29

Der Zauberer hob die Hände und deutete über das Gedränge hinweg.

»Halt!«, rief er mit tiefer, kräftiger Stimme, einer Stimme, die Jennsen selbst im Lärm um sie herum deutlich ausmachen konnte. »Stehen bleiben!«

Nyda schaute sie aus großen Augen an, so als könnte ihr jeden Moment ein Licht aufgehen. Jennsen faßte sie beim Arm.

»Ihr müßt ihn aufhalten.«

Nyda löste ihren Blick und schaute über ihre Schulter hinüber zu dem Mann, der auf sie zugelaufen kam, dann sah sie wieder Jennsen an.

Jennsen mußte an Altheas Bemerkung denken, ihr Äußeres erinnere sie ein wenig an die Familie Rahl, und daß andere, die Darken Rahl gekannt hatten, sie wiedererkennen könnten. Sie krallte ihre Finger in Nydas Lederanzug. »Haltet ihn auf! Hört nicht auf ihn, egal, was er sagt!«

»Aber vielleicht will er bloß ...«

Jennsen packte noch fester zu und schüttelte die Frau. »Habt Ihr eigentlich überhaupt nichts begriffen von dem. was ich gesagt habe? Er könnte versuchen zu verhindern, daß ich Lord Rahl helfe; er könnte außerdem versuchen, Euch hinters Licht zu führen. Bitte, Nyda – Lord Rahls Leben ist ernsthaft in Gefahr.«

Die Erwähnung des Namens Lord Rahl ließ sie ihre Fassung wiedergewinnen.

»Geht«, sagte Nyda, und fügte dann ungeduldig hinzu, »Macht schon.«

Jennsen nickte und stürzte die Stufen hinunter. Ihr blieb gerade noch Zeit für einen flüchtigen Blick; sie sah, wie der Prophet mit großen Schritten auf sie zuhielt. Nyda, ihren Strafer in der Hand, lief ihm entgegen.

Sebastian packte sie bei der Hand und zog sie eilig die Stufen hinunter, so daß Jennsen keine Gelegenheit mehr hatte, einen Blick auf den Zauberer zu erhaschen. Sie hatte sich nicht klar gemacht, welche Wirkung der Anblick eines Verwandten auf sie haben würde; und sie hatte nicht erwartet, es ihm an den Augen anzusehen. Bis jetzt hatte es immer nur ihre Mutter und sie selbst gegeben. Der Anblick dieses Mannes, der in gewisser Weise ihr Fleisch und Blut war rief bei ihr eine überaus gemischte Gefühlsregung hervor – eine Art sehnsuchtsvolle Beklommenheit.

Aber wenn er sie faßte, wäre ihr Schicksal besiegelt.

Als sie eine Ebene erreicht hatten, auf der Soldaten stationiert waren, drosselten sie ihr Tempo. Jennsen zog ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und achtete darauf, daß sie ihr Haar und einen Teil des Gesichts verdeckte, da sie befürchten mußte, jemand könnte sie als Tochter Darken Rahls erkennen. Nachdem ihr klar geworden war daß dieses Problem sie zusätzlich beschäftigen würde, krampfte sich ihr Magen vor lauter Sorge zusammen.

Sebastian legte ihr einen Arm um die Hüfte und zog sie eng an seinen Körper, während er sich einen Weg durch den träge dahinfließenden Menschenstrom bahnte. Um den in der Nähe der Balustrade patrouillierenden Soldaten aus dem Weg zu gehen, mußte er Jennsen zu der mit Sitzbänken versehenen Seite hinübermanövrieren, was sie auf ihrem verschlungenen Pfad durch die Reihen der Passanten näher an die Verkaufsstände heranbrachte.

Sie hatten den Rand des Absatzes erreicht und waren soeben im Begriff, weiter hinunterzusteigen, als sie eine große Patrouille erspähten, die ihnen die Treppe hoch entgegenkam. Sebastian zögerte. Ihr war sofort klar, daß ihm die Situation durch den Kopf ging, als er das letzte Mal die Aufmerksamkeit der Soldaten erregt hatte. Es handelte sich um einen großen Trupp – völlig ausgeschlossen, ihn zu passieren, ohne sich ihm auf Armeslänge zu nähern. Die Soldaten nahmen jeden sorgfältig in Augenschein, während sie die Stufen heraufstiegen.

Jennsen bezweifelte, daß sie Sebastian noch einmal allein durch Überredungskunst aus einer Gefängniszelle befreien konnte. Da sie in seiner Begleitung war, würde man sie diesmal vermutlich in Gewahrsam nehmen, um sie zu verhören, und wenn man sie anschließend länger festhielte, würde Nathan Rahl ihr Schicksal besiegeln. Sie spürte ein Gefühl von Panik und Unausweichlichkeit, das sie beinahe zu erdrücken drohte.

