Das erste Mal

»Ihr wisst, was euch erwartet?«

Asla beobachtete, wie Kalf die drei Männer und die beiden Frauen der Reihe nach fest ansah. Er hatte sie ausgewählt, und wie es schien, hatte er eine gute Wahl getroffen. Asla kannte die fünf nicht, aber sie alle hielten Kalfs Blicken stand. Sie wirkten nicht zögerlich oder gar ängstlich. Wenn sie Glück hatten und ihre Späher tatsächlich die versprengten Reste von König Horsas Heer fanden, und wenn sie dann noch rechtzeitig nach Sonnenberg zurückkehrten, dann gab es vielleicht noch Hoffnung. Zu viele Wenns dachte Asla bedrückt. Sie sollte sich nichts vormachen! Es war unwahrscheinlich, dass irgendjemand im Tal den Trollen entkommen würde, wenn erst einmal die letzte Palisade fiel. Zumindest würden diese fünf nicht mit ihnen untergehen, dachte Asla trotzig. Eines der beiden Mädchen war sehr hübsch. Sie hatte wunderschöne braune Rehaugen. Ein Anhänger aus dunklem Bernstein hing um ihren Hals. Er hatte fast die Farbe ihrer Augen. Sicherlich könnte sie einmal unter vielen Werbern ihren Mann auswählen, wenn es ihr gelang, an den Wachen der Trolle vorbeizukommen. Schon wieder so ein verfluchtes Wenn!

»Teilt euch auf«, sagte Kalf. »Versucht nicht, euch untereinander beizustehen, wenn die Trolle einen von euch fangen. Und wenn ihr aus dem Tal herauskommt, soll einer von euch in jede Himmelsrichtung gehen. Sucht aber vor allem im Süden. Es ist wahrscheinlicher, dass dort Versprengte von Horsas Heer zu finden sind. Kommt nicht zurück, wenn ihr weniger als tausend Mann findet. So viele werdet ihr mindestens brauchen, um euch durch die Reihen der Trolle zu schlagen. Und wenn eure Suche länger als fünf Tage dauert, dann kommt auch nicht zurück. Ihr würdet hier dann niemanden mehr finden.«

»Aber die Trolle haben seit zwei Tagen nicht mehr angegriffen. Vielleicht sind sie des Kämpfens müde geworden?«, wandte einer der Männer ein.

»Kannst du dir einen Wolf vorstellen, der friedlich unter Lämmern lebt? Ebenso wenig gibt es einen Troll, der des Kämpfens müde wird! Ich weiß nicht, was sie aufhält, aber ich bin mir sicher, dass sie wieder angreifen werden. Habt ihr noch weitere Fragen?«

Asla dachte an die schlafende Königin, die weiter oben im Dorf in einer Hütte mit Tante Svenja und Kadlin untergebracht war. Solange Emerelle bei ihnen blieb, würden die Trolle niemals aufgeben. Es war klug, dass Kalf das nicht so offen aussprach. Asla würde lieber ihr Leben geben, als die Königin auszuliefern. Aber sie war sich nicht sicher, ob alle so dachten.

Asla musterte die fünf. Eifer und Furcht spiegelte sich in ihren Gesichtern. Sie alle trugen lange Schaffellmäntel. Die Flüchtlinge und die Bewohner des Dorfes hatten Kleidung zur Verfügung gestellt, damit ihre Boten ganz in Weiß gewandet waren. Das verbesserte ihre Aussichten, lebend durch die Linien der Trolle zu kommen. Zumindest hoffte Asla das. Wieder einmal wurde ihr klar, wie wenig sie über die Trolle wussten. Konnten sie gut sehen? In manchen Sagas hieß es, sie würden im Sonnenlicht zu Stein. Das war offensichtlich falsch. Hatten sie eine feine Nase, wie Jagdhunde? Würden sie einfach der Witterung der Boten folgen? Wie sollte man einen Feind besiegen, den man kaum kannte? Kalf verabschiedete die Späher. Jetzt fand er wärmere Worte.

»Möge Luth euch einen langen Faden gesponnen haben«, sagte Asla feierlich.

Das Mädchen mit dem Bernsteinamulett umarmte Asla und flüsterte ihr ins Ohr: »Bitte haltet das Dorf. Meine Großmutter ist hier. Sie ist die Letzte, die mir aus meiner Sippe geblieben ist. Ich vertraue dir, Herzogin.«

»Wir werden gut kämpfen«, sagte Asla fest. »Und ich vertraue auf Luth und seine Gnade.« Sie konnte das Mädchen nicht anlügen und ihr einfach sagen, es würde schon alles gut gehen. Asla drückte sie.

