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»Hör auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen, und halt still.«

Johnrock blinzelte hektisch. »Pass auf, dass sie nicht in die Augen kommt.«

»Ich werde schon nicht zulassen, dass sie dir in die Augen tropft.«

Johnrock tat einen bangen Atemzug. »Wieso muss ausgerechnet ich der Erste sein?«

»Weil du mein rechter Flügelstürmer bist.«

Darauf wusste er nicht gleich etwas zu erwidern. Er entzog sein Kinn Richards Griff. »Glaubst du wirklich, dass es uns helfen wird zu gewinnen?«

»Ganz bestimmt«, antwortete der und richtete sich auf. »Voraus gesetzt, wir alle halten uns an die Abmachungen. Durch die Farbe allein werden wir kein Spiel gewinnen, trotzdem wird sie ein wichtiges Hilfsmittel sein, etwas, was uns ein bloßer Sieg nicht geben kann - sie wird uns helfen, einen Ruf zu begründen. Einen Ruf, der alle verunsichern wird, die als Nächste gegen uns antreten müssen.«

»Mach voran, Johnrock«, maulte einer der anderen Männer und verschränkte ungeduldig die Arme vor der Brust.

Der Rest der Mannschaft, der sich um sie geschart hatte, um zuzusehen, nickte beifällig. Keiner von ihnen hatte sich als Erster zur Verfügung stellen wollen. Die meisten, wenn auch nicht alle, hatten sich erst von Richards Erklärung über den Nutzen der Farbe breitschlagen lassen. Johnrock warf einen Blick in die Runde der Wartenden, schließlich zog er ein Gesicht und gab sich geschlagen. »Na schön, also los.«

Richard blickte an seinem Flügelstürmer vorbei zu den Posten, die mit eingelegtem Pfeil bereitstanden. Jetzt, da man den Gefangenen die Ketten abgenommen hatte, hielten sie Ausschau nach dem geringsten Anzeichen von Ärger, während sie darauf warteten, die Mannschaft zu ihrer ersten Partie zu geleiten. Kommandant Karg ließ stets eine schwere Bewachung aufziehen, sobald Richard und seine Mitgefangenen nicht angekettet waren, trotzdem fand dieser es auffällig, dass die meisten Pfeile auf ihn gerichtet waren.

Er konzentrierte sich auf Johnrock und packte die Oberseite seines Kopfes, um ihn ruhigzuhalten.

Richard hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, womit er die Gesichter der Mannschaft bemalen sollte. Zuerst hatte er vorgehabt, die Bemalung einfach jedem freizustellen, doch nach kurzem Nachdenken war er zu dem Schluss gelangt, dass er sie nicht ihnen überlassen durfte. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.

Außerdem waren alle der Meinung, dass Richard dies übernehmen sollte. Er war die Angriffsspitze, und es war seine Idee gewesen. Vermutlich waren die meisten unschlüssig, weil sie befürchteten, ausgelacht zu werden, und hatten deshalb gewollt, dass er die Sache in die Hand nahm. Richard tauchte seinen Finger in einen kleinen Eimer roter Farbe. Er hatte sich gegen den Pinsel entschieden, den der Kommandant zusammen mit der Farbe gebracht hatte.

Er wollte den Akt des Malens unmittelbar spüren.

Trotz der wenigen Zeit, die ihm noch blieb, hatte er ausgiebig über die zu malenden Motive nachgedacht. Auf jeden Fall musste es etwas sein, mit dem sich seine ursprüngliche Absicht umsetzen ließe. Damit es in der ihnen geschilderten Weise funktionierte, musste er etwas malen, was er kannte.

Den Tanz mit dem Tod.

Denn der hatte letztendlich das Leben selbst zum Mittelpunkt, wenngleich sich seine Bedeutung nicht allein in dem Gedanken bloßen Überlebens erschöpfte. Der Zweck dieser Formen war die Fähigkeit, dem Bösen die Stirn zu bieten und es zu vernichten, ihren Träger auf diese Weise zu befähigen, das Leben selbst zu erhalten, selbst wenn es das eigene war. Es war eine feine, aber wichtige Unterscheidung: Wer fähig sein wollte, für das Leben zu kämpfen, musste die Existenz des Bösen anerkennen.

