SOL 35 ABEND

»Wer hätte gedacht«, klagte Ilona, »daß man so müde werden kann, wenn man den ganzen Tag nur dumm herumsitzt?«

Lange, dunkelrote Schatten streckten sich über die sandige, kahle Landschaft. Jamie sah, daß die Sonne in etwa einer Stunde untergehen würde.

»Nichtstun kann anstrengender sein als harte körperliche Arbeit«, stimmte Joanna zu.

Die beiden Frauen hatten den ganzen Tag entweder auf den eingeklappten Bänken gesessen oder hinter den Männern in deren Cockpitsitzen gestanden, während der Rover durch die von Felsblöcken übersäte Wüste Richtung Tithonium Chasma gerollt war. Jamie hatte sich mit Pete Connors beim Fahren abgewechselt. Sein Kopf schmerzte von der unablässigen Anspannung; selbst wenn er rechts auf dem Beifahrersitz saß, beugte er sich in angestrengter Konzentration nach vorn und hielt nervös Ausschau nach Gesteinsbrocken, die so groß waren, daß sie nicht darüber hinwegklettern konnten, oder nach Kratern, die so steil waren, daß sie um sie herumfahren mußten.

Die Landschaft, durch die sie fuhren, war rauh. Sie bestand aus unebenen rostroten Formationen niedriger Hügel mit flachen Kuppen, und in der Ferne säumte eine zerklüftete Mauer aus Bergen den Horizont. Genau wie die Chinle-Formation in Arizona, sagte sich Jamie und schüttelte den Kopf, erstaunt über die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Welten. In jenen roten Felsen daheim hatten sie Dinosaurierknochen gefunden, erinnerte er sich.

»Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte Connors.

Beinahe erschrocken riß sich Jamie aus seinem Tagtraum.

Der Astronaut grinste ihn gutmütig an.

»Sie haben ein Gesicht gemacht, als ob Ihre Schuhe zu eng geschnürt wären«, sagte Connors.

»Ich habe bloß über was Geologisches nachgedacht«, erwiderte Jamie.

»Tut das weh?«

Jamie lachte und schüttelte den Kopf.

Ein paar Minuten später fragte Jamie: »Pete, wofür steht das

›T‹? Warum benutzen Sie Ihren ersten Vornamen nicht?«

Connors’ langes Gesicht verfinsterte sich. »Für Tyrone«, murmelte er.

»Tyrone?«

»Erzählen Sie’s nicht weiter.«

»Warum nicht? Das ist ein schöner alter irischer Name.«

Connors’ Grinsen kehrte zurück, aber irgendwie hatte es fast etwas Trauriges an sich. »Die weißen Kids in Nebraska fanden das nicht. Hat mir einen Haufen Schlägereien eingetragen, der Name. Und es hat keinen sonderlich guten Eindruck gemacht, daß der Sohn des Pfarrers die ganze Zeit abgeschürfte Knöchel hatte. Mit ›Pete‹ läßt sich’s viel leichter leben.«

Ich möchte wissen, wie viele Kämpfe er später noch in der Air Force ausfechten mußte, dachte Jamie. Und in der Raumfahrtagentur.

Sie fuhren weiter, während die ferne, blasse Sonne zum roten Horizont hinuntersank. Connors sprach leise in das Mikrofon der Kopfhörergarnitur, die über sein kurzgeschnittenes Haar geklemmt war. Jamie hatte seinen Kopfhörer nicht auf, aber er wußte, daß der Astronaut ihre Position auf der Satellitenfotokarte überprüfte und mit Wosnesenski in der Heimatbasis Kontakt hielt.

Dem Bildschirm in der Mitte der Kontrolltafel im Cockpit zufolge waren sie keine fünf Kilometer mehr vom Canyon entfernt. Jamie warf einen Blick auf seine Armbanduhr; sie hatten noch rund fünfzehn Minuten Tageslicht.

Connors bog mit dem segmentierten Rover fast im Neunzig-Grad-Winkel vom Kurs ab, ließ das Fahrzeug ausrollen und hielt an. Das Summen des Stromgenerators, der die Radmotoren mit Energie versorgte, verstummte.

»Okay, das war’s für heute«, sagte er.