Kalf stand bereits in der Tür. Es war alles gesagt. Einen Augenblick lang klammerten sich die Fünf noch an die Geborgenheit der kleinen Hütte, zögerten den Aufbruch ins Ungewisse um ein paar Herzschläge hinaus. Gefangen auf der Schwelle zwischen Dunkelheit und Licht, mochten sie den Schritt in die Finsternis nicht tun und konnten doch nicht mehr länger bleiben. Es war das Mädchen mit dem Bernstein, das schließlich als Erste ging. Sie setzte das Zeichen. Die anderen folgten ihr. Schnell war die kleine Gruppe zwischen den dunklen Bäumen verschwunden.

Die Hütte, die sich Asla als Quartier gewählt hatte, lag nahe der zweiten Palisade in einem Waldstück verborgen. Von hier waren es weniger als zweihundert Schritt bis zu der Holzmauer, an der sich ihr Schicksal entscheiden würde. Sie hatten zwar am Eingang zum Dorf noch eine dritte Barriere aufgebaut, doch alle wussten, dass dieses Hindernis die Trolle nicht lange aufhalten konnte. Wer dort kämpfte, der war dem Tod geweiht. Hier galt es, den Trollen nur kurze Zeit zu trotzen. Lange genug, um die weiße Flut zu entfesseln.

»Es wird kalt«, sagte Asla ruhig. Morgen schon wären sie vielleicht alle tot. Sie war entschlossen, in dieser Nacht herauszufinden, welchen anderen Weg ihr Leben hätte nehmen können.

Kalf stand noch immer in der Tür und spähte in den Wald, obwohl die fünf jungen Boten schon längst zwischen den Bäumen verschwunden waren. Hatte er Angst? Wollte er es nicht? Eine Woge des Zweifels erfasste Asla. Hatte sie sich in ihm getäuscht?

Kalf räusperte sich. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen und fand doch keine Worte. Endlich zog er die Tür zu. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen. »Ich habe mich so lange Jahre nach dir gesehnt. Aber jetzt... Du warst immer das Licht in meinem Leben. Ich habe dich von Ferne bewundert ... Muss man nicht verbrennen, wenn man nach dem Licht greift? Ist es richtig ...«

Solange Asla sich erinnern konnte, hatte sie zu Kalf aufgeschaut. Schon als ganz kleines Mädchen hatte sie beschlossen, dass sie einst sein Weib sein würde. Seine breiten Schultern, das wehende blonde Haar, die selbstwusste Ruhe, die er ausstrahlte, all das hatte sie verzaubert. Er war so anders als die anderen jungen Männer, die tranken, prahlten und sich für unwiderstehlich hielten. Seine stille Art hatte sie angezogen, und sie hatte damals schon geglaubt, dass auch er sie liebte. Nie hatte sie daran gezweifelt, dass sie eines Tages mit ihm um den Stein tanzen würde.

Asla dachte daran, was Alfadas über die Liebe der Elfen erzählt hatte. Sie versprechen einander, sich zu trennen, bevor die erste Lüge zwischen ihnen steht. Sie glauben, wenn es etwas gibt, über das man nicht mehr miteinander sprechen kann, dann ist es an der Zeit, einander freizugeben. Alfadas war wie ein Sturm in ihr Leben getreten. Er hatte sie verzaubert und ihr Schicksal auf einen neuen Kurs gedrängt. Der Held aus dem Elfenland, der Frauen von unendlicher Schönheit besessen hatte, war zu ihr gekommen, zur Fischerstochter, und hatte um ihre Hand angehalten. Sie hatte sich damals wie in einem Märchen gefühlt, das Wirklichkeit geworden war. Wie hätte sie nein sagen können? Jahre waren vergangen, bis sie begriffen hatte, dass man Märchen nicht leben konnte.

