Kapitel 9

»Er hat einen Anruf an Pancho Lane abgesetzt«, sagte Diane Verwoerd.

Sie und Humphries spazierten durch den Garten vor seinem Haus. Humphries sagte, dass er einen Spaziergang ›draußen‹ genoss — oder so weit draußen, wie man auf dem Mond eben kam. Humphries Heim befand sich inmitten einer riesigen Grotte auf der tiefsten Ebene von Selenes Netzwerk aus unterirdischen Korridoren und Unterkünften. Die große Höhle mit der hohen Decke war mit blühenden Sträuchern bepflanzt, die den Raum zwischen den kahlen Wänden wie ein Meer aus roten, gelben und zartlila Blüten ausfüllten. Und Bäume wuchsen aus der Blütenpracht: Erlen, kräftiger Ahorn und üppig blühende weiße und rosa Gardenien. Kein Lüftchen regte sich zwischen diesen Bäumen, kein Vogel sang in den grünen Wipfeln und kein Insekt summte. Es war ein riesiges durchkonstruiertes Treibhaus, das von Menschen gehegt und gepflegt wurde. An der unbehauenen Gesteinsdecke hingen Vollspektrumlampen, die Sonnenlicht simulierten.

Verwoerd sah den weitläufigen Garten hinterm verzierten Springbrunnen, der im Hof plätscherte. Das Haus selbst war massiv — es war zwar nur zwei Stockwerke hoch, wirkte aber weitläufig. Es war aus geglätteten Mondsteinen gebaut, und unter der Dachschräge zogen sich große Panoramafenster hin.

Verglichen mit der grauen, tristen unterirdischen Anlage von Selene waren der Garten und das Haus wie ein Paradies inmitten einer kalten, lebensfeindlichen Wüste. Verwoerds Unterkunft, die sich ein paar Ebenen über dieser Grotte befand, gehörte zu den besten in Selene und wirkte im Vergleich hierzu dennoch beengt und farblos.

Humphries sagte, dass er gern im Freien spazieren ginge. Der einzige andere freie Bereich in Selene war die Grand Plaza unter der großen Kuppel an der Oberfläche, wo jeder einen Spaziergang machen konnte. Hier unten hatte er jedoch seine Ruhe und genoss all die Annehmlichkeiten, die menschlicher Einfallsreichtum und harte Arbeit ihm auf dem Mond zu bieten vermochte. Verwoerd glaubte, dass er die Vorstellung, dass all dies ihm gehörte, mehr genoss als den ästhetischen oder gesundheitlichen Nutzen, den er aus einem Spaziergang zwischen den Rosen und Stiefmütterchen zu ziehen vermochte.

Falls dieser Spaziergang ihm jedoch irgendeinen Genuss verschafft hatte, wurde er durch ihre Mitteilung gleich wieder zunichte gemacht.

»Er hat Pancho angerufen?«, blaffte Humphries gereizt. »Weshalb?«

»Sie hat seine Botschaft und ihre Antwort zerhackt, sodass wir den genauen Wortlaut noch nicht kennen. Ich habe einen Kryptologen damit beauftragt, die Nachricht zu entschlüsseln.«

»Nur eine Nachricht?«

Verwoerd nickte knapp und antwortete: »Sie hat eine von ihm bekommen, und ihre ist gleich danach rausgegangen.«

»Hmm.«

»Ich vermag mir vorzustellen, worum es ging.«

»Ich auch«, sagte Humphries säuerlich. »Er will sehen, ob sie ihm ein besseres Angebot machen als wir.«

»Ja.«

»Er spielt sie gegen mich aus.«

»Es hat den Anschein.«

»Und wenn sie mich überbietet, verlangt Astro die volle Kontrolle über seine Helvetia GmbH.« Er sprach den Firmennamen spöttisch aus.

