Botschaften

George scheuchte jeden aus dem Missions-Kontrollzentrum außer dem Chef-Controller, der nachdrücklich darauf hinwies, dass das Zentrum ständig von mindestens einem menschlichen Controller besetzt sein musste.

Wäre der Chef-Controller ein Mann gewesen, dann hätte George ihn sich einfach unter den Arm geklemmt und an die Luft gesetzt. Jedoch handelte es sich beim Schichtführer um eine spindeldürre, blassgesichtige Frau mit der Aura eines störrischen Maulesels. Sie würde das Zentrum nie verlassen.

George widerstand der Versuchung, sie sich einfach über die Schulter zu legen und draußen im Gang abzustellen. Stattdessen sagte er: »Ich muss eine private Mitteilung an Dan Randolph schicken. Ich möchte nicht, dass irgendjemand zuhört.«

»Und warum nicht?«, fragte sie mit in die Hüften gestemmten Händen und bebenden Nasenflügeln.

»Das geht Sie, verdammt noch mal, nichts an«, knurrte George. »Darum nicht.«

Für eine Weile starrten sie sich finster an. Obwohl George die Frau weit überragte, schien sie völlig unbeeindruckt.

»Dan hat das selbst angeordnet«, sagte George schließlich, wobei er die Wahrheit etwas dehnte. »Das ist eine ultra-sensitive Mitteilung.«

Die Frau schien sich das für eine Sekunde durch den Kopf gehen zu lassen und sagte dann: »Sie nehmen die Konsole da hinten. Ich schalte Ihnen einen privaten Kanal frei. Es ist niemand hier außer Ihnen und mir, und ich werde nicht lauschen. In Ordnung?«

George wollte schon ablehnen. Doch dann wurde er sich bewusst, dass das der beste Kompromiss an der Schwelle der Anwendung körperlicher Gewalt war.

Bevor er jedoch sein Einverständnis zu erklären vermochte, schob Frank Blyleven sich durch die Doppelflügeltür. Sein normalerweise lächelndes Gesicht zeigte einen sehr verwirrten Ausdruck.

»Was geht hier vor?«, fragte der Sicherheitschef und ging durch den Gang zwischen den Konsolen. »Mir wurde gemeldet, dass Sie die Controller aus dem Zentrum werfen.«

Mit einem ungeduldigen Seufzer erklärte George von neuem, dass er Dan eine wichtige Botschaft senden müsse. »Privat«, sagte er. »Ohne Zuhörer.«

Blyleven verschränkte die Arme vorm Oberkörper und setzte einen autoritären Blick auf. Damit überzeugte er aber nicht. George mutete er an wie ein rotgesichtiger Weihnachtsmann in einer Einkaufspassage.

»Also gut«, sagte er. »Senden Sie Ihre Nachricht. Ich setze mich neben die Korridortür und sorge dafür, dass Sie von niemandem gestört werden.«

Überrascht bedankte George sich bei ihm und ging zur Konsole, die die Chef-Controllerin ihm zugewiesen hatte. Blyleven ging in die letzte Konsolenreihe und setzte sich an die Konsole direkt neben der Tür. Verstohlen bearbeitete er ein paarmal die Tastatur. Als George die Nachricht gesendet und sie aus dem Speicherkern des Kommunikationssystems gelöscht hatte, hatte Blyleven eine Kopie, die er Humphries verticken konnte.


Dan schaute nervös zu, wie Pancho und Amanda den Strahlungs-Schirm abschalteten. Der Verlust der elektromagnetischen Energie bekümmerte ihn nicht weiter; dafür aber der Gedanke, dass sie nun keinen Schutz vor einem Sonnensturm mehr hatten außer der dünnen Schiffshülle selbst.

»…Abschaltung erfolgt«, meldete Pancho. »Magnetfeld auf Null.«

»Null-Feld«, bestätigte Amanda.

»Dem Feind schutzlos ausgeliefert«, murmelte Dan.

»Wie fühlst du dich, Boss?«, fragte Amanda und schaute über die Schulter zu ihm auf.

»Ich fühle mich nackt«, sagte Dan.

