Der Name auf der Geburtsurkunde lautete Yoshiko Takamine, doch nachdem sie in die Schule gekommen war, nannten alle sie bloß noch Joyce. Ihre Eltern hatten nichts dagegen; sie waren Amerikaner der vierten Generation und hatten nur noch vage, nostalgische Erinnerungen an die japanischen Wurzeln der Familie. Als eine Schulkameradin sie erstmals als ›Jap‹ bezeichnete, glaubte Joyce, dass sie ›jüdisch-amerikanische Prinzessin‹ meinte.
Dann zogen sie in die Hügel oberhalb von Sausalito um, doch als die Treibhaus-Fluten die meisten Kraftwerke im Großraum San Francisco zerstörten, stürzten sie und alle anderen Menschen in Dunkelheit. Es waren schlimme Zeiten, als das halbe Land arbeitslos wurde. Kein Strom, keine Arbeit. Joyces Klasse beging die Abschlussfeier bei Kerzenlicht, und es ging das Gerücht um, dass Bergbaugesellschaften kilometertiefe Löcher in die Erde bohren wollten, um die dort lagernden Erdgasreserven anzuzapfen.
Alle Kinder mussten sich eine Arbeit suchen, um die Familie zu unterstützen. Und Joyce tat das, was ihre Urgroßmutter schon vor über einem Jahrhundert getan hatte: Sie verrichtete niedere Arbeiten auf den Farmen in den fruchtbaren Tälern Kaliforniens. Die Fluten waren zwar nicht so weit landeinwärts geschwappt, doch dafür suchte eine anhaltende, unbarmherzige Dürre die Obstgärten und Weinberge heim. Es war eine harte Arbeit, Obst und Gemüse unter der heißen Sonne zu ernten, während grimmig schauende, mit Schrotflinten bewaffnete Männer Streife gingen, um Banden verhungernder Plünderer abzuschrecken. Sie verlangten schnellen Sex von den Arbeiterinnen. Joyce begriff schnell, dass es besser war, ihnen zu Willen zu sein als Hunger zu leiden.
Als Joyce in jenem Winter nach Hause zurückkehrte, stellte sie entsetzt fest, dass ihre Eltern stark gealtert waren. Eine Gelbfieberepidemie grassierte an der Küste und hatte auf die Hügel übergegriffen, wo sie lebten. Ihre Mutter weinte nachts leise, und ihr Vater starrte in den heißen, wolkenlosen Himmel und wurde dabei von so heftigen Hustenanfällen gequält, dass er kaum noch Luft bekam. Wenn er seine Tochter anschaute, schien er sich zu schämen, als ob diese ganze Verwüstung, all die zunichte gemachten Pläne der Familie ganz allein seine Schuld seien.
»Ich wollte, dass du Ingenieurin wirst«, sagte er zu Joyce. »Ich wollte, dass du mehr aus deinem Leben machst als ich.«
»Das werde ich auch, Vater«, sagte sie im unbekümmerten Optimismus der Jugend. Und als sie den Blick gen Himmel richtete, dachte sie an die wilde Grenze draußen im Asteroiden-Gürtel.