Bevor Jamie fragen konnte, warum er vom Kurs abgewichen war, rief Connors den Frauen über die Schulter hinweg zu:

»Kommt her und schaut euch den Sonnenuntergang an!«

Sie zwängten sich ins Cockpit und sahen schweigend zu, wie die merkwürdig kleine Sonne hinter einer Kette von Klippen versank. Der rosafarbene Himmel wurde feuerrot und anschließend pechschwarz. Jamie strengte die Augen an, um einen Blick auf das Polarlicht zu erhaschen, aber entweder war es so zart, daß man es durch die getönte Kanzel nicht sehen konnte, oder es war gar nicht vorhanden. Vielleicht ist es nur da, wenn die Sonne aktiv ist, dachte er.

Keiner von ihnen rührte sich. Keiner sagte ein Wort. Jamie spürte, wie die Kälte der Marsnacht durch die Plastikkuppel des Cockpits hereinkroch. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, sahen sie allmählich ein paar der hellsten Sterne, deren Licht durch den gewölbten, getönten Kunststoff hereinfiel.


»Das muß die Erde sein«, sagte Ilona mit ihrer rauchigen Stimme.

»Nein. Das ist der Sirius«, korrigierte Connors. »Den Ephemeriden zufolge ist die Erde schon unter dem Horizont.«

»Wir können sie gar nicht sehen?« fragte Joanna.

»Erst, wenn sie zum Morgenstern wird. Und bis dahin sind wir schon wieder auf dem Heimweg.«

Jamie starrte in den dunklen Nachthimmel hinauf. Er erblickte nur ein paar vereinzelte Sterne. Der Himmel sah einsam und verlassen aus.

Connors langte nach oben und zog den Thermovorhang über die Plastikkanzel. »Würden Sie mich bitte mal durchlassen?«

sagte er dann zu den Frauen. »Ich brauche ein Aspirin.«

»Kopfschmerzen?« fragte Ilona.

»Ja. Zu lange gefahren. Ein Flugzeug zu fliegen ist viel einfacher.«

»Ich auch«, sagte Ilona. »Ich begleite Sie zur Aspirinflasche.«

Jamie fragte sich, ob Ilona sich an den Astronauten heranmachen würde. Nicht hier, dachte er. Es ist zu eng, und es steht zuviel auf dem Spiel. Dann merkte er, daß seine Schläfen ebenfalls pochten. Es war ein anstrengender Tag gewesen; sie waren pausenlos gefahren.

Als sie mit dem Abendessen fertig waren, schien es ihnen jedoch allen besser zu gehen. Connors unterhielt sie mit Geschichten aus seiner Zeit als ›Tailend Charlie‹ bei der Kunstfliegertruppe der U.S. Air Force, den Thunderbirds.

»…und wir kommen Flügelspitze an Flügelspitze raus aus dem Looping, und da fliegt mir doch die gottverdammte Kanzel weg, peng!, einfach so. Wir werden mit vier Ge in die Sitze gepreßt und brettern fast mit Mach eins dahin, und plötzlich hocke ich in meinem Cockpit mitten in einem echten Hurrikan!«

Sein schwarzes Gesicht war quicklebendig, seine Hände verdrehten sich, um die Positionen der Flugzeuge zu demonstrieren. Die beiden Frauen hörten gebannt zu; ihre großen Augen waren auf Connors geheftet. Jamie lauschte mit halbem Ohr und ließ seine Gedanken zu der Aufgabe wandern, mit der sie morgen früh konfrontiert sein würden: einen Abhang auf dem Erdrutsch zu finden, auf dem sie sicher zum Grund des Canyons hinunterfahren konnten. Würde der Boden fest genug sein, sie zu tragen? Würde er zu steinig für die Räder des Rovers sein?

Lis Leute oben im Orbit hatten ihre letzten vier geologischen Sonden in die Schlucht geschossen. Die vollautomatischen Sonden hatten ihre atmosphärischen Hitzeschilde abgeworfen, als sie sich dem Boden näherten, und waren dann an geblähten weißen Fallschirmen hinuntergesunken, bis sie sanft aufgesetzt hatten. Nur eine von ihnen hatte ihren Anker mit den Meßinstrumenten tatsächlich in den Schutt des Erdrutsches gesenkt. Die anderen drei hatten ihn zwischen ein paar Dutzend Metern und einem vollen Kilometer verfehlt.

