Das Interview

Cable News: Wieso haben Sie Ihr eigenes Schiff entführt?

Dan Randolph: Von Entführung kann gar keine Rede sein. Es ist schließlich mein Schiff, auch wenn es mir nur zum Teil gehört. Die Starpower I ist Eigentum der Starpower GmbH, die sich wiederum im Besitz dreier Organisationen befindet: von Humphries Space Systems, Astro Manufacturing und dem Volk von Selene. Soweit ich weiß, haben weder Humphries noch Selene Einwände erhoben, sodass ich es nicht als Entführung betrachte.

Cable News: Aber die Internationale Raumfahrtbehörde sagt, Sie hielten sich widerrechtlich an Bord der Starpower I auf.

Dan Randolph: Bürokratische [GELÖSCHT]. Es gibt keinen Grund, weshalb eine menschliche Besatzung nicht mit diesem Schiff fliegen sollte. Die IAA will uns nur Knüppel zwischen die Beine werfen.

BBC: Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund, dass die IAA dem Schiff die Zulassung für den Flug mit einer menschlichen Besatzung verweigert hat?

Dan Randolph: Ich habe keine Ahnung. Fragen Sie sie!

BBC: Sie haben aber doch sicher eine Meinung in dieser Angelegenheit.

Dan Randolph: Bürokraten sind in der Regel ängstliche Naturen. Es ist immer riskant, Neuland zu betreten, und diese Sessel … [GELÖSCHT] hassen es nun einmal, ein Risiko einzugehen. Da ist es viel sicherer für sie, den Antrag abzulehnen und zu sagen, man müsste erst noch weitere Tests durchführen oder ein weiteres Genehmigungsverfahren durchlaufen. Sich immer nach oben absichern und nicht aus der Deckung wagen. Wenn die IAA im neunzehnten Jahrhundert für die Erschließung des amerikanischen Westens zuständig gewesen wäre, dann würden wir heute noch am Mississippi stehen.

Nippon News Agency: Was versprechen Sie sich eigentlich von diesem Flug?

Dan Randolph: Aha, zur Abwechslung mal eine substantielle Frage. Wir beabsichtigen, die Nutzungsrechte an einem oder mehreren Asteroiden zu erwerben. Unser Ziel besteht darin, die gewaltigen Ressourcen des Asteroidengürtels für die Menschheit zu erschließen.

Nippon News Agency: Haben Sie schon entschieden, welche Asteroiden Sie erkunden wollen?

Dan Randolph: Ja, aber ich bin nicht bereit, Ihnen darüber Auskunft zu geben. Ich möchte nicht, dass irgendjemand oder irgendetwas unseren Anspruch vereitelt.

Mehrere Fragesteller gleichzeitig: Wie meinen Sie das? Wovor haben Sie Angst? Wer könnte Ihnen den Anspruch wohl streitig machen?

Dan Randolph: He, einer nach dem andern. Grundsätzlich befürchte ich, dass, falls wir Interesse an einem bestimmten Asteroiden bekunden, die IAA einen Vorwand suchen wird, ihn für die Erschließung zu sperren — wie sie schon die erdnahen Asteroiden und die Marsmonde für die Erschließung gesperrt hat.

Network Iberia: Aber die NEA's sind doch zum Sperrgebiet erklärt worden, weil die Gefahr besteht, dass ihre Orbits gestört werden und sie mit der Erde kollidieren. Stimmt das etwa nicht?

Dan Randolph: Richtig, unter diesem Vorwand hat die IAA die NEA's zum Sperrgebiet erklärt. Bürokraten finden immer eine gute Entschuldigung, um den Fortschritt zu verhindern.

Network Iberia: Wollen Sie damit sagen, die IAA hätte in Wirklichkeit andere Motive? Eine versteckte Agenda?

Dan Randoph: Falls dem so wäre, haben sie ihre Agenda nicht sehr gut versteckt. Sie verweigern den bedürftigen Menschen der Erde den Zugang zu den Ressourcen der NEA's. Wenn sie die Möglichkeit hätten, würden sie ihnen auch die Ressourcen des Gürtels verweigern. Weshalb? Fragen Sie sie, nicht mich.

Lunar News: Sie scheinen zu implizieren, dass die IAA gegen die vitalen Interessen der Erde arbeite.

Dan Randolph: Ich impliziere das nicht, ich sage es laut und deutlich: Die IAA arbeitet gegen die vitalen Interessen der Erde.

Lunar News: Wenn das der Fall ist, für wen arbeiten sie Ihrer Ansicht nach?

Dan Randolph: Für die Aufrechterhaltung des Status quo natürlich. Das ist doch das grundsätzliche Bestreben aller Bürokraten. Ihnen ist daran gelegen, am Heute oder sogar am Gestern festzuhalten — egal, wie schlecht das Heute ist oder das Gestern auch gewesen ist.

Pan Asia Informatics: Sie haben sich als Helfer der Not leidenden Menschen der Erde positioniert. Aber verfolgen Sie in Wirklichkeit nicht die Absicht, Milliardengewinne für Ihr Unternehmen zu erzielen?

Dan Randolph: Mein eigentliches Ziel besteht darin, die Ressourcen des Asteroidengürtels zu erschließen.

Wir führen diese Mission zum Selbstkostenpreis durch; wir beabsichtigen nicht, Profit aus diesem Flug zu schlagen.

