Starpower GmbH

Dan hatte angeboten, das Hauptquartier der neu gegründeten Starpower GmbH im Bürokomplex der Astro Corporation einzurichten. Humphries hatte mit dem Angebot einer Suite in den Büros der Humphries Space Systems dagegengehalten. Dann schlug Stavenger einen Kompromiss vor, und Starpower bezog bescheidene Büros im anderen Turm der Grand Plaza, wo auch Selenes Regierungsbehörden untergebracht waren.

Allerdings war Stavenger nicht zu dieser Besprechung eingeladen worden. Dan und Martin Humphries saßen sich am kleinen Konferenztisch gegenüber. Die Wände des Raums waren fensterlos und kahl, das Mobiliar streng funktional.

»Wie ich höre, haben Sie Probleme mit Hackern gehabt«, sagte Dan.

Für einen Sekundenbruchteil wirkte Martin Humphries konsterniert. Doch erlangte er die Fassung schnell zurück.

»Wer hat Ihnen denn das erzählt?«, fragte er ruhig.

Dan lächelte wissend. »Hier geschieht fast nichts, das nicht in der Gerüchteküche landet.«

Humphries lehnte sich zurück. Dan sah, dass er einen maßgefertigten, lederbezogenen Liegesessel hatte — im Gegensatz zu den anderen Stühlen um den Tisch, die nur einen billigen Kunstlederbezug aufwiesen.

»Die undichte Stelle wurde gestopft«, sagte Humphries. »Es ist kein Schaden eingetreten.«

»Das ist gut«, sagte Dan.

»Apropos Gerüchteküche«, sagte Humphries leichthin, »ich habe heute Morgen auch etwas Lustiges gehört.«

»Ach ja?«

»Man erzählt sich, dass Sie und zwei Ihrer Mitarbeiter letzte Nacht einen Tiefkühlbehälter aus den Katakomben entwendet hätten.«

»Wirklich?«

»Hört sich an wie eine Episode aus Addams Family

»Stellen Sie sich mal vor«, sagte Dan.

»Komisch. Wieso sollten Sie so etwas wohl tun?«

Dan versuchte, eine bequeme Position auf dem Stuhl zu finden und sagte: »Vergeuden wir nicht die Zeit damit, den Wahrheitsgehalt von Gerüchten zu ergründen. Wir sind hier, um unsere Finanzplanung zu erstellen.«

Humphries nickte. »Ich werde jemanden von meinen Leuten darauf ansetzen.«

Oder einen von meinen Leuten, grummelte Dan innerlich. Aber das macht nichts, solang er Panchos Schwester nicht findet. Nur sie, George und ich wissen, wo wir sie verstaut haben.

»In Ordnung, dann tun Sie das. Nun zum Budget…«

Sie verbrachten die nächste Stunde damit, jeden Punkt des Finanzplans durchzugehen, den Humphries' Stab für die Starpower GmbH erstellt hatte. Dan sah, dass die Sache Hand und Fuß hatte: keine Posten für Öffentlichkeitsarbeit, Dienstreisen oder sonst etwas außer für den Bau des Fusionsantriebs, die Erprobung, um die Anforderungen der IAA für die Typzulassung zu erfüllen und um mit einer vierköpfigen Besatzung zum Asteroidengürtel zu fliegen.

»Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es sinnvoller wäre, die Besatzung auf sechs Leute aufzustocken«, sagte Dan.

Humphries runzelte die Stirn. »Sechs? Wozu brauchen wir denn zwei zusätzliche Leute?«

»Wir haben zwei Piloten, einen Triebwerks-Ingenieur und einen Geologen. Zwei Geologen wären aber besser… oder ein Geologe und ein anderer Spezialist, vielleicht ein Geochemiker.«

»Das wären dann fünf«, sagte Humphries argwöhnisch.

»Ich will einen zusätzlichen Platz freihalten. Legen wir die Mission für sechs Leute aus. Während der Vorbereitungen für den Start entsteht vielleicht noch Bedarf für einen sechsten Mann.«

Humphries' Gesicht drückte unverhohlen Argwohn aus. »Die Aufstellung zweier weiterer Leute bedeutet zusätzliche Vorräte und zusätzliche Masse.«

»Damit kämen wir schon klar. Das Fusionssystem hat genug Leistung.«

»Und zusätzliche Kosten.«

»Nur eine geringe Erhöhung«, sagte Dan leichthin. »Macht sich in der Gesamtbilanz kaum bemerkbar.«

Humphries wirkte nicht überzeugt. Doch anstatt Einspruch zu erheben, fragte er nur: »Haben Sie schon einen bestimmten Asteroiden ausgesucht?«

Dan machte eine Eingabe in seinen Palmtop-Computer, und auf dem Wandbildschirm, der eine Seite des Konferenzraums einnahm, erschien eine Karte des Gürtels. Tausende dünner Ellipsenstränge, die Orbitalpfade darstellten, erfüllten den Bildschirm.

