18

»Hört auf«, knurrte Nicci.

Richard blinzelte verwirrt. In seinem Kopf herrschte heilloses Durcheinander. Nicci hatte Shotas Handgelenk mit eisernem Griff umklammert und verhinderte so, dass ihre Hand ihn berühren konnte. Trotzdem lag immer noch ihr Arm um seine Hüfte.

»Ich weiß zwar nicht, was Ihr da gerade tut«, sagte Nicci in einem so bedrohlichen Tonfall, dass er überzeugt war, Shota werde vor Angst zurückschrecken, »aber Ihr werdet augenblicklich damit aufhören.«

Aber Shota wich weder zurück, noch wirkte sie im Mindesten verängstigt. »Ich tue nur, was nötig ist.«

Cara, den Strafer in der Hand und im Gesicht einen noch missbilligenderen Ausdruck als Nicci, stand unmittelbar auf der anderen Seite der Hexe und versperrte ihr den Weg. Doch Shota kam gar nicht mehr dazu, die Drohung zu erwidern, denn Richard brach völlig entkräftet auf der Marmorbank zusammen, die den Brunnen einfasste.

Er keuchte, rang nach Atem und befand sich in einem Zustand äußersten Entsetzens. Vor seinem inneren Auge sah er noch immer Kahlan in der Gewalt dieser Schurken, spürte er noch immer die Klinge, die sich tief in seine Kehle grub. Vorsichtig befühlte er mit den Fingern seinen Hals, doch da war weder eine klaffende Wunde noch Blut. Er wollte Kahlan unter keinen Umständen aus den Augen verlieren, gleichzeitig war der Anblick ihres hoffnungslosen Schreckens so entsetzlich, dass er keinen sehnlicheren Wunsch hatte, als ihn für immer aus seiner Erinnerung zu verbannen. Er war sich nicht einmal wirklich sicher, wo er sich befand, noch begriff er, was um ihn herum geschah. Ihm war alles andere als klar, was wirklich war und was nicht.

Er überlegte, ob er sich womöglich an der Schwelle des Todes befand und dies ein verstörender Sterbetraum war, kurz bevor der letzte Tropfen seines Herzblutes zur Neige ging, ein letztes Trugbild zur Folter seines Geistes, ehe er aus dem Leben schied. Suchend tappte er umher und versuchte, die anderen mit ihm in der Grube liegenden Körper zu ertasten.

Als sich Cara beschützend vor ihm aufpflanzte und ihn von der Hexe abschirmte, ließ Nicci augenblicklich von ihrem Streit mit Shota ab und setzte sich neben ihn. Sie legte ihm einen Arm um die Schultern.

»Ist mit dir alles in Ordnung, Richard?« Sie beugte sich über ihn, sah ihm in die Augen. »Du siehst aus, als wärst du dem Tod persönlich begegnet.«

Shota stand mit verschränkten Armen vor ihnen und beobachtete Richard, ohne Cara eines Blickes zu würdigen.

Im Geiste hörte er noch immer das Echo der Schreie Kahlans, schnitt ihm ihr Anblick, wie sie seinen Namen herausschrie, ins Herz. Es war niederschmetternd, sie so unvermutet wieder zu sehen, noch dazu unter diesen Umständen.

»Es ist alles gut, Richard«, redete Nicci beruhigend auf ihn ein. »Du bist hier, bei mir und den anderen.«

Richard presste sich eine Hand an die Stirn. »Wie lange war ich fort?«

»Fort?«

»Ich glaube, Shota hat irgendetwas mit mir angestellt. Was immer es war - wie lange hat es ... gedauert?«

»Ich habe nicht zugelassen, dass sie irgendetwas tut - ich habe sie daran gehindert, noch ehe sie überhaupt anfangen konnte. Ich habe sie im selben Moment zurückgehalten, da sie mit der Hand dein Kinn berührte. Sie hatte gar keine Zeit, etwas mit dir anzustellen.«

Er fuhr sich mit zitternden Fingern durchs Haar. »Wie auch immer sie hatte genug Zeit.«

»Es tut mir so leid«, sagte Nicci leise. »Ich war der Meinung, ich hätte sie noch rechtzeitig zurückgehalten.«

Er hatte das Gefühl, am Ende zu sein. Er hatte kaum noch die Kraft für seinen nächsten Atemzug und bezweifelte, ob er jemals wieder etwas anderes tun konnte, als sich seiner Verzweiflung hinzugeben. Zu guter Letzt konnte er seine Seelenqual, seinen Schmerz, seine Tränen nicht länger unterdrücken.

