in den Bergen versteckt hielten. Einer der Männer oben bei uns hat drei Töchter. Um zu verhindern, daß es zu einem Teufelskreis der Gewalt kommt, verriet jemand aus unserem Ort den Soldaten, welche der Mädchen seine Töchter sind.
Von da an, Tag für Tag, befestigten die Soldaten an einem Finger jedes dieser drei Mädchen eine Schnur; anschließend hielt jeweils ein Soldat sie fest während andere an den Schnüren zogen, bis die Finger sich aus den Gelenken lösten. Anschließend befahlen die Soldaten einem Mann aus unserem Ort, in die Berge zu gehen und unseren Leuten diese drei Finger zu bringen. Er kam jeden Tag.«
Owen reichte Richard den Beutel. »Dies sind die Finger seiner drei Töchter. Der Dörfler, der sie unseren Leuten brachte, war völlig verstört und hatte fast nichts Menschliches mehr an sich. Mit tonloser Stimme gab er wieder, was man ihm zu sagen aufgetragen hatte. Er hatte entschieden, da nichts wirklich sei, werde er von alldem nichts mitbekommen und könne tun, was man ihm befohlen habe.
Er berichtete, Leute aus dem Ort hätten den Soldaten die Namen der Männer in den Bergen verraten, und daß sie auch deren Kinder in Gewahrsam hätten. Wenn sie nicht zurückkehrten und sich ergäben, werde man mit den anderen Kindern ebenso verfahren.
Etwas über die Hälfte der Männer in den Bergen fand die Vorstellung unerträglich, der Grund für ein derart brutales Vorgehen zu sein. Sie kehrten in unsere Ortschaft zurück und ergaben sich den Soldaten der Imperialen Ordnung.«
»Und wieso gibst du das mir?«, fragte Richard.
»Weil ich möchte«, erwiderte Owen mit tränenerstickter Stimme, »daß Ihr wißt, warum unsere Leute keine andere Wahl hatten, als sich zu ergeben. Sie ertrugen die Vorstellung nicht, daß ihre Lieben ihretwegen solche Qualen litten.«
Richard sah in die Gesichter der gramvollen, trauernden Männer, die ihm entgegenblickten. Er spürte den Zorn heiß in ihm hochkochen, riß sich, als er darauf antwortete, jedoch zusammen.
»Ich verstehe durchaus, was die Männer mit ihrer Selbstaufgabe erreichen wollten. Das kann ich ihnen nicht zum Vorwurf machen. So sinnlos es auch ist, ich kann sie nicht dafür verdammen, daß sie alles in ihrer Macht stehende getan haben, ihren Lieben Leid zu ersparen.«
Trotz seines Zorns war Richard um einen nachsichtigen Ton bemüht. »Es tut mir leid, daß euer Volk derartige Barbareien durch die Imperiale Ordnung erleiden muß. Aber eins muß euch klar sein: Es ist real, und Ursache ist die Imperiale Ordnung. Diese Männer ganz gleich, ob sie auf Befehl der Soldaten gehandelt haben oder nicht, waren nicht der Grund für diese Gewalttätigkeiten. Nicht ihr seid ausgezogen, um sie anzugreifen, sondern sie sind zu euch gekommen, sie haben euch angegriffen, sie sind es, die euch versklaven, foltern und ermorden.«
Die meisten Männer standen da, gebrochen, den Blick starr zu Boden gesenkt.
»Hat sonst noch jemand von euch Kinder?«
Eine Anzahl der Männer nickte oder murmelte bestätigend.
Richard fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Warum habt ihr euch dann nicht ebenfalls ergeben? Wieso seid ihr hier, statt das Leid auf dieselbe Weise zu verhindern wie eure Kameraden?«
Die Männer wechselten Blicke untereinander – einige von der Frage sichtlich verwirrt, andere dagegen offenkundig unfähig, ihre Begründung in Worte zu kleiden. Ihr Kummer, ihr Schmerz, ja sogar ihre nach wie vor verhaltene Entschlossenheit, standen ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben, und doch brachten sie die Worte, die erklärt hätten, weshalb sie sich nicht hatten ergeben wollen, nicht über die Lippen.