»Eine Schar Kindergarten-Rangen würde vielleicht ein solches Muster erzeugen«, murmelte Humphries.

»So in der Art«, sagte Dan. »Da draußen tummeln sich viele Felsbrocken.«

Er tippte wieder auf den Palmtop. Die Linien verschwanden, und der Bildschirm zeigte eine tiefe Schwärze, in der hier und da winzige Stecknadelköpfe aus Licht glitzerten.

»So sieht es in Wirklichkeit aus«, sagte Dan. »Ein weiter, leerer Raum mit ein paar vereinzelten Steinen.«

»Diese Steine haben zum Teil aber einen Durchmesser von ein paar Kilometern«, sagte Humphries.

»Ja«, erwiderte Dan. »Der größte ist…«

»Ceres. Er wurde am Neujahrstag 1801 von einem Priester entdeckt.«

»Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht«, sagte Dan.

Humphries lächelte erfreut. »Sein Durchmesser beträgt etwas über tausend Kilometer.«

»Wenn der jemals mit der Erde zusammenstieße…«

»Dann Gute Nacht. Wie der Einschlag, der die Dinosaurier ausgelöscht hat.«

»Das würde ihnen da unten gerade noch fehlen«, murmelte Dan. »Ein Vernichtungspotential-Einschlag.«

»Gehen wir wieder an die Arbeit«, sagte Humphries voller Elan. »Es ist kein großer Brocken auf Kollisionskurs mit der Erde.«

»Es ist keiner festgestellt worden«, stellte Dan richtig. »Noch nicht.«

»Wissen Sie«, sagte Humphries sinnierend, »es wäre eigentlich am Klügsten, wenn wir einen Demo-Flug zum Mars unternehmen und die beiden kleinen Monde auf ihren Nutzwert untersuchen würden. Schließlich handelt es sich bei ihnen um eingefangene Asteroiden.«

»Die IAA hat das Mars-System für eine kommerzielle Erschließung zum Sperrgebiet erklärt. Das betrifft auch Deimos und Phobos.«

Humphries beugte sich tiefer über den Konferenztisch und sagte: »Wir könnten es doch einfach als wissenschaftliche Mission ausweisen. Wir sagen, wir wollten ein paar Geologen dorthin schicken, um ein paar Gesteinsproben zu nehmen und ihre Zusammensetzung zu ermitteln.«

»Diesbezüglich haben sie schon gute Daten vorliegen«, merkte Dan an.

»Aber es könnte potentiellen Investoren zeigen, dass der Fusionsantrieb funktioniert und dass es reichlich natürliche Ressourcen in den Asteroiden gibt.«

Dan sagte mit gerunzelter Stirn: »Selbst wenn wir von der IAA die Genehmigung bekämen…«

»Ich werde sie beschaffen«, sagte Humphries optimistisch.

»Davon abgesehen fliegen die Menschen schon seit Jahren zum Mars. Seit Jahrzehnten. Ein Marsflug wird die Investoren nicht beeindrucken.«

»Auch nicht, wenn Ihr Fusionsvogel mal so übers Wochenende dorthin fliegt?«

»Wir müssen zum Gürtel fliegen«, sagte Dan mit Nachdruck. »Das wird Eindruck auf die Investoren machen. Wenn sie sehen, wie der Fusionsantrieb die Wirtschaft voranbringt.«

»Wird wohl so sein«, sagte Humphries zögernd.

»Und wir müssen einen metallischen Asteroiden mit Beschlag belegen, einen vom Nickel-Eisen-Typ. Dort lagern nämlich die Schwermetalle, die es nicht auf dem Mond und nicht einmal in den NEA's gibt.«

»Gold«, sagte Humphries erfreut. »Silber und Platin. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, wie sich das auf den Markt für Edelmetalle auswirken wird?«

Dan schaute ihn mit einem Blinzeln an. Ich versuche, die industrielle Basis der Erde in den Weltraum auszulagern, und er spekuliert auf einen steigenden Goldpreis. Wir haben eben eine unterschiedliche Mentalität; wir haben nicht einmal die gleichen Ziele und Werte.

Humphries sagte mit einem listigen Grinsen: »Wir könnten viel Geld von Leuten einsacken, die dafür zu zahlen bereit wären, dass wir diese Metalle nicht auf die Erde bringen.«

»Vielleicht«, sagte Dan.

»Ich kenne mindestens drei Regierungsoberhäupter, die sich persönlich in Starpower einkaufen würden, nur um uns daran zu hindern, Edelmetalle auf den Weltmarkt zu werfen.«

»Und ich möchte wetten«, erwiderte Dan, »dass dies die Regierungen von Nationen sind, deren Völker arm sind, Hunger leiden und die jedes Jahr tiefer im Elend versinken.«

Humphries zuckte die Achseln. »Wir können nicht alle Probleme der Welt lösen, Dan.«

»Wir sollten es zumindest versuchen.«

»Das ist eben der Unterschied zwischen uns«, sagte Humphries und stieß den Zeigefinger in Dans Richtung. »Sie wollen die Menschheit retten. Ich hingegen will nur ein bisschen Geld verdienen.«

Dan schaute ihn für eine Weile stumm an. Er hat Recht, sagte er sich dann. Es gab einmal eine Zeit, als ich auch nur daran interessiert war, Geld zu machen. Und nun bedeutet es mir gar nichts mehr. Nicht im Geringsten. Ich lege keinen Wert mehr auf materielle Güter. Mein Gott — seit Janes Tod habe ich mich in einen Wohltäter verwandelt!