Nicci zog sein Gesicht an ihre Schulter, zog ihn wortlos in die schützende Obhut ihrer Arme.

Alles schien so aussichtslos. Alles neigte sich dem Ende zu. Es war vorbei. Er hatte ja schon immer gesagt, dass sie keine Chance hätten, Jagangs Armee zu besiegen. Die Imperiale Ordnung war zu mächtig, sie würde den Krieg gewinnen, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Es gab nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte, nur noch das Warten darauf, dass das Grauen des Todes sie alle heimsuchte.

Shota trat ein Stück näher und stellte sich neben ihn, neben die Stelle, wo er zusammengesunken auf dem niedrigen Marmormäuerchen saß, und machte Anstalten, ihre Hand auf seine Schulter zu legen. Sofort hatte Cara ihr Handgelenk gepackt und hielt sie zurück.

»Es tut mir leid, dass ich das tun musste, Richard«, sagte sie, ohne die Mord-Sith eines Blicks zu würdigen, »aber es war nötig, damit dir die Augen geöffnet wurden, damit du begreifst...«

»Seid doch still«, fiel Nicci ihr ins Wort. »Und wagt nur nicht, ihn anzufassen. Meint Ihr nicht, Ihr habt ihm schon genug Leid zugefügt? Muss alles, was Ihr tut, böswillig und verletzend sein? Könnt Ihr ihm nicht ein einziges Mal helfen, ohne ihm im selben Moment wehzutun oder Kummer zu bereiten?«

Als Shota darauf ihre Hand zurückzog, nahm Nicci sein Gesicht in beide Hände und wischte ihm mit dem Daumen eine Träne von der Wange. »Richard ...«

Unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, quittierte er ihre zärtliche Fürsorge mit einem Nicken. Er sah noch immer Kahlan vor sich, wie sie sich die Seele nach ihm aus dem Leibe schrie, während sie sich gleichzeitig der Hände dieser Rohlinge zu erwehren versuchte. Der Anblick würde ihn sein Leben lang verfolgen. Nichts wünschte er sich in diesem Augenblick sehnlicher, als ihr den schmerzhaften Anblick seiner Hinrichtung zu ersparen, sie aus der brutalen Gewalt des Ordens zu befreien. Er wollte zurück, unbedingt, wollte irgendetwas tun, um ihr diese unmenschliche Behandlung zu ersparen. Der Gedanke war ihm unerträglich, dass die Welt für sie endete, während sie miterleben musste, wie ihr geliebter Ehegatte brutal ermordet wurde.

Nur war es ja gar nicht wirklich gewesen. Er konnte gar nicht dort gewesen sein, so etwas war unmöglich. Er musste es sich eingebildet haben.

Nach und nach überkam ihn ein Gefühl der Erleichterung. Es war nicht wirklich gewesen. Kahlan befand sich weder in der Gewalt der Imperialen Ordnung, noch wohnte sie seiner Hinrichtung bei. Es war nichts weiter gewesen als eine grausame Täuschung dieser Hexe, eines ihrer unwirklichen Trugbilder.

Nur war dies für all die Menschen in Galea und den unzähligen anderen Orten, die von der Imperialen Ordnung heimgesucht worden waren, durchaus die Wirklichkeit. Für ihn mochte es nicht real gewesen sein, für sie dagegen umso mehr. Genau so hatte es sich abgespielt, genau so war ihre Welt zugrunde gegangen. Er konnte ihnen ihr Leid nur zu gut nachempfinden, jetzt wusste er, wie es sich anfühlte.

Wie viele unbekannte, namenlose rechtschaffene Menschen mochten auf diese Weise um ihre Chance auf ein Leben gebracht worden sein, und alles nur wegen des eitlen und allein auf das Jenseits ausgerichteten Strebens dieses Tyrannen aus der Alten Welt? Plötzlich überkam ihn noch eine andere Befürchtung. Er besaß die Gabe, er war ein Kriegszauberer. Bei den meisten mit der Gabe Gesegneten manifestierte sie sich auf einem ganz bestimmten Gebiet. Als Kriegszauberer hingegen besaß er Teile aller unterschiedlichen Aspekte der Gabe, und einer dieser Aspekte waren die Fähigkeit zum Abgeben von Prophezeiungen. Was, wenn das Gesehene in Wahrheit eine Prophezeiung war und sich tatsächlich irgendwann so zutragen würde, wenn das, was er gesehen hatte, in Wahrheit eine Vision der Zukunft wäre?