Da Jennsen sich nicht von Sebastian trennen wollte, packte sie ihn beim Arm und zerrte ihn quer über den Absatz wieder zurück, vorbei an Paaren auf den Banken, vorbei an den Schlangen vor den Verkaufstresen und den eng umschlungenen Pärchen in den Schatten, und zog ihn in eine der dunklen Nischen. Nach der langen Lauferei vor Anstrengung keuchend, zwängte sie ihre Schultern in den engen Winkel zwischen der Rückwand eines Verkaufsstands und einem Pfeiler und zog Sebastian vor sich, so daß er den Soldaten den Rücken zukehrte.

Dank seiner hochgeschlagenen Kapuze würden sie nicht viel von ihm sehen. Falls sie überhaupt Notiz von ihnen nahmen, würden sie gerade genug sehen, um zu erkennen, daß sie eine Frau war. Sie würden wie ein ganz normales Paar wirken. Jennsen legte ihre Arme um Sebastians Hüfte, damit sie von all den anderen ganz gewöhnlichen Pärchen nicht zu unterscheiden wären, die ein paar Augenblicke der Zweisamkeit genossen.

In ihrer kleinen Zuflucht war es merklich leiser; das Geräusch ihres schweren Atems übertönte das nicht weit entfernte Stimmengewirr.

So warteten sie darauf, daß die Soldaten vorübermarschierten. Jennsen war sprachlos vor Dankbarkeit, daß die Gütigen Seelen ihr geholfen hatten, Sebastian zu befreien.

»Ich hätte nicht geglaubt, daß ich Euch jemals wiedersehen würde«, sagte er leise, zum ersten Mal seit seiner Befreiung mit ihr allein, und zum ersten Mal in der Lage, ungestört mit ihr zu sprechen.

Jennsen löste ihren Blick von den Passanten; als sie ihm in die Augen schaute, sah sie, wie ernst er es meinte. »Ich konnte Euch doch nicht einfach dort drin schmoren lassen.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich finde es unglaublich, was Ihr getan habt. Wie Ihr es allein durch Überredung bis in den Palast hinein schaffen konntet. Ihr habt sie einfach um den kleinen Finger gewickelt. Wie habt Ihr das bloß gemacht?«

Jennsen mußte schlucken; nach diesem Ansturm der Gefühle, nach all der Angst, der freudigen Erregung, der Panik und dem Gefühl des Triumphes war sie den Tränen nahe. »Ich mußte es einfach tun, das ist alles. Ich mußte Euch da rausholen.« Sie vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war bevor sie fortfuhr. »Ich fand die Vorstellung, daß Ihr da drinnen sitzt und man Euch etwas antun könnte, unerträglich. Also ging ich zu Althea, der Hexenmeisterin, um mir Hilfe zu holen.

»So also habt Ihr es geschafft, mit ihrer Magie?«

Jennsen schüttelte den Kopf und sah ihm in die Augen. »Nein. Althea konnte mir nicht helfen – aber das ist eine lange Geschichte. Statt dessen erzählte sie mir von ihrer Reise in Eure Heimat, in die Alte Welt.« Sie lächelte. »Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte, die ich Euch ein andermal erzählen werde. Es hat etwas mit den Säulen der Schöpfung zu tun.«

Er machte ein erstauntes Gesicht. »Wollt Ihr damit etwa sagen, sie ist tatsächlich dort gewesen?«

»Wo?«

»Bei den Säulen der Schöpfung – sie hat diesen Ort tatsächlich besucht, als sie in der Alten Welt war?« Sein Blick folgte einen Moment lang einem Soldaten. »Ihr habt gesagt, es hätte etwas damit zu tun, wie sie Euch geholfen hat. Dann hat sie diesen Ort also mit eigenen Augen gesehen?«

»Was ...? Nein ... sie konnte mir ja gar nicht helfen. Sie sagte, das müsse ich schon selber tun. Ich hatte fürchterliche Angst um Euch und wußte nicht, was ich tun sollte. Da fiel mir wieder ein, was Ihr mir über das Täuschen anderer erzählt hattet.«

Jennsen runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. »Was meintet Ihr eigentlich damit, sie hätte die ...«

Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden oder ihren Gedanken zu Ende zu denken, denn er sah ihr in die Augen und lächelte sein zauberhaftes Lächeln.

»Ich habe noch nie erlebt, daß sich jemand etwas Vergleichbares erlaubt hätte.«

Es war ein überraschend schönes Gefühl zu wissen, daß sie ihn überrascht, ihm eine Freude gemacht hatte.

Er fühlte sich so angenehm an, so kräftig. In den dunklen Winkel gezwängt, nahm er sie fest in seine Arme. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange. »Ich hatte solche Angst um Euch.«

»Ich weiß.«

»Habt Ihr Euch auch gefürchtet?«

Er nickte. »Ich hatte nur einen einzigen Gedanken im Kopf, daß ich Euch niemals wiedersehen würde.«

Sein Gesicht war so nah, daß sie die Wärme spürte, die von seiner Haut ausging. Der Länge nach spürte sie seinen ganzen Körper, seine Beine, seinen Oberkörper, der sich an sie schmiegte, als er ihre Lippen zart mit seinen streifte. Ihr Herz schlug wie wild.