Humphries beugte sich wieder zu Dan herüber und sagte mit ernstem Gesicht: »Hören Sie mir zu, Dan. Was soll daran falsch sein, Geld zu verdienen. Sie vermögen die Welt nicht zu retten. Niemand vermag das. Da liegt es doch nahe, dass wir uns wenigstens selbst bequem einrichten und…«

»Ich muss es zumindest versuchen«, unterbrach Dan ihn. »Ich kann nicht einfach hier herumsitzen und zusehen, wie die Menschen ertrinken, verhungern oder in die Barbarei zurückfallen.«

»Schon gut, schon gut.« Humphries hob beschwichtigend die Hände. »Dann rennen Sie eben mit dem Kopf gegen die Wand, wenn Sie unbedingt wollen. Vielleicht sind die Asteroiden die Antwort. Vielleicht werden Sie die Welt auf die eine oder andere Art doch retten. Und bis dahin können wir einen hübschen kleinen Gewinn einstreichen.«

»Ja.«

»Wenn wir aber keinen Gewinn machen, Dan, können wir auch niemandem helfen. Wir müssen bei dieser Sache einen Gewinn erzielen, oder wir sind aus dem Geschäft. Sie wissen das ganz genau. Wir können diese Mission nicht zum Selbstkostenpreis durchführen. Wir müssen einen Gewinn ausweisen.«

»Oder zumindest ein Gewinnpotential«, entgegnete Dan.

Humphries dachte für einen Moment darüber nach und stimmte dann zu: »Ein Gewinnpotential. In Ordnung, damit bin ich einverstanden. Wir müssen der Finanzwelt zeigen…«

»Was davon übrig ist.«

Das entlockte Humphries tatsächlich ein Lachen. »Ach, machen Sie sich wegen der Finanzwelt mal keine Sorgen. Leute wie mein Vater werden immer obenauf sein, was auch immer geschieht. Selbst wenn die ganze Welt ertränke, würde er dick und zufrieden auf irgendeinem Berggipfel sitzen und warten, bis das Wasser wieder fällt.«

Dan vermochte seine Abscheu kaum zu verbergen. »Kommen Sie, lassen Sie uns wieder an die Arbeit gehen. Für diesen Morgen haben wir genug philosophiert.«

Humphries pflichtete ihm mit einem Lächeln und einem Kopfnicken bei.

Stunden später, als Dan den Konferenzraum verlassen hatte, ging Humphries in sein Büro zurück und ließ sich in den hochlehnigen Drehsessel sinken. Während er sich zurücklehnte und zur getäfelten Decke emporschaute, passte der Sessel sich an die Konturen seines Körpers an. Humphries entspannte sich mit einem breiten Grinsen. Er hat es übersehen, sagte er sich. Die Zahlen stehen deutlich im Budget, und Randolph hat über sie hinweg gelesen, als ob sie mit unsichtbarer Tinte geschrieben seien.

Es war so leicht, Randolph abzulenken. Man musste ihn nur auf seinen idiotischen Kreuzzug ansprechen, und er vergaß alles andere. Er will zum Gürtel fliegen, um die Welt zu retten. Klingt so, wie wenn Kolumbus China hätte erreichen wollen, indem er in die falsche Richtung gesegelt wäre.

Humphries lachte auf. Es steht klar und deutlich im Budget, und es ist ihm gar nicht aufgefallen. Vielleicht hält er es auch nur für eine Absicherungslinie. Schließlich handelt es sich um keine allzu große Summe. Wenn die Nanos erst einmal ein Fusionssystem gebaut haben, dann ist das zweite für ein Taschengeld zu haben. Die eigentlichen Kosten werden durch die Konstruktion und die Programmierung verursacht, wobei die sich aber schon beim ersten Modell amortisieren. Und die Absicherungslinie ist nur für die Rohstoffe und die paar Mannstunden für die Prozessüberwachung erforderlich. Die Nanos selbst arbeiten gratis.

Er lachte wieder. Randolph hält sich für sehr gewitzt, weil er Panchos Schwester aus den Katakomben entführt hat. Ob er befürchtet, dass ich sie umbringen würde? Oder will er Pancho unter Kontrolle halten? Ich hätte eh keine Verwendung mehr für sie. Also was soll's? Sie hat ausgedient. Ich werde ein zweites Fusionstriebwerk bauen, ohne dass er etwas davon erfährt!

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