35

Jagangs kaiserliche Garde gab ihr Letztes und legte sich mächtig ins Zeug, um den Mob auf beiden Seiten zurückzudrängen. Zornentbrannt musste der Kaiser mit ansehen, wie rings um ihn her ein deftiges Handgemenge ausbrach, dennoch machte er keinerlei Anstalten, sich in Sicherheit zu bringen. Vielmehr schien er größte Lust zu haben, sich selbst in die Schlacht zu stürzen. Seine Leibgarde mühte sich nach Kräften, die Kämpfe, so gut es irgend ging, von ihm fernzuhalten. Kahlan erblickte Richard auf der anderen Seite des Spielfeldes, wo sich seine rote Bemalung im Schein der Fackeln wie eine Warnung abhob, die Unterwelt habe sich aufgetan und sei im Begriff, sie alle miteinander zu verschlingen. Hinter ihm und den Spielern seiner Mannschaft war der gesamte Hang in Aufruhr, ein trunkenes Toben aus entfesseltem Hass und Blutgier, das sich ungehemmt Bahn brach.

Allmählich begann sich Kahlan zu sorgen, dass Richards leuchtend rote Gesichtsbemalung ihn zum Ziel der Anhänger der kaiserli chen Mannschaft machen könnte, schließlich wussten deren Spieler nur zu gut, wer er war und was er soeben angerichtet hatte. Jetzt, da er gleichzeitig zum Gegenstand der Bewunderung und des Hasses geworden war, konnte ihm seine ursprüngliche Tarnung leicht zum Verhängnis werden.

Sie sah sich nach dem halben Dutzend ihrer diensthabenden Sonderbewacher um, erkannte, dass sie mehr mit der Sicherung des kaiserlichen Lebens beschäftigt waren als mit ihrer Bewachung, und ging rasch neben Jillian in die Hocke. Eine Reihe von Schwellungen, hervorgerufen durch Jagangs Ringe, liefen im schrägen Winkel über Niccis blutige Wange. Sie war benommen, schien aber gerade wieder zu sich zu kommen.

»Nicci!« Mit leiser Beharrlichkeit redete Kahlan auf sie ein, während sie ihren Kopf und ihre Schultern ein Stück anhob. »Seid Ihr ernsthaft verletzt?«

Blinzelnd versuchte Nicci, Kahlans Gesicht zu erkennen. »Was?«

»Seid Ihr ernsthaft verletzt?« Mit dem Finger befreite Kahlan ihre Augen von einigen Haarsträhnen. »Ist etwas gebrochen?«

Nicci betastete ihre eine Gesichtsseite und bewegte den Unterkiefer hin und her, um seine Beweglichkeit zu testen.

»Ich glaube, mir fehlt nichts.«

»Ihr müsst aufstehen. Ich glaube nicht, dass wir hier noch lange bleiben können. Richard hat seinen Krieg vom Zaun gebrochen.«

Trotz ihrer offensichtlich starken Schmerzen ging ein Lächeln über Niccis Gesicht. Sie hatte nicht einen Moment daran gezweifelt. Kahlan erhob sich und half Jillian, die noch unsichere Nicci wieder auf die Beine zu stellen. Jillian legte ihr einen Arm um die Taille, und Nicci stützte sich mit einem Arm um ihre Schultern ab.

Als Jagang dies bemerkte, wies er mit einer Hand auf Kahlan, während er mit der anderen einen ihrer Sonderbewacher beim Hemd packte und ihn in Kahlans Richtung stieß.

»Lasst sie keinen Moment aus den Augen«, knurrte er. »Das gilt für euch alle.«

Die Soldaten - die Einzigen hier, außer Richard und Jagang selbst, die sie sehen konnten - ließen von ihren Hilfsbemühungen beim Zurückdrängen der lärmenden Soldatenmassen ab und beeilten sich, dem Befehl des Kaisers Folge zu leisten.

Unterdessen bemühten sich Jagangs reguläre Gardisten zusammen mit einem Kontingent seiner allgegenwärtigen Leibwächter nach Kräften, die wogende, brüllende, tobende Menge aus gewöhnlichen Soldaten in dem Durcheinander und Chaos rings um sie her zurückzudrängen. Doch obwohl es ausnahmslos kräftige, muskelbepackte Hünen waren, gelang es ihnen gerade mal, sie mit knapper Not zurückzuhalten, wobei sie Zoll um Zoll an Boden verloren.