Pan Asia Informatics: Aber Sie hoffen schon, aus künftigen Missionen Profit zu schlagen, nicht wahr?

Dan Randolph: Sicher! Aber was noch wichtiger ist, wir werden gezeigt haben, dass die Menschen der Erde die enormen Bodenschätze auszubeuten vermögen, die unser im Gürtel harren. Wir würden uns freuen, wenn auch andere Unternehmen zum Gürtel fliegen würden, um diese Ressourcen zu suchen und zu erschließen.

Columbia Broadcasting: Sie würden sich über Konkurrenz im Gürtel freuen, aber erst, nachdem Sie sich die ›Filetstücke‹ gesichert haben.

Dan Randolph: Das ist nun wirklich eine beschränkte Sichtweise. Es gibt Millionen Asteroiden im Gürtel. Hunderte Millionen, wenn Sie die Felsbrocken mitzählen. Selbst wenn wir tausend Asteroiden beanspruchten, wäre das ein geringer Bruchteil der insgesamt verfügbaren Himmelskörper.

Columbia Broadcasting: Sie reden von der ›Beanspruchung‹ eines Asteroiden. Aber ist es denn nicht illegal, überhaupt einen Himmelskörper zu beanspruchen?

Dan Randolph: Es ist seit 1967 verboten, die Souveränität eines Himmelskörpers zu erklären. Jedoch ist es seit Selenes Gründung ganz legal, die Nutzung der natürlichen Ressourcen eines Himmelskörpers zu beanspruchen.

Euronews: Wurden Sie nicht einmal der Piraterie angeklagt? Hatten Sie nicht Erzladungen gestohlen, die vom Mond zu Fabriken im Erdorbit unterwegs waren?

Dan Randolph: Das war vor langer Zeit, und die rechtlichen Konsequenzen wurden längst gezogen.

Euronews: Aber tun Sie denn nicht wieder das Gleiche? Ein Schiff stehlen und Ressourcen beanspruchen, die rechtmäßig der ganzen Menschheit gehören?

Dan Randolph: Schauen Sie, gute Frau, mir gehört dieses Schiff. Zumindest zu einem Drittel. Und diese Ressourcen da draußen im Gürtel nutzen der gesamten Menschheit einen [GELÖSCHT], wenn niemand dorthin fliegt und die Erschließung in Angriff nimmt.

Anzac Supernet: Ist es wahr, dass die Starpower I mit Fusionsraketen fliegt?

Dan Randolph: Ja. Wenn Sie mehr über den Duncan-Antrieb wissen wollen, sollten Sie mit Lyall Duncan sprechen, dem Leiter des Teams, das dieses Antriebssystem gebaut hat. Er lehrt an der Universität von Glasgow.

Anzac Supernet: Sind Sie wirklich in der Lage, den Asteroidengürtel in zwei Wochen zu erreichen?

Dan Randolph: Wenn wir die Hälfte der Strecke mit einem sechstel G beschleunigen und dann bis zum Ziel abbremsen, dann schaffen wir es in zwei Wochen.

Global News: Glauben Sie, dass dieser Flug dem Aktienkurs von Astro Manufacturing Auftrieb verleihen wird?

Dan Randolph [grinsend]: Sie müssen wohl ein Aktionär sein. Ja, ich glaube, wenn wir Erfolg haben, müsste der Kurs der Astro-Aktien beträchtlich steigen. Aber das ist nur eine Vermutung von mir. Ich habe schon genug Ärger mit der IAA und will mir nicht noch welchen mit der GEC-Börsenaufsicht einhandeln.

Global News: Wie viele Leute sind noch mit Ihnen auf dem Schiff? Würden Sie sie uns vorstellen?


Martin Humphries, der das Interview zurückgelehnt in seinem Massagesessel verfolgte, durchlief ein Wechselbad der Gefühle. Obwohl er sich zur Ruhe zwang, kochte er vor Wut über Dan Randolph und Amanda Cunningham.

Doch dann erschien Amanda auf dem Wandbildschirm: Sie saß neben Pancho Lane an der Schalttafel des Schiffs und wirkte sehr geschäftsmäßig in der Fliegerkombi und mit dem hochgesteckten Haar. Angesichts ihrer leuchtenden Augen verflog sein Zorn.

Wie konntest du nur?, fragte er Amanda stumm. Ich hätte dir die Welt zu Füßen gelegt, und du hast mich abgewiesen. Wie konntest du mir das nur antun?

Nachdem er sie für kaum eine Minute auf dem Wandbildschirm angeschaut hatte, unterbrach er abrupt die Übertragung. Der Bildschirm wurde schwarz.

Es ist aus und vorbei, sagte er sich und rief den Termin-Planer auf dem Schreibtischmonitor auf. Hak es ab. Grimmig suchte er nach dem Datum der nächsten Quartalssitzung des Vorstands der Astro Manufacturing. Er markierte das Datum rot. Randolph wird bis dahin tot sein. Ich suche seine Knochen zusammen und schnappe mir Astro für einen Apfel und ein Ei.

Verärgert wegen der heftig zitternden Hände rief Humphries seinen zuverlässigsten Hostessen-Service auf und ging die Videos der Frauen durch, die verfügbar und bereit waren, ihm zu Gefallen zu sein.

Keine von ihnen war so begehrenswert wie Amanda, sagte er sich. Aber er suchte sich trotzdem eine aus.

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