Das Feuer fällt zurück

Ollowain blickte den weiten Passweg hinab. Er stand in einer Kasematte, die hundert Schritt oberhalb des Schneehafens lag. Der große, tief in den Fels getriebene Raum war als Kommandoposten für die Verteidigung des Passes vorgesehen. An seiner Ostwand standen in hohen Nischen Katapulte, die hinab auf den Passweg wiesen. Auch einige schwere Armbrüste waren auf hölzerne Sockel gesetzt, bereit, auf jeden Feind im Pass zu schießen. In der Mitte des Raums stand ein großer Kartentisch, auf dem Pläne der Festung ausgebreitet lagen. Kristallkaraffen mit Apfelwein, Schwerter und Dolche beschwerten die Kartenenden, sodass sie sich nicht aufrollten. Einige Gläser, halb gefüllt mit Wasser oder verdünntem Apfelwein, standen auf dem Tisch verteilt. Auf einem kleineren, zweiten Tisch war eine Platte mit kaltem Braten serviert. Frisches aufgeschnittenes Brot verbreitete einen angenehmen Duft.

Der Schwertmeister stand in der mittleren der Geschütznischen. An ihren Seitenwänden türmten sich Pyramiden aus schweren Steinkugeln. Einige Bündel mit Armbrustbolzen lehnten an der Wand. Ein Stück hinter Ollowain ragten vier goldene Rohre aus dem Fels, deren trichterförmige Mündungen mit Holzpfropfen verschlossen waren.

Von dem Platz, an dem Ollowain stand, konnte er durch eine Schießscharte das ganze Tal überblicken. Vier ähnliche Kasematten lagen wie die Ebenen eines Festungsturms unter ihnen in der Steilwand.

Die Katapulte schossen Stein auf Stein in die heranstürmenden Trolle. Der Pass war schwarz von wimmelnden Feinden. Und sie zahlten einen fürchterlichen Blutzoll. Unablässig wurden sie aus den Kasematten über dem Hafen und den Stellungen beschossen, die sich in den langen Bergflanken verbargen. Sie mussten schon hunderte Krieger verloren haben! Und sie hatten keine Möglichkeit, sich an den Elfen, Menschen und Kobolden zu rächen, die gut gedeckt hinter den schmalen Schießscharten standen.

Fast alle Trollkrieger trugen mächtige Holzschilde. Sie formten Kolonnen und versuchten sich so nach allen Seiten hin mit den Schilden zu decken. Doch dies war eine trügerische Sicherheit, denn die Marschkolonnen waren leichte Ziele für die Katapulte. Immer wieder rissen ihre steinernen Geschosse blutige Schneisen in die Marschsäulen.

Manche Trolle hatten sich mit dicken Reisigbündeln behängt und vertrauten darauf, dass kein Pfeil ihre seltsamen Rüstungen zu durchdringen vermochte. Sie wurden zu den bevorzugten Opfern der Schützen, die Brandpfeile verschossen.

Die bedrohlichsten Waffen, die von den Trollen ins Feld geführt wurden, waren drei riesige Rammböcke. Man hatte sie mit Schutzdächern versehen, auf denen dicke, grasgefüllte Lederpolster angebracht waren. Die meisten Katapultsteine prallten wirkungslos von den Polstern ab. Auch Brandpfeile vermochten dem eisverkrusteten Leder nichts anzuhaben.

Das haben ihnen ihre Koboldsklaven gebaut, dachte Ollowain verärgert. Von sich aus wären Trolle niemals auf so eine Idee gekommen!

Der erste der Rammböcke hatte es bis hinauf zum Tor des Schneehafens geschafft. Es klang wie ein Gongschlag, als die Ramme zum ersten Mal gegen das große goldene Tor schlug. Ollowain sah, wie die Kristallgläser auf dem Kartentisch erzitterten. Das Geräusch fuhr einem tief in den Bauch hinein. Für Lärm, der von Trollen verursacht wurde, klang es außergewöhnlich feierlich.