Anfangs hatte es sie nicht gestört, wenn er neben ihrem Haus gestanden und zum Hartungskliff hinaufgeblickt hatte, dorthin, wo der Steinkreis stand, das Tor in jene andere Welt. Erst langsam hatte sie seine Sehnsucht verstanden. Jenseits der Steine lag etwas, das sie trennte, auch wenn sie es nicht einmal in Worte zu fassen vermochte. Alfadas liebte sie und die Kinder, das wusste Asla. Er war ihr immer ein guter Mann gewesen. Er begegnete ihr mit mehr Wärme und Zuneigung, als die meisten anderen Frauen im Dorf je von ihren Gatten erfahren hatten. Seine schönen Worte und sein Lächeln vermochten sie immer noch in den Bann zu schlagen. Er versuchte ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Doch seine Blicke hinauf zum Hartungskliff verletzten sie mit jedem Jahr, das sie gemeinsam verbrachten, tiefer. Dort war etwas, das sie ihm niemals geben konnte. Er sprach nie darüber, und das machte es noch schlimmer.

Wieder ging ihr durch den Kopf, was Alfadas über die Liebe der Elfen gesagt hatte. Wenn sie eine Elfe wäre, dann hätte sie sich wohl längst schon von ihm getrennt. Aber sie war Asla, die Fischerstochter. Sie konnte den Mann, dessen Kinder sie geboren hatte, nicht einfach aufgeben. Sie wollte es nicht!

Vielleicht hätte sie die Kraft gefunden, mit seiner Sehnsucht zu leben, wenn die Elfen niemals nach Firnstayn gekommen wären. Jetzt wusste sie, wonach er sich sehnte. Sie hatte die Frauen gesehen. Sie waren so anders. Nicht allein ihre Schönheit war verwirrend. Sie strahlten eine Kraft und einen Stolz aus, wie Asla es noch nie bei einer Menschenfrau gesehen hatte. Alles an ihnen war vollkommen. Sie überquerten einen schlammigen Weg, und ihre Füße wurden nicht einmal schmutzig. Sie konnten einen Fisch ausnehmen, und ihnen haftete immer noch ein Wohlgeruch an, angenehmer als der Duft der schönsten Blumen, die Asla kannte. Was war sie im Vergleich zu ihnen? Bestenfalls eine Blüte am Ende des Sommers, deren Blätter bereits braune Ränder bekommen hatten.

Sie hatte all diese Frauen in ihrem Haus aufnehmen und bewirten müssen, und Alfadas hatte nicht einen Herzschlag lang darüber nachgedacht, wie sie sich dabei gefühlt hatte. Das alles hätte sie vielleicht noch ertragen, wäre da nicht diese eine gewesen! Silwyna! Sie hatte etwas Katzenhaftes. Ihr haftete der Geruch des Waldes an. Silwyna war kaum in ihr Haus gekommen. Sie hatte sich zurückgezogen. Und auch Alfadas war ihr aus dem Weg gegangen. Doch gerade die Art, wie er sie gemieden hatte, es nicht einmal gewagt hatte, einen Blick mit ihr zu tauschen, hatte ihn verraten. Alfadas hatte diese Elfe einmal geliebt, und seine Gefühle waren vielleicht begraben, aber nicht verloschen. Sie war es, woran er dachte, wenn er zum Hartungskliff blickte. Asla wünschte sich, sie wäre Silwyna niemals begegnet!

Sie dachte an den Liebesschwur ihres Mannes. Seine letzten Worte, bevor er durch das Tor in die fremde Welt der Elfen getreten war. Er hatte versprochen, zu ihr zurückzukehren. Und während er so offen von seinen Gefühlen gesprochen hatte, hatte er sich vor dem König und all den Kriegern verletzlich gezeigt. Männer taten so etwas nicht, das galt als weibisch. Aber er war ja auch nie wie all die anderen Männer gewesen, dachte Asla traurig. Deshalb liebte sie ihn. Selbst jetzt noch.

Sie blickte zu Kalf. Er stand immer noch unschlüssig vor der verschlossenen Tür und mied es, sie anzusehen. Die Jahre hatten tiefe Furchen in sein Gesicht geschnitten, und doch fand sie noch alles darin, was sie schon immer liebenswert gefunden hatte. Er war gereifter, stärker, auch wenn ihm der Mut fehlte, auf sie zuzugehen und von seiner Liebe zu sprechen. Was dies anging, wirkte er unschuldig wie ein Jüngling. Soweit Asla wusste, hatte Kalf nie ein Weib gehabt. Manchmal war er ein paar Tage in Honnigsvald, um Fisch zu verkaufen oder im Winter auch Pelze. Vielleicht gab es dort ... Aber das wäre nicht seine Art. Asla wusste ganz sicher, wenn Kalf eine Frau fand, der sein Herz gehörte, dann würde er zu ihr gehen ... Asla wurde die Kehle eng. Sie wusste mehr. Er hatte seine Frau gefunden, und deshalb war er geblieben. Um ihretwillen.