Ihm selbst war diese unabdingbare Notwendigkeit vollkommen klar, gleichwohl war es zweifellos ein Gedanke, dem sich zu stellen viele Menschen bewusst ablehnten. Stattdessen zogen sie ein Leben in Blindheit vor, in einer Phantasiewelt. Der Tanz mit dem Tod ließ solche tödlichen Träumereien nicht zu. Wer überleben wollte, brauchte einen ungetrübten und wachen Blick auf die Wirklichkeit, weshalb der Tanz mit dem Tod die Erkenntnis der Wahrheit erforderte. All dies bildete ein Ganzes, dem kein Erfolg beschieden war, sobald man Teile überging oder gar ganz wegließ.

Der Form nach waren die Elemente des Tanzes mit dem Tod Bestandteil einer jeden Auseinandersetzung - ob es sich nun um eine Diskussion, ein Spiel oder einen Kampf bis zum Tod handelte. In der Sprache der Embleme dargestellt, bildeten diese Bestandteile die Ideen, die den Tanz ausmachten. Wer sich dieser Ideen bedienen wollte, musste imstande sein, das wahre Geschehen zu erkennen, um sich ihm stellen zu können. Letztendlich bestand der Zweck des Tanzes mit dem Tod darin, das Leben zu gewinnen. Übersetzt bedeutete Ja’La dh Jin, wie bereits erwähnt, »Das Spiel des Lebens«.

Alle Gegenstände, die einen Kriegszauberer ausmachten, spielten im Tanz mit dem Tod eine gewisse Rolle, in diesem Sinne hatte er sich dem Leben verschrieben. So stellten unter anderem die Symbole auf dem Amulett, das er getragen hatte, ein Abbild, eine verdichtete Darstellung des grundlegenden Gedankens des Tanzes dar - Bewegungen, die ihm aus Kämpfen mit dem Schwert der Wahrheit bekannt waren. Und obwohl er das Schwert nicht mehr besaß, begriff er die Bedeutung des Tanzes mit dem Tod in ihrer Gesamtheit, weshalb ihm das aus dem Kampf mit dem Schwert gewonnene Wissen erhalten geblieben war. Anfangs hatte Zedd ihn stets daran erinnert, dass das Schwert nichts weiter als ein Werkzeug war. Was zählte, war der dahintersteckende Geist.

Später, nachdem Zedd ihm das Schwert ausgehändigt hatte, hatte er ein Verständnis für die Sprache der Symbole entwickelt. Er wusste, was sie bedeuteten, sie sprachen zu ihm. Er erkannte die zu einem Kriegszauberer gehörenden Symbole und verstand ihre Bedeutung. Mit dem Finger begann er diese Linien auf Johnrocks Gesicht aufzutragen, Linien, die sich aus Teilen des Tanzes zusammensetzten, Symbole der Bewegungen im Angesicht des Feindes. Jede Kombination von Elementen besaß seine eigene Bedeutung: Schnitt, Ausfallschritt, Stoß, Drehung, Kreisen, Querschlag, Nachsetzen und das schnelle Herbeiführen des Todes, während man sich bereits auf das nächste Angriffsziel vorbereitete. Die Linien, die er auf Johnrocks Gesicht auftrug, waren Warnungen, alles im Auge zu behalten, was einen attackierte, ohne dass sich das Blickfeld verengte. Richard zeichnete jedoch nicht nur die Elemente des Tanzes nach, sondern auch Teile von Bannen, die er gesehen hatte. Anfangs war er sich dessen gar nicht bewusst. Er hatte Mühe, sich zu erinnern, wo er sie gesehen hatte, doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie Teil jener Banne waren, die Darken Rahl in den Zauberersand im Garten des Lebens gezeichnet hatte, um die für das Öffnen der Kästchen der Ordnung erforderliche Magie zu beschwören.

Erst jetzt gewahrte Richard, dass ihm der Besuch jener seltsamen, gespenstischen Gestalt am Abend zuvor noch schwer auf der Seele lag. Die Stimme hatte behauptet, er sei als Spieler genannt worden. Da dies der erste Tag des Winters sei, bleibe ihm noch ein Jahr, das richtige Kästchen der Ordnung zu öffnen.

