»Steuerbordruder einholen!«, rief Orgrim aus Leibeskräften, um den Lärm des Gefechtes zu übertönen.
»Steuerbordruder einholen!«, hallte es wie ein Echo aus dem Rumpf der Geisterwind. Skanga hatte ihm, dem Schiffeversenker, ihre Galeasse überlassen. Sie war zwar nicht an Bord, was man als Ausdruck eines gewissen Misstrauens verstehen mochte, aber sie hielt ihn für fähig, diesen tollkühnen Angriff durchzuführen, und hatte auch alle Umbauten am Schiff gestattet.
Der schwere Rumpf der Geisterwind schwang herum, als nur noch die Backbordruder das Wasser aufwühlten. Auf der Steuerbordseite wurde ein Netz herabgelassen, in das dicke Lumpenbündel geflochten waren. Sie würden den Aufprall gegen die befestigten Hafenmauern abfedern.
Wie Hagelschlag gingen die Pfeile der Verteidiger auf die Geisterwind nieder. Die Elfen hatten erkannt, dass die große Galeasse das gefährlichste Schiff in der Angriffsformation war.
Schildträger schirmten Orgrim gegen den Beschuss ab. Der Rudelführer blickte die lange Hafenmauer entlang. Wie zwei ausgebreitete Arme erstreckte sie sich in die türkisfarbene Bucht. Sie schützte den Hafen und seine Schiffe vor schwerer See. Und nun zerschellten an ihr auch die Angriffswellen der Trolle. Dreimal schon waren sie gegen die Stadt angestürmt, und dreimal waren sie zurückgeschlagen worden. Niemand hatte gewusst, wie schwer Reilimee befestigt war, als Branbart den Angriff auf die Elfenstadt beschlossen hatte.
An Land war Reilimee durch einen doppelten Mauergürtel geschützt. Und zur See gab es diese verfluchte Hafenmauer. Fast zehn Schritt erhob sie sich über das Wasser, und alle zwei Schiffslängen gab es Wachtürme, die noch ein gutes Stück höher als die Mauer waren. Die Einfahrt in den Hafen wurde durch zwei kleine Festungen gesichert. Zwischen ihnen spannte sich eine Kette mit armdicken Eisengliedern. Keine der Galeassen hatte diese mächtige Barriere zu zerbrechen vermocht.
Krachend zerbarst ein Schild neben Orgrim. Holz- und Knochensplitter, Blut und Hirn spritzten dem Rudelführer über Brust und Gesicht. Einem seiner Schildträger hatte es den Kopf weggerissen. Der zwei Zoll starke Eichenschild des Kriegers wies ein großes, ausgefranstes Loch auf.
»Du solltest jetzt das Achterdeck verlassen«, riet Boltan und zog sich einen fingerlangen Holzsplitter aus dem Brustmuskel.
»Durch die Schildträger werden sie auf dich aufmerksam!« Der Geschützmeister deutete zum nächstgelegenen Turm der Hafenmauer. Hinter den Zinnen sah Orgrim Elfenhelme in der Sonne funkeln.
»Ich bin gespannt, wie diese verdammten Elfenkatapulte aussehen«, brummte Boltan. »Wir haben Vahan Calyd zu schnell erobert. Dort gab es sicher auch schon welche von diesen verfluchten Dingern. Eine Schande, dass wir da alles kurz und klein geschlagen haben.«
»Wir werden die Ersten auf der Mauer sein, und ich verspreche dir, dass du ein paar der Katapulte als Kriegsbeute bekommst. Sie sind ...«
Seine Stimme ging in einem gewaltigen Krachen unter. Holzsplitter jagten über das Achterdeck, Trolle schrien auf.
Einige Krieger wälzten sich in Blutlachen auf dem Deck. Ein weiterer Geschütztreffer hatte ein großes Loch in das Schanzkleid gerissen. Die verdammten Katapulte der Elfen vermochten Steine in waagerechter Schussbahn abzufeuern. Sie waren um ein Vielfaches treffsicherer als die Katapulte, die Orgrim bisher kannte. Die Steinschleudern der Trolle schossen dem Feind Felsbrocken in steilem Bogen entgegen, und selbst so erfahrene Geschützmeister wie Boltan konnten nur grob schätzen, wo die Geschosse einschlagen würden und welchen Schaden sie anrichteten.
