Starpower 1

Pancho saß auf der Brücke auf dem Kommandantensitz und fragte: »Woher wollen wir wissen, dass die Nanos uns nicht weiter anknabbern?«

Dan hatte Pancho noch nie mit einem so morbiden Ausdruck gesehen. Das freche Grinsen war aus ihrem Pferdegesicht verschwunden, und sie schaute todernst.

»Sie fressen Kupfer«, erwiderte Dan. »Wir haben den schadhaften Draht entsorgt. Die Nanos sind mit über Bord gegangen.«

»Das hoffst du jedenfalls.«

»Inständig«, sagte Dan.

»Zum Glück ist in den Kabelbäumen des Schiffs kein Kupfer enthalten«, sagte Pancho hoffnungsvoll.

»Sie bestehen aus Glasfaser, ich weiß.«

»Es gibt trotzdem noch Kupfer im Schiff«, fuhr Pancho fort. »Vielleicht nur in minimalen Mengen, aber wenn wir Nanobots haben, die Kupfer fressen, könnten sie die Hälfte der Mikroprozessoren an Bord lahm legen.«

»Na toll«, grummelte Dan.

»Der MHD-Kanal«, entfuhr es ihr. »Er ist von einem supraleitenden Magneten ummantelt.«

»Allmächtiger Gott!«

»Wenn das passiert, gibt der Magnet die gesamte Energie ab…«

»Er wird explodieren?«

»Ja. Wie eine Bombe«, sagte Pancho.

»Großartig. Einfach perfekt«, murmelte Dan. »Und es gibt rein gar nichts, was wir dagegen unternehmen könnten, nicht wahr?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wir können nur hoffen, dass er nicht auch schon infiziert ist.«

Dan verspürte ein mulmiges Gefühl und musste erst einmal schlucken, ehe er weiter zu sprechen vermochte. »Dann wäre der Käse eh gegessen.«

»Könnte aber noch schlimmer sein«, sagte Pancho mit Galgenhumor. »Wenn wir Nanos an Bord hätten, die Kohlenstoff fressen, dann würden sie uns nun annagen.«

Dan fand das gar nicht lustig. »Wo ist überhaupt Amanda?«, fragte er und deutete auf den leeren Sitz des Copiloten. »Müsste sie nicht hier oben auf dem Posten sein?«

»Sie ist wieder bei Lars.«

»In der Instrumentenbucht?«

»Ja. Er versucht, aus dem Elektronenmikroskop eine Nanometer-Auflösung herauszukitzeln.«

»Um Nanobots zu erkennen?«

»Richtig — sofern es überhaupt welche zu sehen gibt.«

»Diese beiden scheinen aber ziemlich viel Zeit zusammen zu verbringen«, grummelte Dan.

»Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir plötzlich auch auf.«

Dan sagte nichts. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass Amanda und Fuchs miteinander rum machten, aber er hatte auch keinen Beweis für ein solches Treiben. Fuchs machte einen ziemlich zugeknöpften Eindruck. Aber man weiß ja nie, sagte Dan sich. Amanda scheint seine Gesellschaft jedenfalls zu genießen.

Pancho deutete mit dem Zeigefinger auf eine Touchscreen-Abbildung. »Wenigstens hält die magnetische Abschirmung. Wir sind vor Strahlungsstürmen geschützt — für den Moment.«

Für den Moment, wiederholte Dan stumm.

»Und der MHD-Kanal?«

Sie tippte auf einen Bildschirm. »Alles in Butter.«

»Dann haben die Nanos ihn also nicht infiziert.«

»Vielleicht nicht.«

»Ich glaube, ich geh wieder in die Instrumentenbucht«, murmelte Dan. »Mal schau'n, was die beiden da so treiben.«

»Bist du ihr Anstands-Wauwau?«, neckte Pancho ihn.

»Ist das so offensichtlich?«

»Aber sicher, Boss. Du bist eine richtige Glucke.«

»Glaubst du denn, dass sie eine Anstandsdame brauchen?«

»Eher nicht. Mandy kann schon auf sich selbst aufpassen. Und Lars ist nicht Humphries.«

Dan pflichtete Panchos Einschätzung der Situation mit einem Kopfnicken bei und sagte: »Dann will ich mal schauen, wie weit er mit dem Elektronenmikroskop ist.«

»Gute Entschuldigung«, sagte Pancho lachend.

Dan schenkte sich in der Messe eine Tasse Kaffee ein und wünschte sich, er könne die Angst vor den Nanobots endlich verdrängen. Dann ging er den Durchgang zur Instrumentenbucht entlang. Er sah sie schon durch die offene Luke zum engen Abteil, wie sie inmitten der summenden Instrumente und flackernden Anzeigen standen und in ein Gespräch vertieft waren.