Doch dann ließ er wieder von ihr ab, so als hätte er es sich anders überlegt. Sie war nur froh, daß er sie noch immer in den Armen hielt, denn als sie merkte, daß er sie beinahe geküßt hätte, war sie nicht mehr sicher, ob ihre Beine sie noch tragen würden. Welch schwindelerregende Vorstellung wäre das gewesen, ein heimlicher Kuß im Dunkeln – oder jedenfalls fast ein Kuß. Jennsen glaubte mit Sebastian völlig allein zu sein und kraftlos in seinen Armen zu liegen. Geborgen. Plötzlich zog er sie fester an sich, wie übermannt, so als hätte etwas von ihm Besitz ergriffen, das er nicht länger steuern konnte. In seinen Augen glaubte sie so etwas wie bedingungslose Hingabe zu erkennen.

Und dann küßte er sie.

Jennsen stand da wie versteinert; sie war überrascht, daß er es tatsächlich tat, daß er sie küßte und in den Armen hielt, wie sie es bei den Liebenden beobachtet hatte.

Schließlich nahm auch sie ihn fester in die Arme, hielt ihn eng umschlungen und erwiderte seinen Kuß .

Sie hatte bisher nicht die geringste Vorstellung gehabt, daß etwas so wundervoll berauschend sein konnte. Nie im Leben hätte Jennsen für möglich gehalten, daß ihr so etwas passieren könnte. Natürlich hatte sie davon geträumt, gleichzeitig aber immer gewußt, daß es nur eine Wunschvorstellung war.

Und jetzt war es wie durch Magie geschehen.

Ein hilfloses Stöhnen entwich ihrer Kehle, als er sie fest in die Arme schloß, sie stürmisch an sich drückte und sie mit leidenschaftlicher Hingabe küßte. Sie war sich seines Armes auf ihrer Hüfte überdeutlich bewußt, seines anderen Armes um ihre Schultern, ihrer Brüste, die gegen seine harten Brustmuskeln gedrückt wurden, seines Mundes, der sich auf ihre Lippen preßte, und des sehnsüchtigen Stöhnens, mit dem er auf ihr Stöhnen reagierte.

Dann war es ganz unerwartet vorbei. Fast war es, als hatte er seine Fassung wiedergefunden und sich mit Gewalt gezwungen aufzuhören. Jennsen atmete keuchend. Das Gefühl, in seinen Armen zu liegen, gefiel ihr. Nur wenige Zoll voneinander entfernt, schauten sie einander in die Augen.

Alles war so erschreckend schnell geschehen, so unerwartet, so verwirrend – und doch ganz wie von selbst.

Am liebsten hätte sie sich gleich der nächsten Umarmung, dem nächsten glühenden Kuß hingegeben, aber als er sich umsah, ob jemand in der Nähe war oder ihnen womöglich gar zusah, nahm sie sich zusammen; ihr war wieder eingefallen, wo sie sich befanden und warum sie sich in diesen düsteren Winkel gezwängt hatten.

Nathan Rahl war ihnen auf den Fersen; zwischen ihm und ihnen stand nur Nyda. Wenn er ihr Jennsens Identität verriet und sie ihm glaubte, hätten sie die gesamte Armee auf den Fersen.

Sie mußten den Palast augenblicklich verlassen.

Sebastians Blick wanderte suchend über die Menge, während er sich vergewisserte, daß niemand sie beobachtete. »Gehen wir.«

Er fand ihre Hand und zog sie fast ein wenig ungeduldig aus ihrem Versteck und zur nächsten Treppe hin.

Die Flut widersprüchlicher Gefühle, von Angst über Scham bis hin zu übermütiger Freude, hatte Jennsen benommen gemacht, und sie nahm die Stufen beim Hinuntersteigen beinahe gar nicht wahr. Sie versuchte ganz normal auszusehen, so wie alle anderen, die einfach nach einem Besuch den Palast verließen, dabei fühlte sie sich alles andere als normal. Ihr war als müßte jeder der sie ansah, sofort sehen, daß Sebastian sie geküßt hatte.

Als ein Soldat sich unerwartet in ihre Richtung drehte, klammerte sie sich mit beiden Händen an Sebastians Arm, legte ihm den Kopf an die Schulter und lächelte den Mann wie bei einer flüchtigen Begrüßung an. Das Ablenkungsmanöver genügte, um an ihm vorbei und weiterzugehen, bevor er auch nur auf den Gedanken kam, Sebastian anzuschauen.

»Das war schnell geschaltet«, raunte ihr Sebastian erleichtert zu.