Der Schwertmeister beugte sich weit aus der Schießscharte, um besser sehen zu können, was unten am Tor vor sich ging. Wieder ertönte ein tiefer Gongschlag. Langsam brachten die Trolle ihren zweiten Rammbock in Stellung.

»Können sie durch das Tor brechen?«, fragte Alfadas besorgt, der durch eine Schießscharte neben ihm die Angreifer beobachtete.

»Das Tor ist aus massivem Gold und so dick, wie dein Unterarm lang ist. Ich glaube nicht, dass sie es zerstören können. Sie können auch nicht durch die Schwingungen der Schläge irgendwelche Türangeln lockern. Die Torflügel werden durch Kettenzüge seitlich in den Fels gezogen, wenn wir sie öffnen. Allerdings ist Gold leicht verformbar. Es wäre denkbar, dass sie die Tore an der Stelle, wo die beiden Flügel aneinander stoßen, so sehr verbiegen, dass sie einen Durchschlupf finden. Aber durch solch eine Lücke könnten vielleicht ein oder zwei Trolle nebeneinander gelangen. Und auf der anderen Seite des Tores stehen zweihundert Kobolde mit schweren Armbrüsten und fünf Katapulten. Wenn die Trolle sie nicht auf breiter Front angreifen können, dann werden sie an unseren kleinen Waffenbrüdern niemals vorbeikommen.«

Der zweite Rammbock begann gegen die Festungstore zu hämmern. Ollowain spürte den Boden unter seinen Füßen erzittern. Die Trolle mussten riesige Baumstämme unter den Schutzdächern verbergen. Ob sie wohl dumm genug gewesen waren, sich das nötige Holz aus den Wäldern der Maurawan zu holen? Der Schwertmeister trat von der Schießscharte zurück und ging zu den vier goldenen Rohren, die nebeneinander aus der Wand ragten. Jedes von ihnen war mit einem Stopfen aus Nussbaumholz verschlossen. Kleine goldene Ketten verhinderten, dass die Stopfen herabfallen konnten.

Ollowain zog den Holzpfropf aus dem nächstgelegenen Rohr.

»Ist das Öl bereit?«, rief er laut hinein. Dann beugte er sich vor und lauschte.

»Das Öl kocht, Kriegsherr!«, erklang es blechern im Rohr.

»Dann verschließt die Schießscharten! Gebt den Befehl an die übrigen Kasematten weiter!« Ollowain trat von dem Sprachrohr zurück und ging wieder zu seinem Ausguck. Unten auf dem Eis zogen die Trolle den dritten Rammbock in Position.

Der Schwertmeister wies Lysilla an, zum Sprachrohr zu gehen. Das Hämmern der Rammböcke war zu einem einzigen Dröhnen geworden. Ollowain winkte der Elfe.

»Jetzt!«

»Wie viele Kessel?«, rief sie.

»Alle zwanzig!«

Er gab den Kriegern an den Katapulten ein Zeichen. »Schließt die Schießscharten.« Ollowain wagte einen letzten Blick in die Tiefe. Aus den flachen Rohrmündungen unterhalb der ersten Kasematte sprühten weit gefächerte Ölfontänen. Hundertfache Schreie erklangen. In wahren Bächen floss das Öl über das Eis hinab. Ollowain schloss die hölzerne Klappe der Schießscharte.

Ein fauchendes Geräusch erklang. Helles Licht strahlte durch die feinen Ritzen der Holzläden. Dann drang ein schwerer, öliger Geruch in die Kasematte, gefolgt vom Gestank nach verbranntem Fleisch. Ollowain kämpfte gegen das Gefühl an, sich erbrechen zu müssen. In diesem Augenblick starben unter ihm auf dem Eis hunderte Trolle. Und er hatte ihren Tod befohlen. Niemand, der dem Festungstor bis auf zwanzig Schritt nahe gekommen war, würde überleben. Heißes Öl verwandelte sich binnen eines Lidschlags in eine Feuerwolke, wenn es mit einem Flämmchen in Berührung kam. Der Schwertmeister dachte an die Flammennacht in Vahan Calyd. Nun war das Feuer, das die Trolle nach Albenmark getragen hatten, auf sie zurückgefallen.

