Sich mit dem Fuß auf dem Rücken eines gefallenen Ordenssoldaten abstützend, warf sich Cara ihm entgegen, als er sich von seinem Schwung durch das Chaos aus Staub und Gesteinsbrocken tragen ließ, das Bruce beim Durchstoßen der dünnen Marmorschicht erzeugt hatte. Den heransirrenden Klingen und spritzendem Blut ausweichend, ließ er Nicci zu Boden gleiten und brachte sie in Sicherheit, indem er ihren erschlafften Körper auf einer glitschigen Schicht Gesteinsstaub über den polierten Boden zur anderen Seite des Flurs hinüberschob. Anschließend machte er sofort kehrt und warf sich mit erhobenem Schwert der Wand aus Männern entgegen, die aus dem dunklen Gang hervorbrach und in den von Fackeln beschienenen Flur hineinstürmte. Gnadenlos nutzte er jede Blöße, während sie wie von Sinnen kämpfend an ihn heranzukommen, ihn niederzustrecken versuchten. Klingen durchtrennten Muskelfleisch bis auf die Knochen. Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm aus Grunzlauten und Schlachtgebrüll, durchsetzt von Todesschreien.
Richard wich ihren ungestümen Attacken aus und nutzte jede sich bietende Gelegenheit, sich mit seiner Klinge dem Ansturm entgegen zuwerfen, doch für jeden, den er tötete, schienen drei neue Männer seinen Platz einzunehmen.
Als sich ein Hüne mit kahlrasiertem Schädel auf Richard stürzen wollte, warf sich Cara gegen ihn und rammte ihm beidhändig den Strafer gegen den Hals. Richard sah kurz den Schmerz in seinen Augen aufblitzen, ehe er zu Boden ging. Sofort nutzte er den Raumgewinn, um sein Schwert mit einer Körperdrehung einem anderen in die Flanke zu stoßen. Die Männer, die sich klammheimlich in dem dunklen Gang versammelt hatten, waren offenkundig erfahrene Kämpfer. Auch wenn die Schlacht früher als erwartet begonnen hatte, jetzt kämpften sie mit ungehemmter Wildheit. Dies waren mitnichten die regulären Truppen der Imperialen Ordnung, Männer, die des Ruhmes und der Beute wegen in die Armee eingetreten waren, dies waren Söldner, gut ausgebildete und kampferprobte Krieger, die genau wussten, was sie taten. Es waren ausnahmslos kräftige Soldaten, die alle zumindest Lederrüstung trugen, einige von ihnen darüber sogar noch Kettenpanzer. Alle waren sie mit hervorragend gearbeiteten Waffen ausgestattet und kämpften mit durchdachten Bewegungen, die darauf abzielten, die Verteidigung eines jeden Gegners zu durchbrechen.
Doch so geschickt sie auch kämpften, sie waren in einem unbedachten Augenblick erwischt und von der in Sekundenschnelle um sich greifenden Gewalt, die auf die völlige Finsternis folgte, überrumpelt worden. Sie hatten sich bei ihrem klammheimlichen Vordringen auf feindliches Gebiet in Sicherheit gewähnt, nur um in einem Moment völliger Verwirrung von einer lähmenden Angst vor dem Unbekannten übermannt zu werden. In diesem kurzen Augenblick völliger Bestürzung hatte das Sterben unter diesen Männer eingesetzt, ohne dass sie das Wie und Warum begriffen hätten.
Dieses Überraschungsmoment hatte Richard ausgenutzt, um so schnell wie möglich ihre Linien zu durchbrechen, da er auf keinen Fall in einen Kampf Mann gegen Mann verwickelt werden wollte. Ein schneller Durchbruch war sein Ziel, keine gegen den Feind gerichtete Attacke. Weil sie Nicci, Jillian und Adie beschützen mussten, hatten er, Bruce und General Meiffert nicht mehr tun können, als sich, ohne in ihrem Schwung nachzulassen, mit unnachgiebiger Härte einen Weg durch die Soldaten zu bahnen.
Das war nicht eben leicht gewesen.
So überrascht die Ordenstruppen auf die plötzliche Dunkelheit reagiert hatten, jetzt waren sie in ihrem Element. Dies waren eben-jene Krieger, die der Orden üblicherweise an die Spitze einer Invasion stellte, um den Gegner in einer ersten wuchtigen, jede Gegenwehr zerschlagenden Attacke niederzuwalzen.