Nachdem sie den Soldaten passiert hatten, legten sie wieder einen Schritt zu. Die vielen Eindrücke, die sie auf dem Hinweg aufgenommen hatten, verschmolzen jetzt zu einem nebelhaften Durcheinander. Nichts davon interessierte sie; sie wollte nur noch fort von diesem Palast, wo man Sebastian verhaftet hatte und sie beide in ständiger Gefahr schwebten. Die unablässige Anspannung, unter der sie hier gestanden hatte, hatte sie mehr erschöpft als die Gefahren im Sumpf.

Endlich endeten die Stufen. Das Licht, das durch den mächtigen Schlund der prachtvollen Eingangshalle hereinfiel, machte es schwierig, etwas zu erkennen, trotzdem war ihnen der Anblick der aus dem Felsplateau herausführenden Öffnung höchst willkommen. Hand in Hand hielten sie zusammen auf das Licht zu.

Überall herrschte gewaltiges Gedränge, Menschen machten an den Verkaufsständen halt, beobachteten Passanten oder bestaunten die gewaltigen Ausmaße, während wieder andere an ihnen vorbei hinauf zu den Stufen strömten. Die nahe bei den Seitenwänden postierten Soldaten beobachteten die Leute, die hineingingen, weshalb sie und Sebastian sich mehr in der Mitte hielten. Die Soldaten schienen sich mehr für die Neuankömmlinge zu interessieren als für die, die den Palast verließen.

Draußen vor dem Felsenturm begrüßte sie kaltes Tageslicht. Wie zuvor herrschte auch auf dem Marktplatz unterhalb des Plateaus hektische Betriebsamkeit. Die behelfsmäßig angelegten Straßen, die an Zelten und Ständen vorbeiführten, waren voller Menschen, die etwas suchten und gelegentlich stehen blieben, um einen Kauf zu tätigen.

Sie hatte ihm berichtet, daß sowohl die Pferde als auch Betty nicht mehr aufzufinden waren, deshalb brachte Sebastian sie statt dessen zu einer nahen Einfriedung, in der eine Reihe von Pferden aller Rassen standen. Der Mann, der die Pferde beaufsichtigte, hockte auf einem Lattenverschlag, der einen Teil der mit Seilen abgetrennten Umfriedung bildete, und rieb sich vor Kälte die Arme; Sättel lagen aufgereiht in einer Linie längs des behelfsmäßigen Zauns.

»Wir würden gern ein paar Pferde kaufen«, wandte sich Sebastian im Näherkommen an ihn, den Zustand der Tiere in Augenschein nehmend.

Der Mann sah auf, die Augen gegen die Sonne zusammenkneifend. »Schön für Euch.«

»Verkauft Ihr nun welche, oder verkauft ihr keine?«

»Keine«, lautete seine Antwort. Er drehte sich herum und spie aus, dann wischte er sich mit dem Handrücken übers Kinn. »Die Pferde hier haben alle einen Besitzer. Ich werde dafür bezahlt, daß ich auf sie aufpasse, nicht fürs Verkaufen. Wenn ich anfange, die Viecher zu verhökern, zieht man mir wahrscheinlich bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren.«

»Wißt Ihr denn, wer hier Pferde verkauft?«

»Tut mir leid, kann ich nicht sagen. Seht Euch einfach um.«

Sie bedankten sich bei ihm, dann gingen sie die notdürftig angelegte Straße hinunter und hielten entsprechend Ausschau. Jennsen machte es nichts aus, zu Fuß zu gehen – mit ihrer Mutter war sie meistens so gereist –, aber sie hatte auch Verständnis für Sebastians dringendes Bedürfnis, ein Pferd aufzutreiben. Sie waren eben erst mit knapper Not entkommen, und solange der Zauberer Nathan Rahl sie aufzuhalten versuchte, mußten sie den Palast des Volkes so schnell und so weit wie möglich hinter sich lassen.

Dann kamen sie zu einer weiteren Koppel.

»Seid Ihr befugt, Pferde zu verkaufen?«, wandte Sebastian sich an den Mann, der die Tiere bewachte.

Der Mann lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt, an einem Pfosten. »Nein. Die hier sind unverkäuflich.«

Sebastian nickte. »Trotzdem danke.«

Unvermittelt hielt der Mann Sebastian an seinem Umhang fest, ehe die beiden sich entfernen konnten. Er beugte sich vor. »Ihr wollt die Gegend hier verlassen?«

Achselzuckend antwortete Sebastian, »Wir gehen wieder in den Süden zurück und dachten, es wäre keine schlechte Idee, ein Pferd mitzunehmen, wo wir schon auf Besuch im Palast sind.«

Der Mann lehnte sich ein Stück zur Seite und sah sich nach beiden Seiten um. »Kommt nach Einbruch der Dunkelheit wieder her. So lange habt Ihr doch vor, noch hier zu bleiben? Vielleicht kann ich Euch weiterhelfen.«

Sebastian nickte. »Ich habe noch etwas Geschäftliches zu erledigen, das mich den ganzen Tag in Anspruch nehmen wird. Ich bin zurück, sobald es dunkel ist.«

Er nahm Jennsen beim Arm und schob sie durch das dichte Gedränge auf der Straße. Sie mußten zwei Schwestern ausweichen, die sich ganz begeistert über die Halsketten unterhielten, die sie eben erstanden hatten, während ihr hinter ihnen gehender Vater sich mit einer Unmenge von Einkäufen abschleppte. Die Mutter, ein Ziegenpaar im Schlepptau, hielt ein Auge auf ihre Mädchen. Jennsen spürte einen Stich, fühlte sie sich doch an Betty erinnert.

