DIE ROTE WELT UND DIE BLAUE

Hört die weisen Worte der Alten:

Die rote Welt und die blaue sind Brüder. Sie wurden gemeinsam in dem brodelnden Mahlstrom aus Staub und Gas geboren, der vom Herzen der riesigen Wolke ausging, die Vater Sonne werden sollte.

Für unermeßlich lange Zeiträume versanken beide Welten in endloser Gewalt. Ungeheuer kamen brüllend aus dem Himmel herab und schlugen in einem Inferno schrecklicher Explosionen erbarmungslos auf sie ein. Unter einem solch furchtbaren Bombardement konnte es keinen festen Boden geben; selbst das Gestein bestand aus flüssigem, blubberndem Magma, während unaufhörlich Feuer aus dem Himmel regnete und die neue, strahlende Helligkeit von Vater Sonne durch Dampfwolken verdunkelt wurde, die beide Welten von Pol zu Pol bedeckten.

Langsam, ganz langsam, mit der göttergleichen Geduld der Sterne selbst, kühlten sich ihre Oberflächen ab. Festes Land bildete sich heraus, nackter Stein, hart, rauh und leblos.

Schlimmer als die Wüste, in der das Volk lebt; viel schlimmer.

Es gab keinen Baum, keinen Grashalm, nicht einmal einen Tropfen Wasser.

Tief unter ihren Krusten waren beide Welten immer noch flüssig und heiß von der Energie ihrer gewaltsamen Erschaffung. Wasser, das unter der Oberfläche gefangen war, kochte empor, wurde von der Tiefe ausgeschwitzt wie die Tröpfchen an einem Flaschenkürbis in der Hitze des Sommers. Das Wasser verdunstete zu der dünnen Schicht der Atmosphäre, die beide neugeborenen Welten umhüllte. Kühlender Regen klatschte auf die nackten Felsen, sammelte sich zu Rinnsalen, Strömen und tosenden Sturzbächen, die die Felsen aus ihrem Weg räumten und tiefe Furchen in den Boden gruben.

Auf der größeren der zwei Welten wuchsen mächtige Ozeane heran; tiefe, felsige Becken füllten sich mit Wasser. Auf der kleineren Welt entstanden ausgedehnte, flache Seen, aber sie verdunsteten mit der Zeit in die dünne, kalte Atmosphäre oder versanken unter die Oberfläche.

Dank ihrer glänzenden, weiten Ozeane nahm die größere der zwei Welten eine tiefblaue Färbung an. Die kleinere Welt verwandelte sich langsam in eine staubige, windgepeitschte Wüste, als ihr Wasser im Boden versank. Sie wurde rostrot.

Leben entstand auf der blauen Welt, zuerst in den Meeren, später auch auf dem trockenen Land. Riesige Untiere durchstreiften Wälder und Sümpfe und verschwanden dann für immer. Schließlich kam das Volk auf die blaue Welt – der Erste Mann und die Erste Frau erschienen, standen groß und stolz im hellen Sonnenschein. Ihre Kinder vermehrten sich. Manche von ihnen machten sich Gedanken über die Welt, in der sie lebten, und über die Sterne, die die Nacht sprenkelten.

Sie hoben ihre intelligenten Augen zu dem roten Schimmer am Himmel, der ihre Bruderwelt kennzeichnete, und fragten sich, was das war. Sie beobachteten ihn aufmerksam, ebenso wie andere Sterne, und versuchten, die Himmelsmechanismen zu ergründen.

Für das Volk sprachen die Sterne von den endlosen Zyklen der Jahreszeiten, sie sagten ihm, wann es an der Zeit war, etwas zu pflanzen, und wann der Regen kommen würde. Die rote Welt interessierte sie nicht besonders. Sie nannten sie einfach nur ›großer Stern‹.

Die weißen Eroberer und Mörder hingegen dachten jedesmal zitternd an Blut und Tod, wenn sie ihre blassen Augen auf den roten Schimmer am Himmel richteten, der ihre Bruderwelt kennzeichnete. Sie benannten die rote Welt nach ihrem Gott des Krieges.

Mars.


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