Zum Glück waren Richard, Bruce und General Meiffert nun endlich nicht mehr auf sich allein gestellt. Cara streckte jeden nieder, der in ihre Nähe kam, und kletterte über jene hinweg, die Richard in Stücke zu hacken versuchten. Diese Männer wussten, wie man mit bewaffnetem Widerstand umging, hatten aber keine Ahnung von Mord-Sith. Schon begannen die ersten vor Cara zurückzuweichen, nur um von anderen, plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Mord-Sith niedergemacht zu werden. Überall hörte man die gequälten Schreie von Soldaten. Unweit davon wurden die Ordenskrieger durch Männer der Ersten Rotte von zwei Seiten gleichzeitig bedrängt. Richard sah General Trimack seine Leute ins dichteste Schlachtgetümmel führen, die Elite der Elite, die den Ordenskriegern nicht nur an Körpergröße, sondern auch sonst in jeder Hinsicht mehr als ebenbürtig war. Die D’Haranischen Soldaten waren ausnahmslos kampferprobte Männer.
Mehrere Krieger in dunkler Lederrüstung, das Gesicht verzerrt von Zorn und Hass, stürzten sich auf Richard. Noch ehe er sein Schwert gegen sie in Stellung bringen konnte, stellten sich ihnen zwei andere Hünen in den Weg und schlitzten ihnen mit blitzschnellen Bewegungen ihrer Ellbogen die Hälse auf und durchtrennten ihnen die Halsschlagader. Erstaunt erkannte Richard Ulic und Egan, die beiden blonden, hünenhaften Leibwächter des Lord Rahl, deren aus Riemen, Panzerung und Gürtel bestehenden dunklen Lederuniformen so geformt waren, dass sie sich wie eine zweite Haut über die Konturen ihrer mächtigen Muskeln legten. Mitten auf der Brust war ein verziertes »R« mit zwei gekreuzten Schwertern darunter ins Leder eingraviert, und unmittelbar über den Ellbogen trugen sie eigens für den Nahkampf entwickelte Metallbänder, die mit rasiermesserscharfen Klingen versehen waren. Schon bald wurde deutlich, dass jeder, der den beiden nahe genug kam, um ihre Bekanntschaft zu machen, nicht einfach nur sterben, sondern auf höchst grausame Weise krepieren würde.
Andere durch die Bresche strömende Truppen wurden von Dingen niedergestreckt, die Nathan ihnen kraft seiner Gabe entgegenschleuderte. Gleißend helle Lichtblitze zerfetzten explosionsartig Soldaten in Kettenhemden, ließen glühend heiße Metallsplitter von Wänden, Fußboden und Decke abprallen. Es war ein erbitterter, einseitiger Kampf, in dem die Soldaten keine Chance hatten, auch nur ihr Schwert gegen den hochgewachsenen Propheten zu erheben, ehe sie durch den gebündelten Einsatz seiner Gabe in Stücke gerissen wurden.
Richard gewahrte plötzlich, dass Adie über und über mit Blut bedeckt war.
Cara erstarrte auf der Stelle. »Benjamin?«
»Hier! Übernehmt Adie!«
»Ich muss Lord Rahl beschützen!«
»Tut, was ich Euch sage!«, brüllte er sie über das Getöse des Schlacht an.
»So helft ihr schon!«
Zu Richards Überraschung stellte sie ihren Protest augenblicklich ein und nahm Adie aus seinen Armen entgegen. Der packte Jillian mit seiner freien Hand und zog sie auf seine andere Seite, fort von den beiden Kriegern, die ihn von rechts bestürmten. Den Kopf zwischen die Schultern gezogen, stieß er sein Schwert nach vorn und durchbohrte einen der Angreifer. Bruce war ebenfalls sofort zur Stelle, allerdings so tief abgetaucht, dass er der Klinge des Generals nicht in die Quere kam, und brachte den zweiten Mann mit einem Schnitt gegen seine Knie zu Fall. Als ein dritter den General zu packen versuchte, legte Egan ihm seinen muskulösen Arm um den Hals und drückte zu. Der Mann erschlaffte. Egan schleuderte ihn zur Seite wie eine Lumpenpuppe und machte sich sofort über den zweiten Ordenskrieger her.
»Zurück!«, schrie General Meiffert Cara an, als diese sich erneut ins dichte Kampfgetümmel stürzen wollte.
