SOL 38 SONNENUNTERGANG

Wosnesenski sollte als letzter untersucht werden.

Der Russe war nicht in der Stimmung, sich von einem Weißkittel Löcher in die Haut bohren zu lassen. Connors hatte gerade gemeldet, daß der Rover mitten auf dem Hang steckengeblieben war. Man würde einen Rettungstrupp hinschicken müssen. Aber wie? Und wen? Dr. Li weigerte sich, irgendeine Aktion zu genehmigen, bevor er nicht Rücksprache mit dem Kontrollzentrum in Kaliningrad gehalten hatte. Mittlerweile brach die Nacht herein, und die vier Leute im Rover waren sterbenskrank.

Nicht daß es den Leuten in der Kuppel viel besser gegangen wäre. Toshima war auf einmal an seinem Arbeitsplatz zusammengebrochen; sie hatten ihn zu seiner Liege tragen müssen.

Patel, Naguib, sogar Abell und Mironow brachten auch kaum noch etwas zustande, sondern hingen nur kraftlos herum. Monique Bonnet, die während der letzten beiden Tage noch die muntere, mütterliche Krankenschwester gewesen war, schleppte sich mühsam herum; ihre Augen lagen vor Erschöpfung tief in den Höhlen.

»Und wie fühlen Sie sich im allgemeinen?« fragte Dr. Yang, als Wosnesenski auf dem kleinen weißen Hocker im Krankenrevier Platz nahm.

Der Russe sah sie finster an. »Ich habe wichtige Arbeit zu tun«, sagte er. »Wir stecken in einer Krise…«


Yang war nicht viel größer als Wosnesenski, obwohl er saß und sie stand. Aber sie brachte ihn abrupt zum Schweigen, indem sie ihre Mandelaugen einmal kurz und energisch schloß.

»Sie werden überhaupt nichts gegen Ihre Krise unternehmen können, wenn sich Ihr Gesundheitszustand und der Ihrer Leute weiterhin verschlechtert.« Sie hob die Stimme nicht, aber in ihren Worten war kalter Stahl. »Jetzt beantworten Sie bitte meine Fragen und tun Sie, was ich Ihnen sage.«

Wosnesenski warf einen Blick zu Reed, der an der Patientenliege in der Ecke des winzigen Krankenreviers lehnte. Reed schien es gesundheitlich gut zu gehen; sein Gesicht war rosa.

Aber wenigstens war sein verdammtes überhebliches Lächeln verschwunden. Er schaute finster drein, und seine Miene war verwirrt und frustriert.

»Je eher Sie kooperieren, desto eher sind wir fertig«, sagte Yang.

Wosnesenski kapitulierte. »Was soll ich tun?«

»Krempeln Sie Ihren linken Ärmel hoch und sagen Sie mir, wie Sie sich fühlen. Und zwar möglichst präzise

Der Russe holte tief Luft, während er die Manschette seines Overallärmels aufknöpfte. »Ich bin schwach, mir tun die Beine weh, ich habe keinen Appetit.«

»Haben Sie diese Symptome schon einmal an sich bemerkt?«

Yang hielt eine Spritze in einer Hand; die Nadel glitzerte im Licht der Deckenlampen.

»Nicht daß ich wüßte.«

»Müssen Sie husten oder niesen? Haben Sie Schmerzen in der Brust?«


Wosnesenski schüttelte den Kopf und zuckte dann zusammen. Yang fand beim ersten Versuch eine Vene; die Nadel ging glatt hinein.

»Haben Sie irgendeinen Ausschlag?« fragte sie.

Wosnesenski sah zu, wie sich der Kolben mit dunklem Blut füllte. »Nein. Ist mir nicht aufgefallen.«

Yang zog die Nadel heraus und klatschte ein Plastikpflaster auf den Einstich. Reed sah stumm zu, die Arme vor der Brust verschränkt. Die kleine chinesische Ärztin bat Wosnesenski, sich bis zur Taille auszuziehen. Wortlos schlüpfte der Russe aus dem Oberteil seines Overalls und zog sich das Unterhemd über den Kopf.

Yang sah sich seinen Rücken an. »Kein Ausschlag«, murmelte sie.

»Ist das wichtig?« fragte Wosnesenski.

»Vielleicht.« Sie schaute durch den kleinen Raum zu Reed hinüber, dann sagte sie mit leiser Stimme geistesabwesend zu Wosnesenski: »Sie können jetzt gehen.«

»Danke.« Der Russe zog sich das Oberteil seines Overalls wieder an und schlurfte aus dem Krankenrevier. Sein Unterhemd nahm er mit.

