Die Brücke der Starpower I wurde mit leiser Country Music berieselt. Eine Frau lamentierte mit nasaler Gesangsstimme über verlorene Liebe.
»Du hast eine gute Vorstellung gegeben«, sagte Pancho.
Sie saß auf dem Pilotensitz an der Instrumentenkonsole. Dan saß auf dem Sitz rechts neben ihr, wobei er durch eine Bank mit Drehreglern und Kippschaltern von ihr getrennt war. Er sah, dass Pancho die Hälfte der Touchscreens auf der Konsole personalisiert hatte: Die Daten wurden vor dem Hintergrund des Grand Canyon, von Kunstflug-Maschinen und sogar muskulöser männlicher Models dargestellt, die sich an sonnigen Stränden aalten.
»Das Interview?« Dan lachte leise. »Ich habe drei Viertel der Fragen im Voraus gewusst, die sie mir gestellt haben. Vielleicht noch mehr.«
Er schaute aus dem großen Glasstahl-Fenster, das sich wie ein Hufeisen um die Instrumentenkonsole zog, ins All hinaus. Zur Linken, hinter Pancho, war die Sonne, deren Helligkeit durch die starke Tönung des Fensters abgeschwächt wurde — aber sie war immer noch hell genug, dass sie den Himmel dominierte. Die Lichtverhältnisse zauberten Pancho eine Art Heiligenschein um den Kopf. Das Zodiakallicht strahlte von der Sonnenmitte über die ganze Fensterbreite aus; es war von Staubteilchen durchsetzt, Überresten aus der Frühzeit des Sonnensystems. Dahinter war Schwärze, die tiefe schwarze Unendlichkeit des Raums. Nur ein paar der hellsten Sterne schienen durch das getönte Fenster.
»Glaubst du wirklich, dass der Aktienkurs steigen wird?«, fragte Pancho, wobei ihr Blick zwischen den Anzeigen auf der Konsole hin- und herhuschte.
»Er ist bereits um ein paar Punkte gestiegen«, sagte Dan. »Das war auch einer der Gründe, weshalb ich das Interview gegeben habe.«
Sie nickte. »Nach dem, was ich gehört habe, will die IAA dich einbuchten lassen, sobald du dich wieder in ihrem Zuständigkeitsbereich befindest.«
»Wäre nicht das erste Mal, dass man mich ins Gefängnis steckt«, murmelte Dan.
»Ja, aber das würde den Aktien auch nicht gut bekommen, oder?«
»Pancho, du redest schon wie ein besorgter Aktionär.«
»Ich bin auch ein Aktionär.«
»Und machst du dir Sorgen?«
»Was, ich soll mir Sorgen machen?«, witzelte sie. »Dazu habe ich gar keine Zeit. Trotzdem wüsste ich gern, wo genau wir hinfliegen.«
»Wirklich?«
»Komm schon, Boss, du kannst den Reportern was vom Pferd erzählen, aber ich weiß doch, dass du schon einen Asteroiden angepeilt hast. Vielleicht sogar ein paar.«
»Ich habe es auf drei abgesehen.«
»Drei?«
»Ja. Einer von jeder Sorte: steinig, metallisch und kohlenstoffhaltig.«
»Wie tief werden wir in den Gürtel vorstoßen müssen?«
»Wir sollten das lieber mit Fuchs besprechen; er ist der Experte.«
Nach ein paar Minuten saßen die vier um den Tisch in der Messe: Amanda und Fuchs an einer Seite, Pancho und Dan an der anderen. Eine computergenerierte Grafik des Asteroiden-Gürtels wurde auf dem Wandbildschirm abgebildet: einen diffusen Bereich mit bunten Punkten zwischen dünnen Kreisen, die den Mars- und Jupiterorbit darstellten.
»Wie man sieht«, sagte Fuchs in einem fast belehrenden Ton, »liegen die metallischen Asteroiden überwiegend in den äußeren Bereichen des Gürtels. Dies ist eine Region, die noch nicht so gründlich erforscht wurde wie die inneren Zonen.«
»Weshalb wir auch noch keinen bestimmten metallischen Asteroiden ausgewählt haben«, sagte Dan.
»Worüber sprechen wir hier?«, fragte Pancho. »Von drei AE? Vier?«
«Plus minus vier Astronomische Einheiten«, erwiderte Amanda.