Verwoerd runzelte die Stirn. »Er nutzt Astro doch schon als Lieferanten. Was hätte Pancho also davon, wenn sie ihn aufkauft?«

»Sie würde uns daran hindern, ihn aufzukaufen. Es wäre eine rein präventive Maßnahme.«

»Dann erhöhen wir also unser Angebot?«

»Nein«, blaffte Humphries. »Aber wir verstärken den Druck.«


* * *

Seyyed Qurrah lachte freudig, als er durchs dicke Quarz-Bullauge auf seinen Hauptgewinn schaute — sein Juwel, die Belohnung dafür, dass er über zwei Jahre hart gearbeitet hatte, verspottet worden war und beinahe verhungert wäre. Er vermochte sich kaum daran satt zu sehen, wie der unregelmäßige Gesteinsbrocken durch sein Blickfeld glitt: Der vernarbte Asteroid war mit vereinzelten häusergroßen Felsbrocken bedeckt und schimmerte graubraun, wo das Sonnenlicht auf ihn fiel.

»Allah ist groß«, sagte er laut und dankte ihm für seine Gnade und Güte.

Dann drehte er sich zu den Sensoranzeigen am Steuerpult in der Kabine um und sah, dass sein Gesteinsbrocken mit Hydraten geradezu geschwängert war — Wasser, das chemisch mit den Silikaten des Gesteins verbunden war. Wasser! In der Wüste, die der Mond war, erzielte Wasser einen höheren Preis als Gold. Und auf Ceres wäre es noch wertvoller, obwohl bei den paar hundert Menschen, die in dem großen Asteroiden lebten, die Nachfrage nach wertvollem Wasser wohl nicht so hoch wäre wie bei den vielen tausend Leuten in Selene.

Qurrah dachte an die Verachtung und Lächerlichkeit, der man ihn zu Hause preisgegeben hatte, als er verkündete, dass er die Erde verlassen und sein Glück in der neuen Schatzkammer des Asteroiden-Gürtels suchen wolle. ›Sindbad der Seefahrer‹ war noch die netteste Bezeichnung gewesen, mit der man ihn tituliert hatte. ›Seyyed der Idiot‹ hatte er am häufigsten zu hören bekommen. Auch nachdem er auf Ceres angekommen war und mit dem letzten Geld aus dem Erbe seines Vaters ein Schiff geleast hatte, riefen die anderen Prospektoren und Bergleute ihm ›Handtuchkopf‹ zu und noch Schlimmeres. Doch nun würde er den Spieß umdrehen. Er würde es ihnen zeigen!

Dann stellte er sich vor, wie glücklich Fatima wäre, wenn er als reicher Mann nach Algier zurückkehrte. Er würde sie mit Diamanten überhäufen und in schwere, golddurchwirkte Seidengewänder hüllen. Vielleicht würde er sich sogar eine Zweitfrau zulegen. Er beschloss, zur Feier des Tages sich eine opulente Mahlzeit aus den knappen Vorräten zu genehmigen, anstatt der üblichen Hand voll gekochten Kuskus.

Doch zuerst würde er den Fund bei der Internationalen Astronautenbehörde anmelden. Das war wichtig. Nein, vorher musste er zu Allah beten. Das war noch wichtiger.

Er wurde sich bewusst, dass er mit sich selbst redete. Qurrah atmete tief durch, um sich zu beruhigen und beschloss die folgende Vorgehensweise: zuerst beten, dann bei der IAA registrieren und anschließend mit einem guten Essen feiern.

Er ließ das Schiff die ganze Zeit rotieren, wobei das Habitatmodul mit dem Generator und der übrigen Ausrüstung am Ende des kilometerlangen Kabels die Funktion eines Fliehgewichts hatte. Er wollte vermeiden, dass in der langen Zeit in der Schwerelosigkeit die Muskeln schlaff und die Knochen spröde wurden, sodass er eine noch längere Zeit im Mondorbit hätte verbringen müssen, um den Körper zu regenerieren! Qurrah lebte fast in voller Erdenschwere.

Also fiel es ihm auch nicht schwer, den Gebetsteppich auszurollen, nachdem er ihn aus dem Staufach geholt hatte. Er breitete den Teppich gerade auf der einzigen freien Fläche des Abteils aus, als das Funkgerät piepte.