»Mach dir keine Sorgen. Die Sonne macht im Moment einen ruhigen Eindruck. Und falls sie doch wieder Protuberanzen ausstößt, legen wir eben die Anzüge an und gehen in einem der Brennstofftanks schwimmen.«

»Das würde auch nicht viel bringen«, sagte Amanda, ohne zu erkennen, dass Pancho bloß einen Witz gemacht hatte. »Die hochenergetischen Protonen würden alle möglichen Sekundär-Teilchen aus den Atomen des Brennstoffs herausschlagen.«

Pancho schaute sie mit gerunzelter Stirn an. Amandas Blick ging von ihr zu Dan und dann wieder zur Schalttafel.

»Ich glaube, ich schaue mal, was Lars so macht«, sagte sie und erhob sich vom Sitz.

»Viel Spaß«, sagte Pancho.

Dan sah sie durch die Luke verschwinden und setzte sich auf ihren Platz.

»Mach nicht so ein Gesicht, Boss. Wir zischen mit einem Drittel G ab. In weniger als vier Tagen sind wir wieder im Mondorbit.«

»Ich hatte eigentlich noch einen Zwischenstopp einlegen wollen, um Proben von den beiden anderen Asteroiden zu nehmen«, sagte Dan.

»Das Risiko können wir nicht eingehen. Lieber… Moment mal. Da geht ein Funkspruch aus Selene ein. Es ist George Ambrose.«

»Ich werde ihn hier entgegennehmen«, sagte Dan. »Hast du der Missionskontrolle übrigens schon gemeldet, dass wir den Schild abgeschaltet haben?«

»Noch nicht, aber das werden sie anhand der telemetrischen Daten sowieso merken. Es wird automatisch aufgezeichnet.«

Dan nickte, als Georges Rübezahl-Gesicht auf dem Monitor erschien. In einem hektischen Flüstern berichtete George ihm, dass er Cardenas befreit und sie im Schutzbunker versteckt hätte.

»Sie will Stavenger sprechen«, endete George. »Ich sagte ihr aber, dass ich zuerst mit dir reden wollte. Sie wäre im Bunker für ein paar Wochen gut aufgehoben, falls wir sie dort lassen müssen. Also… was soll ich tun, Dan?«

Georges Abbildung erstarrte auf dem Monitor. Dan sah, dass er die Nachricht vom Missions-Kontrollzentrum aus gesendet haben musste. Gut. Er musste die Örtlichkeit geräumt haben, um unerwünschte Zuhörer auszuschließen.

Nun muss ich ihm nur noch eine Nachricht schicken, die Hinz und Kunz mitzuhören vermag, sagte Dan sich. Wie Al Capone, der in ein angezapftes Telefon spricht.

»George, ich glaube, dass sie Recht hat. Erfülle ihr jeden Wunsch und sei höflich und zuvorkommend. Sie ist wichtig für uns; es gibt vieles, das sie und ich nach meiner Rückkehr besprechen müssen. Wir haben ein paar Probleme im Schiff und sind auf dem Rückflug. Wenn alles klar geht, müssten wir in weniger als vier Tagen wieder im Mondorbit sein. Ich halte dich auf dem Laufenden, und du lässt mich wissen, wie die Dinge sich entwickeln.«

Dan ging die Nachricht noch einmal durch und vergewisserte sich, dass er nichts vergessen hatte. Dann drückte er die ‹SEND›-Taste an der Kommunikationskonsole.

Er wollte sich gerade vom Copilotensitz erheben, als der Funkempfänger ping machte.

»Es kommt noch 'ne Nachricht rein«, sagte Pancho überflüssigerweise.

Das Gesicht eines jungen Manns erschien auf dem Monitor. Er wirkte besorgt. »Allgemeiner Hinweis für alle Raumschiffe und Oberflächen-Fahrzeuge. Protuberanzen der Klasse 4 sind von den Frühwarnsensoren im Merkurorbit beobachtet worden. Die vorläufigen Berechnungen des interplanetaren Felds besagen, dass der resultierende Strahlungssturm mit einer Wahrscheinlichkeit von neunzig Prozent das Erde-Mond-System innerhalb der nächsten zwölf Stunden erreicht. Sämtlichen Schiffen im Raum zwischen Erde und Mond wird empfohlen, zur nächsten sicheren Anlegestelle zurückzukehren. Alle Aktivitäten auf der Mondoberfläche werden in sechs Stunden ausgesetzt. Alle Personen, die sich auf der Oberfläche aufhalten, sollten innerhalb der nächsten sechs Stunden einen Schutzraum aufsuchen.«

Dan sank auf dem Sitz in sich zusammen.

Pancho versuchte zu lächeln. »Du hast es selbst gesagt, Boss: Murphys Gesetz.«

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