»Und ihr wollt dorthin fliegen und euch umschauen?«, fragte Pancho ungläubig.
»Wir haben genug Brennstoff für ein paar Manöver«, sagte Dan.
»Ein paar Manöver«, sagte Pancho und zog den Palmtop aus der Overalltasche. »Bei dieser Entfernung haben wir trotzdem verdammt wenig Spielraum.«
»Ich brauche einen schönen Nickel-Eisen-Brocken«, sagte Dan. »Muss gar nicht mal groß sein: Ein paar hundert Meter würden schon reichen.«
Ein Lächeln erschien auf Fuchs' breitem, normalerweise melancholischem Gesicht. Das stand ihm nicht schlecht. »Ich glaube, ich verstehe. Ein Nickel-Eisen-Körper mit einem Durchmesser von ein paar hundert Metern würde genug Eisenerz enthalten, um die weltweite Stahlindustrie für ein Jahr oder mehr am Laufen zu halten.«
Dan wies mit dem Zeigefinger auf ihn. »Du hast es erfasst, Lars. Genau das will ich ihnen mitbringen.«
Amanda meldete sich zu Wort: »Hat nicht schon einmal jemand einen Nickel-Eisen-Asteroiden in die Nähe des Erde-Mond-Systems gebracht?«
»Das war Gunn«, antwortete Fuchs. »Er hat den Asteroiden auf den Namen Pittsburgh getauft, nach dem Zentrum der US-Stahlindustrie.«
»Ja, und der gottverdammte GEC hat Gunn vom Felsen runter geschmissen und ihn beinahe ruiniert«, erinnerte Dan sich grimmig.
»Es ist einfach unverantwortlich, potentiell gefährliche Objekte in die Erde-Mond-Region zu bringen«, sagte Amanda. »Angenommen, dieser Pittsburgh-Brocken hätte seinen Orbit geändert und wäre auf der Erde eingeschlagen? Das hätte verheerende Auswirkungen gehabt.«
Dan schaute sie finster an. »Es ist über vierhundert Jahre her, seit Newton die Gesetze der Mechanik und Schwerkraft formuliert hat. Wir sind in der Lage, Orbits mit einiger Präzision zu berechnen. Pittsburgh hätte für niemanden eine Gefahr bedeutet. Es ging dem gottverdammten GEC nur darum, die Kontrolle zu behalten.«
Pancho schaute vom Palmtop auf. »Wir haben genügend Brennstoff, um in einem Radius von vier AE für drei Tage zu manövrieren.«
»Das reicht auch«, sagte Dan. »Zumal wir schon während des Hinflugs nach geeigneten Kandidaten Ausschau halten werden. Vielleicht haben wir Glück und finden ein Nickel-Eisen-Baby.«
Fuchs schüttelte düster den Kopf. »Dort draußen existiert eine große Leere.« Er wies auf den Wandbildschirm und fuhr fort: »In unserer Vorstellung wimmelt es im Gürtel nur so von Asteroiden, aber in Wirklichkeit driften nur Materiestücke weit voneinander entfernt in einem Ozean aus Leere. Bei maßstabsgetreuer Darstellung wären die Asteroiden nur unterm Mikroskop zu erkennen.«
»Ein paar Nadeln in einem gigantischen Heuhaufen«, fügte Amanda hinzu.
Dan zuckte beiläufig die Achseln. »Wozu haben wir Radar, Teleskope und die anderen Instrumente an Bord.«
Pancho stellte wieder den Praxisbezug der Unterhaltung her. »Okay, dann müssen wir also nach einem metallischen Felsen suchen. Und was ist mit den anderen Brocken, auf die du es abgesehen hast, Boss?«
»Lars hat sie schon ausgesucht.«
Fuchs tippte auf den Palmtop, der vor ihm auf dem Tisch lag und markierte auf dem Wandbildschirm zwei Asteroiden mit blinkenden roten Kreisen. Dann bediente er mit dem Griffel wieder die kleine Tastatur des Palmtops, worauf die Flugbahn der Starpower I auf dem Monitor erschien. Die gegenwärtige Position des Schiffs wurde mit einem blinkenden gelben Kreis markiert.
»Das nähere Objekt ist 26-238, ein S-Klasse-Asteroid.«
»Stein«, sagte Amanda.