Trotz seiner Erschöpfung hatte er nach dieser Begegnung an kaum etwas anderes denken können. Er hatte kaum Schlaf gefunden, und abgelenkt von den schmerzhaften Wunden an seinem Bein und auf dem Rücken, war er nicht dazugekommen, sich mit ganzer Kraft der Lösung dieses Rätsels zu widmen. Der erste Tag des Winters hatte die Mannschaftsbesichtigung durch Jagang gebracht. Seine plötzliche Sorge, wie sich vermeiden ließe, dass dieser ihn erkannte, hatte ihn daran gehindert, darüber nachzudenken, wie es möglich war, dass er ein Spieler für die Kästchen der Ordnung sein sollte.

War es vielleicht ein Versehen - eine durch die von den Chimären hinterlassene Verunreinigung ausgelöste Irreführung der Magie? Selbst wenn er das nötige Wissen besäße, was nicht der Fall war, so hatte diese Hexe Sechs ihn von seiner Gabe abgeschnitten, so dass er sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie er die Kästchen versehentlich hätte ins Spiel bringen können. Ohne seine Gabe war es praktisch unvorstellbar, dass er das richtige Kästchen geöffnet hätte. Womöglich steckte Sechs hinter alldem, war es Teil eines Komplotts, das er noch nicht verstand.

Das Zeichnen von Bannen, hatte Zedd ihm erklärt, war extrem gefährlich. Eine einzige falsch aufgebrachte Linie, selbst von der richtigen Person unter den korrekten Umständen und im richtigen Medium, konnte eine Katastrophe auslösen. Damals waren ihm diese Zeichnungen wie geheimnisvolle, aus rätselhaften Elementen bestehende Motive vorgekommen, die alle einer komplizierten fremden Sprache anzugehören schienen.

Doch je mehr er über die magischen Zeichnungen und Symbole lernte, desto besser verstand er die Bedeutung hinter ihren einzelnen Elementen. Und so hatte er schließlich herausgefunden, dass Teile der von Darken Rahl zum Öffnen der Kästchen gezeichneten Banne gleichzeitig Teile des Tanzes mit dem Tod waren.

Das ergab durchaus Sinn. Zedd hatte ihm einst erklärt, die Macht der Ordnung sei die Macht des Lebens selbst. Demnach ging es beim Tanz mit dem Tod eigentlich um den Erhalt des Lebens, kreiste die Magie der Ordnung um das Leben und um seine Rettung vor dem Umsich greifen des Feuerkettenbanns.

Er tauchte seinen Finger abermals in die rote Farbe und brachte eine geschwungene Linie auf Johnrocks Stirn auf, die er anschließend mit dem Symbol für die Konzentration von Kraft abstützte. Er verwendete ihm bekannte Elemente, die er jedoch durch eine neue Verknüpfung variierte. Schließlich wollte er nicht, dass eine der Schwes83

tern die Zeichnungen sah und ihre unmittelbare Bedeutung erkannte. Trotz der Verwendung bekannter Elemente waren sie einzigartig. Die anderen Männer ringsum beugten sich ein wenig vor, gebannt nicht nur vom Akt des Malens, sondern auch von der Zeichnung an sich, der eine gewisse Poesie innewohnte. Obwohl sie die Bedeutung der Linien nicht verstanden, erlebten sie sie in ihrer Gesamtheit als Ausdruck eines zielgerichteten Zwecks, als bedeutsam und genau das, was sie waren:

bedrohlich.

»Weißt du, woran mich dieses Ding, diese Zeichnung, erinnert?«, fragte einer.

»Woran denn?«, murmelte Richard, während er das Symbol ausarbeitete, das für den mächtigen Hieb stand, mit dem man die Kraft eines Gegners brach.

»Irgendwie erinnert sie mich daran, wie man das Spiel spielt. Ich weiß nicht warum, aber die Linien sehen ein bisschen aus wie bestimmte Angriffszüge beim Ja’La.«

Überrascht, dass dieser Mann, auch er ein Gefangener, der Zeichnung einen so bedeutsamen Zug abzugewinnen vermochte, musterte Richard ihn fragend.