»Ich muss Lord Ra-«
»Zurück mit Euch!«, brüllte er und stieß sie gleichzeitig mit der Hand zurück. »Ich sagte zurück!«
»Nathan!«, übertönte Richard den tosenden Lärm, als ihm klar wurde, welche Chance sich dadurch ergeben hatte, dass General Meiffert Cara unsanft aus dem Weg geschoben hatte. Als der Prophet sich auf den Zuruf hin umdrehte, wies Richard in den dunklen Tunnel, den der General soeben verlassen hatte. »Wir sind alle durch! Jetzt!«
Nathan verstand. Er vergeudete nicht eine Sekunde und riss sofort die Hände hoch. Zwischen seinen Händen entflammte ein Licht, und aus diesem immer heller werdenden Licht erwachte explosionsartig Zaubererfeuer zum Leben, das die Szenerie der voll entbrannten Schlacht in ein Gemisch aus schillernden Farben und flackernder Helligkeit tauchte.
Ohne Zögern schleuderte Nathan es dem Feind entgegen. Die tödliche Kugel aus brodelndem, siedendem, flüssigem Licht schoss rotierend davon. Noch während es durch die Luft segelte, nahm das weiß gleißende Inferno an Umfang zu. Sein Geheul war selbst bei dem ungeheuren, durch die steinernen Flure hallenden Schlachtgetöse zu hören, als es auf den dunklen Gang zuraste, durch den die Ordenstruppen weiterhin nach vorne drängten, um sich in das Kampfgetümmel zu stürzen und den Palast zu stürmen. Das Zaubererfeuer schoss den Gang entlang und tauchte den weißen Marmor in ein orange-rotes Licht. Schon sein Geräusch ließ die Männer in Panik erstarren.
Ein grauenvoller Anblick bot sich, als der brennende Tod über das lebendige Fleisch hinwegschwappte. Immer noch in der Luft, rauschte die Kugel aus flüssigem Feuer über die Köpfe der Männer hinweg, allenthalben unter ihnen Tod und Verderben verbreitend, bis die sich dahinwälzende Flammenhölle in einem Schwall aus geschmolzenem Licht und Feuer zerbarst, der sich über die entsetzten Soldatenmassen ergoss.
Die gequälten Schreie übertönten das Klirren der aufeinanderprallenden Klingen um ein Vielfaches.
Nathan erzeugte die nächste Kugel Zaubererfeuer, und Augenblicke später war auch diese unterwegs.
Die Feuerkugel wälzte sich den dunklen Gang entlang, immer wieder hin und her geworfen zwischen Wänden und Soldaten, und setzte, ihr Feuer versprühend, alles lichterloh in Brand. Die flüssigen Flammen waren von einer so hartnäckigen Klebrigkeit, so erfüllt von alles versengender Hitze, dass sie sich durch Lederrüstungen fraßen und durch Kettenpanzer schwappten, um sich anschließend brennend auf das nackte Fleisch zu heften.
Die bereits in den Flur vorgedrungenen Soldaten wussten, dass sie nicht auf nachrückende Unterstützung hoffen konnten. Schon brachen die Männer der Ersten Rotte in ihre Reihen ein, pflügten sie unter und spießten Kameraden auf, die sich unter dem Gewicht der sie von beiden Seiten bedrängenden Soldaten nicht mehr von der Stelle rühren konnten. Sie hatten nur eine einzige Chance, sie mussten um ihr nacktes Überleben kämpfen. Eine Kapitulation war in diesem Gemetzel nicht mehr möglich ...
Richard hatte richtig vermutet. Es befanden sich zu viele Soldaten in dem Gang, um gegen sie zu kämpfen, deswegen hatte er seine Begleiter aus dem Weg schaffen wollen, um Nathan den Einsatz seines Zaubererfeuers zu ermöglichen. Der General hatte Richards Absicht sofort durchschaut. Als kommandoführender Offizier konnte er nicht dulden, dass jemand seine Autorität untergrub, schon gar nicht in der Hitze des Gefechts. Als das auch Cara dämmerte, sah sie von einer Konfrontation ab und begab sich augenblicklich zu Richard, der über den blutverschmierten Boden auf allen vieren zu Nicci hinüberkroch, die vor einer Wand auf dem Rücken lag.
»Nicci?« Behutsam schob er ihr eine Hand unter den Nacken. »Haltet durch. Nathan ist hier.«
Sie hatte die Augen verdreht und wand sich in Schmerzenskrämpfen. Richard vermutete, dass Jagang sie umzubringen versuchte, was der über dem Palast liegende Bann jedoch erschwerte, so dass sie einen qualvoll langsamen Todeskampf durchlitt.