Faustgroße Steine prasselten gegen die Hafenmauer. Mit Genugtuung hörte Orgrim die Schreie verwundeter Elfen. König Branbart hatte befohlen, die Verteidiger auf den Mauern mit Steinen zu bewerfen. Kein einziges der Trollschiffe feuerte mehr Brandgeschosse ab.
»Hievt die Reißzähne!«, befahl Orgrim. Die Geisterwind war kaum mehr als fünf Schritt von der Hafenmauer entfernt.
»Backbordruder einholen! Alle Mann an Deck.«
Der Rudelführer verfolgte gespannt, wie die schweren Enterbrücken mit Flaschenzügen an den Masten hochgezogen wurden. Die Mastkörbe über der ersten Rah waren verstärkt worden. Man hatte Laschen aus dickem Bullenleder angebracht, in denen die Enterbrücken eingehakt werden sollten. Das war jedoch erst möglich, wenn die Geisterwind unmittelbar neben der Hafenmauer lag, denn die riesigen Gewichte, die man in die Takelage hievte, würden das Schiff sonst kentern lassen.
In den Wanten und auf den Rahen wimmelte es nur so von Trollen, die unberührt vom Beschuss der Elfen die Vielzahl verschiedener Manöver ausführten, welche den Angriff begleiteten. Jetzt zahlte es sich aus, dass Skanga nur die Besten der Besten an Bord genommen hatte. Mit keiner anderen Schiffsbesatzung hätte Orgrim diesen Angriff durchführen können, ohne ihn vorher wochenlang zu proben.
Brandpfeile gingen auf die Geisterwind nieder. Orgrim hatte schon in der vergangenen Nacht die Segel abnehmen lassen, um sein Schiff weniger anfällig gegen diese heimtückischen Geschosse zu machen. Nur von Rudern angetrieben, war die große Galeasse zwar erbärmlich langsam, doch wog die verminderte Brandgefahr diesen Nachteil reichlich auf. Überall auf den Decks standen mit Wasser gefüllte Eimer. Orgrim hatte eigene Löschgruppen aufgestellt, die keine andere Aufgabe in diesem Gefecht hatten, als Brände zu ersticken. Ein dumpfer Schlag erschütterte die Geisterwind. Die Galeasse war längsseits der Hafenmauer gegangen. Von den oberen Mastkörben versuchten Steinwerfer, die Bogenschützen auf der Mauer auszuschalten.
Immer mehr Geschosse prasselten auf die Geisterwind ein. Alle Bogenschützen und alle verfügbaren Katapulte in Reichweite schienen nun allein dieses Schiff zum Ziel auserkoren zu haben.
Zufrieden sah Orgrim, dass alle drei Reißzähne einsatzbereit waren. Wie Raubtierzähne sahen die langen Dornen an der Unterseite der Enterbrücken aus. Hölzerne Kiefer, bereit, in die Hafenmauer zu beißen. »Hisst die Lederwände!«, rief Orgrim. Dann nahm er seinen Schild und stieg vom Achterkastell. Er würde den Angriff über den Hauptmast anführen. Orgrim war fest entschlossen, der erste Troll zu sein, der seinen Fuß auf die Mauern Reilimees setzte.
Torgroße Rahmen wurden an den Rahen hochgezogen. Sie waren mit nassen Lederhäuten bespannt. So würden sie einen Teil der Brandpfeile abfangen, vor allem aber den Beschuss der Entermannschaften erschweren, die in die Masten stiegen.
Der Rudelführer schlang sich den Schild über den Rücken und prüfte, ob sein Kriegshammer sicher im Gürtel saß. »Rauf auf die Mauer! Schlagt diesen jämmerlichen Wichtlein die Schädel ein!« Orgrim enterte die Wanten, dutzende Krieger folgten ihm. Die Decks und Masten hallten wider vom Kriegsgeschrei. Zufrieden sah der Rudelführer, wie etliche Pfeile in die Schutzwände schlugen. Sein Plan ging auf! Am Ende der Wanten zog er sich in den Mastkorb. Kräftige Hände halfen ihm hinauf. Fast gleichzeitig hatte Gran den Mastkorb am Vormast erreicht. Dieser Bastard glaubte doch nicht etwa, dass er als Erster auf der Festungsmauer stehen würde?
»Die Reißzähne nieder!«, rief Orgrim.