Jamie betastete den Bärenfetisch durch die Handschuhe des Raumanzugs. So dünn und flexibel die Handschuhe auch waren, sie raubten ihm die Möglichkeit, die polierte Wärme des Steins richtig zu spüren.

Er stand auf dem Dach des Labormoduls in den letzten, schräg einfallenden Strahlen der untergehenden Sonne. Er und Connors hatten es kaum noch geschafft, die Luke der Luftschleuse aufzudrücken; dann war der Astronaut auf dem Boden der Luftschleuse zusammengesackt. Er hatte vor Schwäche nicht mehr weitergekonnt. Jamie hatte ihn dort in einem Haufen hereingewehtem, lockerem Staub sitzen lassen und war die in die Seitenwand des Rovers eingelassene Leiter hinaufgestiegen, um sich einen Überblick über ihre Lage zu verschaffen.

Er hatte es nicht gewagt, auf den Sand selbst hinauszutreten, weil er Angst hatte, so tief in den pulvrigen Staub einzusinken, daß er sich nicht mehr mit eigener Kraft daraus befreien konnte.

Darüber steht nichts im Buch mit den Missionsvorschriften, hatte Jamie sich gesagt, während er langsam und vorsichtig die Leiter hinaufkletterte. Er war dabei wie ein Bergsteiger vorgegangen, das hieß, er achtete darauf, daß er immer an drei Punkten festen Halt hatte. Eine behandschuhte Hand zur nächsten Sprosse heben. Sie packen, dann die andere Hand heben. Zupacken, dann einen gestiefelten Fuß. Sich vergewissern, daß er fest auf der Sprosse steht, dann den anderen nachziehen. Der Staub machte ihm Angst. Er stellte sich vor, wie er darin versank, als wäre es Treibsand.

Nun stand er endlich auf dem Dach. Wenn du auch nur die geringste Macht hast, uns zu helfen, sagte er stumm zu dem Fetisch, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sie einzusetzen.

»Wie sieht’s aus?« kam Connors’ Stimme aus seinen Helmlautsprechern.

»Nicht gut«, erwiderte Jamie und ließ den Blick über die Szenerie schweifen. »Der Rover steckt bis über die Kotflügel drin, nur die letzte Hälfte des hinteren Moduls ist im Freien. Nicht genug Bodenhaftung, um uns rauszuziehen.«


Connors sagte nichts, aber Jamie hörte seinen schweren Atem.

»Wie geht es Ihnen?« fragte er.

»Gut. Ich komme nur nicht auf die Beine, das ist im Augenblick alles.«

Jamie war so schwindlig, daß sich alles um ihn drehte. Er hatte Schmerzen am ganzen Körper und war derart müde, daß er versucht war, sich einfach dort draußen hinzulegen und einzuschlafen. Der Canyon war so breit, daß er tatsächlich den Sonnenuntergang miterlebte; die Felswände auf der anderen Seite waren zu weit entfernt, als daß man sie hätte sehen können, so hoch sie auch waren. Er betrachtete die Sonne, sah, wie sie den felsigen Horizont berührte, und spürte, wie sich der Schatten der tödlichen, eisigen Nacht nach ihm ausstreckte. Er erschauerte im Innern seines Anzugs, fast wie ein Hund, der Wasser abzuschütteln versucht.

Im schwindenden Licht schaute er auf den winzigen steinernen Bären hinunter. Das Lederband, das die winzige Pfeilspitze und die Feder hielt, war von seinem Großvater liebevoll drum herum gewickelt worden. Eine Adlerfeder, sagte sich Jamie. Ein Symbol der Kraft. Die könnte ich jetzt wirklich brauchen.

In sein Helmmikrofon sagte er: »Ich glaube, ich komme jetzt runter. Hier oben kann ich nichts tun, und die Sonne geht unter.«

Jamie steckte den winzigen steinernen Bären wieder in die Tasche am rechten Bein seines Anzugs und machte sich an den Abstieg. Als er sich mühsam wieder in die Luftschleuse zurückgeschleppt hatte, war es dunkel draußen. Connors saß in dem aufgehäuften Sand. Sein weißer Anzug war über und über von rotem Staub überzogen.