Wieder trat er an das Sprechrohr. »Sind Flammen durch die Ausgüsse zurückgeschlagen?«, fragte er ruhig. »Nein, Kriegsherr. Es ist sehr heiß in der Kasematte, aber es gab keinen Unfall.«

»Dann setzt neues Öl in den Kesseln auf.«

Der Schwertmeister schob das Verschlussstück in den Trichter des Sprachrohrs und trat zu den Schießscharten. Gestank schlug ihm entgegen, als er die Holzklappe öffnete. Dichter schwarzer Qualm versperrte die Sicht auf den Abschnitt unterhalb des Tors. Weiter entfernt sah man brennende Gestalten, die sich schreiend im Schnee wälzten. Einzelne Flammenbäche erstreckten sich bis hundert Schritt weit den Gletscher hinab. Ein großer Teil der Trolle floh in wilder Panik. Doch immer noch harrten einige aus.

Ollowain konnte beobachten, wie sie mit langen Haken versuchten, die brennenden Rammböcke vom Tor wegzuziehen. Ob sie nach dieser Niederlage bereit waren, über einen Frieden zu verhandeln? Selbst ihrem verbohrten König musste doch nach diesem Angriff klar sein, dass er Phylangan niemals erobern konnte! Noch zwei oder drei weitere Angriffe dieser Art, und sein Heer würde beginnen, sich aufzulösen, oder gar gegen ihn rebellieren. Der Steinerne Garten war die stärkste Festung des Nordens. Es war unmöglich, ihn zu erobern. Alfadas stand bei einer der Schießscharten und blickte mit versteinerter Miene hinab. Was wohl in dem Menschensohn vorging?, fragte sich der Schwertmeister.

Lysilla lächelte kühl. »Damit endet dann wohl dieser Trollkrieg.« Ollowain fand es verwunderlich, dass immer mehr Trolle zum Tor zurückzulaufen schienen. Mit aller Kraft bemühten sie sich, die Rammböcke fortzuschaffen. Vielleicht konnte man von der ersten Kasematte aus besser sehen, was dort unten vor sich ging? Er trat zurück ans Sprechrohr.

»Was geschieht am Tor?«

Statt einer Antwort war nur ein metallisches Scheppern zu hören.

»Bericht!«, rief Ollowain, verärgert über die Disziplinlosigkeit. Während eines Gefechts sollte immer jemand in der Nähe der Sprechrohre stehen!

Der Kriegsherr räusperte sich. Alle ringsherum starrten ihn mehr oder weniger unverhohlen an. »Ich erbitte eine sofortige Meldung über die Lage vor dem Tor des Schneehafens«, sagte Ollowain betont ruhig. Plötzlich klang ein gellender Schrei durch das Rohr. Wieder schepperte es, und dann hörte man eine dunkle Stimme rufen: »Komm aus dem Rohr, Elflein, damit Gran dich fressen kann!«

Der Schwertmeister atmete tief durch. Wie war das möglich? Wie hatten Trolle in die Festung gelangen können? Und wo waren sie noch? Er musste handeln, und er musste gleichzeitig einen kühlen Kopf bewahren, um nachzudenken.

»Lysilla, erteile bitte über Sprechrohr an die übrigen Kasematten den Befehl, dass sich alle verfügbaren Kämpfer auf der nördlichen Treppe vor der dritten Kasematte sammeln sollen. Sie sollen die Bedienungsmannschaften von Katapulten und Armbrüsten abziehen.«

Ollowain trat an den Kartentisch. Hatten die Trolle es geschafft, in den Schneehafen einzudringen? Von dort aus konnte man hinauf zu den Kasematten gelangen. Aber wie sollten sie durch das Tor gekommen sein?

