»Ich sagte, dass es einfach wäre«, wiederholte Lars Fuchs. »Ich sagte aber nicht, dass es leicht wäre.«
George Ambrose — Big George für jeden, der ihn kannte — kratzte sich abwesend am dichten roten Bart und schaute nachdenklich aus dem Fenster der Brücke der Starpower 1 auf den dunklen Körper des Asteroiden Ceres, der vor ihnen dräute.
»Ich bin nicht mit hier rausgeflogen, um irgendwelche Spielchen zu spielen, Lars«, sagte er. Seine Stimme war erstaunlich hoch und melodisch für ein solches Urviech von einem Mann.
Für einen langen Moment war das einzige Geräusch im Abteil das ewige Summen der elektrischen Ausrüstung. Dann stieß Fuchs sich zwischen den beiden Pilotensitzen ab und driftete auf George zu. Er bremste sich mit der Hand an der Metalldecke ab und sagte mit einem eindringlichen Flüstern: »Wir können es schaffen. Mit genügend Zeit und den entsprechenden Ressourcen.«
»Das ist der totale Wahnsinn«, murmelte George. Doch er schaute unverwandt auf die geröllübersäte, pockennarbige Oberfläche des Asteroiden.
Sie waren schon ein seltsames Paar: Der große, massige Australier mit der zottigen feuerroten Mähne und dem Bart, der in der Schwerelosigkeit neben dem dunklen, korpulenten Fuchs mit der intensiven Ausstrahlung schwebte.
Drei Jahre im Gürtel hatten Fuchs irgendwie verändert: Er hatte noch immer die gleiche massive Statur, doch das kastanienbraune Haar hatte er so lang wachsen lassen, dass es ihm fast auf den Kragen fiel, und der Ohrring, den er nun trug, war ein polierter Chip aus Asteroidenkupfer. Ein dünnes kupfernes Armband zierte sein linkes Handgelenk. Und doch wirkten die beiden Männer auf ihre Art kraftvoll, entschlossen und sogar gefährlich.
»Im Innern von Ceres zu leben ist schlecht für unsere Gesundheit«, sagte Fuchs.
»Das Gestein bietet aber einen guten Strahlenschutz«, erwiderte George.
»Ich meine die Mikrogravitation«, sagte Fuchs ernst. »Sie ist nicht gut für uns — in körperlicher Hinsicht.«
»Ich mag sie aber.«
»Aber die Knochen werden spröde. Dr. Cardenas sagt, dass die Anzahl der Knochenbrüche stark ansteigt. Du hast es doch selbst gesehen, nicht wahr?«
»Vielleicht«, gestand George widerwillig. Dann grinste er. »Aber der Sex ist phantastisch!«
Fuchs schaute ihn düster an. »Versuch doch mal, ernst zu bleiben, George.«
»In Ordnung, ich weiß, dass du Recht hast«, sagte George, ohne die Augen von Ceres zerschlagenem Antlitz zu wenden. »Aber ein verdammtes O’Neill-Habitat bauen?«
»Es muss gar nicht so groß sein wie die L-5 Habitate um die Erde. Nur so groß, um die paar Hundert Leute hier in Ceres unterzubringen. Fürs Erste.«
Georges schüttelte den zottigen Kopf. »Weißt du überhaupt, was für ein Riesenaufwand das wäre? Allein die Lebenserhaltungsausrüstung würde schon ein Vermögen kosten. Und das wäre erst der Anfang.«
»Aber nein. Das ist gerade der Witz bei meinem Plan«, sagte Fuchs mit einem nervösen Lachen. »Wir kaufen einfach Raumschiffe und montieren sie zusammen. Sie werden das Habitat. Die ganze Lebenserhaltungsausrüstung und den Strahlenschutz haben sie schon eingebaut. Die Triebwerke brauchen wir aber nicht, sodass der Preis viel niedriger sein wird, als du glaubst.«
»Und dann willst du den ganzen Schrott auf ein Ge beschleunigen?«
»Auf Mondschwerkraft«, antwortete Fuchs. »Ein Sechstel Ge reicht völlig aus. Dr. Cardenas sieht das genauso.«
George kratzte sich an seinem dichten, struppigen Bart. »Ich aber nicht, Lars. Wir werden doch im Innern des Felsens leben. Wozu dann der ganze Aufwand und die enormen Kosten?«
»Weil es sein muss!«, insistierte Fuchs. »Das Leben in der Mikrogravitation schadet der Gesundheit. Wir müssen ein besseres Habitat für uns bauen.«
George schien nach wie vor nicht überzeugt, aber er murmelte: »Mondgravitation, sagst du?«
»Ein Sechstel der normalen Erdschwerkraft. Nicht mehr.«
»Und wie viel wird das kosten?«
»Die vorläufigen Schätzungen belaufen sich auf …« Fuchs zögerte, holte Luft und sagte: »Wir werden es schaffen, wenn alle Prospektoren und Bergleute zehn Prozent ihres Einkommens abtreten.«
George grunzte. »Den Zehnten oder was?«
»Zehn Prozent sind nicht viel.«
»Viele Felsenratten erzielen in manchen Jahren überhaupt kein Einkommen.«
»Ich weiß«, sagte Fuchs. »Das habe ich bei der Kalkulation schon berücksichtigt. Natürlich werden wir das Raumschiff in einem Leasingvertrag mit zwanzig oder dreißig Jahren Laufzeit abzahlen müssen. Wie die Hypothek auf ein Haus auf der Erde.«
»Dann verlangst du also von jedem hier in Ceres, sich auf zwanzig Jahre zu verschulden?«
»Vielleicht können wir es auch schon früher abzahlen. Mit ein paar großen Funden könnte das ganze Projekt sich bald selbst finanzieren.«
»Ja, sicher.«
»Willst du mitmachen?«, fragte Fuchs in gespannter Erwartung. »Wenn du zustimmst, werden die meisten anderen Prospektoren auch mitmachen.«
»Wieso nimmst du nicht einen der Konzerne mit ins Boot?«, fragte George. »Astro oder Humphries …« Er verstummte, als er den Ausdruck in Fuchs’ Gesicht sah.