»Seid Ihr verrückt?«, flüsterte sie Sebastian zu; sie war verwirrt, daß er dem Mann gesagt hatte, er werde nach Einbruch der Dunkelheit wiederkommen. »Wir können unmöglich den ganzen Tag hier bleiben.«

»Natürlich nicht. Der Mann ist ein Halsabschneider. Ich mußte ihn fragen, ob er Pferde verkauft, also weiß er, daß ich das nötige Geld dafür habe, und will mich darum erleichtern. Gingen wir nach Einbruch der Dunkelheit dorthin zurück, hätte er wahrscheinlich ein paar Freunde irgendwo in einem dunklen Winkel versteckt, die uns auflauern, um uns übers Ohr zu hauen.«

»Er ist ein Dieb? Ist das Euer Ernst?«

»Hier wimmelt es nur so von Dieben.« Sebastian beugte sich zu ihr, einen Ausdruck unerbittlicher Harte im Gesicht. »Das hier ist D’Hara – ein Land, in dem die Schwachen von den Habgierigen und Schamlosen ausgebeutet werden, wo sich die Menschen einen Teufel um das Wohlergehen ihrer Mitmenschen scheren, und noch viel weniger um die Zukunft der Menschheit.«

Jennsen wußte nur zu gut, was er meinte. Auf dem Weg zum Palast des Volkes hatte Sebastian ihr ja von Bruder Narev und seinen Lehren erzählt, von seiner Hoffnung auf eine Zukunft, in der nicht Leiden das Schicksal der Menschen bestimmte, in der es weder Hunger noch Krankheit oder Grausamkeit gab und jeder auf das Wohl seiner Mitmenschen achtete. Sebastian hatte ihr erklärt, mit der gütigen Hilfe Jagangs des Gerechten und dem Willen aller anständigen und rechtschaffenen Menschen werde die Bruderschaft der Ordnung dies herbeiführen. Jennsen hatte Mühe, sich eine so wundervolle Welt vorzustellen, eine Welt fernab von Lord Rahl.

»Aber wenn der Mann ein Dieb war, wieso habt Ihr dann gesagt, Ihr kämet wieder?«

»Wenn ich ihm erzählt hätte, ich könnte nicht warten, hätte er seinen Kumpanen womöglich gleich einen Wink gegeben. Wir kennen sie nicht, aber sie uns; für sie wäre es bestimmt ein Leichtes, einen Ort zu finden, wo sie uns überraschen können.«

»Glaubt Ihr das wirklich?«

»Wie ich schon sagte, hier wimmelt es nur so von Dieben. Wenn man nicht acht gibt, kann es leicht geschehen, daß einem jemand den Geldbeutel vom Gürtel schneidet, ohne daß man etwas merkt.«

Gerade wollte sie ihm gestehen, daß ihr genau das bereits passiert war, als sie ihren Namen rufen hörte.

»Jennsen! Jennsen!«

Es war Tom. Dank seiner Körpergröße ragte er wie ein Fels aus der Brandung, trotzdem hatte er die Hand gehoben und winkte ihr so als befürchtete er, sie könnte ihn womöglich übersehen.

Sebastian beugte sich zu ihr. »Ihr kennt ihn?«

»Er hat mir geholfen, Euch freizubekommen.«

Für weitere Erklärungen hatte Jennsen keine Zeit, weil sie dem hünenhaften Mann, der ihr so überschwenglich zuwinkte, mit einem Lächeln zeigen wollte, daß sie ihn gesehen hatte. Tom freute sich wie ein junger Hund, sie wiederzusehen, und verließ augenblicklich seinen Stand, um sie mitten auf der Straße zu begrüßen.

Tom strahlte über das ganze Gesicht. »Ich wußte, daß Ihr wie versprochen kommen würdet. Joe und Clayton haben mich deswegen schon für verrückt erklärt, aber ich hab ihnen gesagt, Ihr würdet Wort halten und noch kurz vorbeischauen, bevor Ihr aufbrecht.«

»Ich ... ich komme gerade aus dem Palast.« Sie klopfte mit der Hand auf ihren Umhang, auf die Stelle, unter der das Messer versteckt war. »Ich fürchte, wir sind sehr in Eile und müssen sofort aufbrechen.«

Tom nickte verständnisvoll. Er ergriff Sebastians Hand und schüttelte sie, als wären sie alte Freunde, die sich lange nicht gesehen hatten.

