Büros der Astro Corporation

»Wenn er das Konto findet, das ich in seinem Namen eröffnet habe, um die Miete für den Tiefkühlbehälter meiner Schwester zu bezahlen, bin ich erledigt«, sagte Pancho, während sie in Dans Büro auf und ab ging.

Der am Schreibtisch sitzende Dan sagte: »Ich werde George veranlassen, das Programm zu löschen. Astro übernimmt dann die Gebühren für Ihre Schwester.«

Pancho schüttelte den Kopf. »Damit würde ich mich erst recht verdächtig machen.«

»Nicht wenn wir die Subroutine vollständig löschen. Er wird es nie erfahren.«

»Nein«, widersprach Pancho. »Lassen Sie die Finger davon. Er würde es mit Sicherheit spitzkriegen.«

Dan sah, wie erregt sie war. »Sie wollen es einfach dabei belassen? Er könnte jede Minute darüber stolpern.«

»Er weiß schon Bescheid«, sagte Pancho und tigerte auf und ab. »Ich weiß, dass er es weiß. Er spielt nur Katz und Maus mit mir.«

»Das glaube ich nicht. Dafür ist er nicht der Typ. Humphries ist eher einer von der Sorte, die einem mit dem Vorschlaghammer auf den Kopf haut.«

Sie blieb stehen und drehte sich mit aschfahlem Gesicht zu Dan um. »Mein Gott… vielleicht stellt er meiner Schwester die Lebenserhaltung ab! Vielleicht zieht er den Stecker!«

Dan wusste, dass sie Recht hatte. »Oder er droht damit.«

»Mit diesem Druckmittel könnte er alles von mir verlangen, was er will.«

»Was will er denn?«

»Er will Mandy. Er will, dass sie von der Mission befreit wird, damit er sie überreden kann, ihn zu heiraten.«

Dan lehnte sich auf dem Bürostuhl zurück und starrte an die Decke. Er hatte das Büro erst vor einer Stunde auf Wanzen überprüfen lassen, und doch hatte er das unbehagliche Gefühl, dass Humphries über alles im Bilde war, was er sagte oder tat. Pancho ist schließlich nicht die einzige Astro-Mitarbeiterin, die er angeheuert hat, rief Dan sich in Erinnerung. Mein ganzer verdammter Stab muss mit seinen Schnüfflern infiltriert sein. Wem kann ich überhaupt noch trauen?

Er setzte sich ruckartig auf und sprach in die Telefon-Anlage: »Fon, such George Ambrose. Er soll sofort hierher kommen.«

In weniger als einer Minute kam George durch die Tür vom Vorzimmer.

»George, ich will, dass alle Räumlichkeiten auf Wanzen untersucht werden«, ordnete Dan an.

»Schon wieder? Wir haben doch erst vor einer Stunde eine Kontrolle vorgenommen.«

»Ich möchte, dass du es diesmal allein machst. Nur du. Niemand sonst.«

»Okidoki, Boss«, sagte George und kratzte sich am zottigen Bart.

Es dauerte eine quälend lange halbe Stunde. Pancho zwang sich dazu, auf dem Sofa sitzen zu bleiben, während George mit einer kleinen schwarzen Box in der mächtigen Pranke durchs Büro ging.

»Alles sauber«, meldete er schließlich.

»In Ordnung«, sagte Dan. »Schließ die Tür und setz dich.«

»Du sagtest doch, dass alle Büros kontrolliert werden sollten«, wandte George ein.

»Gleich. Aber setz dich erstmal.«

Gehorsam senkte George seinen massigen Körper in einen der Sessel vor Dans Schreibtisch.

»Ich bin am Überlegen. Heute Nacht werden wir drei einen Tiefkühlbehälter aus den Katakomben holen«, sagte Dan.

»Schwesterherz? Wohin…?«

»Das wird sich noch herausstellen«, sagte Dan. »Vielleicht irgendwo anders auf dem Mond. Vielleicht verlegen wir sie in eine der Raumstationen.«

»Man braucht aber die entsprechende Ausrüstung, um den Behälter mit Energie zu versorgen«, gab George zu bedenken.

Dan fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. »Man braucht einen Kryostaten, damit der Stickstoff flüssig bleibt. Das ist's im Wesentlichen.«

»Lebenserhaltungs-Monitore«, sagte Pancho.

»Die vom Tiefkühlbehälter gesteuert werden«, sagte Dan.

»Nicht die Ausrüstung«, stellte Pancho richtig. »Ich meine, man braucht ein paar Leute, die alle paar Tage nach dem Rechten sehen.«

»Das ist überflüssig und würde nur zusätzliche Kosten verursachen«, sagte Dan mit einem Kopfschütteln. »Das brauchen Sie nicht. Die Ausrüstung hat einen integrierten Sicherheitsalarm. Ein menschlicher Eingriff ist nur nötig, wenn der Behälter die Grenzwerte überschreitet, auf die die Ausrüstung programmiert wurde.«

»Na gut… wird wohl so sein«, sagte Pancho widerstrebend.