Krachend schlugen die schweren Enterbrücken der Geisterwind auf die Zinnen der Hafenmauer. Der Rudelführer schob den Arm durch die Lederschlaufen seines schweren Schildes. Schützend hob er die dicken Eichenbretter vor seine Brust, sodass er gerade noch über den Rand blicken konnte. Er spürte die Unruhe der Krieger hinter sich. Eine Steinkugel aus den merkwürdigen Elfenkatapulten strich dicht über seinen Kopf hinweg und riss Splitter aus dem Hauptmast.
Orgrim zog den Kriegshammer aus seinem Gürtel. Er war entschlossen, den Mauerabschnitt, der vor ihm lag, einzunehmen. Er würde sich seinen Herzogstitel schon verdienen. Und sei es, dass er Herzog so einer verfluchten Elfenstadt wie Reilimee wurde!
Die Enterbrücke vibrierte unter seinen Füßen. Nur wenige Schritte, und er war bei der Mauer. Speere reckten sich ihm entgegen. Er schob sie so mühelos zur Seite, als seien es Schilfrohre. Mit einem Satz war er auf dem Wehrgang. Die Verteidiger standen zu dicht. Sie konnten seinen Hieben nicht ausweichen. Brüllend schwang er den Kriegshammer über seinem Kopf.
Ein Rudelführer der Elfen schrie seinen Männern zu, sich zurückzuziehen. Pfeile schlugen in Orgrims Schild.
Die Verteidiger hier auf der Mauer waren viel weniger geschickt als die Elfenkrieger, die auf dem Schiff der falschen Königin gekämpft hatten. Sie waren nicht minder tapfer, aber sie konnten ihn nicht aufhalten. Sein schwerer Kriegshammer zerschmetterte Schilde, Helme, Schädel, alles, was ihm in den Weg kam. Mit Schildstößen ließ er Krieger von der Mauer purzeln. Seine Krieger fluchten wütend hinter Orgrim. Sie kamen nicht an ihm vorbei. Der Gang auf der Mauer war so eng, dass gerade einmal zwei Trolle nebeneinander kämpfen konnten, ohne sich gegenseitig zu sehr zu behindern.
Immer schneller ging es voran. Manche Elfen sprangen lieber über die Brustwehr, als unter seinen Streithammer zu geraten. Die hellen Bodenplatten auf der Mauer waren glitschig vom vielen Blut. Möwen kreisten über dem Turm vor ihm. Sie kreischten, als wollten sie die Kämpfenden anspornen.
Orgrim sah, wie sich die Tür des Turms schloss. Die Elfen, die es nicht mehr in Sicherheit geschafft hatten, schrien in Panik. Einige von ihnen warfen ihre Waffen weg und knieten nieder. Elende Feiglinge! Orgrim packte sie und stieß sie zur Seite. Und dann war er bei dem Tor. Breite schwarze Eisenbänder liefen über das graue Holz. Rostspuren zeichneten die Türen wie Streifen aus geronnenem Blut. Es stank nach Fäkalien und Erbrochenem. Der Geruch von Schlachtfeldern.
Orgrim schlug mit aller Kraft auf das Tor ein. Das graue Holz erzitterte. Jeder Treffer hinterließ tiefe Kerben, doch die Tür widerstand.
»Vorsicht, Rudelführer!«
Orgrim riss im Reflex seinen Schild hoch. Etwas wie Wasser troff vom Himmel. Ein ganzer Schwall traf den Schild. Einzelne Tropfen spritzten in sein Gesicht oder fanden ihren Weg durch feine Risse in den Eichenbrettern. Sie brannten auf seiner Haut. Ein schwerer, öliger Geruch und der Gestank von gesottenem Fleisch hingen in der Luft.
Der Krieger unmittelbar hinter ihm hatte weniger Glück gehabt. Er lag auf dem Rücken, seine Arme zuckten hilflos. Sein Gesicht war aufgequollen, graurot und voller Blasen. Er hatte die Augen weit aufgerissen. Sie strahlten weiß wie gekochte Eier aus dem verbrühten Fleisch.
»Schafft Rammböcke her!«, befahl Orgrim. »Die Tore sind zu stark, um sie mit unseren Waffen einzuschlagen.« Eine Fackel fiel vor die Füße des Rudelführers. Er bückte sich hastig. Schon fraßen sich Flammen in gierigen Schlieren über das Öl. Wütend warf Orgrim die Fackel ins Meer. Er ließ den Schild vom Arm gleiten und erstickte damit die Flammen.