Andererseits glaubte er nicht an die Vorherbestimmtheit der Zukunft. Sicher, es gab Dinge wie den Tod, die unausweichlich waren, aber das bedeutete noch lange nicht, dass alles vorherbestimmt war oder dass es unmöglich war, im Leben Ziele zu verfolgen, Katastrophen abzuwenden oder den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Wenn es tatsächlich eine Prophezeiung gewesen war, dann bedeutete sie lediglich, dass er gesehen hatte, was möglicherweise geschehen konnte, nicht aber, dass jeder Versuch, es zu verhindern, zwecklos wäre.

Schließlich hatten sich Shotas Prophezeiungen noch nie so erfüllt wie von ihr offenbart. Und was er gerade gesehen und erlebt hatte, war aller Wahrscheinlichkeit nach Shotas Werk.

In stummer Dankbarkeit drückte er Niccis Hand, eine Geste, die sie mit ihrer anderen, auf seiner Schulter liegenden Hand erwiderte. In der Wärme ihres verhaltenen, erleichterten Lächelns, als sie ihn allmählich seine Sinne wiedererlangen sah, schmolz ihre Besorgnis ein wenig dahin.

Er erhob sich und pflanzte sich in einer Weise vor Shota auf, die diese eigentlich hätte einen Schritt zurückweichen lassen müssen, doch sie blieb standhaft.

»Wie könnt Ihr es wagen, mir das anzutun? Wie könnt Ihr Euch erdreisten, mich an diesen Ort zu schicken?«

»Ich habe dich nirgendwohin geschickt, Richard. Vielmehr hat dich dein eigener Verstand dorthin geführt, wo er dich hinführen wollte. Ich habe nichts weiter getan, als deine unterdrückten Gedanken zu befreien und dir auf diese Weise Dinge zu ersparen, die sonst zu Albträumen geworden wären.«

»Ich erinnere mich nicht an meine Träume.«

Shota nickte, ohne den Blick von seinen Augen zu lassen. »An diesen hättest du dich erinnert, und er wäre weit schlimmer gewesen als das, was du soeben durchgemacht hast. Es ist besser, sich diesen Visionen zu stellen, in der Lage zu sein, ihnen so gegenüberzutreten, wie sie wirklich sind, und die Wahrheit zu begreifen, die sie enthalten.«

Richard spürte, wie ihm das Blut heiß ins Gesicht schoss. »War es das, was Ihr damals gemeint habt, als Ihr sagtet, Kahlan würde im Falle einer Ehe mit mir ein Ungeheuer zur Welt bringen? Ist das die wahre Bedeutung, die sich hinter Eurer rätselhaften Prophezeiung verbirgt?«

Shota ließ sich keinerlei Regung anmerken. »Sie bedeutet, was immer sie bedeutet.«

Die Worte des Soldaten der Imperialen Ordnung, der ihm haarklein beschrieben hatte, was er mit Kahlan zu tun gedachte, der ihm geschildert hatte, welche Behandlung sie erwartete, dass sie Kinder zur Welt bringen würde, die aufwachsen würden, um auf die Gräber derer zu spucken, die selbst über ihr Leben bestimmen wollten, und an all das glaubten, was ihm lieb und teuer war, klangen ihm noch immer in den Ohren.

Unvermittelt stürzte er sich auf Shota und hatte sie im nächsten Augenblick bei der Kehle gepackt. Der Zusammenprall und seine wilde Entschlossenheit, sie zu Boden zu reißen, ließ sie beide über die niedrige Mauer und in den Brunnen stürzen. Richard obenauf, die Arme fest um sie geschlungen, drückte ihr Schwung sie beide unter Wasser.

Richard packte sie an der Kehle und hievte sie wieder empor. »War es das, was Ihr gemeint habt?«

Ströme von Wasser liefen ihr übers Gesicht, sie hustete und spuckte. Er schüttelte sie. »War es das, was Ihr gemeint habt?«

Richard blinzelte verdutzt. Er stand aufrecht da, seine Kleider waren trocken. Vor ihm stand Shota, ebenfalls vollkommen trocken. Seine Hände ruhten noch immer an den Seiten.

»Reiß dich zusammen, Richard.« Sie sah ihn herausfordernd an. »Du bist noch immer ein wenig in deinen Träumen gefangen.«

Richard blickte um sich. Es stimmte; er war ebenso wenig durchnässt wie Shota. Nicht eine Locke ihres kastanienbraunen Haares war nicht an ihrem Platz. Als er zu Nicci hinübersah, glitt ein fragender Ausdruck über ihre Stirn. Shota hatte offenbar recht, es war tatsächlich nur ein Traum gewesen, genau wie seine Hinrichtung, genau wie der Anblick Kahlans. Er hatte sich nur eingebildet, Shota an die Gurgel gegangen zu sein.