Jamie bemühte sich, seiner Stimme einen munteren Klang zu verleihen. »Sie sehen wie ein Schneemann aus, den man mit Rost beschmiert hat.«

»Ich fühle mich auch wie ein verdammter Schneemann – im Juli«, knurrte Connors.

Mühsam wie zwei arthritische alte Männer schaufelten sie den größten Teil des Sandes nach draußen und schlossen dann die Außenluke.

»Wir müssen jetzt noch die Anzüge saubermachen«, murmelte Connors.

»Zuerst müssen wir Sie mal auf die Beine bringen«, erwiderte Jamie.

Es kam ihm so vor, als würde er stundenlang an ihm ziehen und schieben, aber schließlich stand Connors wieder, und sie saugten routinemäßig den Staub von ihren Anzügen. Die Anzüge hatten jedoch immer noch rostrote Flecken, als sie sich schließlich aus ihnen herausschälten. In der Luftschleuse roch es so stark nach Ozon, daß Jamies Augen brannten und tränten.

Schließlich taumelten sie durch die Innenluke und ließen sich auf die Bänke in der Mitte fallen. Die beiden Frauen waren vorn im Cockpit. Joanna hatte sich einen Kopfhörer über den Kopf gezogen.

»Wosnesenski will mit euch sprechen«, rief sie mit heiserer Stimme zu ihnen nach hinten.

Ilona sagte leise: »Das Russenschwein will seine wichtigen Botschaften keiner Frau anvertrauen.«


Jamie merkte, wie er die Beherrschung verlor. »Herrgott noch mal, Ilona, hör auf mit dem russenfeindlichen Mist! Unsere Lage ist auch ohne deinen Blödsinn schon schlimm genug!«

Sie lächelte ihn träge an. »Was macht es schon aus? Wir werden hier sowieso alle sterben, ganz gleich, was ich sage, oder?«

Joanna packte sie am Arm. »Nein! Wir werden nicht sterben!

Jamie läßt uns nicht sterben.«

Er schaute in ihre Gesichter, während er sich mühsam zu ihnen ins Cockpit zog. Die Krankheit hatte sie verändert. Ilona war nicht mehr die hochmütige, herrische Schönheit, die sich über alle Vorschriften hinwegsetzte. Ihre Wangen waren eingesunken, und sie hatte dunkle Ringe um die Augen. Aus ihrer Miene sprach Panik; der Geruch des Todes ging von ihr aus. Joannas Augen brannten, loderten. Sie wirkte immer noch wie ein ungepflegtes kleines Straßenkind, aber jetzt war etwas in ihren Augen, das Jamie noch nie zuvor darin gesehen hatte: eine Kraft, eine Ausdauer, die ihm bisher nicht an ihr aufgefallen waren. Vielleicht hatte Joanna selbst nicht gewußt, daß sie darüber verfügte. Sie richtete die Augen auf Jamie und sah ihn eindringlich und fordernd zugleich an.

»Nein, ich lasse uns nicht sterben«, flüsterte Jamie. Jedenfalls nicht kampflos, fügte er stumm hinzu.

Ein wachsendes Gefühl der Hilflosigkeit begann Dr. Li zu überwältigen.

»Kaliningrad besteht darauf, daß ein Rettungsflug nicht in Frage kommt«, sagte er.

Der Expeditionskommandant wollte aufstehen und hin und her gehen, wollte die nervöse Energie abarbeiten, die in ihm brodelte. Aber in dem engen, niedrigen Kommandomodul mußte er sich damit begnügen, in einem der schmalen, gepolsterten Sitze zu hocken, wo seine Knie auf lächerliche Weise in die Höhe ragten, und beim Reden immer wieder die Hände zu Fäuste zu ballen.

»Aber sie stecken da unten fest!« sagte Burt Klein.

Li schüttelte den Kopf. »Kaliningrad sagt, der letzte Lander darf nur im aller äußersten Notfall benutzt werden.«

»Und die Tatsache, daß vier unserer Leute in Todesgefahr schweben, ist kein äußerster Notfall?« fragte Leonid Tolbukhin aufgebracht.

Der Kosmonaut und der Astronaut hatten sich sofort freiwillig erboten, mit dem letzten verbliebenen Landefahrzeug der Expedition zum Canyon zu fliegen und die vier im Rover Gestrandeten zu retten.