In Wahrheit aber waren diese regulären Truppen gar nicht an einer Auseinandersetzung mit Jagangs Leibwächtern oder gar dem Kaiser selbst interessiert - vielmehr waren sie, mitgerissen von der Begeisterung über die trunkene Prügelei, vollauf damit beschäftigt, einander mit Fäusten zu traktieren. Nichtsdestoweniger rückte die wilde Keilerei dem Kaiser immer näher.

Jagang, wütend über ihre viel zu große Nachsicht mit Männern, die offensichtlich jedem Befehl zuwiderhandelten, schrie seine Leibwächter an und befahl ihnen, jedem den Leib aufzuschlitzen, der sich weigerte zurückzuweichen. Vermutlich, schoss es Kahlan durch den Kopf, ging es ihm dabei weniger um seine eigene Sicherheit, vielmehr empörte er sich über den Mangel an Respekt gegenüber seiner Person. Die Gardisten zögerten keinen Moment. Die hochgewachsenen erfahrenen Krieger, eben noch damit beschäftigt, die Soldaten zurückzudrängen, gingen nun dazu über, die in ihre Richtung schiebenden Kameraden abzustechen. Selbst Jagang schnappte sich ein Kurzschwert, das ihm von einem seiner Leibwächter gereicht wurde, der offenbar befürchtete, sie würden um ihr Leben kämpfen müssen. Sofort machte Jagang seinem Ärger Luft, indem er auf Soldaten zu beiden Seiten einhackte. Ihre Schreie waren in dem Schlachtgebrüll jedoch kaum zu hören.

Auch war es keineswegs so, dass die umstehenden, in den Tumult verwickelten Soldaten den Befehl, zurückzubleiben, bewusst missachteten - in Wahrheit hatten sie einfach keine andere Wahl, da das Gewicht der in Massen vom Hang herunterdrängenden Männer sie zusammenpresste. Die gesamte Zuschauermenge, voll und ganz in Anspruch genommen von der Massenschlägerei, wurde von dem hangabwärts schiebenden Gedränge erfasst und hilflos geradewegs in die todbringenden Klingen der kaiserlichen Leibwache hineingeschoben. Kahlan warf einen Blick auf den Tumult auf dem Ja’La-Feld und glaubte kaum, ihren Augen trauen zu können.

Richard hielt einen Bogen in der Hand, den Pfeil bereits eingelegt. Einen zweiten hielt er zwischen den Zähnen bereit.

Jagang stand inmitten seiner Leibwache, das blutverschmierte Schwert mit festem Griff gepackt, und belferte Kommandos. Mit seinen schwarzen Augen betrachtete er die etwas weiter entfernten Soldaten, viele von ihnen rauflustig und betrunken, die sich einen mitunter tödlichen Kampf darüber lieferten, wer denn nun das Spiel gewonnen habe. Mit seiner freien Hand gestikulierend und seinen Gardisten Befehle zubrüllend, kommandierte er Einzelne von ihnen in die sich auftuenden Lücken, um den Mob zurückzuhalten.

Hinter seinem Rücken erblickte Kahlan Richard, die Bogensehne bis zur Wange zurückgezogen. Einen Lidschlag später war der Pfeil bereits davongeschnellt.

Mit angehaltenem Atem verfolgte sie die Flugbahn des mit einer rasiermesserscharfen Stahlspitze versehenen Pfeils. Fast ebenso schnell, wie der erste davongeschossen war, folgte ihm ein zweiter. Unmittelbar bevor der erste sein Ziel treffen konnte, wandte sich ein Gardist auf einen dringenden Hilferuf eines Kameraden herum, der einen Trupp auf der gegenüberliegenden Seite durch ihre Linien gebrochenen Soldaten zurückzuschlagen versuchte. Als er diesem zu Hilfe eilte und dabei genau vor Jagang herlief, traf ihn der erste für den Kaiser bestimmte Pfeil und bohrte sich unterhalb seines rechten Armes in die Brust, genau zwischen die Vorder- und Rückenplatte seiner Lederrüstung. Er drang tief genug ein, um sein Herz zu treffen, und so war es tatsächlich. Der Mann hielt schlagartig in seiner Bewegung inne. Als er keuchend zusammenbrach, wandte sich Jagang überrascht ein Stück herum und trat einen halben Schritt zurück, gerade weit genug, dass die Bewegung ihm das Leben rettete, denn der Pfeil traf ihn seitlich in die Brust. Wäre er stehen geblieben, hätte ihn der zweite Pfeil genau ins Herz getroffen.