»Steinwerfer! Heizt den Wichtlein auf den Türmen ein.« Er wünschte, auch seine Trolle hätten diese starken, waagerecht schießenden Katapulte. Dann könnte man Festungstürme mit solchem Beschuss belegen, dass niemand es mehr wagte, seine Nase zwischen die Zinnen zu stecken.
»Los, wo bleibt der Rammbock! Wollt ihr vielleicht hier auf den Mauern gesotten werden?« Gellende Schreie ließen den Rudelführer aufblicken. Am anderen Ende des Mauerabschnitts, dort, wo sich der nächste Wachturm erhob, stand der Wehrgang in hellen Flammen. Krieger, die zu lebenden Fackeln geworden waren, taumelten ihren Kameraden entgegen. Hilflos mit den Armen rudernd, umklammerten sie jeden, den sie zu greifen bekamen, und trugen den Tod so weiter in die Reihen jener, die dem kochenden Öl und den Flammen entgangen waren.
Jetzt waren es seine Krieger, die voller Entsetzen von den Mauern sprangen. Ein Flammenmann stürzte auf das Hauptdeck der Geisterwind.
Boltan rammte ihm eine Harpune ins Genick, bevor er wieder auf die Beine kommen konnte. Dann erstickten andere das Feuer mit Sand.
»Den Rammbock!«, rief Orgrim wütend. Sie waren dem Sieg so nahe gewesen.
Endlich kam Bewegung in die Männer. Ein dicker Holzstamm wurde auf die Mauer gehievt. Man hatte ihn nicht von Ästen gesäubert, sodass es genügend Griffe gab. Das vordere Ende des Stammes war zugespitzt. Orgrim verließ die Deckung unter dem Türsturz. Er schob den Kriegshammer in den Gürtel zurück und hob den Schild schützend über den Kopf. »Los, nehmen wir Rache für unsere toten Kameraden!«
Er sah die Mordlust in den Augen seiner Krieger. Viele waren von Brandwunden gezeichnet. Einem Glatzkopf steckten zwei abgebrochene Pfeile in der linken Schulter. Dennoch griff er nach einem Aststrunk und rief: »Rache!«
Auch Brud, Skangas Kundschafter, war unter den Männern, die sich zum neuen Angriff formierten. Schreiend stürmten sie dem Tor entgegen. Wie Donnergrollen rollte das Krachen des Rammbocks über die Mauern. Orgrim hatte das Gefühl, dass ihm alle Armsehnen reißen müssten, als der schwere Holzstamm vom Tor abprallte. »Los, noch einmal!« Der Baumstamm schnellte vor. Jetzt wurden sie mit einem splitternden Geräusch belohnt. Eine der Planken der Tür war geborsten.
Pfeile fuhren zwischen sie herab. Oben vom Turm unternahmen die Verteidiger einen letzten, verzweifelten Versuch, sie von der Tür zu vertreiben.
»Rache!«, schrien die Trollkrieger. »Rache!« Im Takt zu ihren wütenden Rufen hämmerte der Rammbock vor das Tor. Ging einer der Männer zu Boden, nahm sofort ein neuer seinen Platz ein.
Eine weitere Planke splitterte. Und dann gab eine der Angeln nach. Das Tor kippte halb nach innen. Orgrim ließ den Rammbock fahren. Er drängte in den Turm. Eine Schwertklinge schnellte ihm entgegen. Er ließ sich fallen. Holzsplitter zerschrammten seine Brust. Unter seinem Gewicht riss auch die zweite Angel aus der Verankerung in der Mauer. Das Tor stürzte in den Turm. Der Rudelführer rollte zur Seite, um einem Speerstoß auszuweichen. Die enge Turmkammer war erfüllt von Leibern. Schwere Füße trampelten über ihn hinweg. »Rache!«, hallte ihr Schlachtruf von den Wänden.
Irgendwie schaffte es Orgrim, auf die Beine zu kommen. In dem Gedränge war es unmöglich, seinen Kriegshammer zu schwingen. Neben ihm sank der glatzköpfige Krieger in die Knie. Sein Bauch war der Länge nach aufgeschnitten. Mit beiden Händen versuchte der Sterbende, die vorquellenden Gedärme festzuhalten. Der Rudelführer sah die blutige Elfenklinge zu einem neuen Stoß vorschnellen. Diesmal zielte sie auf seinen Bauch. Orgrim drehte sich zur Seite, doch diesmal war er zu langsam. Ein langer, flacher Schnitt zog sich über seinen Bauch.
Wütend griff er nach dem Kopf des Schwertkämpfers und schlug ihn mit aller Kraft gegen die Wand. Immer und immer wieder.
