La Guaira

Martin Humphries schaute pikiert. »Was ist denn so lustig am Asteroidengürtel?«

Dan schüttelte den Kopf. »Es ist gar nicht lustig. Es ist nur… Ich hätte das von Ihnen nicht erwartet. Sie haben doch einen Ruf als knallharter Geschäftsmann.«

»Ich halte mir zumindest zugute, dass ich einer bin«, erwiderte Humphries.

»Dann vergessen Sie den Gürtel«, sagte Dan barsch. »Ich bin schon dort gewesen und habe die Lage gepeilt. Er ist zu weit weg; die Kosten würden den Gewinn um das Tausendfache übersteigen.«

»Aber man hat es schon versucht«, insistierte Humphries.

»Einmal«, sagte Dan. »Von diesem verrückten Gunn. Und er wäre fast dabei draufgegangen.«

»Aber dieser eine Asteroid wäre schon fast eine Billiarde Dollar wert gewesen, wenn man ihn in die Mondumlaufbahn gebracht hätte.«

»Ja, und der verdammte GEC hat ihn sich unter den Nagel gerissen und Gunn in den Bankrott getrieben.«

»Diesmal wird das aber nicht passieren.«

»Und wieso nicht? Glauben Sie nicht, der GEC würde alle Ressourcen beschlagnahmen, die wir zur Erde bringen? Genau aus diesem Grund wurde der Globale Wirtschaftsrat doch gegründet — um den ganzen internationalen Handel der Erde zu kontrollieren.«

Humphries lächelte kalt. »Ich werde mit dem GEC schon klar kommen. Darauf können Sie sich verlassen.«

Dan schaute ihn ein paar Sekunden lang stumm an. Schließlich schüttelte er den Kopf und erwiderte: »Darauf kommt es nicht an. Ich wäre sogar bereit, dem GEC den Vortritt zu lassen.«

»Wirklich?«

»Ja, zum Teufel. Wir haben einen globalen Notstand. Jemand muss doch Ressourcen zuteilen, Preise kontrollieren und darauf achten, dass niemand aus dieser Krise einen Vorteil zieht und in die eigene Tasche wirtschaftet.«

»Das stimmt wohl«, sagte Humphries bedächtig. »Trotzdem bin ich der Ansicht, dass mit der Ausbeutung des Gürtels viel Geld zu machen ist.«

Dan nickte zustimmend. »Es gibt da draußen jede Menge Ressourcen, das steht fest. Schwermetalle, organische Stoffe und anderes Zeug, das der Mond uns nicht bietet.«

»Ressourcen, die die Erde braucht und für die der GEC zu zahlen bereit wäre.«

»Die Asteroiden ausbeuten«, sinnierte Dan. »Das wäre eine große Unternehmung. Eine richtig große Unternehmung.«

»Aus diesem Grund bin ich auch hier. Astro Manufacturing hat die erforderlichen Ressourcen.«

»Astro Manufacturing steht kurz vor dem Bankrott, und das wissen Sie auch.«

»Ich spreche auch nicht von finanziellen Ressourcen«, sagte Humphries mit einer beiläufigen Geste.

»Ach nein?«

»Nein.« Humphries drehte sich zum Fenster und deutete mit dem Finger auf die sturmumtoste Startanlage. »Sie haben das technische Know-how, das entsprechend ausgebildete Personal, die Raketen und die Infrastruktur, um uns in den Weltraum zu befördern.«

»Aber ich stecke auch schon in der Bredouille, weil der Markt für Start-Services zusammenbricht. Wie sollen die Leute denn noch auf dem Mond produzierte Elektronik kaufen, wenn sie durch Überschwemmungen und Erdbeben ihre Existenz verlieren.«

Humphries hob fragend die Brauen.

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Dan. »Es gibt auch noch den Energiemarkt. Sicher. Aber wie viele Solarenergie-Satelliten könnten wir im Erdorbit parken? Der verfluchte GEC hat sie gedeckelt. Wir bauen gerade den vorletzten. Nach diesen zwei wird es keine weiteren Energie-Satelliten geben.«

Bevor Humphries nach dem Grund zu fragen vermochte, fuhr Dan schon fort: »Das gottverdammte Großasiatische Energie-Konsortium hat sich beschwert, dass die Energiesatelliten ihnen die Preise ruinieren. Und die verfluchten Europäer haben sich mit ihnen solidarisiert. Geschieht ihnen allen recht, wenn sie sich den Arsch abfrieren, wenn der Golfstrom versiegt.«

»Der Golfstrom?«, fragte Humphries ungläubig.