»Ich bin Tom. Ihr müßt der Freund sein, dem Jennsen helfen wollte.«

»Ganz recht. Ich bin Sebastian.«

Tom wies mit zur Seite geneigtem Kopf auf Jennsen. »Sie hat’s faustdick hinter den Ohren, was?«

»Jemand wie sie ist mir noch nie begegnet«, pflichtete Sebastian ihm bei.

»Etwas Besseres als eine Frau wie sie an seiner Seite kann sich ein Mann nicht wünschen«, bestätigte Tom. Dann trat er zwischen sie, legte ihnen die Arme um die Schultern, um jedes Entrinnen unmöglich zu machen, und führte sie zu seinem Stand. »Ich hab etwas für Euch beide.«

»Und was soll das sein?«, fragte Jennsen.

Sie konnten es sich nicht leisten, Zeit zu verlieren. Sie mußten unbedingt fort sein, bevor der Zauberer sich entweder selbst auf die Suche nach ihnen machte oder ihnen Truppen hinterhersandte. Jetzt, da Nathan sie gesehen hatte, konnte er den Palastwachen eine Personenbeschreibung geben. Bestimmt waren ihre Gesichter langst überall bekannt.

»Ihr werdet schon sehen«, antwortete Tom geheimnisvoll.

Sie sah lächelnd zu dem blonden Hünen hoch. »Raus mit der Sprache, was ist es?«

Tom langte in seine Hosentasche und brachte einen Geldbeutel zum Vorschein. Er reichte ihn ihr. »Also, erst einmal habe ich Euch das hier wiederbeschafft.«

»Mein Geld?«

Tom grinste, als er den erstaunten Ausdruck in ihrem Gesicht sah, als sie den vertrauten, abgewetzten Lederbeutel wieder in Händen hielt. »Es wird Euch freuen zu hören, daß der Gentleman, der ihn bei sich trug, ihn nur äußerst ungern hergeben wollte; da er jedoch nicht sein Eigentum war, hat er schließlich doch noch das Licht der Vernunft erblickt – und ein paar Sterne obendrein.«

Tom stieß sie verschwörerisch gegen die Schulter, so als wollte er sagen, sie wisse schon, was er damit meinte.

Sebastians Blick folgte ihren Bewegungen, als sie den Umhang zurückschlug und den Geldbeutel an ihrem Gürtel befestigte. Seinem Gesicht nach wußte er nur zu gut, was damit geschehen war.

»Aber wie habt Ihr ihn gefunden?«

Tom zuckte mit den Achseln. »Auf einen Besucher wirkt der Markt riesengroß, aber wenn man oft hier ist, kennt man die Stammkunden und weiß, womit sie ihr Geld verdienen. Nach Eurer Beschreibung des Taschendiebs wußte ich Bescheid. Er kam heute Morgen ganz früh hier vorbei, seinen Spruch auf den Lippen, und versuchte, einer Frau ihr Geld abzuluchsen. Ziemlich genau vor unserem Stand sah ich ihn dann seine Hand zwischen das Gepäck unter ihrem Tuch schieben, also hab ich ihn mir beim Kragen geschnappt. Danach hatten meine Brüder und ich eine ausführliche Unterredung mit ihm über die Gegenstände, die er ›gefunden‹ hatte, die ihm aber selbstverständlich nicht gehörten.«

»Hier wimmelt es von Dieben«, bestätigte Jennsen.

Tom schüttelte den Kopf. »Ihr solltet einen Ort nicht nach einem einzelnen Mann beurteilen. Versteht mich nicht falsch – es gibt sie durchaus. Aber die meisten Leute hier sind grundehrlich. Wie ich die Dinge sehe, werdet Ihr überall auf Diebe treffen, das war schon immer so, und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Aber am meisten Angst machen mir die Leute, die Tugend und ein besseres Leben predigen, während sie die guten Vorsätze der Menschen dazu benutzen, ihnen den Blick auf die Wahrheit zu verstellen.«

»Vermutlich habt Ihr Recht«, meinte sie.

»Vielleicht sind Tugend und ein besseres Leben ja Ziele, die solche Mittel rechtfertigen«, wandte Sebastian ein.

»Nach meiner Lebenserfahrung will ein Mann, der Besserung um den Preis der Wahrheit predigt, nur eins, sich selbst zum Herrn und alle anderen zu Sklaven zu machen.«

»Ich verstehe, was Ihr meint«, räumte Sebastian ein. »Dann kann ich mich wohl glücklich schätzen, daß ich mit solchen Leuten nichts zu schaffen habe.«

»Da könnt Ihr wirklich von Glück reden.«

Am Verkaufstisch der Brüder schüttelte Jennsen Joe und Clayton die Hand. »Vielen Dank für Eure Hilfe. Ich kann noch gar nicht glauben, daß ich meinen Geldbeutel wiederhabe.«

»So viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr«, meinte Joe.