»Wir könnten fünfzig Meter vom Rover entfernt landen«, sagte Klein zuversichtlich, »und sie dann direkt hierher bringen. Ist überhaupt nichts dabei.«

»Ein Kinderspiel«, bestätigte Tolbukhin. Seine tiefe russische Stimme verlieh der Redwendung einen seltsamen, bedächtigen Klang.

»Kaliningrad sagt nein. Ihr beiden seid die einzigen Piloten, die wir hier oben in der Umlaufbahn noch haben.«

»Holen Sie Iwschenko und Zieman zurück«, schlug Tolbukhin vor. »Dann können Burt und ich zum Canyon fliegen.«

»Klar!« sagte Klein. »Dann haben Sie immer noch zwei L/AVs und vier Piloten in der Kuppel. Das reicht allemal, um die anderen wieder herzubringen, wenn es soweit ist.«

Lis Gesicht war ein Bild des Elends. »Iwschenko und Zieman können nicht ohne Yang hierher zurückkommen. Wir können nicht beide Ärzte in der Kuppel lassen. Was würde es nützen, die Leute vom Exkursionsteam heraufzuholen, wenn es hier keinen Arzt gibt, der sie behandeln kann?«

Tolbukhin nickte widerstrebend.

»Da ist noch etwas«, erklärte ihnen Li. »Der medizinische Stab in Kaliningrad hat die Frage der Quarantäne angesprochen.«

»Quarantäne?«

Li fühlte sich erbärmlich. »Da wir nicht wissen, was das Bodenteam infiziert hat, fürchten sie, daß wir hier im Orbit uns ebenfalls mit der unbekannten Krankheit anstecken könnten, wenn wir das Bodenteam heraufholen.«

»Heilige Scheiße«, sagte Klein leise. »Sie wollen, daß wir sie da unten lassen?«

Tolbukhin erfaßte die weitergehende Implikation. »Das heißt, daß sie uns nicht zur Erde zurückkehren lassen, wenn wir die Ursache der Krankheit hier nicht finden.«

»Ja«, gab Li zu. »Wir könnten selbst in der Erdumlaufbahn unter Quarantäne gestellt werden.«

»Sofern wir lange genug leben, um so weit zu kommen«, sagte der Russe.

»Die Alternative wäre, die Leute vom Bodenteam unten zu lassen und ohne sie zur Erde zurückzukehren.«

»Das wäre ihr Tod!« fuhr Klein auf.

»Ja. Aber sie zu retten und in den Orbit heraufzuholen, könnte unser aller Tod sein.«

Eine ganze Weile sagte weder der Astronaut noch der Kosmonaut ein Wort.

Schließlich meinte Klein: »Tja, irgendwas müssen Sie tun.«


Li wußte, daß er recht hatte. Die Last der Verantwortung lag schwer auf seinen Schultern. Entweder er ließ die vier im Rover sterben, oder er setzte das Leben aller aufs Spiel – einschließlich derjenigen im Orbit –, indem er ihren letzten Piloten erlaubte, ihnen mit dem letzten Abstiegs- und Aufstiegsfahrzeug zu Hilfe zu eilen. Entweder er ließ das Bodenteam insgesamt im Stich, oder er riskierte es, daß die gesamte Expedition angesteckt wurde und alle ums Leben kamen.

Li fühlte, wie das Gewicht von zwei Dutzend Leben auf ihm lastete. Das Gewicht von zwei Welten.

Als die letzte Untersuchung abgeschlossen war, fragte Tony Reed Yang Meilin: »Wonach suchen Sie eigentlich?«

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Nach der Ursache dieser Epidemie.«

Reed hatte sich kaum aus der Ecke des Krankenreviers wegbewegt, von wo aus er ihr dabei zugesehen hatte, wie sie alle Personen in der Kuppel untersuchte. Jetzt hob er verwirrt die Schultern.

»Wosnesenski meint, es könnte an dem marsianischen Staub liegen, den wir einatmen«, sagte er.

Yangs Mandelaugen betrachteten ihn unverwandt unter ihren glatten Ponyfransen hervor. »Glauben Sie das?«

»Nein. Wir haben die Luft hier in der Kuppel getestet. Sie ist bei weitem sauberer als die Luft in London.«

Sie stand von dem Stuhl auf, eine kleine Chinesin mit unscheinbarer Figur und einem alles andere als einprägsamen runden, ausdruckslosen Gesicht – bis auf diese Augen. Reed fand, daß sie ihn anklagend ansahen. Warum auch nicht?