»Kriegsherr!« Graf Fenryl erschien im Eingang zur Nordtreppe. Sein linker Arm hing schlaff herab, die weiße Leinenrüstung war blutbesudelt. »Sie sind in der Festung. Sie kommen von der Himmelshalle. Hunderte!«

»Wo sind sie?«

Der Graf trat an den Kartentisch.

»Hier, im großen Tunnel. Und in den Tunnelsystemen, die parallel zu ihm verlaufen. Nur im Schneehafen selbst haben sie nicht angegriffen.« Er deutete auf einen Raum. »Sie haben die nördliche Torwindenkammer besetzt, und ich fürchte, sie sind auch auf der anderen Seite in der südlichen Kammer.«

Ollowain schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie kommen von der Himmelshalle? Wie haben sie den Festungsturm bei der Mandan Falah so schnell erstürmen können?«

Wieder sah er auf die Pläne. Und dann begriff er, was vor sich ging.

Wer immer diesen Angriff führte, musste einen Spitzel in der Festung haben. Ihm waren alle Schwächen in der Verteidigung bestens vertraut. In den Torwindenkammern ließ sich nicht nur das Tor zum Schneehafen öffnen. Wer immer die Verteidigungsstellungen der beiden Bergflanken, die den Passweg überblickten, betreten wollte, musste durch die Kammern. Wenn die Trolle es schafften, diese Stellungen zu besetzen und zu halten, dann wären zwei Drittel aller Verteidiger von Phylangan in den äußeren Festungswerken gefangen. Sie konnten zwar noch jeden beschießen, der sich auf dem Passweg sehen ließ, aber sie konnten ihre Stellungen nicht mehr verlassen, denn es gab nur diesen einen Weg hinaus. Den Weg durch die Torwindenkammern! Um das Unglück vollkommen zu machen, konnte man von den Kammern aus natürlich auch das Hafentor öffnen. Die Heerscharen aus dem Passweg würden die Festung stürmen. Wenn sie nicht schnell handelten, dann war Phylangan verloren!

Ollowain griff nach seinem Schwertgurt auf dem Kartentisch.

»Kommt mit mir hinab. Sofort! Lysilla, verriegle das südliche Tor dieser Kasematte. Kümmere dich auch darum, dass die Südtore der tiefer gelegenen Kasematten versperrt werden. Wir können nicht brauchen, dass der Feind uns auch hier noch in den Rücken fällt.«

Während er die weite Wendeltreppe hinabeilte, versuchte der Schwertmeister, sich die Pläne der Festung in Erinnerung zu rufen. Es gab viele Tunnel, die von Osten her in die Himmelshalle führten. Aber nur ein einziger mündete von Westen in die riesige Halle. Der Haupttunnel, der sich von Hafen zu Hafen quer durch den Berg zog. Wie die Dinge standen, konnten sie den östlichen Teil von Phylangan nicht mehr halten. Aber jenseits der Himmelshalle ließ sich eine neue Verteidigungslinie errichten. Doch zunächst mussten sie versuchen, so viele Truppen wie möglich davor zu bewahren, durch die Trolle abgeschnitten und eingekesselt zu werden.

Die Treppe wand sich in endlosen Spiralen hinab. Und in Spiralen gingen Ollowains Gedanken, kreisten darum, wie es den Trollen geglückt war, so schnell durchzubrechen und wie er zumindest einen Teil Phylangans retten könnte.

Sich diesen grobschlächtigen Hünen in den engen Tunneln zum Kampf zu stellen, war selbstmörderisch. Sie hatten alle Vorteile auf ihrer Seite. Mit seiner Körpermasse würde schon ein einzelner Troll genügen, um einen der kleineren Tunnel zu blockieren. Und ein Elf hätte auf dem beengten Kampffeld kaum Möglichkeiten, den wuchtigen Keulenhieben auszuweichen.

Am Treppenabsatz zur dritten Kasematte stieß Silwyna zu ihnen. Einige Bogenschützen begleiteten die Maurawani.

