Pelican Bar

»So sieht also mein Plan aus«, sagte Dan grinsend.

Er und Pancho saßen in der hintersten Ecke der Pelican Bar über einen der winzigen Tische gebeugt, an den die lebhaften Gespräche und das Gelächter der Leute an der Bar halbwegs gedämpft drangen. Verschwörerisch steckten sie die Köpfe zusammen, sodass sie sich fast berührten.

Verschwörer waren sie auch. Dan fühlte sich erstaunlich gut. Frei. Beinahe glücklich. Die gottverdammten Bürokraten wollen mir Fesseln anlegen. Humphries steckt hinter alledem und macht mit der IAA und diesen Bigotten von der Neuen Moralität gemeinsame Sache. Diese hysterischen Psalmodierer wollen den Flug zu den Asteroiden verhindern. Sie mögen die Erde so, wie sie ist: in einem desolaten Zustand und Hunger leidend — reif für die Ordnung und Herrschaft, wie sie der Neuen Moralität vorschweben. Der Treibhauseffekt ist ein Segen für sie, der Zorn Gottes, der die Ungläubigen trifft. Alle Anstrengungen, die Not zu lindern, betrachten sie als Bedrohung ihrer Macht.

Vage erinnerte Dan sich aus dem Geschichtsunterricht an eine die Nazis genannte Gruppe des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie kamen an die Macht, weil eine wirtschaftliche Depression grassierte und die Menschen Arbeit und Essen brauchten. Wenn er sich richtig erinnerte.

Also hat die Neue Moralität ihre Fühler bereits in die IAA ausgestreckt, sagte Dan sich. Ich wette, dass sie den GEC auch schon unterwandert haben. Und Humphries manipuliert sie alle wie ein Puppenspieler und macht mich mit ihrer Hilfe so lang handlungsunfähig, bis er mir Astro entreißt.

Aber freu dich nicht zu früh, Partner.

»Was ist denn so lustig?«, fragte Pancho mit einem verwirrten Ausdruck.

»Lustig?«

»Sie sagen ›So sieht also mein Plan aus‹, und dann grinsen Sie wie eine Katze im Vogelkäfig.«

Dan nippte am trockenen Brandy und sagte: »Pancho, ich laufe immer erst dann zur Hochform auf, wenn es brenzlig wird.«

»Das haben Sie, glaube ich, schon einmal gesagt.«

»Deshalb werde ich mitfliegen.«

»Sie?«

»Bingo.«

»Zum Gürtel.«

»Sie werden einen Bordingenieur brauchen. Ich kenne die Schiffssysteme nämlich so gut wie jeder andere.«

»Du meine Güte«, murmelte Pancho.

»Ich bin immer noch ein qualifizierter Astronaut. Ich werde mitkommen.«

»Vorher müssen wir aber noch den unbemannten Testflug durchführen«, sagte sie und griff nach ihrem Bier.

Dan beugte sich über den Tisch und sagte mit einem rauen Flüstern: »Vergessen Sie den Testflug. Wir fliegen direkt zum Gürtel. Sie, Amanda, Fuchs und ich.«

Pancho hätte sich fast am Bier verschluckt. Sie prustete, hustete und fragte schließlich: »Wie sind Sie denn drauf, Boss?«

Ausgelassen wie ein Pirat auf Kaperfahrt sagte Dan: »Wir lassen sie in dem Glauben, dass wir genau das tun, was sie von uns verlangen — nur dass wir vier an Bord des Vogels sein werden, wenn er den Orbit verlässt.«

»Einfach so?«

»Einfach so. Wir werden unterwegs einen neuen Flugplan berechnen. Anstatt wie geplant mit einem Sechstel G zu beschleunigen, scheuchen wir den Vogel mit einem Drittel G und verkürzen so die Flugdauer um mehr als die Hälfte.«

Das schien Pancho nicht zu überzeugen. »Sie sollten lieber einen Astrogator mitschicken.«

»Nix da. Sie erledigen das, Mädchen«, sagte Dan und zeigte mit dem Finger auf sie. »Sie und Amanda. Ich werde niemanden mit ins Boot nehmen, den wir nicht unbedingt brauchen.«

»Ich habe da so meine Bedenken«, sagte Pancho skeptisch.

»Lassen Sie mich jetzt bloß nicht hängen, Mädchen«, sagte Dan. »Ihr beide habt diese ›Zielen-und-Schießen‹-Technik doch seit Wochen studiert. Wenn ihr es nicht schafft, seid ihr eine Fehlinvestition für mich gewesen.«

»Ich schaffe das«, versicherte Pancho ihm.

»Also gut.«

»Ich würde mich nur wohler fühlen, wenn Sie einen echten Experten mitnähmen.«

»Keine Experten. Niemand außer uns vieren. Ich will nicht, dass irgendjemand von dieser Sache Wind bekommt. Das gilt auch für Humphries.«

Pancho machte eine nonchalante Handbewegung. »Er hat kein Wort mehr mit mir gesprochen, seit wir Schwesterherz verlegt haben.«

»Ich glaube nicht, dass er ihren Aufenthaltsort kennt«, sagte Dan und griff nach seinem Drink.

»Er weiß über alles Bescheid.«

»Nicht über diesen Flug«, sagte Dan bestimmt. »Niemand wird etwas davon erfahren. Haben Sie mich verstanden? Sagen Sie es nicht einmal Amanda und Fuchs. Das betrifft nur Sie und mich, Mädchen.«

»Und die Flug-Controller«, murmelte Pancho.

»Was?«

»Wie wollen Sie denn an den Flug-Controllern vorbeikommen? Sie können doch nicht einfach an Bord der Starpower I gehen und sich damit vom Acker machen. Zum Teufel, Dan, Sie werden das Schiff nicht einmal erreichen, wenn die Flugsicherung Ihnen kein Shuttle bereitstellt und Starterlaubnis erteilt.«

Dan nahm einen Schluck Ingwerbier mit Brandy und gestand: »Das ist freilich ein Problem, für das ich noch keine Lösung gefunden habe.«

»Dafür gibt's auch keine einfache Lösung.«

»Stimmt wohl«, sagte Dan und vermochte ein Grinsen nicht zu unterdrücken.

Pancho schüttelte missbilligend den Kopf. »Das scheint Ihnen Spaß zu machen.«

»Wieso auch nicht?«, erwiderte Dan. »Die Welt geht den Bach runter, die Neue Moralität übernimmt die Macht, Humphries will mich aus meiner eigenen Firma drängen — was könnte da wohl spaßiger sein, als mein eigenes Raumschiff zu entführen und eine Spritztour zum Gürtel zu machen?«

»Das ist doch bekloppt«, murmelte Pancho.

Dan sah, dass sein Glas leer war. Er drückte den Knopf, der in die Tischkante eingelassen war und zitierte einen der kompakten Servierroboter herbei, die in der Kneipe umherwuselten.

»Machen Sie sich keine Sorge wegen der Flugcontroller«, sagte er beiläufig. »Uns wird schon etwas einfallen, wie wir sie umgehen.«

»Uns?«

»Sie und ich.«

»He, Boss, ich bin Pilotin und kein Lockvogel.«

»Sie haben doch auch eine recht gute Spionin abgegeben.«

»Ich war eine lausige Spionin, und Sie wissen das auch.«

»Sie haben in Humphries' Dateien gehackt.«

»Und er ist ruckzuck dahintergekommen.«

»Wir werden uns etwas einfallen lassen«, sagte Dan.

Pancho nickte und wurde sich plötzlich bewusst, dass ihr schon etwas eingefallen war.

Загрузка...