Der Kampf ringsherum verebbte. Jemand riss das Tor auf, das auf den nächsten Mauerabschnitt führte, und wurde noch im selben Augenblick zurück in die Turmkammer geschleudert. Wie eine Kinderfaust, die in ein Mäusenest schmettert, zerriss eine unsichtbare Kraft Schilde und Leiber. Triumphierende Sieger wurden binnen eines Augenblicks zu zerschundenen Kadavern.
Vorsichtig blickte Orgrim durch das Tor. Die Elfen hatten eines ihrer geheimnisvollen Geschütze auf der Mauer in Stellung gebracht. In fliegender Hast versuchte die Besatzung, das Katapult nachzuladen. Zwei Krieger wuchteten einen kopfgroßen Stein auf die Führungsschiene. Zwei weitere drehten an den Speichen einer Doppelwinde. Das Geschütz war weniger als fünfzig Schritt entfernt. Der Rudelführer begann zu laufen. »Rache!«, schrie er seine Angst und seine Wut hinaus. Hinter sich hörte er Schritte. Der Schlachtruf wurde erneut von anderen Kriegern aufgenommen.
Die Anne des Katapults ruckten noch ein letztes Stück nach hinten, dann verharrten sie in tödlicher Spannung. Ein scharfes Klacken erklang. Orgrim warf sich nach vorn. Er spürte den Zugwind, als die Steinkugel nur wenige Zoll über seinem Rücken dahinschoss. Er hörte reißendes Fleisch. Vielstimmiges Geschrei. Sofort stemmte sich der Rudelführer wieder hoch.
Verfluchte Elfen! Sie luden schon wieder nach. Ein neuer Stein wurde auf die Führungsschiene gehoben. Orgrim rannte so schnell ihn seine Beine trugen. Dicht neben ihm war Brud, der Kundschafter. Der Rudelführer zog seinen Kriegshammer aus dem Gürtel.
Ruckend bewegten sich die Anne des Katapults zurück. Nur noch zehn Schritt. Pfeile umschwirrten sie. Ein Schlag traf Orgrim in den Oberschenkel. Doch er rannte weiter. Beißender Schmerz brannte in seiner Brust. Die Katapultarme nickten noch ein letztes Mal, dann verharrten sie. Noch fünf Schritte.
Die Kriegsmaschine lauerte wie eine zum Zustoßen bereite Viper. Ein Elf mit federgeschmücktem Helm beugte sich vor. Orgrim schleuderte seinen Kriegshammer. Der Helm verwandelte sich in blutiges Blech. Noch zwei Schritte. Die Geschützbedienung sprang zurück. Die Elfen versuchten, durch das offene Tor in den nächsten Turm zu entkommen.
»Pack das Mistding! Wir verkeilen damit das Tor!«, schrie er dem Kundschafter zu. Im Schwung ihres Ansturms rissen sie das Katapult mit sich.
Das Tor des Turms schloss sich. Krachend fuhr die Belagerungsmaschine gegen das Holz. Die lange Führungsschiene schob sich zwischen Tor und Mauerfassung. Etwas klackte. Die Katapultarme schnellten vor. Der schwere Stein wurde nach vorn gerissen und zog eine blutige Schneise in die Krieger, die ihnen folgten. »Nein!«
In blinder Wut trat Orgrim die Tür auf und warf sich auf die Elfen. Wie im Rausch trat und schlug er um sich. Etwas schlitzte seine Wange auf. Ein schwerer Hieb traf sein Knie. Die Kammer füllte sich mit Leibern und der feuchten Hitze frisch vergossenen Blutes. Und dann plötzlich war es vorbei. Nur das leise Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden störte die Stille.
Orgrim wankte eine enge Stiege hinauf. Der zweite Turm war genommen! Sie hatten einen ganzen Abschnitt der Mauer erobert. Von der Turmkrone herab sah er, wie die Krieger anderer Schiffe über die Enterbrücken der Geisterwind stürmten.
Der Rudelführer stützte sich schwer auf eine Zinne. Die Hafenstadt war riesig. Auch zur See hin schützte sie sich mit einem doppelten Wall. Die Elfen waren noch lange nicht geschlagen. Aber sie hatten ihre erste Niederlage erlitten. »Nie wieder werdet ihr uns von diesem Wall vertreiben«, schwor der Rudelführer erschöpft. »Und nie wieder werden wir Albenmark verlassen.«