Eine Nachricht? Der Gedanke beunruhigte ihn. Wer sollte mich hier draußen in dieser Wildnis anrufen? Nur Fatima und die IAA wissen, wo ich bin — und natürlich die Leute auf Ceres, aber was hätten die von einem einsamen Prospektor gewollt?

Fatima, sagte er sich. Ihr ist etwas zugestoßen. Etwas Schreckliches.

»Hier ist die Star of the East«, antwortete er mit zitternder Stimme. »Wer ruft, bitte?«

Das bärtige Gesicht eines Manns erschien auf dem Hauptbildschirm. Er mutete Qurrah asiatisch an oder vielleicht auch hispanisch.

»Hier ist die Shanidar. Sie dringen in ein Gebiet ein, das der Humphries Space Systems AG gehört.«

»Dieser Felsen?«, fragte Qurrah erzürnt. »Nein, Sir! Es ist noch kein Anspruch auf diesen Asteroiden angemeldet worden. Ich wollte ihn gerade auf mich eintragen lassen, als Sie mich anriefen.«

»Sie haben Ihren Anspruch noch nicht angemeldet?«

»Das werde ich sofort erledigen!«

Der Bärtige schüttelte den Kopf — kaum merklich, nur eine kleine Seitwärtsbewegung.

»Nein, das werden Sie nicht«, sagte er.

Das waren die letzten Worte, die Qurrah in seinem Leben hörte. Der Laserstrahl der Shanidar bohrte ein faustgroßes Loch in die dünne Hülle des Schiffs. Qurrahs Todesschrei erstarb schnell, als die Luft ausströmte und seine Lunge in einem Blutschwall kollabierte.


* * *

Der Pub George Ambrose wiegte den Steinhumpen mit Bier in seinen Pranken. Das soll Bier sein, sagte er sich knurrig. Ich habe kein anständiges Bier mehr getrunken, seit ich hierher gekommen bin. Das Gebräu, das diese Felsenratten als Bier bezeichnen, schmeckt eher nach Schnabeltierpisse als nach sonst was. Es gab zwar auch richtiges Bier, doch der Preis für Importgüter war so hoch, dass George notgedrungen diese Plörre süffelte.

Dennoch war der Pub gar nicht mal so übel. Er erinnerte George an die Pelican Bar in Selene — außer den Zwillingen in ihren Sprühfarben-Bikinis. Sie arbeiteten hinterm Tresen unter dem wachsamen Auge des Besitzers/Barkeepers. Der alte Pelican war über zweihundertsechzig Millionen Kilometer entfernt. Fast ein Flug von einer ganzen Woche, selbst mit dem besten Fusionsschiff.

Er ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. Der Pub war eine natürliche Höhle in Ceres’ poröser Kruste. Der Boden war geglättet worden, doch man hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Wände und Decke auch zu glätten. Es ist eine Schande, das alles zurücklassen zu müssen, wenn wir ins Habitat umziehen, sagte George sich. Die Kneipe war ihm richtig ans Herz gewachsen.

Die gesamte Einrichtung des Pubs war entweder geklaut oder aus Asteroidenmaterial hergestellt worden. George saß auf einer alten Verpackungskiste, die mit Nickel-Eisen-Stäben verstärkt und mit einem steifen Plastikkissen gepolstert war, das aus dem Lagerraum irgendeines Schiffes stammte. Der Tisch, auf den er die kräftigen Arme gestützt hatte, bestand aus behauenem Stein — wie auch der Humpen. Ein paar Gäste tranken aus reifüberzogenen Aluminiumkrügen, doch George zog den Steinkrug vor. Das Glanzstück des Pubs war jedoch der Tresen. Er bestand aus Echtholz und war vom verrückten Opa, dem die Kneipe gehörte, eigens hierher transportiert worden. Aber vielleicht ist er gar nicht so verrückt, sagte George sich. Er macht mehr Geld als ich, das ist mal sicher. Mehr Geld als jede diese Felsenratten.