»Als ich noch Hufschmied war, musste ich die Pferde verstehen, wenn ich sie beschlagen wollte. Nun kann man sie ja nicht einfach fragen, was sie bedrückt, aber mit ein bisschen Aufmerksamkeit kann man lernen, gewisse Dinge zu deuten, wie sich das Pferd bewegt, zum Beispiel, und nach einer Weile beginnt man, ein gewisses Verständnis für ihre Körpersprache zu entwickeln. Auf diese Weise kann man verhindern, dass man getreten oder gebissen wird.«

»Das klingt sehr überzeugend«, sagte Richard. »Es ist dem, was ich hier tue, sehr ähnlich. Ich vermittle jedem von euch ein bildhaftes Gefühl von Kraft.«

»Und wie kommt es, dass du so viel über das Zeichnen von Kraftsymbolen weißt?«, fragte ein gewisser Bruce mit Argwohn in der Stimme. Er war einer der Soldaten der Imperialen Ordnung in der Mannschaft, die in ihren eigenen Zelten schliefen und sich daran stießen, dass sie die Befehle einer Angriffsspitze befolgen mussten, die ein unerleuchteter Heide war und nachts wie ein Tier angekettet werden musste. »Hier oben interessiert ihr euch ja eher für die überholten Glaubensüberzeugungen der Magie, statt euch mit den eigentlichen Dingen zu befassen, mit dem Schöpfer und eurer Verantwortung und Pflicht gegenüber euren Mitmenschen.«

Achselzuckend erwiderte Richard: »Ich wollte damit wohl nur zum Ausdruck bringen, dass dies meine Vision, meine Vorstellung von Kraftsymbolen ist. Ich möchte die Männer lediglich mit etwas bemalen, das sie meiner Meinung nach stärker aussehen lässt, das ist alles.«

Die Antwort schien Bruce nicht zufriedenzustellen. Er wies auf Johnrocks Gesicht. »Wie kommst du darauf, dieses Gekritzel könnten Sinnbilder der Stärke sein?«

»Na ja, ich weiß nicht«, sagte Richard, bemüht, sich irgendetwas einfallen zu lassen, um den Mann von seiner Fragerei abzubringen, ohne wirklich etwas Bedeutsames preiszugeben. »Aufgrund ihrer Form sehen sie in meinen Augen einfach kraftvoll aus.«

»Was für ein Unfug«, ereiferte sich Bruce. »Zeichnungen haben keine Bedeutung.«

Einige der Soldaten in der Mannschaft beobachteten Bruce und warteten auf Richards Erwiderung, so als spielten sie mit dem Gedanken, gegen ihre Angriffsspitze zu rebellieren.

Lächelnd erwiderte Richard: »Wenn du so überzeugt bist, Bruce, dass Zeichnungen keine Bedeutung haben, was hältst du dann davon, wenn ich dir eine Blume auf die Stirn male?«

Alle lachten - auch die Soldaten.

Bruce’ Blick streifte kurz seine lachenden Kameraden, und auf einmal wirkte er ein bisschen weniger selbstsicher. Er räusperte sich.

»Schätze, wenn du es so ausdrückst, verstehe ich ungefähr, was du meinst. Ich glaube, ich hätte auch gern eine von deinen Kraftzeichnungen.« Er schlug sich mit der Faust vor die Brust. »Schließlich sollen sich die anderen Mannschaften auch vor mir fürchten.«

Richard nickte. »Das werden sie auch, vorausgesetzt, ihr tut, was ich sage. Denkt daran, vermutlich werden die Spieler der anderen Mannschaften vor dem ersten Spiel die rote Farbe auf euren Gesichtern bemerken und sie für albern halten. Darauf müsst ihr gefasst sein. Lasst zu, dass ihr Gelächter euch wütend macht, eure Herzen mit dem Verlangen füllt, nach Kräften dafür zu sorgen, dass es ihnen im Hals stecken bleibt.

