Kapitel 41

Diane Verwoerd lag gerade mit Dorik Harbin im Bett, als das Telefon summte und auf dem Wandbildschirm in leuchtend gelben Lettern WICHTIGE NACHRICHT blinkte.

Sie löste sich aus seiner Umklammerung und setzte sich auf.

»Es ist fast zwei«, grummelte er. »Bist du denn immer im Dienst?«

Diane schaute aber schon auf das angsterfüllte Gesicht des Anrufers und lauschte seinen atemlosen, kaum zusammenhängenden Worten. Dann zeigte der Bildschirm einen Mann, der am Hals aufgehängt war — die Augen waren ihm aus den Höhlen gequollen, und die Zunge hing ihm in geradezu obszöner Manier aus dem Mund.

»Großer Gott«, sagte Harbin.

Verwoerd stand auf und zog sich an. »Ich werde Martin persönlich davon berichten müssen. Das ist nicht die Art von Mitteilung, die man am Telefon macht.«

Humphries war noch wach; er hielt sich allein im großen Spielzimmer des Anwesens auf.

»Es gibt Probleme«, sagte sie beim Betreten des Raums.

Er hatte sich über den Billardtisch gebeugt und hielt einen Queue in der Hand. Humphries hatte viel Zeit darauf verwendet, auf dem Mond Poolbillard spielen zu lernen. Die Schwerkraft von einem Sechstel Ge wirkte sich nur minimal auf die Art und Weise aus, wie die Kugeln rollten oder an der Bande abprallten. Wenn ein Besucher ein paar Runden spielte, stellte er zunächst keinen Unterschied zur Erde fest. Das war der Zeitpunkt, wo Humphries ihm vorschlug, die nächste Runde um einen geringen Einsatz zu spielen.

»Probleme?«, sagte er voll auf den Stoß konzentriert. Und er gelang ihm; die Kugeln stießen klackend zusammen, eine der bunten Kugeln rollte zu einer Ecktasche und versank darin. Erst dann richtete Humphries sich auf und fragte: »Was für Probleme?«

»Fuchs hat das Lagerhaus überfallen und einen der Männer dort getötet. Er hat ihn aufgehängt.«

Humphries machte große Augen. »Hat ihn aufgehängt? Am Hals?«

»Die anderen haben gekündigt«, fuhr Verwoerd fort. »Sie wollen nicht in diesen Kampf hineingezogen werden.«

Er schnaubte angewidert. »Feige kleine Scheißer.«

»Sie wurden angeheuert, um Leute einzuschüchtern. Sie hätten es aber nie für möglich gehalten, dass Fuchs zurückschlagen würde. Jedenfalls nicht auf diese Art.«

»Und nun erwarten sie wohl auch noch von mir, dass ich ihnen den Rückflug zur Erde bezahle«, sagte Humphries verdrießlich.

»Das ist aber noch nicht alles.«

Er drehte sich um und stellte den Queue ins Gestell zurück. »Nicht? Was denn noch?«

»Fuchs hat ein Astro-Schiff gestohlen, die Lubbock Lights. Er ist damit …«

»Wie, zum Teufel, konnte er denn ein Schiff stehlen?«, fragte Humphries zornig.

Verwoerd achtete darauf, dass der Billardtisch zwischen ihnen stand. »Laut Aussage des Kapitäns …«

»Derselbe schlaffe Spaghetti, der schon zugelassen hatte, dass Fuchs sein Schiff auf dem Flug nach Ceres übernahm?«

»Dieselbe Person«, erwiderte Verwoerd. »Er hat der IAA gemeldet, dass ein halbes Dutzend Asiaten unter dem Vorwand, Erz zu verladen, an Bord des Schiffs gegangen wären. Sie waren bewaffnet und übernahmen die Kontrolle über das Schiff. Dann sei Fuchs mit noch einem Orientalen von Ceres gekommen — anscheinend handelte sich dabei um den Mann, in dessen Begleitung er bei der Anhörung hier war. Sie verfrachteten den Kapitän und die reguläre Besatzung des Zubringers und schickten sie nach Ceres zurück.«

»Hundesohn«, knurrte Humphries erzürnt.

