Kapitel 25

Nichts.

Fuchs schaute missmutig auf die Computerbildschirme, die sich bogenförmig um den Kommandantensitz zogen und warf dann einen Blick aus den Fenstern der Brücke. Keine Spur von der Waltzing Matilda. Es war nichts zu sehen außer der plumpen, unregelmäßigen Form eines Asteroiden, der langsam in der öden Leere taumelte — dunkel und vernarbt und mit Geröll und Felsbrocken übersät.

Dies war die letzte, der IAA bekannte Position von Big Georges Schiff. Die Telemetrie der Matilda war genau hier an dieser Stelle abgebrochen. Vom Schiff selbst war aber nichts zu sehen.

Ohne bewusste Überlegung brachte er die Starpower in eine enge Umlaufbahn um den kleinen Asteroiden. War George wirklich hier, fragte er sich. Wenn ja, würde er sich wahrscheinlich nicht …

Doch dann machte er auf dem Asteroiden einen Bereich aus, wo gleichmäßige rechteckige Brocken aus dem Gestein gefräst worden waren. George war hier gewesen! Er hatte tatsächlich angefangen, den Asteroiden auszubeuten.

Fuchs schaltete das Teleskop auf maximale Vergrößerung und sah, dass noch immer ein paar Ausrüstungsgegenstände auf der Oberfläche herumstanden. George war überstürzt aufgebrochen, wurde Fuchs sich bewusst, und hatte keine Zeit mehr gehabt, die ganze Ausrüstung mitzunehmen.

Es war ein Schneidlaser, wie Fuchs nun sah, der einsam und verlassen am Rand eines der ausgeschnittenen Rechtecke stand. Ich muss ihn bergen, sagte er sich. Er ist vielleicht ein Beweis.

Die einfachste Möglichkeit wäre, den Raumanzug anzulegen und auf eine EVA zu gehen. Weil außer ihm aber niemand im Schiff war, entschied Fuchs sich gegen diese Möglichkeit. Stattdessen manövrierte er die Starpower in einen Orbit, der mit dem Spin des Asteroiden synchron war. Vor lauter Konzentration schob er die Zunge zwischen die Zähne und brachte das Schiff langsam auf ein Dutzend Meter an die steinige Oberfläche heran.

Mit den Greifarmen des Ausrüstungsmoduls der Starpower holte Fuchs den Laser vom Asteroiden und verstaute ihn in der Ladebucht. Als er damit fertig war, war er völlig nass geschwitzt, aber auch stolz auf seine fliegerische Leistung.

Fuchs wischte sich den Schweiß von der Stirn und widerstand der Versuchung, Ceres anzurufen und zu fragen, ob sie schon neue Daten über Georges Schiff hatten. Nein, rief er sich zur Ordnung. Du musst Funkstille halten.

Vielleicht tut George das Gleiche, sagte er sich. Er hält Funkstille, um sich zu tarnen. Offensichtlich ist er überstürzt aufgebrochen. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde er angegriffen und vielleicht sogar getötet. Wenn er aber zu entkommen vermochte, wird er nun Funkstille halten, um den Angreifer nicht wieder auf seine Fährte zu locken.

Aber wie soll ich ihn dann finden, fragte Fuchs sich.

Er verließ die Brücke und ging zur Bordküche. Das Gehirn braucht Nahrung, sagte er sich. Mit leerem Bauch kann ich nicht denken. Er wurde sich bewusst, dass das verschwitzte T-Shirt noch an ihm klebte. Ohne Schweiß kein Preis, sagte er sich. Aber es roch halt nicht gut.

Nachdem er sich gewaschen und ein Fertiggericht verzehrt hatte, war er sich über die weitere Vorgehensweise immer noch nicht ganz im Klaren.

Finde George, sagte er sich. Ja, aber wie?

Er ging wieder auf die Brücke und rief das Such- und Rettungsprogramm im Computer auf. »Aha!«, sagte er laut. Ausgreifende Spirale.