Männer und Frauen drängten sich vier Reihen tief gestaffelt an der Bar und saßen an den Tischen, die wie aus dem Gesteinsboden wachsende Stalagmiten im ganzen Raum verteilt waren. Vier oder fünf Männer kamen auf eine Frau. Ein Dutzend oder mehr standen an der Rückwand und hielten sich an Drinks fest. Zwei Frauen und ein Mann saßen am selben Tisch wie George, aber er kannte sie kaum, und sie waren auch so miteinander beschäftigt, dass er mit seinem Bier praktisch allein dasaß.

Ein seltsamer Haufen, sagte er sich. Prospektoren und Bergleute stellte man sich eigentlich als raue, harte Männer vor, wie die Pioniere in den alten Videos. Diese Figuren waren aber Hochschulabsolventen, Computerfreaks, Familienväter und Frauen mit einer so guten Ausbildung und von so hoher Intelligenz, dass sie Raumschiffe zu steuern und Bergbaumaschinen zu bedienen vermochten. Georges wusste, dass keiner von ihnen eine Hacke oder Schaufel jemals auch nur angefasst hatte. Zum Teufel, ich habe doch auch nie eine in die Hand genommen. In letzter Zeit hatte die Klientel sich jedoch verändert: Heruntergekommen wirkende Gestalten, die meistens unter sich blieben. Sie schienen keine Arbeit zu haben, obwohl sie behaupteten, für HSS zu arbeiten. Sie hingen nur rum, als ob sie auf irgendetwas warteten.

In der entgegengesetzten Ecke der Höhle packten zwei Leute Musikinstrumente aus und schlossen ihre Verstärker an. Dann kam Niles Ripley mit seinem Trompetenkoffer in der Hand hereinspaziert und lächelte seine Freunde — und überhaupt jeden — an. George stand auf und schlurfte zur Bar, um sich diese Schnabeltierpisse nachschenken zu lassen. Ein paar Leute sagten Hallo zu ihm, und er machte etwas Smalltalk, bis Cindy ihm den vollen Humpen zuschob. Oder war es Mindy? George vermochte die Zwillinge einfach nicht auseinander zu halten. Dann ging er zum Tisch zurück. Niemand hatte seinen Platz in der Zwischenzeit besetzt. Das war verpönt in diesem Pub.

Als eine leise und melodische Musik einsetzte, dachte George über sein bisheriges Leben nach. Hätte mir nie träumen lassen, in den Gürtel zu fliegen und Erze in abgefuckten Asteroiden zu schürfen. Harte Arbeit, aber immer noch besser als ein Dasein als Prospektor, wo man monatelang im Gürtel umherstreifte und nach einem ergiebigen Asteroiden Ausschau hielt, den die Konzerne noch nicht für sich beansprucht hatten — in der Hoffnung, das große Los zu ziehen, sodass man endlich nach Hause zurückkehren und ein Leben im Luxus führen konnte. Das Leben nimmt oft seltsame Wendungen.

Nachdem der Ripper für eine Weile mit den anderen Musikern gespielt hatte, stand er auf und bot ein Solo dar, das die Höhle schier in Aufruhr versetzte. Die Trompetenklänge hallten von den Felswänden wider und rissen alle von den Stühlen; sie wiegten sich im Takt der fetzigen Musik und klatschten dazu in die Hände. Als er fertig war, brüllten sie vor Begeisterung und verlangten eine Zugabe.

Der Abend verging wie im Flug. George vergaß ganz das Schiff, das er noch abbezahlen musste, vergaß, dass er am nächsten Morgen früh aufstehen musste, um die Reparatur am Hauptgreifarm der Matilda zu beenden, damit er endlich von Ceres verschwand und den von ihm unterschriebenen Schürfvertrag erfüllte, bevor die Frist ablief und er der Astro Corporation eine Vertragsstrafe zahlen musste. Er saß wie alle anderen Leute einfach nur da, lauschte verzückt der Musik, rannte mit allen anderen zur Bar, wenn die Band eine Pause einlegte und trank die ganze Zeit. Er wurde auch berauscht — nicht aber vom Bier, sondern von der Musik.