»Und nicht nur das«, fügte Clayton hinzu, »wir können Euch gar nicht sagen, wie dankbar wir sind, daß Ihr Tom ein paar Tage lang beschäftigt habt. Endlich hatten wir einmal Zeit, uns den Palast anzusehen. War höchste Zeit, daß er uns eine Pause gönnt.«

Tom legte Jennsen eine Hand auf den Rücken und bat sie um den Tisch herum zu seinem dahinter stehenden Wagen. Sebastian folgte den beiden zwischen den Weinfässern und dem Stand nebenan hindurch, der Lederwaren feilbot und wo zuvor Irma ihre Würstchen verkauft hatte.

Hinter Toms Wagen sah Jennsen seine beiden großen Pferde stehen, und wiederum dahinter schließlich auch die beiden anderen.

»Unsere Pferde!« Jennsen klappte der Unterkiefer herunter. »Ihr habt unsere Pferde wiederbeschafft?«

»Aber ja«, sagte Tom, strahlend vor Stolz. »Heute Morgen lief ich Irma über den Weg, als sie mit einer neuen Fuhre Würstchen zum Markt wollte. Sie hatte die Pferde bei sich. Ich erzählte ihr, Ihr hättet versprochen, mich heute vor Eurer Abreise noch kurz zu besuchen, und sie war froh über die Gelegenheit, sie Euch zurückzugeben. Eure gesamten Vorräte sind auch dabei.«

»Da haben wir ja wirklich Glück«, meinte Sebastian. »Wir wissen gar nicht, wie wir Euch danken sollen. Aber wir sind ziemlich in Eile und müssen unbedingt los.«

Tom deutete auf Jennsens Hüfte, auf die Stelle, wo sie das Messer unter ihrem Umhang trug. »Das dachte ich mir schon.«

Plötzlich überkam Jennsen ein wachsendes Gefühl der Bestürzung, und sie sah sich hektisch um. »Wo ist eigentlich Betty?«

Tom runzelte die Stirn. »Betty?«

Jennsen mußte schlucken. »Betty. meine Ziege.« Es bereitete ihr größte Mühe, ihre Stimme in der Gewalt zu behalten.

»Tut mir leid, Jennsen, aber von einer Ziege weiß ich nichts. Irma hatte nur die Pferde bei sich.« Tom wirkte betreten. »Ich hab gar nicht daran gedacht, sie nach noch etwas anderem zu fragen.«

»Wißt Ihr denn inzwischen, wo Irma wohnt?«

Tom ließ den Kopf hängen. »Leider nein. Heute Morgen tauchte sie plötzlich auf und hatte Eure Pferde und alles andere dabei. Dann hat sie ihre Würstchen verkauft und anschließend noch eine Weile gewartet, bis sie schließlich meinte, sie müsse wieder zurück nach Hause.«

Jennsen faßte ihn am Ärmel. »Wie lange ist das her?«

Tom zog die Schultern hoch. »Ich weiß nicht. Ein, zwei Stunden vielleicht?« Er schaute über die Schulter zu seinen Brüdern. Die beiden nickten.

»Aber wir haben ihr für die Beaufsichtigung unserer Pferde doch Geld versprochen«, sagte Jennsen.

Den Blick noch immer auf seine Füße gesenkt, erklärte Tom, »Sie erzählte mir, daß sie noch Geld für die Beaufsichtigung der Pferde bekommt, und das hab ich ihr gegeben.«

Sebastian holte etwas Geld hervor, zählte einige Silbermünzen ab und reichte sie Tom. Tom wollte sie nicht annehmen, doch Sebastian bestand darauf und warf die Münzen schließlich auf den Tisch, um die Schulden zu begleichen.

Jennsen unterdrückte ihre Verzweiflung. Betty war wohl auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Tom schien untröstlich. »Das tut mir wirklich leid.«

Jennsen konnte nur nicken. Sich die Nase schnauzend, schaute sie zu, wie Joe und Clayton die Pferde für sie sattelten. Die Geräusche des Marktes schienen unendlich weit entfernt, und in ihrem benommenen Zustand spürte sie die Kälte kaum. Beim Anblick der Pferde war sie überzeugt gewesen ...

Sie sah sich nach Tom um. »Aber ich hatte Euch doch von Betty erzählt.« Die Verzweiflung schlug sich in ihrer Stimme nieder. »Daß Irma unsere Pferde und meine Ziege Betty bei sich hat.«

Tom brachte es nicht über sich, ihr in die Augen zu sehen. »Das ist richtig, Ma’am. Tut mir leid, aber ich habe schlicht vergessen, sie danach zu fragen. Ich kann Euch nicht anlügen und irgend etwas anderes erzählen oder mich herausreden. Ihr habt es mir erzählt, und ich habe es vergessen.«

Jennsen nickte und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Jedenfalls vielen Dank dafür, daß Ihr unsere Pferde wiederbeschafft habt, und auch für all die andere Hilfe. Ohne Euch hätte ich das niemals geschafft.«

»Wir müssen uns auf den Weg machen«, sagte Sebastian, der soeben seine Satteltaschen überprüft hatte und nun dabei war, die Laschen festzuzurren. »Es wird eine Weile dauern, bis wir uns einen Weg durch das Gedränge gebahnt und den Markt hinter uns haben.«

»Wir geben Euch Begleitschutz«, schlug Joe vor.