Kahlan konnte einfach nicht glauben, dass Richard imstande war, inmitten dieses Lärms, dieses Chaos, dieses Durcheinanders und hektischen Getümmels, in dieser von Furcht, Schmerz und Tod erfassten Umgebung, einen solchen Schuss abzugeben.

Aber gleichzeitig war für sie ebenso unvorstellbar, dass er sein Ziel hatte verfehlen können.

Jagang, einen Pfeil tief in der Brust, taumelte zurück. Als er auf die Knie sackte, kamen seine Leibwächter hektisch herbeigestürzt, um einen Schutzwall rings um ihn zu bilden und zu verhindern, dass womöglich noch weitere Pfeile ihren Weg zu ihm fanden. Hinter der dichten Mauer aus Leibwächtern verlor ihn Kahlan aus dem Blick.

Dann machte sie sich den Augenblick erschrockener Starre auf den Gesichtern ihrer Sonderbewacher zunutze und rammte einem von ihnen, während dieser zusah, wie Jagangs Schicksal seinen Lauf nahm, das Messer in ihrer rechten Hand in die rechte Niere, und das in ihrer linken einem weiteren Soldaten in den Unterleib, als dieser sich in ihre Richtung drehte. Ein dritter kehrte dem Überlebenskampf Jagangs den Rücken und wollte sich schon auf sie werfen, doch Jillian stellte ihm ein Bein, als er gerade loslegen wollte. Im Vorüberstürzen stieß Kahlan ihm ihr Messer in die Kehle und trennte diese mit einem kurzen, kräftigen Ruck vom einen Ohr zum anderen auf.

Sie wandte sich herum und erblickte drüben, auf der anderen Seite des Spielfeldes, Richard.

Er hatte ein Schwert in der Hand.

Als ein weiterer Gardist, die Hände bereits ausgestreckt, um sie zu entwaffnen, ins Geschehen eingreifen wollte, rammte ihm Nicci ihr Messer in den Rücken. Einen Aufschrei der Entrüstung auf den Lippen, fasste er sich über seine Schulter an seine Wunde und drehte sich, so dass Nicci ihm das Messer noch zweimal in schneller Folge kraftvoll in die Brust stoßen konnte. Er strauchelte, versuchte sich im Fallen noch an ihr festzuhalten, doch das misslang, und er stürzte zu Boden. Dafür, dass sie nicht gerade eine Expertin im Messerkampf war, schien sie schnell begriffen zu haben.

Ein fünfter packte Jillian, um sie als Schild zu benutzen, während er auf Kahlan losging. Kahlan zerschnitt ihm den um Julians Hals gelegten Unterarm, ein Schnitt, der durch Sehnen und Muskelfleisch bis auf die Knochen drang. Als er mit einem Schmerzensschrei zurückzuckte, riss sich die Kleine blitzschnell von ihm los. Er stürzte sich auf Kahlan. Die nutzte seinen Schwung aus, um ihn mit ihrem anderen Messer zu durchbohren, und riss die Klinge dann nach oben, bis sie auf seine Rippen traf. Sie trat einen Schritt zur Seite, als er mit überrascht geweiteten Augen an ihr vorüberkippte und seine Eingeweide bei seinem Aufprall auf dem harten, kalten Boden aus dem Leib quollen. In dem Durcheinander konnte sie den sechsten Bewacher nirgendwo entdecken. Doch er war da, das wusste sie.