Sie trat zu ihm hinüber und griff zärtlich nach seiner Hand.

»Es ist gut, dass du hier bist. Jemanden an seiner Seite zu wissen, gibt so viel Kraft.«

Endlich wagte er es, ihr ins Antlitz zu blicken. Seine Augen waren unendlich traurig. »Ja«, sagte er einfach nur. Asla widerstand dem Drang, ihn in die Arme zu schließen. Er war kein kleiner Junge, den sie trösten musste. Sie wollte mehr von ihm. Sie wollte in seinen Armen liegen, seine Liebe spüren und sich geborgen fühlen. Wenn sie ihn jetzt umarmte, dann würde sie all das nicht bekommen.

Asla seufzte. Sie musste einen anderen Weg finden. »Ich begreife nicht, wie manche Männer den ganzen Tag in einem Kettenhemd herumlaufen können. Es erdrückt mich! Wenn ich es ablege, habe ich das Gefühl, ich bin so leicht, dass ein Windstoß reichen würde, um mich hinauf zu den Sternen zu tragen.« Sie löste den breiten Gürtel, der einen Teil vom Gewicht ihres Kettenhemds stützte, und ließ ihn zu Boden fallen. Dann hob sie die Arme.

»Ich weiß jetzt, warum Krieger ihr Haar meistens kurz tragen.« Sie lächelte. »Die Kettenringe verhaken sich in den Haaren. Lass mich dieses Ding hier noch einen Mond lang tragen, und es wird mich zu einem kahlen Weib machen. Bitte hilf mir, es abzustreifen.«

Kalfs Hände waren kräftig. Vorsichtig befreite er sie aus der schweren Rüstung. Selbst durch das Kettengeflecht hindurch spürte sie seine Wärme. Mit der Geduld, mit der er zerrissene Netze flickte, befreite er ihr Haar, wo es sich in den Eisenringen verfing. Und schließlich nahm er die Last von ihren Schultern. Klirrend fiel das Kettenhemd zu Boden.

Erst jetzt wurde sich Asla bewusst, was sie unter der Rüstung trug. Ein dickes, gestepptes Winterkleid, auf das sie breite Schulterpolster aus Lumpen aufgenäht hatte. Durch das Waffenfett, mit dem das Kettenhemd eingerieben war, war das ohnehin schon unansehnliche Kleid auch noch mit schwarzen Flecken und Schlieren bedeckt. Und man konnte riechen, dass sie es tagelang angehabt hatte. Es war notwendig, das dick gepolsterte Kleid zu tragen, denn das Kettenhemd wurde eiskalt und zog ihr die Wärme aus dem Leib, wenn sie sich nicht schützte. Aber jetzt fühlte sie sich in diesem unförmigen Gewand wie eine unansehnliche Wurst. Mit ihrem zerzausten Haar, dreckig und stinkend, würde sie nicht einmal ein Mann begehren, dem sonst vor Geilheit der Hosenlatz platzte.

Kalf lächelte. Er strich ihr das Haar glatt. Sie wagte kaum, zu ihm aufzublicken. Lachte er sie aus? Was mochte er jetzt wohl denken? Seit dem Kampf auf der Palisade war er ihr aus dem Weg gegangen. Zwei endlose Tage lang. Als er am Abend nach dem Kampf nicht zu ihr gekommen war, hatte sie sich wie Dreck gefühlt. Wie eine lüsterne Hure. Nie wieder wollte sie auch nur ein einziges Wort mit ihm reden.

Ihre Schwüre hatten nicht lange gehalten. Sie ertrug es nicht, ohne ihn zu sein. Er und Kadlin waren das Einzige, was ihr noch Kraft gab. An Ulric wagte sie gar nicht zu denken. Dass Yilvina nicht zurückgekehrt war, konnte nur eines bedeuten.

Asla hatte die fünf Boten in ihre Hütte befohlen, um sie zu verabschieden. Sie wusste, dass dann auch Kalf kommen würde. Er hatte die fünf ausgewählt, und er konnte sie nicht einfach ziehen lassen, ohne noch ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Dazu war er nicht der Mann. Natürlich hatte die Möglichkeit bestanden, dass er an der Palisade auf die Boten wartete, um dort kurz mit ihnen zu sprechen. Asla hatte dafür gebetet, dass er die Gelegenheit ergriff, in ihre Hütte zu kommen, ohne dass jemand dies als anstößig empfinden konnte. Kalf strich ihr sanft über die Wange. »Du bist eine wunderschöne Frau.«

Wütend blickte sie auf. Wie konnte er sie wunderschön nennen, so wie sie aussah! Wollte er sie verspotten? Die Traurigkeit war aus seinen Augen gewichen. Sie strahlten. Aslas Zorn verrauchte. Er meinte tatsächlich, was er sagte.