Warum sollte sie mir nicht die Schuld an dieser Katastrophe geben? Es ist meine Schuld. Ich bin dafür verantwortlich. Man hat mich hierhergebracht, damit ich die Gesundheit dieser Männer und Frauen schütze. Ein toller Beschützer!

»Nun«, fragte er, »was meinen Sie?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Sämtliche Daten der Tests, die wir eben durchgeführt haben, werden gerade vom medizinischen Computer an Bord der Mars 2 analysiert.

Bevor dessen Ergebnisse nicht vorliegen, kann ich nichts weiter sagen.«

Reed gab einen erbitterten Seufzer von sich. »Es wird nichts bringen, wissen Sie. Als die anderen diese Krankheit bekamen, habe ich als erstes alle medizinischen Unterlagen durch das Computerdiagnoseprogramm laufen lassen. Es hat nur Unsinn ausgespuckt.«

»Vielleicht jetzt, mit mehr Daten…«

»Ich bezweifle es. Der Computer kann einem nur sagen, was er bereits weiß, und wir haben es hier mit etwas Neuem und noch nie Dagewesenem zu tun.«

»Vielleicht auch nicht. Es könnte etwas ganz Normales, aber Unerwartetes sein. Das ist die große Stärke des Computers: Seine Wahrnehmung ist nicht von menschlichen Erwartungen oder Gefühlen getrübt. Er analysiert alle Symptome und gibt an, welche Krankheitsbilder zu den Daten passen.«

»Ja«, sagte Reed verächtlich. Er spürte, wie Zorn in ihm aufwallte. »Ich werde Ihnen sagen, was der verdammte Computer uns geben wird. Er wird erklären, daß es sich bei der Krankheit um eine Variante der Grippe handeln könnte – was sie nicht ist, weil wir keine Grippeviren in den Blutproben gefunden haben; oder um Malaria – was lächerlich ist, weil der nächste Moskito zweihundert Millionen Kilometer von hier entfernt ist; oder um Strahlenverseuchung – was es nicht sein kann, weil die Dosimeter zeigen, daß die Strahlenbelastung jedes Mitglieds des Teams sich durchaus innerhalb der Toleranzgrenzen bewegt; oder um Vitaminmangel – was absurd ist, weil ich darauf achte, daß jeder seine verdammten Vitaminpräparate einnimmt.«

»Vielleicht ein Slow Virus?« sagte Yang. »Vielleicht eine Infektion wie die Legionärskrankheit?«

»Daran habe ich auch schon gedacht«, fauchte Reed. »Die Symptome passen nicht dazu.«

Die chinesische Ärztin murmelte etwas, aber so leise, daß Reed es nicht verstehen konnte. Ohne sie zu beachten, fuhr er fort: »Die wundervolle Computeranalyse wird auch eine Salmonellose, Tuberkulose oder Typhus als Möglichkeit anbieten

– mit abnehmender Wahrscheinlichkeit natürlich.«

Er hielt atemlos inne. In ihm brodelte ein Zorn, von dessen Existenz er noch gar nichts bemerkt hatte.

»Warum sind Sie wütend auf mich?« fragte Yang. Ihre ausdruckslose Maske war verschwunden. Sie sah schockiert und verletzt aus.

Tony starrte sie an. Seine Eingeweide zuckten. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er holte tief Luft und trat dann an seinen Schreibtisch zurück.

»Tut mir leid. Entschuldigen Sie. Es ist nicht Ihre Schuld. Ich glaube, ich bin eigentlich auf mich selbst wütend. Diese Sache

– ich kann ums Verrecken nicht herausfinden, was es ist!« Er schlug mit der Faust auf die dünne Tischplatte.

»Deshalb brauchen wir die Hilfe des Computerprogramms.«

Reed warf ihr ein zynisches Lächeln zu.


»Nicht, damit es uns sagt, um was für eine Krankheit es sich handeln könnte«, erklärte Yang, »sondern um alle Krankheiten auszuschließen, die garantiert nicht in Frage kommen.«

»Ich glaube, daß er nicht einmal das kann.«

Yang versuchte zu lächeln. »War es nicht einer Ihrer englischen Schriftsteller, der gesagt hat, wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muß das, was übrigbleibt – ganz gleich, wie unwahrscheinlich es einem erscheinen mag –, die Wahrheit sein?«

Reed sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Arthur C. Clarke?«

So höflich sie konnte, erwiderte Yang: »Ich glaube, es war Conan Doyle.«


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