Er wandte sich herum. »Nathan! Wir brauchen dich hier!«
Schließlich sah er ihn. Er kniete jenseits der am Boden liegenden Körper gefallener Ordenssoldaten neben jemandem. Richard hatte das entsetzliche Gefühl, genau zu wissen, wer es war. Nathan blickte auf und starrte ihn voller Trauer hilflos an.
»Haltet durch, Nicci. Hilfe ist unterwegs. Ich verspreche, ich werde Euch den Halsring abnehmen. Haltet durch.« Er packte Cara beim Arm und zog sie zu sich heran. »Bleibt bei ihr. Ich möchte nicht, dass sie das Gefühl hat, allein zu sein. Sie darf sich auf keinen Fall aufgeben.«
Cara nickte, die blauen Augen tränenfeucht. »Ich freue mich sehr, Euch zu sehen, Lord Rahl.«
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und stand auf. »Ich weiß. Glaubt mir, mir geht es ganz genauso.«
Richard nahm sich nicht die Zeit, einen freien Weg zu suchen, sondern kletterte mit hastigen Bewegung über den Berg aus toten Ordenssoldaten hinweg. Die Berge von Leichen, abgetrennten Gliedern und Köpfen, diese Unmengen von Blut, die die ehrwürdigen weißen Marmorhallen des Palasts besudelten, hatten etwas Unwirkliches.
Seine Befürchtungen wurden bestätigt, als er sah, dass Nathan neben Adie kniete. Die alte Hexenmeisterin atmete kaum noch. Er ging neben dem Propheten auf die Knie. »Du musst ihr helfen, Nathan.«
General Meiffert und Jillian knieten auf der anderen Seite der alten Frau. Jillian hatte ihre Hand ergriffen und presste sie an ihre Brust. Nathans Blick war müde, seine Augen voller Tränen. »Tut mir leid, Richard, aber es könnte sein, dass dies meine Fähigkeiten übersteigt.«
Richard schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter, als er Adie betrachtete. Sie schaute mit ihren vollkommen weißen Augen zu ihm hoch und schien trotz ihrer vermutlich fürchterlichen Schmerzen ganz mit sich im Reinen.
»Wir haben es geschafft, Adie. Euer Plan hat funktioniert. Ihr habt uns bis hierher gebracht.«
»Ich bin sehr froh, Richard.« Ein dünnes Lächeln ging über ihre Lippen.
»Aber jetzt musst du Nicci helfen.«
»Kümmert Euch erst einmal um Euch selbst.«
Sie packte ihn am Arm und zog ihn näher. »Du musst ihr helfen. Meine Arbeit ist getan. Sie ist jetzt deine einzige Chance, all das zu retten, was uns in dieser Welt lieb und teuer ist. Hilf Nicci. Sie ist jetzt deine einzige Hoffnung. Versprich es mir.«
Richard nickte und fühlte eine Träne über seine Wange laufen. »Ich verspreche es.«
Ihr Lächeln wurde breiter, bis sich die feinen Fältchen ihrer Wangen verzogen.
Richard konnte nicht anders: Was sie soeben getan hatte, nötigte ihm ein Lächeln ab. Hexenmeisterinnen, hatte Zedd ihm einst erklärt, gaben nie ihr ganzes Wissen preis und lullten einen dadurch so sehr ein, dass man Dingen zustimmte, die man sonst niemals akzeptieren würde.
»Ich brauche keine Hexenmeisterinnentricks, damit ich mein Versprechen halte, Nicci zu helfen. Nathan wird sie von ihrem Ring befreien.«
Sie lächelte ihn an, und er spürte ihren Griff ein wenig fester werden. »Da wäre ich nicht so sicher, Richard. Sie braucht Hilfe, wie nur du sie ihr geben kannst.«
Er wusste nicht, was er tun könnte, dessen nicht auch Nathan fähig wäre. Selbst wenn er auf seine Gabe zurückgreifen könnte, hatte er schon seit langem die Verbindung zu ihr verloren. Als Adies Augen sich langsam schlossen und Jillian vor Kummer zu weinen begann, legte General Meiffert ihr einen Arm um die Schultern.
»Lord Rahl!«, rief Cara.
Richard und Nathan sahen sich zu der Mord-Sith um, die sich über Nicci beugte. »Beeilt Euch!«
»Haltet durch!«, sagte Nathan leise zu Adie und legte ihr sachte einen Finger an die Stirn. Mit einem Seufzer erschlafften Adies Muskeln.