Es war schon nach Mitternacht, als die Band nach ein paar Zugaben aufhörte und die Instrumente und Ausrüstung zusammenpackte. Die Leute verließen müde, aber glücklich den Pub. Die Zwillinge waren wie gewöhnlich verschwunden. Niemand hatte Hand an sie gelegt, außer in der virtuellen Realität. George bahnte sich durch die Menge einen Weg zum Ripper.

»Darf ich dir ein Bier ausgeben, Kumpel?«

Ripley schloss den Trompetenkoffer und schaute zu ihm auf. »Vielleicht eine Cola, wenn du es dir leisten kannst«, sagte er lächelnd.

»Logo, Rip. Keine Sorge.«

Ein paar Unentwegte standen noch immer an der Bar und schienen auch nicht die Absicht zu haben, zu gehen. George sah eine Gruppe von vier der neuen Typen dort sitzen; sie hatten sich über ihre Drinks gebeugt und unterhielten sich leise und angelegentlich. Sie alle trugen Overalls mit dem HSS-Logo über den Namensschildern.

»Noch ein Bier für mich und eine Cola für den Ripper hier«, rief George dem Barkeeper zu.

»Eine Cola?«, rief einer der Prolls spöttisch. Die anderen lachten.

Ripley, der an der Bar stand, lächelte ihnen zu. »Ich trinke nach Mitternacht keinen Alkohol mehr. Ich arbeite morgen früh wieder am Habitat.«

»Sicher«, kam die Antwort.

George schaute sie finster an. Sie waren noch neu in Ceres und wussten deshalb nicht, dass eine Import-Cola ein halbes Vermögen kostete. Er drehte sich wieder zu Ripley um. »Eine super Show hast du heute Abend geboten.«

»Es scheint den Leuten jedenfalls gefallen zu haben.«

»Schon mal dran gedacht, professionell zu spielen? Du bist zu gut, um in diesem Felsen zu versauern.«

Ripley schüttelte den Kopf. »Nee. Ich spiele Trompete nur so zum Spaß. Wenn ich es ernst nähme, würde es nur in Arbeit ausarten.«

»Du hast meine Ohren gequält mit diesem verdammten Lärm«, sagte ein anderer Proll.

»Genau«, sagte einer seiner Kumpel. »Wieso, zum Teufel, musstest du so verdammt laut spielen?«

»Tut mir Leid«, erwiderte Ripley, bevor George etwas zu sagen vermochte. »Das nächste Mal werde ich einen Schalldämpfer benutzen.«

Der Beschwerdeführer ging zu Ripley an die Bar. »Scheiß aufs nächste Mal. Wie willst du mich wegen der verdammten Kopfschmerzen entschädigen, die ich mir wegen dir eingehandelt habe?«

Er war groß, langgliedrig und athletisch gebaut; und er hatte kurzes blondes Haar mit einem ›Rattenschwanz‹ wie einer der alten Matadore. George sah, dass er noch jung war, aber doch schon alt genug, um bessere Manieren zu haben.

Das Lächeln des Rippers wirkte nun etwas gequält. »Ich könnte dir vielleicht zwei Aspirin spendieren«, erwiderte er sehr freundlich.

»Fick dich mit deinem Aspirin.« Der Typ schüttete dem Ripper seinen Drink ins Gesicht.

Ripley wirkte schockiert; er wusste nicht, wie er nun reagieren sollte. Er blinzelte nur verwirrt, während das Bier von der Nase und den Ohren tropfte.

George trat zwischen sie. »Das war aber nicht sehr nett«, sagte er.

»Ich spreche nicht mit dir, Rübezahl. Ich spreche mit diesem Klugscheißer und Radaubruder.«

»Er ist mein Freund«, sagte George. »Ich finde, du solltest ihn um Entschuldigung bitten.«

»Und ich glaube, du solltest deinen behaarten Arsch hier rausschieben, bevor dir noch etwas zustößt«, sagte der Proll, während seine drei Kumpels aufstanden und sich zu ihm gesellten.