»Nicht Humphries«, knurrte Fuchs. »Weder ihn noch seine Firma. Kommt gar nicht in die Tüte.«
»In Ordnung. Also Astro.«
Fuchs’ grimmiger Blick verwandelte sich in ein besorgtes Stirnrunzeln. »Ich habe schon mit Pancho darüber gesprochen. Der Astro-Vorstand wird dem nicht zustimmen. Sie werden uns zwar ausgemusterte Raumschiffe verkaufen, aber sie werden sich nicht am Bau des Habitats beteiligen. Das erscheint ihnen nicht profitabel genug.«
»Es interessiert sie nicht, ob wir uns die Knochen brechen«, grunzte George.
»Aber dich interessiert es«, sagte Fuchs nachdrücklich. »Es ist unser Problem, George; wir müssen es lösen. Und wir schaffen es auch, wenn du uns hilfst.«
Big George fuhr sich mit seiner fleischigen Hand durch den roten Haarschopf und sagte: »Du wirst ein Technikteam benötigen, um die Integrationsarbeit zu erledigen. Es gehört mehr dazu, dieses Habitat zusammenzubauen als ein paar Blechbüchsen zusammenzulöten, weißt du. Du wirst ein paar Spezialisten brauchen.«
»Das ist schon in der Kalkulation enthalten«, erwiderte Fuchs.
George stieß einen tiefen Seufzer aus. »In Ordnung, Lars, ich bin dabei. Wenn wir schon eine Basis draußen im Gürtel haben, dann sollte sie wenigstens eine anständige Schwerkraft haben.«
Fuchs lächelte. »Dem Sex kannst du immer noch an Bord deines eigenen Schiffes frönen.«
George erwiderte das Grinsen. »Darauf kannst du einen lassen, Kumpel.«
Fuchs ging mit George zur Hauptluftschleuse des Schiffs und half ihm, in seinen Hartschalenanzug zu steigen.
»Auf Selene werden derzeit Leichtraumanzüge getestet, musst du wissen«, sagte er, als er in den starren Torso schlüpfte und die Arme durch die steifen Ärmel schob. »Sie sind flexibel und leicht anzuziehen.«
»Und der Strahlenschutz?«, fragte Fuchs.
»Der Anzug wird von Magnetfeldern umgeben. Man sagt, er sei besser als dieses Ding.« Er klopfte mit den Knöcheln gegen den Cermet-Panzer des Anzugs.
Fuchs stieß ein leises abfälliges Schnauben aus. »Diese Anzüge müssten erst jahrelang getestet werden, ehe ich mir einen kaufen würde.«
»Das gilt auch für mich«, sagte George, während er die Hände in die Handschuhe schob.
»Danke für dein Einverständnis, George«, sagte Fuchs und reichte ihm den Kugelhelm. »Das bedeutet mir viel.«
George nickte feierlich. »Ich weiß. Ihr beiden wollt Kinder haben.«
Fuchs’ Wangen röteten sich. »Das ist es nicht!«
»Wirklich nicht?«
»Zumindest nicht nur.« Fuchs wandte für einen Moment den Blick von George ab und sagte dann langsam: »Ja, ich mache mir Sorgen wegen Amanda. Ich hätte nie geglaubt, dass sie hier draußen bei mir bleiben will. Und ich hätte auch nicht geglaubt, dass ich so lang hier draußen sein würde.«
»Man kann hier im Gürtel viel Geld verdienen. Richtig viel Geld.«
»Ja, das stimmt schon. Aber ich mache mir trotzdem Sorgen wegen ihr. Ich will, dass sie an einem sichereren Ort mit einer ausreichend hohen Schwerkraft ist, um einen körperlichen Abbau zu verhindern.«
»Und der ausreichend strahlengeschützt ist, um eine Familie zu gründen«, sagte George grinsend. Dann setzte er den Helm auf, bevor Fuchs noch etwas zu sagen vermochte.