Die Meßinstrumente dieser einen Sonde meldeten, daß der Erdrutsch fest genug für den Rover war. Aber sie maßen nur eine Stelle auf dem Erdrutsch. Was, wenn es Taschen mit lockerem, pulvrigem Erdreich gab? Wenn sie auf halbem Wege nach unten steckenblieben? So nah heranzukommen und dann umkehren zu müssen, würde unerträglich sein…

Er stellte fest, daß Connors seine Geschichte beendet hatte und ins Cockpit zurückgegangen war, um sich vor dem Schlafengehen noch ein letztes Mal mit der Kuppel in Verbindung zu setzen. Ilona war mit ihm gegangen. Sie saß auf dem Sitz, den Jamie fast den ganzen Tag mit Beschlag belegt hatte.

Joanna schob den Tisch in seine Nische unter der unteren Liege gegenüber von Jamie.

»Alles in Ordnung?« fragte sie.

»Hmm? Ja, sicher. Es geht mir gut.«

»Ich hatte den Eindruck, daß du mit den Gedanken ganz woanders warst.«

»Ich habe nachgedacht.«

Sie lächelte. »Kann nichts schaden, wenn ein Wissenschaftler das hin und wieder mal tut.«

»Und du?« fragte er. »Wie geht es dir?«

»Ach… ich bin müde. Und ich mache mir Sorgen, glaube ich.«

»Sorgen? Weswegen?«

Sie setzte sich auf den Rand der ausgeklappten Liege neben Jamie und sagte mit ihrer Flüsterstimme: »Angenommen, wir kommen den ganzen weiten Weg hierher und gelangen auf den Grund des Canyons – und dort ist nichts? Kein Leben.«

Jamie zuckte die Achseln. »Deshalb kommen wir ja den ganzen weiten Weg hierher: um herauszufinden, ob es dort unten Leben gibt oder nicht.«

»Aber wenn wir nun keines finden?« In ihren Augen war etwas, das Jamie nicht ergründen konnte; es war nicht nur Angst, und es ging tiefer als das bloße Interesse einer Wissenschaftlerin am Ergebnis einer Untersuchung.

»Wenn da unten kein Leben zu finden ist«, antwortete Jamie langsam, »dann ist das an sich schon eine wichtige Entdeckung. Wir werden eben woanders suchen müssen.«


Joanna schüttelte den Kopf. »Wenn es unter den Nebelschleiern kein Leben gibt, was können wir dann vom Rest dieser eiskalten Wüste erwarten? Dann haben wir versagt, Jamie. Es wird keine weitere Expedition zum Mars geben.«

»He, laß dich nicht so runterziehen«, sagte er, streckte die Hand aus und faßte sie sanft an der Schulter. »Es ist doch nicht deine Schuld, wenn es auf dem Mars kein Leben gibt.«

»Aber dann sind wir umsonst von so weit her gekommen.«

»Nein. Nicht umsonst. Wir sind hier, um zu lernen, was der Mars uns zu lehren hat. Darum geht es bei der Wissenschaft, Joanna. Sie ist kein Spiel, bei dem man gewinnt oder verliert.

Es geht darum, Wissen zu erwerben. Die negativen Ergebnisse sind genauso wichtig wie die positiven. Vielleicht sogar noch wichtiger.«

Ihr Gesichtsausdruck war beinahe elend.

»Wir sind hier, um die Wahrheit zu suchen«, sagte Jamie leise und eindringlich, »wir sollten uns nicht vor dem fürchten, was wir finden könnten, was es auch sein mag.«

Joanna antwortete nicht.

»Es gibt nichts, wovor wir Angst haben müßten«, wiederholte er. »Ganz gleich, was wir finden – oder nicht finden.«

Sie wandte sich ab, stand von der halb ausgeklappten Liege auf und hastete zum Waschraum. Jamie sah, daß sie weinte.

Sie tat ihm leid. Und er war verwirrt.