»Ja«, pflichtete Fuchs ihr bei und lächelte sie an. »Gesteins-Asteroiden sind reich an Silikaten und leichten Metallen wie Magnesium, Kalzium und Aluminium.«
Dan betrachtete die Abbildung. Der Punkt, der die Position der Starpower I markierte, wanderte erkennbar. Mein Gott, wir fliegen mit einem Affenzahn. Die Leistungsfähigkeit des fusionsgetriebenen Schiffs war ihm in der Theorie bekannt, aber wo er sie nun in der Praxis erlebte, machte er sich erst eine richtige Vorstellung davon.
»Unser zweites Ziel«, fuhr Fuchs fort, »ist 32-114, eine C-Klasse, ein kohlenstoffhaltiges Objekt. Chondritische Asteroiden enthalten Kohlenstoff und Hydrate …«
»Wasser«, sagte Pancho. Sie stand vom Tisch auf und ging zur Gefriertruhe.
»Ja, Wasser, aber nicht in flüssiger Form.«
»Die Wassermoleküle sind mit anderen Molekülen im Gestein eine chemische Verbindung eingegangen«, sagte Amanda. »Man muss Wärme oder eine andere Form von Energie zuführen, um das Wasser zu gewinnen.«
»Aber es ist trotzdem Wasser«, sagte Dan und schaute zu, wie Pancho ein in Alufolie verpacktes Fertiggericht aus der Gefriertruhe holte. »Selene braucht Wasser. Wie überhaupt jeder, der im Weltraum arbeitet.«
»›Du wirst dein Werk mit Wasser verrichten‹«, murmelte Amanda. »›Und du wirst dem die Stiefel lecken, der es dir bringt‹«.
»Was bedeutet das?«, fragte Dan verwirrt.
Sie schaute fast pikiert. »Ach so… Kipling. Rudyard Kipling.«
»›Gunga Din‹«, beeilte Fuchs sich zu sagen. »Ein sehr schönes Gedicht.«
»Von einem weißen europäischen männlichen Chauvinisten«, sagte Pancho, als sie das Gericht ins Mikrowellengerät schob.
»Hast du etwa schon wieder Hunger?«, fragte Amanda. »Du hast doch erst vor ein paar Stunden wie ein Scheunendrescher gefuttert.«
Pancho grinste sie an. »Ich brauche nicht auf die Figur zu achten. Ich verheize die Kalorien einfach so.« Sie schnippte mit den Fingern.
»Aber diese Fertiggerichte«, sagte Amanda. »Sie sind so… vorgekaut.«
»Mir schmecken sie aber«, sagte Pancho.
»Wie dem auch sei«, sagte Dan mit leicht erhobener Stimme, um einen eventuellen Disput im Keim zu ersticken, »auf diese beiden Asteroiden konzentrieren wir uns. Wir nehmen ein paar Proben, um unseren Anspruch zu untermauern. Dann werden wir in die äußere Region des Gürtels vorstoßen und nach einem metallischen Körper suchen.«
»Ich frage mich die ganze Zeit, welchen rechtlichen Status die von uns erhobenen Ansprüche überhaupt haben«, sagte Amanda. »Wenn die IAA diesen Flug als illegal betrachtet… ich meine, wenn wir als Gesetzlose gelten…«
»Sie könnten unsere Ansprüche auf die Asteroiden ablehnen«, beendete Dan den Satz für sie. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Und?«
Ein einzelnes, schrilles ping drang durch die offene Luke auf die Brücke. Pancho ließ das Mikrowellengerät im Stich und rannte durch die Luke.
Im nächsten Moment kam sie mit angespanntem Ausdruck in die Messe. »Protuberanzen.«
Amanda stand auf, zwängte sich an Pancho vorbei und ging auf die Brücke. Fuchs wirkte besorgt.
»Ich werde die Elektronenkanonen durchchecken«, sagte Dan.
»Vielleicht erwischt es uns gar nicht«, sagte Pancho. »Die Plasmawolke ist noch zu weit entfernt, als dass man sagen könnte, ob sie uns erreicht oder nicht.«
»Ich werde die Elektronenkanonen trotzdem ausprüfen«, sagte Dan und erhob sich vom Stuhl. »Ich habe schon genug Strahlung für ein ganzes Leben abbekommen. Mein Bedarf ist gedeckt.«