Trotzdem verspürte er noch immer den Wunsch.

»War es das, was Ihr gemeint habt, als Ihr sagtet, Kahlan werde ein Ungeheuer zur Welt bringen?«, wiederholte Richard seine Frage, ein wenig gefasster jetzt, aber nicht minder bedrohlich.

»Ich weiß doch nicht einmal, wer diese Kahlan überhaupt ist.«

Richards Kiefermuskeln spannten sich, als er die Zähne aufeinanderbiss und sich vorstellte, er hätte sie tatsächlich bei der Kehle gepackt. »Beantwortet meine Frage! War es das?«

Shota hob warnend einen Finger. »Glaub mir, Richard, du möchtest wirklich nicht, dass eine Hexe deinetwegen verstimmt ist.«

»Und Ihr wollt Euch nicht meinen Zorn zuziehen, also antwortet endlich. War es das, was Ihr gemeint habt?«

Sie strich die Ärmel ihres Kleides glatt und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Zunächst einmal habe ich dir anhand der ganz unterschiedlichen Dinge, von denen ich dir berichtet habe, bereits mehrfach aufgezeigt, was ich vom Strom der Ereignisse in der Zeit sehe. Aber ich erinnere mich weder an diese Frau namens Kahlan noch daran, jemals mit ihr zu tun gehabt zu haben. Daher weiß ich auch nicht, von welcher Weissagung oder von welchem Vorfall du sprichst, denn daran erinnere ich mich ebenso wenig.«

Shotas Züge nahmen jenen Ausdruck düsterer Bedrohlichkeit an, der ihn daran gemahnte, dass er mit einer Hexe sprach, deren bloßer Name die meisten Menschen in den Midlands bereits angstvoll erzittern ließ. »Du aber wagst dich in besagtem Strom der Ereignisse in Richtung Zukunft vor, zu wichtigen und höchst gefährlichen Dingen.« Verdrießlich runzelte sie die Stirn. »Was genau meinst du mit einem ... Ungeheuer von einem Kind?«

Richard wandte sich um und starrte in die stillen Wasser des Brunnens, während er sich noch einmal die entsetzlichen Dinge in Erinnerung rief, die er gesehen hatte. Er brachte es nicht über sich, es laut auszusprechen, brachte es nicht über sich, vor den anderen zu gestehen oder auch nur anzudeuten, dass Shota einst eine Weissagung abgegeben hatte, die bedeuten konnte, dass Kahlan ein von den Ungeheuern der Imperialen Ordnung gezeugtes Kind zur Welt bringen würde. Es war, als könnte es durch sein offenes Eingeständnis bereits zur Tatsache werden, und diese Vorstellung war so quälend, dass er den Gedanken einfach von sich wies und stattdessen eine andere Frage stellte.

Er wandte sich wieder zu ihr um. »Was hatte es zu bedeuten, dass ich meine Gabe nicht über den Zorn auf den Plan rufen konnte?«

Shota seufzte schwer. »Eins musst du begreifen, Richard. Ich habe dir keine Vision eingegeben. Ich habe nichts weiter getan, als deine eigenen verschütteten Gedanken zu befreien. Zu dem, was du gesehen hast, kann ich mich schon deshalb nicht äußern, weil ich gar nicht weiß, was du gesehen hast.«

»Warum solltet Ihr dann ...«

»Ich weiß nur eins: Du bist derjenige, dem es obliegt, der Imperialen Ordnung Einhalt zu gebieten. Ich habe nur geholfen, deine unterdrückten Gedanken an die Oberfläche kommen zu lassen, um dir das Verständnis zu erleichtern.«

»Das Verständnis von was?«

»Von dem, was du verstehen musst. Was das sein könnte, ist mir ebenso wenig bekannt wie das, was du vor deinem inneren Auge gesehen hast und was dich so verstört hat. Man könnte sagen, ich bin nichts weiter als die Überbringerin. Die Nachricht selbst habe ich nicht gelesen.«

»Aber Ihr habt mich Dinge sehen lassen, die ...«

»Nein, habe ich nicht. Ich habe den Vorhang für dich aufgezogen, aber der Regen, den du durch das Fenster gesehen hast, ist nicht mein Werk. Du versuchst, mir die Schuld für den Regen in die Schuhe zu schieben, statt einfach die Tatsache zu akzeptieren, dass ich bloß den Vorhang geöffnet habe, damit du ihn mit eigenen Augen sehen kannst.«