»Wie sieht es aus?«, wollte Ollowain wissen.

Sie lachte bitter. »Wie ist das Wetter draußen? Ist es ein guter Tag zum Sterben?«

»Wo sind die Trolle?«, fragte der Schwertmeister ruhig, aber eindringlich.

»Sie haben die zweite Kasematte überrannt. Wir sind ihnen gerade noch entkommen. Dann sind sie wieder hinunter. Ich glaube, sie stürmen jetzt den Schneehafen.«

Ollowain blickte die Treppe hinauf und sah Lysilla. Er winkte ihr. »Du kommst mit mir.« Sein Plan stand fest. Sie würden zunächst nur zu zweit angreifen. Mehr Kämpfer hätten auf der Treppe ohnehin keinen Platz nebeneinander. Er wünschte, Yilvina wäre jetzt hier. Bei ihr wüsste er ganz sicher, dass er sich auf ihr Geschick verlassen konnte.

Alfadas sah ihn erwartungsvoll an. Den Menschensohn mitzunehmen hieße, sein Leben fortwerfen. Aber er musste eine Aufgabe bekommen. Er durfte seine Verbündeten jetzt nicht brüskieren.

»Du deckst mit deinen Männern unseren Rücken, Alfadas. Sorge dafür, dass alle Türen hinter uns verschlossen sind!«

Der Menschensohn nickte.

Ollowain zog sein Schwert. In zahlreichen Schlachten hatte ihm die Waffe treu gedient. Noch nie war ein Kampf so verzweifelt gewesen.

Die weißhaarige Elfe trat an seine Seite. Ihre blutroten Augen funkelten spöttisch. »Wäre es sehr unverfroren, dich für heute Abend auf einen guten Apfelwein einzuladen?«

Ollowain lächelte. »Nur wenn du darauf spekulierst, dass ich nicht komme und du den Wein im Gedenken an mich allein trinken kannst.« Leichten Schrittes eilte der Schwertmeister die Treppe hinab. Der erste Troll, dem sie begegneten, war völlig überrascht, sie zu sehen. Ollowain sprang ihn mit den Füßen voran an. Seine Klinge schnellte vor und durchtrennte dem Krieger die Kehle. Er schlug einen Salto über den stürzenden Troll hinweg und landete ein wenig unsicher auf der Treppe.

»Der Nächste gehört mir!«, sagte Lysilla kalt lächelnd und überholte ihn.

Der Schwertmeister ließ sie gewähren. Er sammelte sich, atmete tief und regelmäßig. Diesmal war er vorbereitet auf den Kampf. Nicht so wie damals in Vahan Calyd, als er im Park bei den Springbrunnen gefochten hatte.

Sie fanden beide Kasematten von Trollen verlassen. Tiefer im Berg hörten sie Schreie und Kampflärm. Ollowain führte sie durch einen kurzen Gang, der nach Norden abbog. Und dann standen sie unvermittelt im Durchgang zur Torwindenkammer.

Die Bezeichnung Kammer war allenfalls angemessen, wenn man an die Weite der Himmelshalle dachte. Die Torwindenkammer war eine große Halle mit gewölbter Decke. Die ihnen gegenüberliegende Wand wurde ganz von schweren goldenen Kettenzügen mit armdicken Gliedern eingenommen. Eine Reihe großer Bannsteine an der Decke tauchte die Halle in fahles blaues Licht. Auch hier hingen in weiten Bögen goldene Ketten.

Überall lagen Tote auf dem Boden. Offenbar waren die Verteidiger völlig überrascht worden. Kein einziger Troll fand sich zwischen den Leichen.

Etliche der grauhäutigen Hünen standen im Halbkreis vor einem Portal am östlichen Ende der Halle. Grölend und scherzend trieben sie ein tödliches Spiel mit den Kämpfern, die verzweifelt versuchten auszubrechen.