Richard hielt den kleinen Stoffbeutel mit seinem grausigen Inhalt in die Höhe, um ihnen keine Möglichkeit zu lassen, dem Thema auszuweichen. »Ihr alle kennt dies. Warum habt ihr euch nicht ebenfalls ergeben?«
Schließlich ergriff einer von ihnen das Wort. »Ich habe mich bei Sonnenuntergang heimlich zu den Feldern geschlichen und mit einem der Erntearbeiter gesprochen. Ich fragte ihn, was aus den Männern geworden ist, die sich ergeben hatten. Er sagte, viele der Kinder wären bereits fortgebracht worden, andere gestorben. Alle Männer die aus den Bergen herabgestiegen waren, wären fortgebracht worden; kein einziger von ihnen hätte in sein Heim, zu seiner Familie zurückkehren dürfen. Was hätten wir also davon, zurückzugehen?«
»Allerdings, was hättet ihr davon«, murmelte Richard bei sich. Zum allerersten Mal schimmerte durch, daß sie ihre Situation wirklich begriffen.
»Ihr müßt der Imperialen Ordnung Einhalt gebieten«, sagte Owen. »Ihr müßt uns die Freiheit wiedergeben. Warum hättet Ihr uns sonst gezwungen, den weiten Weg bis hierher zu machen?«
Richards zarter Hoffnungsfunke erlosch. Sie mochten das wahre Ausmaß ihrer Schwierigkeiten erfaßt haben, aber ganz sicher waren sie nicht bereit, irgendeiner realen Lösungsmöglichkeit ins Auge zu sehen. Sie wollten einfach nur gerettet werden und erwarteten noch immer, daß jemand ihnen diese Arbeit abnahm: er.
Alle schienen erleichtert, daß Owen endlich mit der entscheidenden Frage herausgerückt war; die anderen waren dafür offenbar zu schüchtern. Wahrend sie auf Antwort warteten, konnten einige von ihnen nicht umhin, verstohlene Seitenblicke auf Jennsen zu werfen, die sich im Hintergrund hielt. Auch die hinter Richard drohend aufragende Statue schien die meisten von ihnen zu verunsichern. Da sie nur ihre Rückseite sehen konnten, wußten sie nicht genau, was sie darstellen sollte.
»Weil es«, klärte Richard sie schließlich auf, »um tun zu können, was ihr vor mir verlangt, wichtig ist, daß ihr alle die Zusammenhänge begreift. Ihr erwartet, daß ich es euch einfach abnehme. Das kann ich nicht. Ihr werdet mir helfen müssen, oder eure Lieben sind rettungslos verloren. Wenn wir Erfolg haben wollen, dann müßt ihr dafür sorgen, daß auch die anderen aus eurem Volk begreifen, was ich euch jetzt erklären muß.
Ihr habt den weiten Weg bis hierher gemacht, ihr habt genug gelitten, und ihr habt den ersten Schritt getan. Ihr habt erkannt, daß man euch, wenn ihr das Gleiche zu tun versucht wie eure Kameraden und zu den gleichen sinnlosen Lösungen greift, ebenfalls umbringen wird. Euch bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Ihr alle habt euch entschieden, wenigstens den Versuch zu wagen, euch von diesen Rohlingen zu befreien, die euer Volk ermorden und versklaven.
Ihr seid seine letzte ... seine einzige Chance. Ihr werdet euch jetzt anhören, was ich euch zu sagen habe, dann müßt ihr entscheiden, wie eure Zukunft aussehen soll.«
Die ausgezehrten, heruntergekommenen Männer in ihrer zerschlissenen und verdreckten Kleidung, der man ohne Ausnahme die Entbehrungen des Lebens in den Bergen ansah, versicherten, sei es mit Worten oder durch ein Nicken, daß sie bereit waren, ihn anzuhören. Einige wirkten über die offenen und direkten Worte, mit denen er sich an sie wandte, regelrecht erleichtert. Einige wenige schienen sogar kaum erwarten zu können, was er ihnen erzählen würde.