Noch immer strömten die Zuschauermassen hinter Richards Rücken von den Rängen herab und ergossen sich in die Mulde des Ja’La-Spielfeldes. Gruppen miteinander kämpfender Soldaten breiteten sich über die gesamte ebene Fläche des Spielfeldes aus. Die meisten Bogenschützen waren von der brodelnden Menge bereits niedergewalzt worden. Da auch die meisten Fackelträger längst von der über sie hereinbrechenden Keilerei zu Boden getrampelt worden waren, wurde es zunehmend dunkler, so dass es immer schwieriger wurde, irgendetwas zu erkennen. Das Ja’La-Feld wurde überschwemmt von miteinander kämpfenden Soldaten. Einige kämpften um ihr Überleben, andere, um zu töten. Wieder andere, vom tagelangen Feiern anlässlich des Ja’La-Turniers sturzbetrunken, kämpften um des Kämpfens willen. Der Boden war übersät mit Schwerverletzten, allenthalben erklangen die Schmerzensschreie der Verletzten, denen jedoch niemand zu Hilfe kam. In kürzester Zeit waren die Gesichter so vieler Männer blutverschmiert, dass es zunehmend schwierig wurde, Richard nicht aus den Augen zu verlieren. Was ihn eben noch aus der Menge herausgehoben hatte, diente ihm nun als Tarnung. Hatte er Augenblicke zuvor noch Verdacht erregt, wurde er in diesem Chaos jetzt immer mehr zu einem Phantom. Nicht einer der Soldaten schien zu erlahmen oder gar gewillt, es etwas langsamer angehen zu lassen. Die Männer waren empört und in der Stimmung, alle und jeden umzubringen. Äxte wurden geschwungen, Arme abgehackt, Schädel eingeschlagen, Brustkörbe mit einem einzigen Hieb gespalten. Wer ein Schwert besaß, durchbohrte damit andere. Obwohl es zunehmend schwieriger wurde, behielt Kahlan Richard im Blick, als dieser von Soldaten angegriffen wurde. Für viele war er das Ziel ihres Zorns. Er war für die gegen die Imperiale Ordnung gerichtete Blasphemie verantwortlich, er war es, der sich erdreistet hatte zu glauben, die kaiserliche Mannschaft besiegen zu können. Er hatte das Undenkbare getan, und dafür hassten sie ihn, denn sie kreideten es ihm als Überheblichkeit an.

Vermutlich glaubten sie, überlegte Kahlan, dass er hätte scheitern sollen – zur Not absichtlich. Jedweder Erfolg, wobei auch immer, war dazu angetan, ihren Hass zu wecken, und musste zunichte gemacht werden. Sie waren die brutalen Rohlinge der Imperialen Ordnung, deren Ordenslehren auf Kerle wie sie angewiesen waren, damit ihrem Glauben gewaltsam Geltung verschafft werden konnte.

Richard hielt noch immer quer über das Spielfeld auf sie zu und wurde dabei unablässig von Soldaten angegriffen, die er gelassen und ohne viel Federlesens niederstreckte. Methodisch bahnte er sich einen Weg quer über das Feld, und wer ihn dabei aufzuhalten versuchte, war des Todes.

»Was sollen wir nur tun?«, fragte Jillian verängstigt. Kahlan sah sich um. Es gab kein Entrinnen. Die Armee der Imperialen Ordnung umringte sie auf allen Seiten. Allein hätte Kahlan, die für die meisten unsichtbar war, zwar fliehen können, aber sie hatte nicht die Absicht, Jillian und Nicci inmitten all dieser Rohlinge ihrem Schicksal zu überlassen. Doch selbst wenn sie es gewollt hätte - sie trug noch immer den Ring um ihren Hals.

»Wir müssen hierbleiben«, entschied Nicci.

Obwohl sie wusste, dass es keine realistische Fluchtmöglichkeit gab, sah Kahlan sie verwirrt an. »Wieso?«

»Weil es Richard schwerfallen dürfte, uns zu finden, wenn wir uns von diesem Platz entfernen.«

Wegen des Rings, den sie und Nicci um den Hals trugen, war Kahlan eigentlich nicht der Ansicht, dass er irgendetwas tun konnte. Jagang mochte verwundet sein, war aber noch immer bei Bewusstsein. Versuchten sie, sich aus dem Staub zu machen, würde er sie über die Ringe daran hindern - wenn er ihnen nicht noch Schlimmeres antat. Sie war bereit, es darauf ankommen zu lassen, aber nicht, solange sie keinen erfolgversprechenden Weg sah.

Zudem bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass Richard Jagang erledigte. In diesem Falle hätten sie eine Chance, vorausgesetzt, die Schwestern Ulicia oder Armina tauchten in der Zwischenzeit nicht auf. Womöglich hatte der Traumwandler sie mithilfe der Kontrolle über ihren Verstand längst um Hilfe gerufen.

Jillian eng an ihren Körper gepresst, blickte Kahlan sich um. Nicci sicherte die Kleine auf der anderen Seite. Die Männer rings um sie her waren von einem wahren Blutrausch erfasst.