»Zu dem Zeitpunkt, als die Friedenstruppen eintrafen, war Fuchs schon verschwunden.«

»In einem von Panchos Schiffen.« Er grinste. »Geschieht ihr recht.«

Verwoerd schürzte die Lippen und wog das Risiko, ihn noch mehr aufzuregen mit dem Vergnügen ab, ihn ein wenig auf die Palme zu bringen. »Wenn in rechtlicher Hinsicht der Besitzer einer Sache auch zu neunzig Prozent als deren Eigentümer gilt«, sagte sie, »ist es nun praktisch sein Schiff und nicht mehr das von Astro

Er schaute sie wutentbrannt an. Sie verzog keine Miene. Sie wusste, dass auch nur ein Lächeln jetzt eine Explosion auslösen könnte.

Er stand für eine Weile in zornigem Schweigen da; sein Gesicht war rot angelaufen, und die grauen Augen schleuderten Blitze. Dann sagte er: »Dann wollen diese Weicheier, die Sie angeheuert haben, um Fuchs zu verjagen, also kündigen, oder wie?«

»Eigentlich hat Grigor sie angeheuert«, sagte Verwoerd. »Richtig, sie wollen kündigen. Fuchs hat sie gezwungen, zuzusehen, wie er ihren Anführer aufgehängt hat.«

»Und Amanda? Ist sie mit ihm gegangen?«

»Nein, sie ist noch immer auf Ceres«, antwortete Verwoerd mit einem Kopfschütteln. »Anscheinend haben Fuchs’ Leute die meisten Gegenstände zurückgeholt, die aus ihrem Lagerhaus entwendet wurden.«

»Er hat sie auf Ceres zurückgelassen? Allein?«

»Er hat den Mann gehängt, weil er eine Drohung gegen sie ausgesprochen hatte. Niemand wird ihr zu nahe kommen, glauben Sie mir.«

»Ich will auch gar nicht, dass jemand ihr zu nahe kommt«, blaffte Humphries. »Ich will, dass sie in Ruhe gelassen wird. Das habe ich ausdrücklich angeordnet!«

»Es hat ihr niemand etwas getan. Sie ist nicht einmal bedroht worden.«

»Bis dieses Arschloch sein großes Maul vor Fuchs aufgerissen hat.«

»Und er hat ihn aufgeknüpft wie einen Verbrecher.«

Humphries stützte sich mit beiden Händen auf den Rand des Billardtischs und ließ den Kopf hängen. Verwoerd vermochte nicht zu sagen, ob er nun von Sorge oder Zorn oder der Last der schlechten Nachricht niedergedrückt wurde.

Schließlich hob er den Kopf und sagte entschieden: »Wir brauchen jemanden, der Fuchs verfolgt. Jemanden, der sich nicht vor einem Kampf fürchtet.«

»Aber es weiß doch niemand, wohin er verschwunden ist«, sagte Verwoerd. »Der Gürtel erstreckt sich über einen riesigen Bereich. Er wird keine Positionsboje aussetzen. Er wird nicht einmal Telemetriedaten senden. Es wird der IAA nicht gelingen, ihn zu finden.«

»Früher oder später wird ihm der Treibstoff ausgehen«, sagte Humphries. »Er wird nach Ceres zurückkehren müssen.«

»Vielleicht«, sagte sie unsicher.

»Suchen Sie jemanden, der fähig ist, ihn zu finden«, sagte Humphries und wies mit dem Finger auf sie, als ob er eine Pistole auf sie richtete. »Und zu töten. Ich brauche jemanden, der zu kämpfen versteht und keine Angst davor hat, dass auch auf ihn geschossen wird.«

»Einen professionellen Soldaten«, sagte Verwoerd.

Humphries lächelte dünn. »Ja. Wie Ihren jungen Rammler.«

Sie hatte von dem Moment an, als sie von Fuchs’ Aktion erfuhr, gewusst, dass es darauf hinauslaufen würde. »Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte sie mit nüchterner und emotionsloser Stimme. »Harbin wäre perfekt für diese Aufgabe geeignet. Aber …« Sie ließ den unvollendeten Satz zwischen ihnen in der Luft hängen.

»Aber?«, blaffte Humphries. »Aber was?«

»Aber er wird eine viel höhere Bezahlung verlangen als das, was er bisher bekommen hat.«

Er starrte sie für einen Moment an. »Vertreten Sie ihn jetzt etwa schon? Sind Sie seine gottverdammte Agentin?«

Sie zwang sich, ihn anzulächeln. »Lassen Sie mich es so ausdrücken: Ich kenne ihn inzwischen viel besser als noch vor ein paar Wochen.«

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