Kapitel 8

»Begreifst du denn nicht, Lars«, fragte Amanda aufgeregt. »Wir könnten nach Hause zurückkehren! Zur Erde! Du könntest das Studium wieder aufnehmen und deinen Doktor machen.«

Fuchs saß schmallippig und mit hängenden Mundwinkeln auf der Bettkante. Amanda saß neben ihm. Gemeinsam hatten sie sich noch einmal Verwoerds Botschaft angeschaut, in der man ihm zehn Millionen Internationale Dollar für seinen Lieferservice und die Einrichtungen auf Ceres bot.

»Das ist Bestechung«, knurrte er.

»Das ist die Chance unseres Lebens, Liebling. Zehn Millionen Internationale Dollar! Stell dir das mal vor! Zehn Millionen netto steuerfrei, bar auf die Hand!« Sie schnippte mit den Fingern. »Und das Ganze nur für eine Unterschrift von dir.«

»Und dafür, dass wir Ceres verlassen.«

»Dafür kehren wir doch zur Erde zurück. Wir könnten nach London gehen oder auch nach Genf, wenn dir das lieber ist.«

»Das ist Bestechung«, wiederholte er starrköpfig.

Amanda nahm seine großen, schwieligen Hände in ihre. »Lars, Liebling, wir können zur Erde zurückkehren und uns ein schönes Leben machen, wo immer es dir gefällt. Wir können gemeinsam ein neues Leben beginnen.«

Er sagte nichts und starrte nur auf den dunklen Wandbildschirm, als ob er in die Mündung einer Kanone schaute.

»Lars, wir könnten Kinder haben.«

Darauf reagierte er. Er drehte den Kopf und schaute ihr in die Augen.

»Ich will ein Kind, Lars. Von dir. Du weißt doch, dass das hier nicht geht.«

Er nickte missmutig. »Die Schwerkraft …«, murmelte er.

»Auf der Erde könnten wir ein normales Leben führen. Wir könnten eine Familie gründen.«

»Die eingefroren Zygoten warten in Selene auf uns«, sagte er.

Sie legte ihm die Arme um den Hals. »Die werden wir nicht brauchen, Lars. Nicht, wenn wir wie ganz normale Menschen auf der Erde leben.«

Er wollte sie an sich ziehen, doch dann umwölkte sich sein Gesicht. Der Ausdruck veränderte sich, und er wirkte fast, als ob er Schmerzen hätte.

»Sie wollen, dass wir Ceres verlassen.«

»Und willst du etwa bleiben?« Amanda hatte das eher spaßig gemeint. Doch es klang selbst für sie bitter, fast wie eine Anklage.

»Die Prospektoren. Die Bergleute«, sagte er fast im Flüsterton. »All die Felsenratten hier draußen … unsere Freunde, unsere Nachbarn.«

»Was ist mit ihnen?«

»Wir müssten sie verlassen.«

»Wir werden neue Freunde finden. Sie werden das schon verstehen.«

Er löste sich von ihr und stand auf. »Aber wir werden sie ihm ausliefern — Humphries.«

»Wie meinst du das?«

»Wenn wir ihm nicht mehr im Weg stehen, wenn er uns übernommen hat, wird er der einzige Nachschublieferant im gesamten Gürtel sein. Niemand würde es mehr wagen, mit ihm zu konkurrieren.«

»Astro vielleicht. Pancho …«

»Er sitzt doch im Vorstand von Astro. Früher oder später würde er auch die Kontrolle über Astro übernehmen. Dann würde er alles kontrollieren! Und jeden.«

Amanda hatte die ganze Zeit gewusst, dass ihr Mann sich an diesem Punkt aufhängen würde. Sie hatte versucht, das zu verdrängen, doch nun war es ausgesprochen und stand zwischen ihnen.

»Lars«, sagte sie langsam und wählte ihre Worte mit Bedacht, »welche Gefühle auch immer Martin für mich gehegt haben mag, sie sind längst erloschen. Da bin ich mir sicher. Du musst das nicht als Konkurrenzkampf zwischen dir und ihm betrachten.«

Er wandte sich von ihr ab, durchquerte den kleinen Raum mit sechs Schritten und drehte sich wieder zu ihr um: ein Bär von einem Mann, bekleidet mit einem ausgebleichten anthrazitfarbenen Overall. Misstrauen stand ihm ins breite Gesicht geschrieben.

»Aber es ist ein Konkurrenzkampf, Amanda. Zwischen Humphries Space Systems und der Helvetia GmbH. Eigentlich zwischen ihm und Astro. Und wir stecken mittendrin, ob uns das gefällt oder nicht.«

»Aber wir können uns dem entziehen«, sagte sie. »Du kannst mich zur Erde zurückbringen, und dann werden wir Humphries und Astro und die Felsenratten endgültig los sein.«

Er ging zum Bett und kniete vor ihr nieder. »Ich will dich nach Hause zurückbringen, Liebste. Ich weiß, dass du unbedingt von hier wegwillst und wie schwer es dir gefallen ist, hier bei mir zu bleiben …«

»Ich liebe dich, Lars«, sagte sie und strich ihm durch sein dunkles Haar. »Mein Platz ist an deiner Seite.«

Er seufzte schwer. »Dann müssen wir hier bleiben. Zumindest noch für eine Weile.«

»Aber wieso …?«

»Wegen ihnen. Wegen der Felsenratten. Wegen unserer Nachbarn und Freunde hier auf Ceres. Wir dürfen sie nicht an Humphries ausliefern.«

Amanda spürte, wie ihre Augen feucht wurden. »Wir dürfen diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen, Lars. Bitte, bitte nimm ihr Angebot an.«

Er wollte schon stur den Kopf schütteln, doch dann sah er die Tränen in ihren Augen. Er stand auf und setzte sich schwer neben ihr auf die Bettkante.

»Liebste Amanda, ich kann den Leuten hier nicht einfach den Rücken zuwenden. Sie vertrauen mir. Sie brauchen mich.«

»Ich brauche dich auch, Lars«, sagte Amanda. »Wir sind nun schon seit fünf Jahren hier draußen. Und ich habe mich kein einziges Mal beklagt, nicht wahr?«

»Nein, das hast du nicht«, gestand er. »Du warst einfach wundervoll.«

»Aber ich beklage mich jetzt, Lars. Ich bitte dich. Bitte nimm dieses Angebot an und bring mich nach Hause zurück.«

Er schaute ihr für eine Weile stumm in die feuchten Augen.

Sie sah, dass er nachdachte und einen Weg suchte, ihrem Wunsch zu entsprechen, ohne dabei das Gefühl haben zu müssen, die anderen Felsenratten im Gürtel zu verraten.

»Lass mich mit Pancho reden«, sagte er schließlich.

»Mit Pancho? Wieso denn?«

»Um zu sehen, ob Astro ein ähnliches Angebot machen würde.«

»Und wenn nicht?«

»Dann werden wir Humphries’ Angebot annehmen«, sagte Fuchs zögernd und mit sichtlichem Schmerz.

»Wirklich?«

Er nickte und lächelte traurig. »Ja, ich würde dann sein Geld nehmen, den Gürtel verlassen und dich zur Erde zurückbringen.«

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