NEW YORK: Edith saß nervös auf dem Rand des aufgepolsterten Stuhls. Howard Francis’ Apartment war viel kleiner, als sie erwartet hatte, kaum mehr als ein Studio. Das sogenannte Schlafzimmer war nur als ein Flügel des einzigen Zimmers; es war verspiegelt, damit es größer wirkte. Die Küchenecke war ein Alkoven mit einer Spüle, einer Mikrowelle und ein paar Schränkchen.
Der Network-Direktor räkelte sich lässig auf seinem Sofa.
Schuhe und Krawatte hatte er abgelegt, der Kopf lag an der Lehne, und er blickte mit halb geschlossenen Augen auf den großen Fernsehschirm. Das Fernsehgerät war das größte Möbelstück in der Wohnung.
Zwischen den halb zugezogenen Vorhängen des einzigen Fensters im Apartment hindurch sah Edith die verdunkelten Fenster des Network-Nachrichtengebäudes. Sie war nicht nur deshalb nervös, weil das Band, das gerade über den Fernseher flimmerte, über ihre zukünftige Karriere entscheiden konnte; es beunruhigte sie, daß ihr Boss darauf bestanden hatte, sich das Band hier in seinem Apartment anzuschauen und nicht in seinem Büro auf der anderen Straßenseite.
Sie hatte sich so schlicht wie möglich gekleidet: ein unförmiges Sweatshirt und eine ausgebeulte alte Hose. Er hatte sie ohne Schuhe und mit gelöster Krawatte an der Tür seines Apartments empfangen und bereits ein Glas Weißwein in der Hand gehabt.
Jamies Band dauerte keine zehn Minuten. Als es zu Ende war, schaltete der Fernseher automatisch auf den Nachrichtenkanal um.
Ihr Boss stellte den Ton ab und sah sie mit schläfrigem Blick an. Edith fand, daß er wie eine betäubte Ratte aussah.
»Ist ja nicht gerade viel, wie?« sagte er träge.
Sie war ehrlich überrascht. »Nicht viel? Er hat uns mehr über diesen Meteoriteneinschlag erzählt als Kaliningrad und Houston zusammen. Und er hat uns gezeigt, wie es in der Umgebung ihrer Basis aussieht. Er hat uns erzählt, was sie entdeckt haben…«
»Das meiste davon wissen wir schon aus den offiziellen Berichten. Und deren Bildmaterial war auch besser.«
»Okay, aber Jamie erzählt uns, daß er zum Grand Canyon zurückwill. Das steht nicht im Missionsplan. Ich habe nachgesehen.«
Er setzte sich aufrechter hin. »Womöglich Konflikt mit der Flugkontrolle?«
»Garantiert!«
Seine Augen wurden größer. »Einzelgänger-Wissenschaftler im Kampf mit den Funktionären. Obendrein mit russischen Funktionären. Das wäre vielleicht was.«
Edith lächelte. »Es ist mehr, als alle anderen haben.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich möchte nicht, daß wir uns zu weit aus dem Fenster lehnen. Es könnte uns den Kopf abreißen. Wir brauchen mehr als bloß das Wort dieses einen Burschen.«
»Ich kann bei ein paar Leuten in Houston nachfragen. Und an Brumado komme ich auch jederzeit ran…«
»Das glaube ich gern«, sagte er mit einem lüsternen Grinsen.
Edith sprang auf. »Ich sollte mich sofort an die Arbeit machen.«
»Morgen früh«, sagte er und streckte die Hand aus, um sie aufs Sofa zu ziehen.
Sie wich ihm aus. »Brumado ist jetzt in Washington, aber nicht mehr lange. Am besten, ich mache mich gleich auf den Weg.«
Er sah sie stirnrunzelnd an. »Nachts um diese Zeit fliegen keine Maschinen, Herrgott noch mal. Entspann dich. Trink einen Schluck Wein.«
»Sie bezahlen mich dafür, daß ich Ihnen Nachrichten liefere«, erwiderte Edith lächelnd. »Lassen Sie mich meine Brötchen verdienen.«
»Steck dir deine Brötchen sonstwo…«
Aber sie war schon auf dem Weg zur Tür. »Ich miete mir einen Wagen und rufe Sie aus Washington an – mit einem Exklusivinterview mit Brumado. Und vielleicht sogar mit der Vizepräsidentin!«
Edith war draußen, bevor er vom Sofa hochkam. Es klappt immer, dachte sie. Männer denken nun mal mit den Eiern.
Vor Jahren war sie durch Schaden klug geworden und hatte die erste Überlebensregel gelernt: Geh nie mit einem Mann ins Bett, bevor du nicht von ihm bekommen hast, was du willst.
Er will Sex. Ich will einen festen Job, nicht dieses kleine Berater-Arrangement. Er könnte mich jederzeit rauswerfen, wann immer es ihm beliebt. Wenn es mir gelingt, die Story über Jamies Kampf mit den Projektleitern als erste zu bringen, dann bekomme ich einen Fulltime-Job, und er kann seinen Fick kriegen, um den Deal zu zementieren. Vielleicht.