»Die Leute machen Platz, sobald wir mit unseren kräftigen Zugpferden ankommen«; erläuterte Clayton. »Kommt, wir kennen den schnellsten Weg hinaus. Folgt uns, wir bringen Euch durch das Gedränge.«

Die beiden Männer führten ein Pferd heran, so daß sie auf ein Faß steigen und ohne Sattel aufsitzen konnten. Geschickt manövrierten sie die riesigen Tiere durch den schmalen Zwischenraum zwischen Ständen und Fässern, ohne auch nur ein einziges Mal anzuecken. Sebastian wartete bereits auf sie, die Zügel von Rusty und Pete in der Hand.

Als sie an ihm vorüberkamen, hielt Jennsen kurz inne, sah Tom in die Augen und genoß den einen wortlosen Augenblick mit ihm allein inmitten all der Menschen. Dann streckte sie sich zu ihm hinauf, gab ihm einen Kuß auf die Wange und nahm ihn kurz in die Arme. Er berührte ihre Schulter kaum mit den Fingerspitzen. Als sie sich wieder von ihm löste, ruhte sein versonnener Blick noch immer auf ihrem Gesicht.

»Danke, daß Ihr mir geholfen habt«, sagte sie leise. »Ohne Euch wäre ich ... aufgeschmissen gewesen.«

Schließlich konnte auch Tom wieder lächeln. »War mir ein Vergnügen, Ma’am.«

»Jennsen«, verbesserte sie.

Er nickte. »Jennsen.« Er räusperte sich. »Jennsen, es tut mir leid...«

Ihre Tränen unterdrückend, legte ihm Jennsen die Finger auf die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Ihr habt mir geholfen, Sebastian das Leben zu retten. Als ich einen Helden brauchte, wart Ihr zur Stelle. Dafür möchte ich Euch noch einmal von ganzem Herzen danken. Mit Geld läßt sich das nicht aufwiegen, deshalb versuche ich es erst gar nicht.«

Er stopfte seine Hände in die Taschen und senkte den Blick abermals verlegen zu Boden. »Ich wünsche Euch eine sichere Reise, Jennsen, wohin sie Euch auch führen mag. Und danke, daß ich Euch ein kleines Stück des Weges begleiten durfte.«

»Stahl gegen Stahl«, antwortete sie, ohne recht zu wissen, warum, aber es klang irgendwie passend. »Ihr habt mir dabei sehr geholfen.«

Daraufhin mußte Tom erneut lächeln, einen Ausdruck von Stolz und Dankbarkeit im Gesicht.

»Auf daß er die Magie gegen die Magie sein möge. Vielen Dank, Jennsen.«

Sie tätschelte Rustys muskulösen Hals, dann stellte sie einen Fuß in den Steigbügel und zog sich hinauf in den Sattel. Über ihre Schulter warf sie dem hünenhaften Mann einen letzten Blick zu. Tom blieb bei seinem Stand zurück und sah zu, wie Jennsen und Sebastian Joe und Clayton in das Meer aus Menschen folgten. Ihr Begleitschutz, die beiden kräftigen Männer, scheuchten die Leute mit Rufen und Pfiffen zur Seite und räumten so einen Weg für sie frei. Menschen blieben stehen und gafften, sobald sie das Durcheinander näher kommen hörten, traten beim Anblick der großen Pferde dann aber schnell zur Seite.

Sebastian, einen Ausdruck zorniger Erregung im Gesicht, beugte sich zu ihr hinüber. »Was hat dieser riesige Hornochse da eigentlich von Magie gefaselt?«, zischte er.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie mit gesenkter Stimme. Dann seufzte sie. »Jedenfalls hat er mir geholfen, Euch freizubekommen.«

Sie hätte ihm gern geantwortet, daß Tom vielleicht groß war, doch gewiß kein Ochse, unterließ es dann aber. Aus irgendeinem Grund war ihr nicht danach, mit Sebastian über Tom zu sprechen. Er hatte ihr zwar geholfen, Sebastian zu befreien, aber was sie zusammen erlebt hatten, schien ihr aus irgendeinem Grund nicht für fremde Ohren bestimmt.

Als sie den Rand des Marktplatzes endlich erreicht hatten, winkten Joe und Clayton ihnen zum Abschied hinterher, während Jennsen und Sebastian ihre Pferde zu einem Galopp hinaus in die kalte, menschenleere Azrith-Ebene antrieben.

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