»Das wird sie fürs Erste ruhigstellen«, vertraute er Richard an.
»Vielleicht kann ich mithilfe der Schwestern später mehr für sie tun.«
Richard nickte, fasste Nathan unterm Arm und half ihm auf die Beine. Gleich darauf waren sie bei Nicci. Sofern das überhaupt möglich war, schien sich Niccis Zustand noch verschlechtert zu haben. Sie wand sich im Griff einer unsichtbaren Kraft, die ihr das Leben aus dem Leib zu pressen versuchte.
Nathan hob Niccis Augenlid ein wenig an und machte sich rasch ein Bild von ihrem Allgemeinzustand. Dann streckte er sich, legte beide Hände auf das glatte Metall an ihrem Hals und schloss, die Stirn vom angestrengten Einsatz unsichtbarer Kräfte tief zerfurcht, für einen Moment die Augen. Die Luft ringsum schien von einer sanften Vibration zu summen. Nach einem Moment erstarb die widersprüchliche Empfindung wieder.
»Tut mir leid, Richard«, sagte er ruhig, als er sich schließlich wieder aufrichtete.
»Was soll das heißen, es tut dir leid? Er sitzt noch immer fest um ihren Hals. Du musst ihn ihr abnehmen, ehe er sie umbringt.«
Als Nathan seinen Blick über all die Toten schweifen ließ, schienen seine tiefblauen Augen noch ein wenig feuchter als vor wenigen Augenblicken. Schließlich fand sein sorgenvoller Blick zurück zu Richard.
»Tut mir leid, mein Junge, aber ich kann nichts für sie tun.«
»Doch, könnt Ihr«, mischte sich Cara ein. »Ihr könnt ihr den Halsring abnehmen.«
»Ich würde es ja tun, wenn ich könnte« - er schüttelte mutlos den Kopf – »aber ich kann es nicht. Er wird von beiden Seiten ihrer Gabe gehalten, und ich besitze nur die additive.«
Richard gab nicht auf. »Der Palast verstärkt doch deine Fähigkeiten. Du bist ein Rahl, hier im Palast sind deine Kräfte sehr viel stärker. Also benutze sie auch.«
»Für meine additive Seite mag das durchaus zutreffen ... aber ich besitze keine subtraktive Magie, die man verstärken könnte. Und ohne das Entgegenwirken der subtraktiven Seite sind mir die Hände gebunden.«
»Du könntest es doch wenigstens versuchen!« Nathan legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das habe ich bereits getan. Meine Talente reichen nicht aus. Tut mir leid.« »Aber dann wird sie sterben.«
Nathan sah ihm in die Augen und nickte langsam. »Ich weiß.« Hinter ihm erschien General Meiffert. »Lord Rahl.« Beide, Nathan und Richard, blickten auf.
Einen Moment lang zögerte der General, während sein Blick zwischen beiden hin und her wechselte. »Wir müssen etwas unternehmen, bevor es ihnen gelingt, weitere Truppen durch diese Gänge bis hierher zu schicken. Niemand vermag zu sagen, wie viele Soldaten sich noch in den anderen Gängen und Räumlichkeiten dort unten befinden, die nur darauf warten, den Angriff wiederaufzunehmen. Wir müssen unverzüglich handeln.«
»Säubert die Gänge«, schlug Richard vor. Seine Stimme klang ihm hohl in den Ohren.
»Was?«, fragte Nathan.
»Lasst die Flure hier oben räumen und vergewissert Euch, dass sich keine Ordenssoldaten mehr hier befinden, dann setzt Zaubererfeuer ein. Jagt es durch die Katakomben. Die Katakomben sind den Toten vorbehalten, also säubert sie von allen Lebenden.«
Nathan nickte. »Ich werde mich augenblicklich darum kümmern.«
Richard erhob sich, Niccis Hand mit festem Griff umklammert, und blickte zu dem hochaufgeschossenen Zauberer hoch. »Aber irgendetwas musst du doch tun können, Nathan.«
»Ich kann verhindern, dass noch mehr von ihnen durchbrechen.«
»Ich meinte im Hinblick auf Nicci. Was können wir tun, um ihr zu helfen?«
»Bleib bei ihr, Richard. Weiche nicht von ihrer Seite, bis es vorbei ist. Lass sie in ihren letzten Augenblicken nicht allein. Mehr können wir im Moment nicht tun.«
Dann machte er mit einem eleganten Schwung seines Umhangs kehrt und eilte General Meiffert hinterher.