Sie ergriff seine Hand und legte sie auf ihre rechte Brust. Er ließ es geschehen. »Wir dürfen nicht ...«

»Warum? Willst du es nicht?«

Diesmal wich er ihrem Blick nicht mehr aus. »Ich will es, seit ich zum ersten Mal gemerkt habe, dass du mir vom Ufer aus heimlich zusiehst, wenn ich mit meinem Boot hinausfahre. Seit damals weiß ich, dass du die Frau bist, die Luth mir auserwählt hat. Keine andere.«

Sie lächelte traurig. Warum hatten sie nicht zueinander gefunden? Welchen Plan verfolgte der Schicksalsweber mit ihnen? Sie würde Kalf auf den Pfad der Liebe führen müssen. Die Vorstellung, dass er nie zuvor bei einer Frau gelegen hatte, erregte sie und erfüllte sie zugleich auch mit Trauer.

»Wir dürfen nicht... Die Leute ...«, sagte er und ließ die Hand doch auf ihrer Brust ruhen.

»Vergiss die Leute! Bevor der Mond sich wieder rundet, wird vielleicht niemand mehr leben, der weiß, dass du einmal diese Hütte betreten hast. Wir waren füreinander bestimmt. Lass uns die vergangenen Jahre vergessen.« Asla lächelte kokett. »Stell dir vor, es wäre noch einmal jene Sommernacht, in der du mir nachgeschlichen bist, um mir zuzusehen, wie ich in dem kleinen See im Buchenwald bade.«

Kalf blickte erschrocken auf. »Das weißt du?«

»Ich wollte es. Der Weg an deiner Hütte vorbei war nicht der kürzeste Weg zum Buchenwald.« Sie griff nach seinem Waffengurt und löste ihn.

Plötzlich packte Kalf sie, zog sie ungestüm zu sich heran und küsste sie voller Leidenschaft. Asla gab sich ihm hin, auch als sie spürte, wie sich das Kind in ihr bewegte. Einen Augenblick lang dachte sie an Alfadas, doch sie fühlte sich nicht schuldig dabei. Was jetzt geschah, war richtig.

Sie ließ sich in Kalfs Arme sinken. Es war ein Gefühl, als treibe sie in warmem Wasser.

Behutsam bettete der Fischer sie auf das Lager aus alten Decken. Keinen Augenblick ließ er sie dabei los. Seine wilden Küsse und das Gewicht seines Körpers raubten ihr den Atem. Die großen, starken Hände tasteten über ihren Leib. Sie drängten unter das wattierte Kleid. Ungeschickt und voller Sehnsucht.

»Öffne die Lederlaschen an der Seite«, flüsterte sie.

Sie hörte, wie der mürbe Stoff einriss, als er sich an dem Kleid zu schaffen machte. Sie tastete nach den Laschen, um ihm zu helfen. Ihre Hände fanden einander. Die Finger verschränkten sich.

Plötzlich erstarrte Kaff. Dann richtete er sich auf.

Jetzt hörte es auch Asla. Den langen, klagenden Ruf des Wachhorns. Die Trolle! Sie griffen die Palisade an.

Mit einem Satz war Kalf auf den Beinen. Er griff nach seinem Schwertgurt. Erst in der Tür verharrte er. »Ich werde wiederkommen.« Dann verschwand er in der Nacht.

Asla sah, wie eine kleine Spinne durch die Binsen am Boden eilte. Wütend zertrat sie das Tier. »Ich verfluche dich, Luth. Hättest du uns nicht diese eine Stunde gönnen können? Eine Stunde in einem ganzen Leben! Ist das zu viel verlangt?«

Sie griff nach ihrem Schwert. Es blieb keine Zeit mehr, um das Kettenhemd überzustreifen. Asla rannte hinaus in die Kälte. Und sie wusste, dass sie beide niemals wieder in diese Hütte zurückkehren würden. Luth würde ihr den Fluch nicht vergeben! Und sie würde dem launischen Gott auch nicht vergeben!

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