»In Ordnung, George«, sagte Dan. »Nimm dir die restliche Etage vor. Wir alle treffen uns um…« — mit einem Fingerschnippen rief er den Terminplaner auf — »neunzehndreißig zum Abendessen.«

»Abendessen?«, fragte Pancho.

»Mit leerem Magen kann man schließlich keine Schwerarbeit verrichten«, sagte Dan mit einem spitzbübischen Grinsen.


»Aber wo sollen wir sie hinbringen?«, fragte Pancho, als sie die Zuführung für den flüssigen Stickstoff abnahm. Trotz der dicken Isolierung war der Schlauch mit einer knisternden Reifschicht überzogen. Ein kalter weißer Dampf entwich aus der Öffnung, bis sie den Verschluss hineindrückte.

»Psst!«, zischte Dan und deutete auf das blutrote Auge der Überwachungskamera, die etwa fünfzig Meter entfernt an der Decke des Korridors hing.

So spät am Abend waren sie allein in den Katakomben, aber Dan machte sich Sorgen wegen der Überwachungskamera. Es gab eine an jedem Ende der langen Tiefkühlbehälter-Reihen, und obwohl der Bereich nur trübe erleuchtet war, waren die Kameras in Selenes Sicherheitsbüro gelegt, wo sie rund um die Uhr überwacht wurden. Pancho mutmaßte, dass die für die Überwachung der Kameras verantwortlichen Männer und Frauen — wie das grundsätzlich für Sicherheitspersonal galt — den Kameras nur selten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkten; es sei denn, eine Warnlampe blinkte oder eine synthetisierte Stimme meldete eine Panne, die irgendein Sensor entdeckt hatte. Aus diesem Grund hatten sie in die Sensorregelung von Schwesterherz' Tiefkühlbehälter eingegriffen und sie aus der Überwachungsschleife herausgenommen.

Dan und George schwitzen bei der Anstrengung, den massiven Tiefkühlbehälter auf zwei Transportkarren zu wuchten. Selbst in der geringen Schwerkraft des Monds war der große Edelstahl-Zylinder noch schwer.

»Wohin bringen wir sie?«, fragte Pancho.

»Werden Sie schon sehen«, grunzte Dan.

Pancho steckte den Stickstoff-Schlauch in den tragbaren Kryostaten, den sie aus einem Astro-Labor ein paar Ebenen unterhalb der Katakomben geholt hatten.

»In Ordnung, alles eingerichtet«, flüsterte sie.

»Wie sieht's aus, George?«, fragte Dan.

Der zottelige Australier lugte um die Vorderseite des Tiefkühlbehälters. »Von mir aus können wir abfahren, Boss.« Dan warf einen Blick auf das rote Auge der fernen Kamera und sagte: »Los geht's!«

Die Metallräder der Transportkarren quietschten, während die drei den Tiefkühlbehälter durch den langen schattigen Korridor schoben.

»Haben die Überwachungskameras denn keine Aufnahme-Schleife?«, fragte Pancho. »Wenn sie Schwesterherz nicht mehr an ihrem Platz sehen, werden sie zurückspulen und uns entdecken.«

»Diese Kamera wird eine stille, friedliche Nacht zeigen«, sagte Dan und stemmte sich gegen den Behälter, um ihn am Laufen zu halten. »Hat mich zwar ein paar Kröten gekostet, aber ich glaube, ich habe eine ehrliche Sicherheits-Mitarbeiterin gefunden. Sie wird unsere Bilder löschen und eine Schleife vom früheren Abend laufen lassen, um die Löschung zu überspielen. Alles wird ruhig und friedlich aussehen.«

»Und das soll eine ehrliche Sicherheits-Mitarbeiterin sein?«, fragte Pancho.

»Ein ehrlicher Mitarbeiter«, sagte Dan mit angestrengtem Keuchen, »ist einer, der den Kaufvertrag einhält.«

»Und ich werde einen leeren Tiefkühlbehälter an den Platz von dem Ihrer Schwester stellen«, fügte George hinzu, »nachdem wir diesen hier angeschlossen haben.« Pancho bemerkte, dass er normal atmete und sich kaum anstrengte.

»Aber wohin bringen wir sie?«, fragte Pancho erneut. »Und wieso flüstern wir, wenn Sie die Wache gekauft haben?«

»Wir flüstern deshalb, weil sich vielleicht noch andere Leute in den Katakomben aufhalten«, erwiderte Dan mit einem gereizten Unterton. »Hat doch keinen Sinn, dass wir unnötige Risiken eingehen.«

»Ach so.« Das klang plausibel. Aber sie wusste immer noch nicht, wohin sie überhaupt gingen.

Sie verließen die Katakomben und gingen einen langen, trübe erleuchteten Korridor entlang, bis sie schließlich vor etwas stehen blieben, das wie ein Luftschleusenschott aussah.

Dan richtete sich auf und streckte die Arme über den Kopf, bis Pancho die Wirbel knacken hörte.

»Ich werde langsam zu alt für solche Sachen«, murmelte er, während er zur Luke ging und auf dem elektronischen Schloss herumtippte. Die Luke öffnete sich einen Spalt weit, und Pancho stieg muffige, staubige Luft in die Nase.