George lächelte fröhlich. Nun wird es interessant, sagte er sich. »Mr. Ripley steht nicht auf Kneipenschlägereien«, sagte er zu demjenigen, der Ripley das Bier ins Gesicht geschüttet hatte. »Ihm platzt dabei vielleicht noch die Lippe auf, weißte, und dann würden alle hier einen Hals auf die Leute kriegen, die das gemacht haben.«

Der Typ schaute sich um. Der Pub war schon fast leer. Die paar verbliebenen Gäste hatten sich mit ihren Drinks von der Bar zurückgezogen. Ein paar Leute, die gerade im Begriff waren zu gehen, blieben an der Tür stehen und beobachteten die Szene. Der Barkeeper war schon einmal vorsichtshalber ans andere Ende der Theke zurückgewichen, wobei der Ausdruck in seinem Gesicht zwischen Nervosität und Neugier changierte.

»Ich scheiß drauf, wer auf wen ’nen Hals kriegt. Und das gilt auch für dich, du Arsch.«

George packte den Typen am Schlafittchen, hob ihn mit einer Hand hoch und setzte ihn mit einem Plumps auf der Bar ab. Er wirkte überaus überrascht. Seine drei Freunde standen reglos da.

Ripley berührte George am Arm. »Komm schon, Kumpel. Eine Schlägerei muss doch nicht sein.«

George schaute vom Proll, der auf der Bar hockte, zu seinen drei Kollegen, die noch auf eigenen Füßen standen. Dann grinste er breit.

»Ja«, sagte er zum Ripper. »Bringt nix, die Einrichtung zu demolieren. Oder ein paar Köpfe einzuschlagen.«

Er drehte sich und ging zur Tür. Und dann sprangen alle vier ihn gleichzeitig an. Das hatte er aber kommen sehen. Sie hatten indes keine Ahnung, wie man in einer niedrigen Schwerkraft kämpfte.

George wirbelte herum und erwischte den Ersten mit dem Handrücken, sodass er zu Boden ging. Die nächsten beiden wollten ihm die Arme festhalten, doch George schüttelte sie einfach ab. Der ursprüngliche Unruhestifter kam mit einem hochtönenden Jaulen auf ihn zu und versuchte ihn mit einem Karatetritt im Gesicht zu erwischen. George packte den Fuß mitten in der Bewegung und bog ihn um, sodass der andere vom Boden abhob und in einer zeitlupenartigen Spiralbewegung über die Bar hinwegflog. Er krachte in die Glasdekoration der Regale an der Rückwand.

»Gottverdammt, George, das wird aber teuer!«, schrie der Barkeeper.

Doch George war gerade mit den drei anderen Prolls zugange, die sich inzwischen wieder berappelt hatten. Sie gingen alle auf einmal auf ihn los, doch hätten sie genauso gut versuchen können, eine Statue umzuwerfen. George wankte grunzend einen Schritt zurück und schlug dann einen mit einem hammerharten Schlag zwischen die Schulterblätter nieder. Die anderen beiden schüttelte er ab, hob sie am Kragen hoch, schüttelte sie durch, wie ein Terrier eine Ratte schüttelt und stieß sie dann mit den Köpfen zusammen. Es klang hölzern.

Er schaute sich um. Zwei Männer lagen bewusstlos zu seinen Füßen. Und ein dritter lag mit dem Gesicht nach unten stöhnend auf dem Boden. Der Barkeeper beugte sich über den Proll, der in den Splittern der Verglasung hinter der Bar auf dem Boden lag und rief: »Irgendjemand wird für diesen Schaden aufkommen!«

»Bist du in Ordnung, George?«, fragte Ripley.

George sah, dass der Ripper einen Obstkistenstuhl in den Händen hielt. Er lachte. »Was willst du denn damit — sie zu Erde verfrachten?«

Ripley lachte erleichtert, und die beiden Männer verließen den Pub. Kurz darauf lief der Ripper noch einmal zurück und holte die Trompete. Der Barkeeper telefonierte gerade mit Kris Cardenas, der einzigen medizinischen Fachkraft auf Ceres. Er hielt einen Kredit-Chip von einem der Prolls in der Hand.

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