Das Standardverfahren bei einer Suchmission bestand darin, eine ständig sich erweiternde Spirale von der letzten bekannten Position des verschollenen Raumschiffs zu fliegen. Jedoch musste Fuchs auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass George im stumpfen Winkel von der Ekliptik weggeflogen war. Während die Umlaufbahnen der großen Planeten nur ein paar Grad von der Ebene der Ekliptik abwichen, zogen viele Asteroiden zwanzig oder sogar dreißig Grad ober- beziehungsweise unterhalb dieser Ebene ihre Bahn. Angenommen, George war mit starkem Schub abgeflogen? Fuchs wusste, dass er ihn in diesem Fall nie finden würde.

Und überhaupt war der Asteroidengürtel so groß, dass George — auch wenn er sich dicht an die Ekliptik hielt — schon Gott weiß wo sein konnte. Ein paar Tage mit hohem Schub konnten ein Schiff zurück zur Erde befördern. Oder in Gegenrichtung zum Jupiter hinaus.

Dennoch blieb Fuchs nichts anderes übrig, als die ausgreifende Spirale zu fliegen und mit dem Radar die Bereiche hoch über und unter seiner Position abzusuchen, während er sich vom Asteroiden entfernte.

Er legte den Kurs fest, stieg in den Raumanzug und rutschte durchs lange Buckminsterfulleren-Kabel, welches das Habitatmodul der Starpower mit dem Ausrüstungsmodul verband. Das hohle Kabel war breit genug, dass eine Person sich hindurchzuquetschen vermochte, aber es war nicht mit Druck beaufschlagt. Man musste einen Anzug tragen, und dies erschwerte das Kriechen durch den kilometerlangen Schlauch ganz gewaltig. Trotzdem hatte Fuchs keine andere Wahl, zumal er den Laser begutachten wollte, den George zurückgelassen hatte.


* * *

Dorik Harbin war ebenfalls auf der Suche.

Er hatte die Telemetriesignale der Starpower vor ein paar Stunden aufgefangen, nachdem Fuchs Ceres verlassen hatte und folgte dem Schiff nun in sicherer Entfernung.

Dann aber war das Telemetriesignal jedoch abrupt abgebrochen. Harbin zog in Erwägung, sich dem Schiff so weit zu nähern, um es visuell auszumachen; bevor er aber noch eine diesbezügliche Entscheidung zu treffen vermochte, setzte die Telemetrie wieder ein und zeigte, dass die Starpower erneut Fahrt aufgenommen hatte: Sie flog mit hohem Schub quer durch den Gürtel.

Wohin er wohl fliegt, fragte Harbin sich. Er muss ein ganz bestimmtes Ziel ansteuern, wenn er mit dieser Geschwindigkeit fliegt.

Er passte sich in Kurs und Geschwindigkeit der Starpower an und hielt sich so weit hinter dem Raumschiff, dass er nicht entdeckt wurde. Selbst wenn Fuchs so umsichtig war, auch den Bereich hinter sich mit dem Radar zu überwachen, sagte Harbin sich, würde der Radarstrahl durch den Abgasstrahl seines Triebwerks so stark aufgefächert, dass er mich auf gar keinen Fall sieht. Er blieb also im Schatten von Fuchs’ Emissionen und folgte der Starpower?? glaubte er jedenfalls.

Er erinnerte sich an Grigors Versprechen: Zerstöre die Starpower, und das ganze Jagen und Töten hat vielleicht ein Ende. Ich werde mein Geld und einen ordentlichen Bonus bekommen, sagte Harbin sich. Ich darf wieder zur Erde zurückkehren, mir ein sicheres Plätzchen suchen und für den Rest meines Lebens wie ein Fürst leben.

Was wäre wohl der beste Platz auf der Erde? Ich suche mir einen Ort aus, wo es schön warm ist, der sicher vorm ansteigenden Meeresspiegel ist und wo es keine Erdbeben, dafür aber eine stabile Regierung gibt. Ein reiches Land und keins, wo die eine Hälfte der Bevölkerung Hunger leidet und die andere Hälfte eine Revolution anzettelt. Kanada vielleicht. Oder Australien. Sie haben zwar sehr strenge Einwanderungsbestimmungen, doch mit genug Geld erhält man überall Eintritt. Vielleicht auch Spanien, sagte er sich. Barcelona ist noch immer bewohnbar, und in Madrid hat es seit Jahren keine Hungeraufstände mehr gegeben.

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