George zog die Luke auf.

»In Ordnung, wir gehen durch den Tunnel«, sagte Dan und zog eine Taschenlampe aus dem Werkzeuggürtel am Bein des Overalls.

Der Tunnel sei schon in den frühen Tagen der Mondbasis angelegt worden, erklärte er Pancho, als irdische Manager beschlossen hatten, einen Tunnel durch den Ringwall zu treiben, um den Boden von Alphonsus mit den Weiten des Mare Nubium zu verbinden.

»Ich war am Bau beteiligt«, sagte Dan mit stolzerfüllter Stimme. »Zumindest an dem Stück, das wir geschafft haben«, fügte er hinzu.

Der Mondboden war viel härter gewesen als gedacht; die Kosten für die Grabung des Tunnels waren trotz der Plasma-Brenner ausgeufert. Deshalb war der Tunnel auch nie fertig gestellt worden. Statt dessen hatte man das Gebirge mit einem Seilbahn-System überbrückt. Der Betrieb der Seilbahn war zwar teurer, als die Unterhaltung eines Tunnels gekommen wäre, dafür war der Bau aber viel billiger gewesen.

»Ich bin einmal mit der Seilbahn zum Gipfel des Mt. Yeager hinaufgefahren«, sagte Pancho. »Die Aussicht von dort oben ist einfach phantastisch.«

»Ja«, stimmte Dan zu. »Der Tunnel ist in Vergessenheit geraten. Aber er existiert noch, auch wenn er nicht mehr benutzt wird. Das Gleiche gilt für die Einstiegsschächte.«

Die Einstiegsschächte waren von unten nach oben in die Flanke des Bergs gebohrt worden. Der erste dieser Schächte mündete in einen Notfallbunker, der mit Druckanzügen und Sauerstoffflaschen bestückt war — für den Fall, dass die Seilbahn einen Defekt hatte.

»Und da wären wir nun«, sagte Dan.

Im trüben Schein der Taschenlampen-Lichtkegel, die Dan und George an die Tunnelwand warfen, sah Pancho eine metallene Leiter, die zu einer weiteren Luke führte.

»Direkt über uns ist ein Bunker«, sagte Dan, als George sich anschickte, die Leiter hinaufzuklettern. »Wir werden den Kryostaten des Tiefkühlbehälters an die Stromversorgung anschließen.«

»Wird das nicht auf den Oszillografen erscheinen?«, fragte Pancho.

»Nee«, erwiderte Dan kopfschüttelnd. »Die Bunker haben ihre eigenen Solarzellen und Batterien. Sie sind autark. Die Solarzellen befinden sich an den Polen, um sie vor Staub zu schützen.«

Pancho hörte, wie die Luke sich knirschend öffnete. Als sie hinaufschaute, sah sie, wie George seine Körperfülle durch das enge Loch zwängte.

»Wie sollen wir Schwesterherz' Behälter denn durch diese Luke schaffen?«, fragte sie.

»Es gibt noch eine größere Luke für Ausrüstung«, erwiderte Dan.

Wie um die Richtigkeit seiner Aussage zu bestätigen, öffnete sich eine viel größere Luke quietschend über ihren Köpfen. Das Licht der Notbeleuchtung des Bunkers drang zu ihnen herunter.

Selbst mit der kleinen Bunkerwinde war es ein schwieriges Unterfangen, den voluminösen Tiefkühlbehälter und die Ausrüstung durch die Luke zu bugsieren. Pancho hatte die Sorge, dass Schwesterherz in ihrem Behälter durchgeschüttelt und Schaden nehmen würde. Doch dann hatten sie Schwesterherz im Schutzbunker angeschlossen. Der Tiefkühlbehälter ruhte auf dem Boden, und die Anzeigelampen leuchteten grün.

»Sie müssen etwa jeden Monat hierher kommen, um alles zu kontrollieren. Und vielleicht jedes halbe Jahr müssen Sie den Stickstoffvorrat auffüllen.«

Ein Gedanke durchfuhr sie. »Was, wenn ich auf der Mission bin?«

»Dann werde ich mich darum kümmern«, sagte George ohne zu zögern. »Es wird mir eine Freude sein.«

»Wie kann ich euch Jungs jemals danken?«

Dan lachte. »Ich sorge nur dafür, dass meine beste Pilotin nicht von Humphries erpresst wird, gegen mich zu arbeiten. Und George…«

Der große Aussie grinste verlegen.

»Ich habe mal in einem Bunker gelebt«, sagte er mit einer weicheren Stimme als sonst. »Als ich noch als Flüchtling im Untergrund war. Bevor Dan mich unter seine Fittiche genommen hat.«

»Das ist eine Art Heimkehr für George«, sagte Dan.

»Ja«, meinte George. »Erinnert mich an die schlechten alten Zeiten. Da quillt mir fast 'ne Träne aus dem Auge.«

Dan lachte, und der Aussie stimmte ein. Pancho stand nur da und verspürte ein überwältigendes Gefühl der Dankbarkeit für die beiden.

Загрузка...