Kahlan nickte. »Im Schutz von Jagangs Leibwache sind wir hier im Augenblick sicherer. Aber je nach Entwicklung der Dinge könnte sich das rasch ändern.«

Ringsumher tobte das Gemetzel. Jagang lag, umringt von seiner Leibwache, auf den Knien und fasste sich an die Brust. Einige seiner Männer hatten sich neben ihm auf die Knie fallen lassen, um ihn, falls erforderlich, zu stützen, ihm aufzuhelfen und sich einen Weg nach draußen freizukämpfen. Andere befahlen, hektische Kommandos brüllend, endlich eine Schwester herbeizuschaffen. Unterdessen drosch die kaiserliche Garde, im Versuch, den Mob zurückzuhalten, noch immer voller Ingrimm auf jeden ein, der in ihre Reichweite kam. Blut und andere Körperflüssigkeiten weichten den Boden rings um den Zuschauerbereich des Kaisers zunehmend auf.

Wie gebannt verfolgte Kahlan Richard mit dem Blick. Mittlerweile kamen sie von allen Seiten und versuchten, ihn zu töten, doch er bewegte sich zwischen ihnen, als wäre er tatsächlich ein Phantom. Ganz ähnlich, wie er zuvor den Blockern ausgewichen war, tauchte er nun seitlich unter Klingen weg, wich, wenn nötig, Stößen aus und schlüpfte zwischen den Soldaten hindurch, sobald diese ihn einzukreisen versuchten. Jeder seiner Schwertstöße erfolgte mit tödlicher Schnelligkeit und forderte ein Opfer. Er war der Inbegriff sparsamer Bewegung und tat bei seinem Kampf quer über das gesamte Spielfeld nie mehr als absolut nötig, während rings um ihn her eine lärmende, tumultartige Schlacht tobte.

Inmitten dieses Chaos war Richard ein Zentrum ruhiger Gelassenheit. Jedes Mal, wenn seine Klinge aufblitzte, ging ein Mann zu Boden. Oft machte er sich gar nicht die Mühe, seine Gegner zu töten, sondern stieß sie, nachdem sie mit ihren Schwertern nach ihm geschlagen oder gestoßen hatten, einfach nur zur Seite. Als einer mit dem Messer auf ihn losging, stemmte er die Beine in den Boden und schlug ihm den Kopf ab. Wie gebannt schaute Kahlan zu.

Und begriff, wie er seine Klinge führte.

Seine Klingenführung unterschied sich grundlegend von der aller Männer rings um ihn her. In gewisser Weise war es, als beobachtete sie sich selbst in der Hitze des Gefechts. Anders als die oftmals überrascht reagierenden Soldaten, wusste sie meist ganz genau, wie er sich verhalten würde.

Obwohl sich sein Kampfstil in mancher Hinsicht von dem ihren unterschied, hatte er mit ihrer Klingenführung doch auch viel gemein. War es für ihn vorteilhaft, nutzte er seine größere Körperkraft, trotzdem hatte er mehr mit ihr gemein als jeder andere, dem sie je begegnet war. Obwohl er über große Kraft verfügte, sparte er sich diese auf, indem er stets nur das unbedingt nötige Maß an Energie einsetzte. Nie ging er auf andere zu, sondern wartete, bis sie zu ihm kamen, verzichtete auf große Bewegungen, nutzte stattdessen den Schwung seiner Gegner aus und brachte seine Klinge in Stellung, so dass sie sich beim Zusammenstoß damit selbst durchbohrten. Stets schien er noch vor ihnen genau zu wissen, wie sie sich verhalten und wo sie sich befinden würden, und benutzte dieses Wissen gegen sie.

Während er sich einen Weg durch das Gemetzel bahnte, entfernte sich sein Blick nie weit von ihr.

Doch so erfolgreich er sich die Männer auch vom Leibe hielt, er war nur ein einzelner Mann, der dem gewaltigen Druck der Armee rings um ihn her nicht ohne weiteres standzuhalten vermochte, so dass der Ansturm dieser Massen ihn trotz seiner tapferen Gegenwehr letztendlich zu überwältigen drohte.

Einen Moment darauf verlor Kahlan ihn aus den Augen.

»Was sollen wir nur tun?«, wimmerte Jillian.

Kahlan sah, dass Jagang Blut spuckte und Mühe hatte, Luft zu bekommen.

»Ich denke, wir sollten irgendwie versuchen, uns von hier zu entfernen.«

»Kommt nicht in Frage«, widersprach Nicci. »Wenn Richard uns nicht finden kann, sind wir verloren.«

Kahlan wies auf das Chaos ringsum. »Was kann er Eurer Meinung wohl dagegen ausrichten?«

»Ich finde, mittlerweile solltet Ihr gelernt haben, ihn nicht zu unterschätzen.«

»Nicci hat recht«, bestätigte Jillian. »Ich hab ihn sogar schon aus dem Totenreich wiederkehren sehen.«

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