Dan nickte bekümmert. »Das ist eine der Projektionen. Der Treibhauseffekt verändert bereits die Meeresströmungen. Wenn der Golfstrom abreißt, verwandelt Europa sich in einen Kühlschrank, und die Engländer bekommen ein Wetter wie in Labrador.«

»Und wann? Wie bald?«

»In zwanzig Jahren vielleicht. Vielleicht auch erst in hundert. Fragen Sie fünf verschiedene Wissenschaftler, und Sie bekommen zehn verschiedene Antworten.«

»Da eröffnen sich doch ungeahnte Möglichkeiten«, sinnierte Humphries. »Ganz Europa erstarrt in Kälte. Überlegen Sie doch mal! Das wäre eine echte Goldgrube!«

»Ein guter Witz«, erwiderte Dan. »Ich halte es eher für eine Katastrophe.«

»Für Sie ist das Glas schon halb leer. Für mich ist es erst halb voll.«

Dan verspürte den Drang, diesen opportunistischen Grünschnabel aus dem Büro zu komplimentieren. Stattdessen lehnte er sich im Sessel zurück und murmelte: »Das ist wie eine bizarre griechische Tragödie. Die globale Erwärmung verwandelt Europa in eine Tiefkühltruhe. Wenn das keine Ironie des Schicksals ist.«

»Wir sprechen über den Energiemarkt«, sagte Humphries, der sich inzwischen wieder gefasst hatte. »Was ist mit dem Helium-3 vom Mond?«

Dan fragte sich, ob sein Besucher ihn nur auf die Schippe nehmen wollte. »Das ist ein Nullsummenspiel«, sagte er reserviert. »Es gibt nicht so viele Fusionskraftwerke dort oben — dank der Anti-Atomkraft-Idioten. Und die Gewinnung von Helium-3 aus dem Mondboden ist nicht gerade billig. Fünfzig Teile pro Million hören sich vielleicht für einen Chemiker gut an, aber ein Vermögen lässt sich damit nicht verdienen, sage ich Ihnen.«

»Dann bräuchten Sie also eine Finanzspritze, um die Ausbeutung der Asteroiden in Angriff zu nehmen«, sagte Humphries.

»Eher eine komplette Transfusion«, knurrte Dan.

»Das ließe sich einrichten.«

Dans Brauen gingen hoch. »Wirklich?«

»Ich kann das Kapital bereitstellen«, sagte Humphries geschäftsmäßig.

»Wir reden aber mindestens von vierzig oder fünfzig Milliarden.«

Humphries wedelte mit der Hand, als ob er ein lästiges Insekt verscheuchen wolle. »Für einen Demonstrationsflug bräuchte man nicht so viel.«

»Ein bloßer Demo-Flug würde aber auch schon ein paar Milliarden kosten«, sagte Dan.

»Wahrscheinlich.«

»Und wo wollen Sie diese Summen überhaupt hernehmen? Heute will doch niemand mehr in die Raumfahrt investieren.«

»Es gibt aber Leute, die bereit wären, so viel Geld in die Erschließung des Asteroiden-Markts zu investieren.«

Dan verspürte einen Anflug von Hoffnung. Es könnte funktionieren! Den Asteroidengürtel erschließen. Die Ressourcen zu den bedürftigen Menschen der Erde bringen. Doch dann schossen ihm wieder die Zahlen durch den Kopf, mit der unerbittlichen Stringenz von Newtons Bewegungsgesetzen.

»Wissen Sie«, sagte er müde, »wenn wir wenigstens imstande wären, die Kosten zu decken, dann würde ich es versuchen.«

Humphries wirkte enttäuscht. »Würden Sie sich wirklich mit Kostendeckung zufrieden geben?«

»Verdammt richtig. Die Menschen brauchen diese Ressourcen. Wenn es uns gelänge, sie ihnen zu beschaffen, ohne uns damit in den Bankrott zu treiben, würde ich sogar zum verdammten Pluto fliegen, wenn es sein müsste.«

Humphries entspannte sich sichtlich und sagte: »Ich weiß, wie wir das schaffen und trotzdem einen ordentlichen Gewinn einstreichen.«

»Und wie?«, fragte Dan mit widerstrebender Neugier.

»Fusionsraketen.«

Bei den Sieben Städten von Cibola, dieser Mann ist ein Fanatiker, sagte Dan sich. Noch schlimmer: Er ist ein Enthusiast.

»Eine Fusionsrakete wäre ein Novum«, sagte er zu Humphries. »Fusionsenergie-Generatoren sind zu groß und schwer für Fluganwendungen. Das weiß doch jeder.«

Mit dem Grinsen einer Katze, die soeben einen Kanarienvogel verputzt hat, erwiderte Humphries: »Die irren sich alle.«

Dan gab sich eine halbe Sekunde Bedenkzeit. Dann stützte er sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab und sagte: »Beweisen Sie es mir.«

Wortlos fischte Humphries einen Datenchip aus der Tasche seines Jackets und überreichte ihn Dan.

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