In dem Moment, da wir das Spielfeld betreten, werden die anderen Mannschaften und viele der Zuschauer wahrscheinlich nicht in Gelächter ausbrechen, sondern uns mit übelsten Beschimpfungen überhäufen. Sollen sie, genau das ist unsere Absicht. Sollen sie uns ruhig unterschätzen. Wenn das geschieht, möchte ich, dass ihr euch den Zorn darüber aufspart und eure Herzen davon ganz erfüllen lasst.«

Richard blickte jedem von ihnen in die Augen. »Vergesst nie, dass wir hier sind, um das Turnier zu gewinnen und uns dadurch die Möglichkeit zu verschaffen, gegen die Mannschaft des Kaisers anzutreten, eine Chance, derer allein wir würdig sind. Diese Männer, die euch auslachen, sind nichts als wertloser Abschaum. Wir müssen sie vom Platz fegen, denn sie sind ein Hindernis auf unserem Weg, gegen die Mannschaft des Kaisers zu spielen.

Ihr Gelächter soll euch in den Ohren klingen. Lasst euch davon durchdringen, aber zu keiner Reaktion hinreißen. Lasst euch nicht die geringste Reaktion anmerken, sondern schließt sie in eurem Innern ein, bis der richtige Moment gekommen ist.

Sollen sie uns ruhig für Narren halten, sich von ihrem Glauben dazu verleiten lassen, dass wir leichte Opfer seien, und darüber vergessen, sich auf das eigentliche Spiel zu konzentrieren.

In dem Moment aber, da das Spiel beginnt, entfesselt ihr euren ganzen aufgestauten Zorn gegen sie. Wir müssen sie mit aller Wucht treffen, zu der wir fähig sind, und sie vernichtend schlagen. Diese Partie muss für uns die gleiche Bedeutung haben, als träten wir gegen die Mannschaft des Kaisers an.

Ein lausiger Sieg mit zwei Punkten Vorsprung, wie normalerweise üblich, ist in dieser ersten Partie einfach nicht genug. Damit dürfen wir uns nicht zufriedengeben. Wir müssen sie vernichtend schlagen, sie in Grund und Boden rammen.

Wir müssen sie mit mindestens zehn Punkten Vorsprung besiegen.«

Den völlig verdutzten Männern klappte der Unterkiefer herunter. Derart einseitige Siege gab es nur in völlig unausgeglichenen Partien unter Kindern. Dass eine Ja’La-Mannschaft auf diesem spielerischen Niveau mit mehr als vier oder fünf Punkten Vorsprung gewann, war vollkommen beispiellos.

»Für jeden Punkt, den sie weniger erzielen, erhält jeder Spieler der unterlegenen Mannschaft einen Peitschenhieb«, fuhr Richard fort.

»Ich möchte, dass diese blutige Auspeitschungsorgie im ganzen Lager in jedermanns Mund ist.

Danach wird niemand mehr lachen, vielmehr wird jede Mannschaft, die gegen uns antreten muss, zutiefst beunruhigt sein. Wer beunruhigt ist, macht Fehler, und sobald ihnen ein solcher Fehler unterläuft, werden wir bereit sein zuzuschlagen. Wir werden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen und den Beweis erbringen, dass jeder Augenblick mit kaltem Schweiß getränkter Schlaflosigkeit berechtigt war. Anschließend werden wir die zweite Mannschaft mit einem Vorsprung von zwölf Punkten schlagen, so dass die nächste Mannschaft noch weit größere Angst vor uns haben wird.«

Richard wies mit seinem rotbemalten Finger auf die Soldaten in seiner Mannschaft. »Ihr wisst um die Wirkung solcher Taktiken. Ihr habt jede Stadt, die sich euch in den Weg gestellt hat, dem Erboden gleichgemacht, damit die noch nicht Eroberten in Erwartung eures Angriffs vor Angst zitterten, weil sie um euren Ruf wussten. Ihre Angst hat euch die Eroberung erleichtert.«

Ein Feixen ging über die Gesichter der Soldaten. Endlich konnten sie Richards Vorhaben in einen Zusammenhang bringen, mit dem sie sich auskannten.

»Wir haben ein klares Ziel: Die Mannschaft mit den rot bemalten Gesichtern muss allen anderen Angst einflößen.« Er schlug mit der Faust in seine offene Hand. »Damit wir sie anschließend eine nach der anderen vernichtend schlagen können.«

In der plötzlich entstandenen Stille ballten alle ihre Hand zur Faust, schlugen sich damit vor die Brust und schworen, genau das zu tun. Sie alle waren versessen darauf zu gewinnen, ein jeder von ihnen aus einem anderen Grund.