Mein Gott, sie sehen aus wie die Schöne und das Biest, sagte Dan sich. Selbst im zerknitterten beigefarbenen Overall und dem wuschelig hochgesteckten blonden Haar sah Amanda einfach umwerfend aus. Ihre großen blauen Augen waren auf Fuchs geheftet. Mit dem obligatorischen schwarzen Pullover und der gleichfarbigen Hose schien der massige Körper zu einem wilden Tier aus einem Naturfilm zu gehören: zu einem Keiler oder einem Schwarzbären. Allerdings knurrte er Amanda nicht an. Ganz im Gegenteil.

»Wie läuft's?«, fragte Dan, als er durch die offene Luke trat.

Sie wirkten erschrocken, als ob sie ihn gar nicht hatten kommen sehen.

Dan deutete auf die graue Röhre des miniaturisierten Elektronenmikroskops. »Habt ihr schon irgendwelche Nanobots gefunden?«, fragte er mit einem gezwungenen Grinsen.

Fuchs drehte sich von Dan zum Elektronenmikroskop um. »Nein, es ist hoffnungslos. Dieses Gerät wird keine Objekte im Nanometerbereich auflösen.«

Das wunderte Dan nicht. »Weil es dafür nicht konzipiert ist.«

»Ich hatte gehofft, dass es mir vielleicht gelingen würde, die Leistung zu verstärken«, fuhr Fuchs fort, »aber das war eine Illusion.«

»Wir haben die Daten der Fernbereichsmessungen überprüft«, sagte Amanda mit leicht geröteten Wangen. »Sie wissen schon, für die Suche nach einem geeigneten Asteroiden.«

»Und?«

Fuchs grinste fröhlich. Das war so ungewöhnlich, dass Dan geradezu erschrak.

»Wir sind auf eine Schatzkammer gestoßen«, sagte er und tippte auf eine Touchscreen. »Es gibt über ein Dutzend metallreicher Körper schon innerhalb einer Tagesreise.«

»Wir versuchen uns gerade für einen zu entscheiden«, sagte Amanda.

Dan lächelte sie an. »Das ist doch ganz einfach. Nehmt den größten aufs Korn.«


George hielt den Atem an, als er sich näher an die Ecke des großen Zimmers heranschlich, wo Humphries und Dr. Cardenas saßen. Sie wirkten beide angespannt, obwohl seine Anspannung eher von froher Erwartung herzurühren schien, wogegen Cardenas Furcht und Zorn ins Gesicht geschrieben standen.

George wusste, dass sie ihn nicht zu sehen vermochten. Trotzdem verspürte er Unbehagen, wo er ihnen so dicht auf die Pelle rückte — Unsichtbarkeit hin oder her. Du darfst jetzt auf keinen Fall niesen, ermahnte er sich. Nicht einmal atmen.

»In Ordnung«, sagte Cardenas. »Ich höre.«

Humphries beugte sich nach vorn, verschränkte die Hände und hob an: »Angenommen, ich richte Ihnen in einem entlegenen Winkel der Erde ein eigenes Labor ein. Mein Vater hat zum Beispiel Besitzungen in Libyen. Wir könnten auch Ihre Enkelkinder dort unterbringen.«

»Und was hätte ich in diesem Labor zu tun?«, fragte Cardenas. Ihre Stimme war unmoduliert wie die eines Sprachautomaten, und ihr Gesicht war maskenhaft starr.

»Nanomaschinen wären in der Lage, den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre zu reduzieren, nicht wahr? Indem sie die Moleküle in Kohlenstoff- und Sauerstoffatome zerlegen. Das würde die Erderwärmung in ein paar Jahren zum Erliegen bringen!«

Cardenas' Gesichtsausdruck blieb unverändert. »Sie wissen doch, dass die Nanotechnik geächtet ist. Zu welchem Zweck auch immer man sie einsetzen wollte, nirgends auf der Erde dürfte man Nanomaschinen herstellen. Der GEC, die Welt-Regierung und jeder religiöse Fanatiker auf der Erde würde durchdrehen, wenn man auch nur ansatzweise mit dem Gedanken spielte, Nanotechnik einzusetzen.«

Humphries lächelte geduldig. »Wir werden es ihnen einfach nicht sagen, meine Güte. Wir fangen einfach an. Im Geheimen. In der Sahara, auf dem Meer oder am Südpol — ganz egal. In einem Jahr oder noch früher wird man feststellen, dass die Kohlendioxidwerte zurückgehen. Die anderen Treibhausgase könnten wir ebenfalls eliminieren. Man wird merken, dass die Erderwärmung sich verlangsamt. Dann haben wir sie alle im Sack! Sie werden akzeptieren müssen, was wir tun. Sie werden gar keine andere Wahl haben.«

»Und was geschieht, wenn diese Nanomaschinen nicht richtig funktionieren? Was geschieht, wenn sie sich auch auf andere Kohlenstoffverbindungen stürzen? Zum Beispiel auf Sie?«

»Das wird schon nicht passieren.«

»Stimmt, das wird nicht passieren«, sagte sie. »Weil ich bei dieser Sache nämlich nicht mitmachen werde. Dieser Plan ist absurd.«

»Was ist daran absurd?«

Cardenas' Fassade bekam einen Riss in Form eines leichten sardonischen Grinsens. »Sie machen sich wohl keine Vorstellung von der Größe der Erdatmosphäre. Wissen Sie, wie viele Tonnen Kohlendioxid Sie neutralisieren müssten? Milliarden! Mindestens ein paar Dutzend Milliarden! Sie müssten ganz Afrika mit Nanomaschinen pflastern, um so viel Kohlendioxid abzubauen!«

»Das ist doch sicher übertrieben«, murmelte Humphries griesgrämig.

