Kapitel 53

Die Implantationsprozedur war nicht so schlimm, wie Diane befürchtet hatte.

Sie hatte darauf bestanden, dass das medizinische Personal ausschließlich aus Frauen bestand, und Selenes Gesundheitsamt hatte ihrer Forderung entsprochen. Die Leute lächelten und beruhigten sie mit sanft gesprochenen Worten. Nachdem sie ihr ein Beruhigungsmittel injiziert hatten, brachten sie Diane in einen kleinen Raum, wo die Prozedur stattfinden sollte. Der Raum wirkte kalt. Ein Kunststoffbehälter stand auf dem Tisch, wo die Instrumente arrangiert waren. Eiskalter weißer Dampf hüllte ihn ein. Diane wusste, dass der tiefgekühlte Embryo sich dort drin befand; wegen der Injektion war ihr ganz schwummrig im Kopf.

Als ob ich von der Inquisition auf eine Folterbank geschnallt würde, sagte sie sich. Die Folterinstrumente lagen in einer ordentlichen Reihe neben ihr. Sie wurde von grellem Licht angestrahlt. Die Folterknechte versammelten sich um sie. Sie trugen Masken und lange Kutten, und die Hände steckten in hautengen Plastikhandschuhen.

Sie holte tief Luft, während man ihre Füße vorsichtig in den Halterungen befestigte.

»Versuchen Sie sich zu entspannen«, sagte eine beruhigende Frauenstimme.

Ein toller Rat, sagte Diane sich. Einen Versuch ist es aber wert.


* * *

Humphries saß in der Nähe des Kopfendes des Tischs, einen Platz weiter als Stavenger. Dieterling saß links neben ihm, Pancho Lane saß ihm direkt gegenüber und Big George Ambrose zu seiner Rechten. Die unmittelbare Nähe zu dem großen Australier behagte Humphries nicht; dieser Rübezahl wirkte schon einschüchternd, wenn er nichts anderes tat, als still dazusitzen und dem Wortwechsel der anderen zu lauschen.

Amanda saß auf der anderen Seite von George. Um einen Blick auf sie zu werfen, hätte Humphries sich um den Australier herumbeugen müssen, und das wäre aufgefallen.

»Das Wesen eines Vertrags ist der Kompromiss«, sagte Dieterling nun schon zum x-ten Mal. »Und ein Kompromiss ist unmöglich ohne Vertrauen.«

Dieterling war wegen seiner Leistungen im Nahen Osten Anwärter für den Friedensnobelpreis, sagte Humphries sich. Deshalb kommt es gar nicht so darauf an, ob er hier Erfolg hat oder nicht. Aber er nimmt das so verdammt ernst. Man könnte fast glauben, sein Leben würde davon abhängen, was wir heute hier erreichen.

Pancho schaute Humphries für ein Moment über den Tisch hinweg an und sagte dann zu Dieterling: »Astro ist zu einem Kompromiss bereit. Ich sage doch schon die ganze Zeit, es gibt so viele natürliche Reichtümer im Gürtel, dass für jeden mehr als genug da ist. Wir müssen uns nur noch einigen, wer was bekommt.«

Stavenger schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass man den Gürtel so aufteilen kann, wie Spanien und Portugal die neue Welt im sechzehnten Jahrhundert unter sich aufgeteilt haben.«

»Genau«, pflichtete Big George ihm bei. »Was ist mit den Unabhängigen? Mann kann doch nicht den ganzen abgefuckten Gürtel den Konzernen überlassen.«

»Was wir brauchen«, sagte Dieterling, »ist ein Vertrag, in dem auf die Anwendung von Gewalt verzichtet wird; eine Vereinbarung, die friedlichen Handel und Wandel und die Respektierung der Rechte von anderen gewährleistet.«

Humphries’ Mobiltelefon summte in der Jackettasche. Normalerweise wäre er wegen der Störung ungehalten gewesen, doch in diesem Fall begrüßte er sie sogar.

»Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte er und zog das Telefon aus der Tasche. »Es muss sehr dringend sein. Ich habe nämlich angeordnet, dass ich nicht gestört werden will.«

Stavenger breitete die Hände aus. »Dann nutzen wir die Gelegenheit eben für eine kurze Pause.«

Humphries ging in eine Ecke des Konferenzraums, und die anderen erhoben sich von ihren Stühlen.

Er stöpselte sich den Hörer ins Ohr, klappte das Telefon auf und sah den Schriftzug DRINGEND — HÖCHSTE PRIORITÄT auf dem Display.

»Weiter«, sagte er leise.

Dorik Harbins dunkelbärtiges Gesicht erschien auf den Monitor. »Sir, wir haben diesen Fuchs und seine Besatzung gefangen genommen. Wir sind mit ihnen auf dem Rückweg nach Ceres.«

Töte ihn!, hätte Humphries am liebsten geschrien. Stattdessen ließ er den Blick durch den Konferenzraum schweifen. Die anderen standen am Tisch mit den Erfrischungen. Amanda war nirgends zu sehen; vielleicht war sie auf der Toilette, sagte er sich.

»Gute Arbeit«, sagte Humphries gepresst, wobei er wusste, dass die Antwort Harbin erst in einer halben Stunde erreichen würde. »Stellen Sie sicher, dass Sie ihn nicht verlieren. Falls er zu fliehen versucht oder jemand ihn zu befreien versucht, ergreifen Sie die notwendigen Maßnahmen.«

Notwendige Maßnahmen war, wie Grigor ihm gesagt hatte, ein Euphemismus, der im Klartext Folgendes besagte: Töte den Hundesohn, wenn er auch nur einmal blinzelt.

Humphries klappte das Telefon zu und steckte es wieder ins Jackett. Das Blut hämmerte ihm in den Ohren. Er schmeckte salzigen Schweiß auf der Oberlippe. Es ist vorbei, sagte er sich und versuchte sich zu beruhigen. Es ist endlich vorbei. Ich habe ihn, und nun werde ich auch Amanda bekommen!

Er blieb in der entgegengesetzten Ecke des Raums, als die anderen langsam wieder zu ihren Plätzen gingen. Amanda kam auch zurück; sie wirkte gelassen, sogar würdevoll. Sie ist mit den Jahren gewachsen, wurde Humphries sich bewusst. Sie ist viel selbstsicherer und reifer geworden. Stavenger schaute in seine Richtung, und nun ging Humphries auch langsam zu seinem Platz zurück, wobei er sich anstrengen musste, ein Grinsen zu unterdrücken und ernst zu schauen.

Anstatt sich zu setzen, umklammerte er jedoch die Lehne des Stuhls und sagte: »Ich habe eine Ankündigung zu machen.«

Sie schauten alle zu ihm auf. Sogar Amanda.

»Der Knackpunkt in unserer heutigen Diskussion war der Einmann-Guerillakrieg von Lars Fuchs.«

Dieterling und ein paar andere nickten.

»Das Problem hat sich nun erledigt«, sagte Humphries und schaute Amanda direkt an. Im ersten Moment wirkte sie entsetzt und verängstigt, doch sie fasste sich schnell und erwiderte sein Blick.

»Lars Fuchs befindet sich in Gewahrsam. Er ist an Bord eines meiner Schiffe auf dem Rückweg nach Ceres. Ich nehme an, dass er dort wegen Piraterie und Mordes vor Gericht gestellt wird.«

Es trat Totenstille am Konferenztisch ein. Dann erhob Amanda sich langsam von ihrem Stuhl.

»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte sie. »Ich muss versuchen, Kontakt zu meinem Mann aufzunehmen.« Sie drehte sich um und ging zur Tür.

Pancho wollte sich auch schon vom Stuhl erheben, doch dann besann sie sich und setzte sich wieder. »Also gut«, sagte sie, als Amanda den Konferenzraum verließ. »Nun steht einer Einigung, mit der wir alle leben können, wohl nichts mehr im Wege.«

Humphries nickte; es steht uns nichts mehr im Wege — außer Fuchs, sagte er sich. Aber er wird mir nicht mehr in die Quere kommen. Denn er hat nicht mehr lange zu leben.

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