Als er in dem abgedunkelten Rover auf dem Rücken lag und dem leisen Marswind draußen vor der metallenen Hülle lauschte, überlegte Jamie, weshalb Joanna sich solche Sorgen darüber machte, was sie in dem Canyon finden würden.

Sie ist Biologin, sagte er sich. Wenn sie Leben auf dem Mars findet, wird ihr Name in die Geschichtsbücher eingehen. Aber wenn nicht, wird sie sich immer fragen, ob sie es übersehen hat. Die ganze Welt wird sich fragen, ob es hier nicht doch Leben gibt und ob sie bloß nicht die richtigen Tests gemacht hat oder nicht an den richtigen Stellen gewesen ist.

Ich habe sie gezwungen, hierher zum Canyon zu kommen.

Vielleicht hätten wir versuchen sollen, den Rand der Polarkappe zu erreichen. Dort gibt es jede Menge Wasserdampf, soviel steht fest. Aber wir sind viel zu weit von der Kappe entfernt gelandet. Das wird bis zu einer zweiten Mission warten müssen.

Connors schnarchte fünfzehn Zentimeter entfernt auf seiner Liege. Nur ein paar mehr Zentimeter über ihm war Joannas Liege. Jamie spürte, daß sie wach war, angespannt und besorgt und voller Angst.

Angst.

Jamie schloß im Dunkeln die Augen und rief sich seine erste Begegnung mit Joanna Brumado in Erinnerung. Damals hatte sie auch Angst gehabt.

Alle Trainingsteilnehmer hatten einen Überlebenstest auf dem Meer absolvieren müssen. »Es besteht ein kleines, aber begrenztes Risiko, daß Ihr Rückflug zur Erde mit einer Notlandung auf dem Meer enden wird«, sagte der grauhaarige alte Stabsbootsmann, den sie sich von einem Aquanautenteam der U.S. Navy ausgeliehen hatten. Obwohl ihr Rückflug dem Plan zufolge bei der Raumstation in der erdnahen Umlaufbahn enden sollte, konnte das Kommandomodul ihres Raumschiffes abgetrennt werden, falls irgend etwas schiefging, und wie die alte Apollokapsel in die Erdatmosphäre eintreten und im Meer runtergehen.


»Möglicherweise müssen Sie mehrere Stunden oder sogar mehrere Tage in einem Gummiboot sitzen«, hatte der Stabsbootsmann fröhlich erklärt. »Ich habe die Aufgabe, Sie auf diesen Fall vorzubereiten.«

Deshalb verbrachten sie drei Tage in einem offenen Gummiboot etliche Kilometer vor der Küste der Hauptinsel von Hawaii. Acht Männer und Frauen, darunter der lederhäutige Stabsbootsmann. Joanna war eine von ihnen gewesen.

Jamie erinnerte sich, daß sie die ganze Zeit seekrank gewesen war und ständig Angst gehabt hatte. Ihr Gesicht war weiß gewesen, und sie hatten die Fäuste so fest geballt, daß ihre Fingernägel sich tief in die Handteller gruben.

Er war die ersten beiden Stunden ebenfalls seekrank gewesen, während sie unablässig auf den dunklen, sich hoch auftürmenden Wogen tanzten. Im Wellental konnten sie nichts als tiefblaues Wasser und den blaßblauen Himmel sehen. Wenn sie auf einen Kamm gehoben wurden, stellte sich der Horizont schief und schwankte derart, daß ihnen übel wurde.

Jeder von ihnen trug eine dicke, aufgeblasene Schwimmweste, die in der Sonne zu heiß war, nachts jedoch nicht wärmte.

Der Stabsbootsmann erlaubte ihnen nicht, die Ärmel und Hosenbeine ihrer Overalls hochzukrempeln. Außerdem mußten sie Hüte mit weichen Krempen tragen. »Sonnenstich«, hatte der Stabsbootsmann wissend gesagt. Niemand hatte ihm widersprochen.

»War ja wirklich das Letzte, wenn man bis zum Mars und zurück fliegt und dann bei der Rückkehr ertrinkt«, sagte eine der Trainingsteilnehmerinnen, eine grinsende, sonnengebräunte blonde Kalifornierin mit dem Körperbau einer Gewichtheberin.