Ollowain nahm alles mit einem einzigen Blick in sich auf. Er konnte sein Glück kaum fassen. Der Platz war wie geschaffen, um auf seine Weise zu kämpfen. Allerdings gab es noch zwei weitere Tore. Eines, hinter dem ein Weg hinab zum Schneehafen führte, und ein zweites, von dem sich ein Tunnel tief ins Herz des Berges erstreckte. Wenn die Trolle von dort noch weitere Verstärkungen erhielten, dann würde ihr Kampf gegen die Hünen vollends hoffnungslos.

Lysilla hatte Ollowain am Eingang zur Torwindenkammer erwartet.

»Bestehst du noch immer darauf, den nächsten Angriff zu führen?«, fragte er sie. Vor dem Portal zu den äußeren Verteidigungswerken standen mehr als zwanzig Trolle.

»Ich habe nur darauf gewartet, dass du mich einholst, um mir zuzusehen, alter Mann.« Mit katzenhafter Anmut eilte sie durch die Halle. Ollowain glaubte schon, sie wolle den ersten Gegner ohne Warnung einfach niederstechen, als sie eine überraschend vulgäre Beleidigung rief, und das in der Sprache der Trolle.

Der Schwertmeister beeilte sich, an ihre Seite zu gelangen. Nach ihren leichten Siegen schätzten die Trolle zwei Elfen offensichtlich nicht als ernst zu nehmende Bedrohung ein. Nur drei Krieger lösten sich aus der Gruppe am Tor.

Der Erste starb mit durchschnittener Kehle, noch bevor er seinen Kriegshammer heben konnte. Dem Zweiten wollte Lysilla das Knie zerschmettern, doch ihr Hieb verfehlte sein Ziel und hinterließ nur eine blutige Furche auf dem Schienbein, ohne den Troll aufzuhalten. Die Elfe duckte sich unter einem Schlag hinweg, dann war Ollowain an ihrer Seite. Ein Stich traf den vorgebeugten Angreifer in die Magengrube.

Mit einer leichten Drehung befreite der Schwertmeister seine Klinge und sprang mitten zwischen die Krieger, die das Portal blockierten. Zu dicht gedrängt, um ihre Waffen einsetzen zu können, waren sie Ollowains Angriffen fast wehrlos ausgeliefert.

Nun fassten auch die Kämpfer jenseits der Pforte neuen Mut und wagten einen weiteren, ungestümen Ausfall. Die Verteidigungslinie der Trolle zerbrach.

Wie in Ekstase gab sich Ollowain dem Klingentanz hin. Er sprang, stach zu, brachte sich mit einem Salto in Sicherheit und griff schon im nächsten Augenblick wieder an. Einmal sprang er zur Decke empor und lief geduckt über schwere Kettenglieder, um einen fliehenden Troll einzuholen, der hinab zum Schneehafen wollte, um Verstärkung zu holen.

Als auch noch die Verteidiger der Kasematten in die Halle stürmten, war das Schicksal der Trolle endgültig besiegelt. Ollowain ließ das Tor hinab zum Schneehafen schließen und befahl, alle Truppen aus den nördlichen Vorwerken abzuziehen. Er überzeugte sich selbst davon, dass sämtliche Posten aufgegeben wurden. Als er jedoch durch die Schießscharten der Katapultstellungen hinabblickte, sah er, dass eine Hälfte des Hafentors offen stand. Die großen Rammböcke brannten noch immer, waren aber ein Stück den Pass hinabgezerrt, sodass sie das Tor nicht blockierten.

Tausende Trolle stürmten in den Berg, und es gab keine Hoffnung mehr, noch zur zweiten Torwindenkammer durchzubrechen.

Erschöpft befahl Ollowain den Rückzug bis hinter die Himmelshalle. Die Trolle hatten es geschafft, schon am ersten Tag die mächtigsten Bollwerke der Festung zu überwinden und mehr als die Hälfte der Verteidiger zu töten oder einzukesseln. Phylangan schien verloren, kaum dass der Kampf begonnen hatte.

Загрузка...