Richard sah zu Nicci, doch die hüllte sich in Schweigen. Er blickte die Stufen hoch zu seinem Großvater, der, die Hände locker verschränkt, dastand und das Geschehen stumm verfolgte. Zedd hatte ihm beigebracht, sich stets mit dem Zustand der Welt zu befassen, wie sie wirklich war, statt sich über die unsichtbare Hand des Schicksals aufzuregen, die nach Meinung mancher die Geschehnisse beherrschte und heraufbeschwor. Machte er denselben Fehler jetzt bei Shota? Versuchte er, ihr die Schuld zu geben, weil sie ihm Dinge offenbart hatte, die er übersehen, ja die zu sehen er sich geweigert hatte?

»Tut mir leid, Shota«, sagte er, ruhiger jetzt. »Ihr habt recht. Ihr habt mir den Regen tatsächlich nur gezeigt. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn beenden soll, aber immerhin habe ich ihn gesehen. Ich sollte Euch keinen Vorwurf für Dinge machen, die andere zu verantworten haben. Bitte verzeiht.«

Shota lächelte verhalten. »Dies ist einer der Gründe, warum du derjenige welcher bist, Richard - der Einzige, der diesem Irrsinn ein Ende machen kann. Du bist bereit, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Deswegen habe ich Jebra mit ihren entsetzlichen Augenzeugenberichten über die Verbrechen mitgebracht, die die Imperiale Ordnung derzeit überall begeht. Das ist die Wahrheit, die du erkennen musst.«

Richard nickte, obwohl er sich im Grunde nur noch schlimmer und verzweifelter fühlte, denn er hatte keine Ahnung, wie er bewerkstelligen sollte, was ihrer Meinung nach nur er tun konnte. Er begegnete Shotas unerschütterlichem Blick. »Ihr habt keine Mühen gescheut, Jebra hierher mitzubringen. Ihr habt eine weite Reise auf Euch genommen. Eure Zukunft, ja Euer Leben hängt hiervon nicht weniger ab als meines oder das aller freien Menschen, all derer, die die Gabe besitzen. Wenn die Imperiale Ordnung obsiegt, werden wir alle sterben, auch Ihr.

Könnt Ihr mir nicht irgendeinen Hinweis geben, der mir helfen könnte, diesem Irrsinn ein Ende zu machen? Ich kann jede Hilfe gebrauchen, die Ihr mir geben könnt. Gibt es denn gar nichts, was Ihr mir sagen könnt?«

Ehe sie sprach, starrte sie ihn einen Augenblick lang an, so als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders. »Jedes Mal, wenn ich dir einen Hinweis gebe«, sagte sie schließlich, »reagierst du verärgert so als wäre ich es, die die Dinge schafft, die sind, anstatt sie nur weiterzugeben.«

»Wir stehen kurz davor, versklavt, gefoltert und umgebracht zu werden, und Ihr fühlt Euch plötzlich gekränkt und in Euren Gefühlen verletzt?«

Gegen ihren Willen musste Shota über seine Formulierung schmunzeln. »Du scheinst zu glauben, ich pflücke die Offenbarung einfach so aus dem Nichts - so wie man eine Birne pflückt.«

Das Lächeln erlosch, und ihr Blick bekam etwas Distanziertes, Entrücktes. »Du würdest nicht einmal ansatzweise begreifen, welch hohen Preis ich ganz persönlich dafür zahle, derart verhülltes Wissen ans Licht zu bringen. Ich bin nicht gewillt, diese ungeheuren Mühen auf mich zu nehmen, wenn dieses mühsam erlangte Wissen keinen anderen Zweck erfüllt, als einen Groll zu nähren.«

Richard schob die Hände in die Hosentaschen. »Na schön, ich verstehe, worauf Ihr hinaus wollt. Wenn Ihr schon bereit seid, solche Mühen auf Euch zu nehmen, dann erwartet Ihr, dass ich ernsthaft darüber nachdenke. Für jeden von uns steht alles auf dem Spiel, Shota, deswegen wüsste ich es sehr zu schätzen, wenn Ihr mir irgendeinen Hinweis geben könntet.«

Shota holte tief Luft und ließ sie schließlich mit einem resignierten Seufzer wieder heraus. Sie beugte sich ganz leicht zu ihm hin, so als wollte sie dadurch betonen, wie ernst es ihr war.

»Was ich jetzt sage, ist einzig und allein für deine Ohren bestimmt.«

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