»Im Augenblick hätte ich nichts dagegen, zu ertrinken«, sagte eine andere Frau. »Es wäre eine Erlösung.«

Der Stabsbootsmann befahl ihnen allen, über den wulstigen Rand des Gummiboots zu rutschen und jeweils eine Stunde lang im Wasser zu schwimmen. »Sie gehen schon nicht unter, jedenfalls nicht, wenn Ihre Schwimmausrüstung aufgeblasen ist. Das einzige, worüber Sie sich Sorgen machen müssen, sind Haie.«

Jamie verbrachte seine ganze Stunde im Wasser damit, sich Sorgen über Haie zu machen, während der Stabsbootsmann erklärte, wie man im Wasser nach ihren verräterischen Rückenflossen Ausschau hielt, »‘türlich, wenn einer von unten raufkommt, sehen wir ihn erst, wenn’s wahrscheinlich schon zu spät ist. Da kann man nicht viel gegen machen.«

Anfangs kam ihm das Wasser warm vor, aber als die Minuten langsam verstrichen, merkte Jamie, wie die Wärme aus seinem Körper gesogen wurde. Ich erhöhe die Temperatur des Pazifik, sagte er sich. Hoffentlich wissen die Haie das zu schätzen.

Joannas Stunde kam gegen Sonnenuntergang. Sie schien starr vor Entsetzen zu sein, aber sie schaffte es, die Beine steif auf den vom Wasser glitschigen Wulst zu schwingen und fast geräuschlos ins Meer zu gleiten. Sie hing fast wie ein Leichnam im Wasser, ohne die Beine zu bewegen, die angespannten Arme ausgebreitet, die Augen groß und starr, die Lippen zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammengepreßt.

Hin und wieder trieb sie vom Gummiboot weg, unternahm aber nie auch nur den leisesten Versuch, wieder zurückzuschwimmen. Der Stabsbootsmann brüllte sie an, mußte sie aber jedesmal an der Sicherheitsleine näher heranholen.


Als Jamie im abgedunkelten Rover auf seiner Liege lag und zuhörte, wie der Marswind ihn rief, sah er Joanna wieder vor sich, wie sie allein im kalten schwarzen Meer trieb, von panischer Angst erfüllt, und das erbitterte Gebrüll des Stabsbootsmanns und die verlegene Aufmerksamkeit der anderen Trainingsteilnehmer ertrug, bis der Stabsbootsmann sie schließlich wieder an Bord des Gummiboots zog. Zitternd wickelte Joanna sich in eine Decke und kroch in eine Ecke des Gummiboots.

Dort kauerte sie sich in Fötusstellung zusammen, ohne ein Wort mit jemandem zu sprechen.

Warum hat sie eine solche Angst ertragen, fragte sich Jamie.

Warum hat sie sich so geschunden, um all die Qualen des Trainings durchzustehen und hierher zum Mars zu kommen?

Dann fiel ihm ihr Ausflug auf den Gletscher in McMurdo wieder ein, und schließlich wurde ihm klar, wovor Joanna sich in Wahrheit fürchtete.

Vor ihrem Vater! Sie fürchtet sich davor, ihn zu enttäuschen.

Sie hat Angst, Brumado im Stich zu lassen, mehr Angst als vor Haien oder vor dem Erfrieren – oder davor, hundertfünfzig Millionen Kilometer von zu Hause entfernt zu sterben. Sie fürchtet sich nicht davor, selbst zu versagen, sondern nur davor, ihn zu enttäuschen.

Ihre Seele gehört tatsächlich ihm. Er füllt ihr ganzes Leben aus. Was wird sie tun, wenn wir zur Erde zurückkehren? Besonders, wenn wir keinen Beweis für Leben finden, den sie ihrem alten Herrn zeigen kann?

Er drehte sich um und fiel in einen unruhigen Schlaf. Er träumte von erdbedeckten Navajo-Balkenhütten, die die kahle Marswüste sprenkelten, und von prächtig gefiederten Göttern, die auf Flammensäulen aus dem Himmel herabstiegen. Der prächtigste aller Götter sah genau wie Alberto Brumado aus, und er funkelte Jamie mit den zornigen, glitzernden Augen eines Adlers an.


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