Cardenas sprang so plötzlich auf, dass George erschrak. »Na gut, dann müssten Sie nur die Sahara mit Nanomaschinen überziehen. Und selbst das wäre illusorisch!«

»Aber…«

»Und Sie wären nie imstande, das geheim zu halten. Nicht bei einem Programm dieser Größenordnung.«

»Aber es wäre machbar, nicht wahr?«

»Man könnte es zumindest in Angriff nehmen«, räumte sie ein. »Bis irgendein Fanatiker uns eine Atombombe auf den Kopf wirft. Oder unser Trinkwasser bakteriell verseucht.«

»Ich bin in der Lage, Sie vor Terroristen zu schützen«, sagte Humphries.

Cardenas trat ans Fenster. In ihr arbeitete es sichtlich. Dann drehte sie sich zu Humphries um und sagte: »Durch den Einsatz von Nanomaschinen in dieser Größenordnung läuft man Gefahr, eine Katastrophe heraufzubeschwören. Irgendein Irrer klaut eine Hand voll und programmiert sie auf die Zersetzung von… zum Beispiel Kunststoff um. Oder von Rohöl. Oder er verwendet sie als Waffe für Attentate. Wir sprechen hier von Gobblern, um Himmels willen!«

»Das weiß ich«, sagte Humphries kalt.

Cardenas schüttelte den Kopf. »Es würde sowieso nicht funktionieren. Abgesehen von der schieren physikalischen Dimension des Projekts würden die irdischen Behörden nie die Genehmigung zum Einsatz von Nanomaschinen erteilen. Niemals! Und ich vermag es ihnen nicht einmal zu verdenken.«

Humphries erhob sich langsam. »Sie wollen es nicht einmal versuchen?«

»Es wäre ein hoffnungsloses Unterfangen.«

Er seufzte theatralisch. »Ich habe versucht, Vernunft walten zu lassen. Ich glaubte, dass wir in der Lage wären, einen Konsens zu finden.«

»Lassen Sie mich gehen«, sagte Cardenas mit einem flehenden Unterton.

»Ich wollte Ihnen einen lang gehegten Wunsch erfüllen und Sie auf diesem Weg mit Ihren Enkelkindern zusammenbringen.«

»Lassen Sie mich einfach gehen.«

Er schaute sie bekümmert an. »Sie wissen, dass ich das nicht tun kann. Das wäre ein zu großes Risiko für mich.«

»Sie können mich doch nicht für immer hier festhalten!«

»Was schlagen Sie als Ausweg aus dieser Sackgasse vor?«, fragte er mit einem leichten Achselzucken.

Sie sah ihn mit offenem Mund an.

»Ich meine, Sie verstehen mein Problem. Ich weiß, dass Sie es verstehen. Wie vermag ich Sie gehen zu lassen, wenn Sie anschließend den Leuten erzählen, dass ich für den Tod von Dan Randolph verantwortlich bin?«

»Aber ich bin doch auch dafür verantwortlich.«

»Ja, ich weiß. Aber Sie würden es gestehen, nicht wahr?«

»Ich…« Sie hielt inne und sagte dann mit leiser Stimme: »Früher oder später würde ich es wohl gestehen.«

»Da haben wir's«, sagte Humphries leise. »Das Problem besteht fort.«

»Sie werden mich töten müssen.«

»Das will ich nicht tun müssen. Ich bin kein kaltblütiger Mörder. Lieber würde ich Sie mit Ihren Enkelkindern vereint sehen, falls das überhaupt möglich ist. Es muss doch eine Möglichkeit geben, zusammenzuarbeiten und dieses Problem aus der Welt zu schaffen.«

»Ich sehe keine«, flüsterte Cardenas.

»Denken Sie darüber nach«, sagte Humphries und ging zur Tür. »Ich bin sicher, dass Sie eine Lösung finden werden, wenn Sie sich eingehend damit befassen.«

Mit einem Lächeln öffnete er die Tür und ging hinaus. George sah die Wache draußen auf dem Flur stehen, bis Humphries die Tür verschloss.

Es könnte funktionieren!, sagte Humphries sich, als er den Gang entlangging. Wenn es uns gelänge, genug Nanomaschinen auszubringen, wäre ich imstande, die Erderwärmung in ein paar Jahren zum Stillstand zu bringen. Man würde vor mir in die Knie gehen vor lauter Dankbarkeit.

Er beschloss, ein kleines Expertenteam zusammenzustellen, um eine nüchterne Technikfolgenabschätzung zu betreiben. Cardenas ist schließlich nicht der einzige Nanotechnik-Guru in Selene, sagte er sich.

Загрузка...