Doch keines dieser Motive hatte etwas mit dem von Richard gemein. Insgeheim hoffte er, dass es gar nicht erst zur Partie gegen die Mannschaft des Kaisers kommen und er sehr viel eher seine Chance erhalten würde - trotzdem musste er notfalls für diesen Fall vorbereitet sein. Vermutlich aber würde sich vorher keine brauchbare Chance ergeben, und in diesem Fall musste er sicherstellen, dass sie das Turnierfinale erreichten.

Schließlich wandte er sich wieder zu Johnrock herum und vollendete dessen Bemalung mit einigen eine ungemein wuchtige Attacke symbolisierenden Sinnbildern, die er auf seine beiden muskulösen Arme auftrug.

»Nimmst du mich als Nächsten dran, Rüben?«, bat einer der Männer.

»Und danach mich«, rief ein anderer.

»Immer schön der Reihe nach«, erwiderte Richard. »Also, während ich arbeite, müssen wir unsere Strategie besprechen. Ich möchte, dass jeder genau weiß, was er zu tun hat, wenn er in dieses Spiel geht. Wir alle müssen genauestens mit dem Plan vertraut sein und die Zeichen kennen, damit wir uns gleich vom ersten Augenblick an auf unseren Gegner stürzen können. Ich möchte, dass denen das Lachen im Halse stecken bleibt.«

Einer nach dem anderen nahmen die Männer auf dem umgestülpten Eimer Platz und ließen sich von Richard das Gesicht bemalen. Und bei jedem machte dieser sich ans Werk, als ginge es um Leben oder Tod - was in gewisser Weise ja auch stimmte.

Mit seinen nüchternen Ausführungen hatte er alle für sich eingenommen. Eine feierliche Stimmung hatte sie überkommen, während sie schweigend auf dem Boden kauerten und zuschauten, wie ihre Angriffsspitze einige der todbringendsten Ideen Gestalt annehmen ließ, wie nur er sie zu erzeugen wusste. Auch wenn ihnen die Sprache dieser Symbole unbekannt war, so verstanden sie doch die Bedeutung dessen, was Richard tat. Das angsteinflößende Erscheinungsbild jedes Einzelnen von ihnen war offenkundig.

Als alle bemalt waren, fiel Richard auf, dass es so aussah, als hätte man eine fast vollständige Zusammenstellung der den Tanz mit dem Tod darstellenden Symbole vor sich, der zur Sicherheit noch einige Symbole von den Kästchen der Ordnung hinzugefügt worden waren. Weggelassen hatte er nur jene, die er sich selbst vorbehielt, jene Elemente des Tanzes, welche die tödlichsten Schnitte ermöglichten – Schnitte, die bis auf den Grund der gegnerischen Seele schnitten. Einer der Soldaten aus seiner Mannschaft hielt ihm ein poliertes Metallstück vors Gesicht, damit er sehen konnte, wie er die Elemente des Tanzes mit dem Tod bei sich selbst auftrug. Als er seinen Finger in die rote Farbe tauchte, stellte er sich vor, es sei Blut.

Die Männer schauten mit gebannter Aufmerksamkeit zu. Er war ihr Anführer in der Schlacht, ihm würden sie beim Ja’La dh Jin folgen. Und dies war sein neues Gesicht, das sie sich mit großem Ernst einprägten. Zum Abschluss fügte er noch die Lichtblitze des Con Dar hinzu, symbolische Darstellungen der von Kahlan beschworenen Kraft, als sie mit ihm gemeinsam versucht hatte, Darken Rahl, im Glauben er sei bereits tot, am Öffnen der Kästchen der Ordnung zu hindern. Es war eine Kraft, die für Rache stand.

Der Gedanke an Kahlan, an ihren Gedächtnisverlust, den Raub ihrer Persönlichkeit, die Vorstellung, dass sie Jagang und den üblen Glaubensüberzeugungen der Imperialen Ordnung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war und er sie immer nur mit dem entsetzlichen Bluterguss im Gesicht vor sich sah, ließ sein Blut vor Zorn hochkochen. Con Dar bedeutete »Blutrausch«.

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